BEITRÄGE 102mäkelnd o<strong>de</strong>r besserwisserisch. Wir wer<strong>de</strong>n da noch vielüber uns selber und unsere Geschichte lernen dürfen.c) Ökumenisierung:Ich möchte diesen ungefügen Begriff, <strong>de</strong>r bestimmt nochan<strong>de</strong>rs und besser gefaßt wer<strong>de</strong>n kann, hier benutzen, umeine Forschungsten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r Zukunft zu skizzieren, dieihrerseits entschei<strong>de</strong>nd dazu beitragen wird, die ost<strong>de</strong>utscheKirchengeschichtsforschung aus <strong>de</strong>r Enge in die Weitezu führen. Aus vielen nachvollziehbaren Grün<strong>de</strong>n habenwir uns in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten und schon lange zuvorfast ausschließlich um unsere eigenen „Gärtchen“ gekümmertund dabei nicht bemerkt, wie die Mauern eines geistigenGhettos in die Höhe wuchsen. Evangelische und Katholikensahen fast immer nur auf das je Eigene und bemerktendarüber oft nicht, wie das alles immer in viel weitere,oft überraschen<strong>de</strong> Zusammenhänge eingeordnet war,die gesehen wer<strong>de</strong>n müssen, will man das Phänomen insgesamtbegreifen. Heute müssen aber nicht nur die Gartenzäunezwischen Protestantismus und Katholizismus überwun<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>n. Oft wird es - je nach Thema - nicht mehrohne einen Blick in die orthodoxe Welt, die Lebensräume<strong>de</strong>r Freikirchen und Son<strong>de</strong>rgemeinschaften o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>nKosmos <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums abgehen können. Erst mit dieserWeite <strong>de</strong>s Blicks kann die Be<strong>de</strong>utsamkeit unserer Themenauch einer breiteren Öffentlichkeit einsichtig gemacht wer<strong>de</strong>n,die auf solche Einsichten ja nun eben nicht gera<strong>de</strong>wartet. Es geht nicht um das Vergleichen um je<strong>de</strong>n Preis,das heute mancherorts schon zu einer Marotte gewor<strong>de</strong>nist, son<strong>de</strong>rn um das Erkennen von Zusammenhängen, in<strong>de</strong>nen die Deutschen, ihre Kirchen und Gemein<strong>de</strong>n, imOsten gelebt haben.Alles das, was ich hier benannt habe, muß sich aberüber das reine wissenschaftliche Erkenntnisinteresse hinausauch in eine gesamteuropäische Erinnerungsarbeit einordnen,die die Gräben und Gräber <strong>de</strong>r Vergangenheit nichtleugnet, son<strong>de</strong>rn bereit ist, sehr genau hinzuschauen. ImFokus solcher Erinnerungsarbeit wer<strong>de</strong>n immer die Opferauf allen Seiten zu sehen sein. Ihrer zu ge<strong>de</strong>nken ist einetheologische, historische und politische Aufgabe, <strong>de</strong>r sichje<strong>de</strong> Generation neu stellen muß. Auch <strong>de</strong>shalb und gera<strong>de</strong><strong>de</strong>shalb hat ost<strong>de</strong>utsche Kirchengeschichte eine Zukunft!Aus: Ostkirchliche Information, Ausgabe II-2010 Die Heilandskirche in GrüssauDIETMAR NEßEv. Heilandskirche GrüssauFoto: Archiv GESDie prachtvolle barocke Klosterkirche ist zu Recht„weltbekannt“ - aber wir evangelischen Schlesierdürfen doch auch an ein ganz beschei<strong>de</strong>nes evangelischesKirchlein erinnern, das es in dieser Hochburg katholischerFrömmigkeit ebenfalls gab, wenn auch nur fürein einziges Menschenalter. Eine polnische Stu<strong>de</strong>ntin ausWal<strong>de</strong>nburg, Natalia Po³udniak, übermittelte, als Dank füreine Auskunft, einige aktuelle Fotos <strong>de</strong>s Kirchleins: eintrostloser Anblick, aber nun eben ein Anlaß, ein wenig vonihm zu berichten.Der 4. Juli 1913 war <strong>de</strong>r Festtag <strong>de</strong>r Einweihung, dievom Generalsuperinten<strong>de</strong>nten D. Haupt vollzogen wur<strong>de</strong>.Man muß - und damals hat man es noch ganz stark empfun<strong>de</strong>n,Kirche und evangelische Gemein<strong>de</strong> im Gegenüberzum gera<strong>de</strong>zu übermächtigen Kloster sehen; man muß wissen,daß eine kurze Zeit lang im Reformationszeitalter auchdas Grüssauer Klosterland weithin evangelisch gewesenwar. Erst 1849 konnte in Liebau, 1882 in Schömberg eineGustav-Adolf-Kirche gebaut wer<strong>de</strong>n, nun als drittes Gotteshaus<strong>de</strong>s weitläufigen Kirchspiels also hier in Grüssaudie „Heilandskirche“ (1938 kommt noch eine Luther-Kapelle im Wallfahrtsort Albendorf hinzu); selbst diese Namensgebungist ein bewußtes Zeichen evangelischen Glaubens.Auch diesmal stellte <strong>de</strong>r Gustav-Adolf-Verein dieMittel für eine Gemein<strong>de</strong>, die im Ort selbst weniger als 200Glie<strong>de</strong>r umfaßte, im 1926 selbständig gewor<strong>de</strong>nenKirchspiel Schömberg-Grüssau nur etwa 10 % <strong>de</strong>r Bevölkerung.
