Maestro Nr. 2/2005Auftragskompositionen BDV-Kongress LuzernTheo Martin, SafnernNeue <strong>Schweizer</strong>ische Blasmusikliteratur vorzustellenist eine der Hauptaufgaben einesDirigentenkongresses. Am – auf vielfachenWunsch nur noch eintägig stattfindenden –Kongress vom 4. Juni 2005 in Luzern werdenvier neue Werke zu hören sein. Der<strong>Schweizer</strong> Blasmusikdirigenten-Verband willdamit auch ein Gegengewicht setzen zumso genannten Weltstil. Dieser zeichnet sichdadurch aus, dass holländische, englischeund amerikanische Kompositionen ziemlichähnlich tönen. Entstanden sind Werke verschiedenerSchwierigkeitsgrade, Formenund Besetzungstypen – sie garantieren einenabwechslungsreichen und spannendenKongress.Die Komposition «Tuba-Night» von ChristophWalter ist grösstenteils in den langen,sternenklaren Winternächten entstanden.Daher der schlichte Name. Präsentiert wirdein Konzert für Tuba und Blasorchester imU-Musik-Bereich, das vorwiegend mit melodiösenLinien sowohl die Musikantinnenund Musikanten als auch die Zuhörer unterhaltensoll. Das Werk ist (mit einem angepasstenProbenaufwand) für einen engagiertenAmateur-Tubisten sowie ein Blasorchesterin der oberen 2. Stärkeklasse spielbar.Nebst temperamentvollen und schnellenPassagen kann sich der/die Solist(in) in«Blues-, Funk-, Bossa Nova- oder kuhreigenartigen»Melodien in Szene setzen.Christoph Walter studierte an der MusikhochschuleZürich Trompete, Klavier undBlasmusikdirektion. Mit dem Lehrdiplom fürTrompete schloss er 1989 seine Studien ab.Von 1991 bis 1997 war Christoph Walterals Musikinstruktor für die Ausbildung vonRekrutenspielen verantwortlich. Er ist seit1999 musikalischer Leiter des Repräsentationsorchesters<strong>Schweizer</strong> Armeespiel. Zurzeitarbeitet Major Christoph Walter alsChef Kaderschule im KompetenzzentrumMilitärmusik. Er ist zudem seit vielen Jahrenaktiver Arrangeur und Komponist. Nebenseiner beruflichen Tätigkeit bei der Militärmusikdirigiert er das UnterhaltungsblasorchesterLuzern (FML). Aus seiner Federstammt auch die Komposition «Just intime», mit der er anlässlich des «1. Festivalsder Unterhaltungsmusik 2004» den 1.Preis gewann. Walter schrieb ebenfalls dieoffizielle Eröffnungsfanfare für das EidgenössischeMusikfest 2006 in Luzern (ASalute from Lucerne: Fanfare and Theme),die in den nächsten Monaten öfters im Radiozu hören sein wird.Von ganz anderem Charakter ist die Komposition«Death Of A Robot». Urs Heribeschreibt seine Episode für Brass Band mitfolgenden Worten: «Zahnräder zeichnendie Zeichen der Zeit. Wieder und wiederwerden sie wirbeln wie der Wind. Unstetsind sie und unsere Unruhe untermauernsie. Reiben die Zacken, greifen die Zähne,packen die andern. Gleichförmig. Exzen-trisch. Es treibt der Rhythmus die Maschine.Dasein des Dinges. A Robot. On. Off. Tönesind die Kapseln für die Seele. Sie schwingenweit, tönen Fühlen an. Klang rast,steigt auf, perkusst. Drückt und drängt donnernddavon. Fliesst Öl dickt. Töne treibenins Getriebe. Stockt des Mechanismus Puls,stockt der Atem – des Menschen. Off.»Der 1959 geborene Urs Heri studierteMusik an den Konservatorien Bern und Luzern.Er lebt als Musikpädagoge, Blasmusikdirigentsowie als Musikverleger in Deitingen.Heri ist Mitglied der Musikkommissiondes <strong>Schweizer</strong> <strong>Blasmusikverband</strong>es sowieder Vorstände des <strong>Schweizer</strong> Blasmusikdirigenten-Verbandesund von WasbeSchweiz. Er ist zudem Autor eines Buchszum Musikpreis Grenchen. Heri ist von Hausaus studierter Klarinettist und Saxophonist;mit seiner Episode für Brass Band erkundeter – nicht zum ersten Mal – einen anderenKlangkörper und lässt die Musik sprechen.Das «Concertino für Klarinette und BrassBand» von István Hajdu ist in einer erweitertenSonatensatzform geschrieben. DasWerk ist inspiriert durch die ungarischeVolksmusik, enthält jedoch auch fanfarenartigePassagen. Nach einer langsamenEinleitung beginnt ein heiteres Tanzmotivals Hauptthema. Auf die Weiterentwicklungfolgt ein tiefsinniges zweites Thema, welchessogleich verarbeitet wird. Das Hauptthemakehrt zurück und das Stück mündetin ein temperamentvolles Finale.István