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kinderwunsch — wunschkinder - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom ...

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„Vor einiger Zeit habe ich erkannt, dass mein Kinderwunsch zwei Aspekte<br />

hatte. Ich wwäre<br />

äre sehr gerne schwanger gewesen und hätte ein Kind gebo-<br />

ren und dann mit diesem Kind gelebt. Ich hätte mich daran gefreut, Ähn-<br />

lichkeiten von mir oder Lilo an dem Kind zu entdecken. Lange trauerte ich<br />

um das grünäugige Mädchen, das nie geboren werden würde. Irgendwann<br />

erkannte ich, dass es mir vollkommen gereicht hätte, schwanger zu sein<br />

und das Kind auf die Welt zu bringen. Ein Leben mit einem Kind konnte ich<br />

mir, je älter ich wurde, nicht mehr vorstellen.“ Bettina von Hanffstengel<br />

Kinderwunsch – Wunschkind? Von Bettina von Hanffstengel<br />

Nun, die Welt ist anders eingerichtet und das wissen wir alle. Wer ein Kind<br />

bekommt, wird in aller Regel mit diesem Kind leben und lebenslang Verantwortung<br />

tragen. Und natürlich weiß ich schon seit 37 Jahren, dass ich mir zwar mit<br />

viel Aufwand ein Kind ins Leben holen, aber niemals schwanger werden könnte.<br />

Und eine Geburt, die kann ich mir wahrscheinlich nur im Fernsehen anschauen, so<br />

dachte ich lange Zeit und war darüber sehr traurig.<br />

Bei der Ausbildung zur Kinderkrankenschwester hatten wir das Fach „Das gesunde<br />

Kind”. Da lernten wir die Vorbereitung auf die Geburt und dazu gehörte auch, den<br />

Koffer für die Klinik zu packen, wann das geschehen sollte, was alles hinein gehört.<br />

Ich war sehr überrascht, dass da lauter Wegwerfartikel reinkamen, wie Einmal-<br />

Unterhosen und Einmal-Waschlappen. „So etwas würde ich nicht nehmen!”, habe<br />

ich mir gedacht und in allen Einzelheiten vorgestellt, was ich in diesen Koffer<br />

packen würde. Es hat dann sehr lange gedauert <strong>—</strong> ich glaube eine Woche <strong>—</strong> bis<br />

mir bewusst wurde, dass ich diesen Koffer für die Klinik niemals für mich selbst<br />

packen würde. Und selbst dann mochte ich es kaum glauben, so farbig war die<br />

Vorstellung gewesen.<br />

Jahre sind seitdem vergangen. Eines Tages wurde meine Freundin Heike* im Alter<br />

von 35 Jahren überraschend schwanger. Lange hatte auch sie sich nach einem<br />

Kind gesehnt. Aber nun war sie vom falschen Mann schwanger. Lange hat sie es<br />

nicht einmal bemerkt und als sie es merkte, war es für eine Abtreibung zu spät.<br />

Früh fiel die Entscheidung, das Kind zur Adoption frei zu geben.<br />

Etwa zwei Monate vor der Geburt fragte sie mich, ob ich bei der Geburt dabei sein<br />

wollte. Das Kind sollte um den 24. Dezember herum geboren werden. Sie bat mich<br />

sogar darum, mit ihr zur Geburtsvorbereitung ins Martha-Maria-Krankenhaus zu<br />

gehen. Das tat ich sehr gerne und fand die Sache hochinteressant.<br />

Und wieder verging die Zeit. Weihnachten rückte heran. Am 24. Dezember bereite-<br />

ten Lilo und ich alles für unseren Weihnachtsabend vor. Um 18.00 Uhr sagte Lilo:<br />