103BEITRÄGEwar das Thema <strong>de</strong>r Predigt <strong>de</strong>s Gemein<strong>de</strong>pastors HermannNeugebauer; und wie gerne wür<strong>de</strong>n wir ein gutes Foto <strong>de</strong>sAltarfesters zeigen, das eben diesen „Heilandsruf“ zumBildthema hatte und von einem Lan<strong>de</strong>shuter Kommerzienratund Geheimrat Rinckel gestiftet wor<strong>de</strong>n war -wenn wir dieses Bild nur hätten; die Altarbibel mit eigenhändigerWidmung übrigens stiftete Kaiserin AugusteViktoria. Entworfen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bau vom Breslauer ArchitektenHenri; <strong>de</strong>n Künstler <strong>de</strong>s Glasfensters haben wir nichtfeststellen können.Denn, um zum Ausgangspunkt dieses kleinen Textes zurückzukehren:das Gotteshaus stand, nach<strong>de</strong>m die meistenBlick ins InnereFoto: Archiv GESDer Einweihungstag, so wird berichtet, war ein strahlen<strong>de</strong>rJuli-Sonntag, zu Hun<strong>de</strong>rten kamen sie zu einer Art evangelischemVolksfest. In einem kleinen Betsaal unmittelbarhinter <strong>de</strong>m Kloster hatte die Gemein<strong>de</strong> schon seit 21 JahrenGottesdienste feiern dürfen; von dort zog man zum neuenGotteshaus. Und weil das gera<strong>de</strong> nur ca. 200 Personen aufnehmenkonnte, fand parallel auf <strong>de</strong>m hinter <strong>de</strong>r Kirchegelegenen, für einen Friedhof vorgehaltenem Platz ein weitererGottesdienst im Freien statt. Im Waldgasthaus undWaldgarten „Bethlehem“ wur<strong>de</strong> bis in <strong>de</strong>n Nachmittagweitergefeiert, mit einem Abschlußkonzert im Grünen.„Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und bela<strong>de</strong>nseid: ich will euch erquicken.“ Dieser Vers aus Matthäus 11Die Kirche heuteFoto: Natalia Po³udniakDie Kirche heuteFoto: Natalia Po³udniakGemein<strong>de</strong>glie<strong>de</strong>r mit ihrem Pastor Walter Kindler im Mai1946 vertrieben waren und <strong>de</strong>r „Rest“ noch für ein Jahrvom Lektor Willi Krügel betreut wor<strong>de</strong>n war, zunächst leer.Ein Foto aus <strong>de</strong>m Jahre 1978 zeigt, daß irgendjemand versuchthat, es zu einem Wohnhaus umzubauen - aber nachjetzt 30 Jahren liegt auch diese Baustelle verlassen ...Auch wenn auf diesen Text kein Echo im Sinne „schöner“Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Erinnerungen an uns kommt: kann irgendjemandaus <strong>de</strong>r Lesergemein<strong>de</strong> uns helfen?; uns fehltgänzlich eine Foto <strong>de</strong>r Kapelle in Albendorf; und überhaupt:wenn in irgend einem privaten Fotoalbum noch einBild gut behütet als An<strong>de</strong>nken, aber verborgen „schlummert,von <strong>de</strong>r Grüssauer, Schömberger, Liebauer Kirche,Pfarrhaus, einer Taufe, Konfirmation . . . eine gute Reproduktionfür unser Bildarchiv ist sehr, sehr willkommen. Mitteilung,Zusendung an <strong>de</strong>n unterzeichneten Schriftleiter.