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Urlaub ohne Grenzen! - Nansen & Piccard

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48 short story<br />

➾<br />

Bezeichnung. Im Augenwinkel beobachtete ich, wie eine Frau<br />

ihren Zeigefi nger in eine dieser mit Wasser gefüllten, in öligen<br />

Regenbogenfarben leuchtenden Paua-Muscheln steckte und dann<br />

ein Lämpchen aufl euchtete. Die Frau lächelte und freute sich über<br />

das kleine Wunder. Ich starrte in Blairs treue Hunde-Augen. »Ich<br />

liebe Dinge, die sich bewegen. Bewegung kennt keine <strong>Grenzen</strong>«,<br />

sagte er, wieder mit dieser ruhigen, nicht gehetzten Stimme,<br />

die aus der Stille des Universums zu sprechen schien. Blair hatte<br />

schon als Kind viel Zeit in den Catlins verbracht, während der<br />

Sommerurlaube mit seinen Eltern. Sein früheres Leben, in dem er<br />

auch mal Architekt werden wollte, habe er mit 19 Jahren beendet,<br />

erzählte er. Danach sei er viel unterwegs gewesen. Nicht in der<br />

Welt. In Neuseeland. Vor allem auf der Südinsel. Das sei seine<br />

Welt. Später habe er sich dann diesen Bus, in dem sich heute<br />

seine Galerie befi ndet, gekauft und sei mit ihm umhergefahren<br />

und habe auf Märkten seine Automaten verkauft. Dann sei er<br />

irgendwann hier gelandet. Und so schnell wolle er auch nicht<br />

mehr weg. Wohin auch?<br />

Mit seinem Hund lebte er in einer Hütte hinter dem Bus.<br />

Irgendwann wolle er ein größeres Museum für seine Automaten<br />

eröff nen. »Aber ich habe so viele Projekte. Die Liste ist lang.«<br />

Blair gefi el mir. Er war vielleicht ein sorgloser Sonderling, ein<br />

Träumer, aber kein Spinner. Im Gegensatz zu vielen, die davon<br />

träumten, auf einer einsamen Insel zu leben, schien mir, dass er<br />

wusste, was er tat. Vor allem gefi el er mir aber, weil er off enbar<br />

kein Missionar war, der einen von seiner Lebensweise überzeugen<br />

wollte. Blair wusste um die Härte des Lebens hier draußen in den<br />

Catlins. Und um die Entbehrungen, die er im Gegenzug für ein<br />

frei gewähltes Leben opfern musste. »Ja, eine Frau würde mir<br />

schon gefallen. Aber die meisten halten es nicht länger als zwei<br />

Wochen hier aus«, meinte er mit einem traurigen Blick. Und in<br />

Papatowai gebe es weit und breit keine junge Frau. »Der einzige<br />

Single in der Gegend ist eine 90 Jahre alte Lady.«<br />

Ich drehte eine letzte Runde durch den Wunderladen. Schließlich<br />

wollte ich vor Sonnenuntergang in Curio Bay sein. Und am<br />

Horizont glühte der Abendhimmel schon so rot, als hätte das<br />

Christkind gerade seinen Backofen angeheizt. Ich wollte mich<br />

gerade von Blair verabschieden, da sah ich, wie ein alter Mann<br />

mit mitleidvollem Blick etwas Geld in den Spendenkorb legte und<br />

dann kopfschüttelnd raunte: »So ein Verrückter. Der sollte mal<br />

erwachsen werden und in der Welt ankommen.« Dann verließ<br />

er, seine Frau im Schlepptau, den Bus.<br />

Als kulturbefl issener Mensch aus dem alten Europa musste<br />

ich Blair noch eine letzte Frage stellen. »Sag mal, ist das für dich<br />

Kunst, was du da machst?« Blair antwortete <strong>ohne</strong> Umschweife.<br />

»Ich stehe mit meinen Automaten wohl irgendwo zwischen Physik,<br />

Mechanik und Kunst«, erklärte er <strong>ohne</strong> Umschweife. »Ich mag<br />

Bewegung. Wenn man etwas bewegt, ist das für mich Kunst.<br />

Manchmal denke ich aber auch, dass Motorräder Kunst sind.«<br />

»Aha«, raunte ich. »Mmmmh«, raunte er.<br />

Ingo Petz, 35, Journalist und Autor, lebt in Berlin. Mittlerweile kennt er Wolgograd,<br />

Baku und Minsk besser als seine Heimatstadt Düren. Bei Droemer<br />

Knaur erschien soeben sein Buch Kiwi Paradise. Reise in ein verdammt<br />

entspanntes Land (18,95 Euro) über Neuseeland. Der vorliegende Artikel<br />

basiert auf einem Kapitel des Buchs.<br />

❊<br />

➾<br />

life, during which he wanted to become an architect, at age<br />

nineteen, he explained. Th en he traveled a lot. Not the world, but<br />

New Zealand, especially the South Island. It became his world.<br />

Later he bought the bus that now houses his gallery and drove<br />

around to sell his automatons at town markets. Th en at some<br />

point he landed. And he didn’t intend to leave any time soon.<br />

Where would he go?<br />

He lived with his dog in a cabin behind the bus. At some point<br />

he wanted to open a larger museum for his automatons. »But I<br />

have so many projects. Th e list is long.« I liked Blair. Maybe he<br />

was a carefree misfi t, a dreamer, but not a nutcase. In contrast to<br />

many who dream of living on a deserted island, it seemed to me<br />

that he knew what he was doing. But mostly I liked him because<br />

he obviously wasn’t a missionary eager to convince others of the<br />

merits of his way of life. Blair was well aware of the harshness<br />

of life out in the Catlins. And of the hardships he had to endure<br />

in return for a life freely chosen. »Yes, I would like a woman.<br />

But most of them don’t last longer than two weeks out here,«<br />

he said with a sad expression. And in Papatowai there wasn’t a<br />

young woman for miles around. »Th e only single in the area is a<br />

90-year-old lady.«<br />

I did a fi nal round of the miracle shop. I intended to be in Curio<br />

Bay before sundown. And on the horizon the evening sky already<br />

glowed red, as if Santa had just fi red up his stove. I was about to<br />

say good-bye to Blair when I saw an old man with a pitying gaze<br />

put some money into the donation basket and then shake his<br />

head, murmuring: »What a nut. He should grow up and arrive<br />

in the real world.« Th en the man, his wife in tow, left the bus.<br />

As a culture-savvy person from old Europe, I had to ask Blair a<br />

fi nal question. »Tell me, do you consider what you’re doing art?«<br />

Blair’s answer was straightforward: »With my automatons I’m<br />

somewhere on the brink between physics, mechanics and art. I like<br />

motion. If you move something, I consider it art. But sometimes<br />

I also consider motorcycles art.« »I see,« I murmured. »Hmm,«<br />

he murmured.<br />

Ingo Petz, 35, journalist and author, lives in Berlin. By now he knows Vol-<br />

gograd, Baku and Minsk better than his hometown of Düren. His book Kiwi<br />

Paradise about New Zealand (18.95 Euros) was just published by Droemer<br />

Knaur, Germany. This article is based on a chapter of the book.<br />

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