„In einer Stunde ist Weihnachten, dann hörst du auf mit aufräumen und schmücken,<br />

dann muss alles fertig sein.” Eine halbe Stunde später rief Heike an. Es war<br />

so weit. Sie war auf dem Weg in die Klinik Hallerwiese, hatte sich ganz kurzfristig<br />

dazu entschlossen. Ich sollte erst mal in die Klinik kommen und anschließend bei<br />

ihr zu Hause noch den Mutterpass und andere Unterlagen finden und ins Krankenhaus<br />

bringen. Ich nahm also den Schlüssel und suchte in Heikes chaotischer,<br />

unaufgeräumter Wohnung nach dem Mutterpass. Ich fand glücklicherweise alles<br />

und kehrte ins Krankenhaus zurück.<br />

<strong>kinderwunsch</strong> <strong>—</strong> <strong>wunschkinder</strong><br />

Nie zuvor hatte ich mir klar gemacht, wie lang so eine Geburt dauern kann. Aus zwei<br />

anderen Zimmern hörte ich das stark verstärkte Geräusch des Herzschlags der<br />

Kinder. Meine Freundin badete erst einmal ausgiebig. Dann ging sie in das Zimmer,<br />

in dem sie gebären sollte. Sie lief hin und her und regte sich immer noch über den<br />

Kindsvater auf und dass sie das Kind eigentlich gar nicht wollte. Im Martha-Maria-<br />

Krankenhaus hatte es ein Seil gegeben, an das sie sich hätte hängen können. Das<br />

fehlte ihr hier und sie hängte sich ein wenig an mich. Das war nicht so einfach,<br />

denn sie ist größer als ich. Sie ärgerte sich sehr darüber, dass es kein Seil gab.<br />

Sie wehrte sich mit aller Vehemenz gegen den Wehenschreiber, aber vergebens.<br />

Immer wieder sagte die Hebamme: „So wie Sie es wollen, können Sie hier gar nicht<br />

gebären. Das geht nur bei der Hebamme.” Für diesen klugen Rat war es leider zu<br />

spät. Heike hatte sich viel zu lange gegen das Kind gewehrt, um eine Geburt bei<br />

einer Hebamme im Geburtshaus in die Wege zu leiten. Und doch waren manche<br />

Dinge möglich, an die ich in einem Krankenhaus nicht gedacht hatte. Ich durfte<br />

getrockneten Salbei mitbringen, an dem Heike roch, und es gab eine Duftlampe.<br />

Das Bett, in das sich Heike schließlich legte, war eine Überraschung. Man konnte es<br />

nämlich quer teilen, so dass die Gebärende darin auch sitzen und die Füße aufstüt-<br />

zen konnte. Die Geburt zog und zog sich dahin und schließlich verlor die Hebamme<br />

die Geduld und sagte zu Heike, sie solle ihre Füße gegen uns beide stützen und<br />

pressen. Heike rief: „Ich will nicht! Ich will einen Kaiserschnitt!” „Dafür ist es zu<br />

spät, pressen Sie!” Und Heike presste nach Leibeskräften. Endlich, um 6.03 Uhr in<br />

der früh kam Scott Rafael Ganesha zur Welt. Sie bereiteten alles vor und ich durfte<br />

ihn abnabeln. Die Hebamme machte sogar ein Bild von Scott. Dann fuhren sie Heike<br />

mit ihrem Kind heraus. Es dauerte etwa 30 Minuten, bis sie bereit war, dem Kind<br />

die Brust zu geben. Ich verabschiedete mich von ihr auf der Neugeborenenstation.<br />

Später schickte mir Heike noch ein sehr schönes Bild von sich und Scott mit einem<br />

roten Fußabdruck. Das Bild habe ich noch heute. Scott habe ich jedoch nie wieder<br />

gesehen. So weit ich weiß, hat ihn Heikes Schwester adoptiert. Auch Heike ist aus<br />

meinem Gesichtskreis verschwunden und lebt nun in Österreich.<br />

* Heike ist selbstverständlich ein Pseudonym<br />

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