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Das Hauptgebäude der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen Foto: RWTH Aachen<br />
Deutschen Kaisers, <strong>da</strong>s „persönl<strong>ich</strong>e Regiment“ Wilhelms<br />
II., war <strong>da</strong>durch gekennze<strong>ich</strong>net, <strong>da</strong>ss er s<strong>ich</strong><br />
um Quisquilien kümmerte, die jeder andere Herrscher<br />
seinem Ministerpräsidenten und dessen nachgeordneten<br />
Dienststellen überlassen hätte. Wilhelm<br />
II., in vielfacher Hins<strong>ich</strong>t ein „Moderner“, glaubte<br />
am Vorabend des 20. Jahrhunderts wie viele andere,<br />
<strong>da</strong>ss der Zusammenhang zwischen Technisierung<br />
und Fortschritt schl<strong>ich</strong>t Naturgesetz sei. Und so<br />
unterstützte er auch die Technischen Hochschulen in<br />
ihrem Streben nach akademischer Gle<strong>ich</strong>stellung mit<br />
den Universitäten: Am 11. Oktober 1899 entschied<br />
er als König von Preußen per Dekret, <strong>da</strong>ss die <strong>da</strong>mals<br />
drei preußischen Technischen Hochschulen<br />
Hannover, Aachen und Berlin-Charlottenburg <strong>da</strong>s<br />
Promotionsrecht zu bekommen hätten. Die anderen<br />
Staaten im Re<strong>ich</strong> zogen schnell nach.<br />
In den Augen der Ingenieure hatte der neue Zustand<br />
allerdings noch einen Makel. Laut Dekret durfte der<br />
Doktortitel n<strong>ich</strong>t ausgeschrieben werden, wie zum<br />
Beispiel „Doktor der Philosophie“. Er war nur als Abkürzung<br />
„Dr.-Ing.“ erlaubt, und zwar nur in deutscher<br />
Schrift. Da <strong>da</strong>mals die meisten Druck-<br />
Erzeugnisse in Fraktur gesetzt waren,<br />
fiel im Druckzusammenhang der Kürzel<br />
„Dr.-Ing.“ wenig auf. Die klassischen<br />
Doktoren kürzten ihren Titel weiterhin in<br />
Antiqua ab, so <strong>da</strong>ss der Dr. phil. in einem<br />
Fraktur-Text auffälliger war. Das ingenieurwissenschaftl<strong>ich</strong>e<br />
Ehrendoktorat lautet bis heute<br />
„E.h.“ („Ehren halber“), n<strong>ich</strong>t wie die älteren Ehrendoktorate<br />
„h.c.“ („honoris causa“).<br />
Dennoch: Die Bemühungen der Technischen Hochschulen<br />
um akademische Gle<strong>ich</strong>stellung mit den<br />
Universitäten hatten mit dem Promotionserlass<br />
Wilhelms II. von 1899 zu mehr als bloß einem Kompromiss<br />
geführt. Die Vollparität wurde allerdings<br />
erst erre<strong>ich</strong>t, als 1919 die Rektoren der Technischen<br />
Hochschulen zur Deutschen Rektorenkonferenz hinzustoßen<br />
durften.<br />
Siegfried Koß<br />
ÜBER DEN <strong>KV</strong> HINAUS<br />
AM 65