Hajdu,1967 in Basel geboren, studierteam Konservatorium Basel Saxophonbei Ivan Roth und Klavier bei László Gyimesiund Janka Wyttenbach. Als Autodidaktsetzte er sich schon seit frühesterJugend mit dem Komponieren auseinander.Neben dem Selbststudium gaben ihm seineStudien bei Peter Benary in Luzern die entscheidendenImpulse für ein freies undzugleich strukturiertes Vorgehen beim Komponieren.Im Rahmen der InternationalenFesttage B. Martinu in Basel wurden 2001seine 1. Rhapsodie und anlässlich «Musikim Schloss Blumenstein» in Solothurn 2004seine 2. Rhapsodie für Klarinette und Klavierdurch Dimitri Ashkenazy und RobertKolinsky uraufgeführt. Beide Rhapsodienwerden stets mit grossem Publikumserfolggespielt. Sein Orchesterwerk «Nuit» fürChor und grosses Orchester wurde vomVivaldichor Delémont und dem SymphonieorchesterKöniggräz (Hradec Kralové)unter der Leitung von Marc-Olivier Oetterliuraufgeführt. Hajdu schrieb unter anderemStücke für Ballet, Cabaret und Jugendorchester.Er unterrichtet Saxophon und Klavieran den Musikschulen Zürich und RegionGürbetal.Durch die <strong>Schweizer</strong> Volksmusik geprägt ist«Vom Herbst i Früehlig», eine Fantasie fürJodelchor und Blasorchester von Emil Wallimann.Der Auftrag des <strong>Schweizer</strong> Blasmusikdirigenten-Verbandeslautete, ei-neKomposition für Jodelchor und Blasorchestermit einer Länge von ungefähr zehnMinuten im Schwierigkeitsgrad der 2. Klassezu schaffen. Die Zusammenarbeit dieserbeiden Dorfvereine erfolgt vor allem anKirchen- oder Adventskonzerten. Deshalbwollte Wallimann ein Werk schaffen, welchessich vorzüglich für eine Aufführung inder Kirche eignet. Das Jodellied ist einStrophenlied mit Jodel. Es bleibt meistensüber die ganze Länge in der gleichen Tonartmit einer eher begrenzten Harmonik.Um etwas Farbe in den harmonischen Ablaufzu bringen, hat der Komponist zweiLieder verarbeitet. Das Werk ist so konzipiert,dass das Zusammenspiel sehr einfachund mit wenig Probenaufwand zu erreichenist. Für die Instrumentation wurde einevoll ausgebaute Harmoniebesetzung vorgesehen.Der Blasmusikdirigent muss mit demJodelchordirigenten alle Tempi und Gestaltungsmöglichkeitenabsprechen. Für eineinteressante Aufführung in der Dynamikund Agogik bietet dieses Werk viel Spielraum.Emil Wallimann wurde 1957 in Alpnachgeboren, besuchte dort die Schulen undabsolvierte anschliessend eine Lehre alsBauspengler. Mit 22 Jahren fand derWechsel von den «Dächern» in die Räumlichkeitendes Konservatoriums in Luzernstatt. Hier folgte die Ausbildung zum Klarinettenlehrer(Antony Morf) und Blasmusikdirigenten(Josef Gnos). 1985 übernahm erdie Leitung der Musikschule Ennetbürgen,seinem heutigen Wohnort. Dort leitet erden Kinderchor und die Jungmusik sowieverschiedene Kleinformationen der MusikschuleEnnetbürgen. Seit 1990 ist er Dirigentder Musikgesellschaft Ennetbürgensowie Musikkommissionspräsident des UnterwaldnerMusikverbandes. Emil Wallimannist regelmässig als Experte an verschiedenenMusik- und Jodlerfesten anzutreffen.Bis heute hat er in den Bereichen Blasmusikund Jodelgesang insgesamt etwa 80 Werkegeschaffen.Der Kongress beginnt am 4. Juni um9.30 Uhr im KKL in Luzern. Unter demMotto «KKL hinter den Kulissen» folgenBesichtigung mit Führung sowie der Besuchder Generalprobe der Brass BandBürgermusik Luzern. Ab Mittag findenim Casino Luzern die Generalversammlungenvon BDV und SMV statt. Anschliessenderarbeitet Isabelle Ruf-Weberzwei Auftragskompositionen. Nach demBuffet besuchen die Kongressteilnehmerdie Brass Gala der BB BürgermusikLuzern im KKL. Dort werden die weiterenUraufführungen zu hören sein.Auskünfte zum Dirigentenkongress vom 4. Juni inLuzern: Lydia Stöckli Marbet, 079 238 95 28oder lydia.stoeckli@dirigentenverband.ch14 UNISONO 8 • 2005
Maestro Nr. 2/2005Gefragte Musiker – kurz befragtChristoph Walter, Triengen, MusikerChristoph Walter, Sie sind alles anderedenn ein Ver-Walter alter oder veralteterStrukturen. Warum wurde ausgerechnet dasneu geschaffene 1. <strong>Schweizer</strong> Blasmusikfestivalteilnehmermässig beinahe zum Flop?Der Zeitpunkt, so kurz nach den Sommerferien,war sicherlich falsch gewählt. Zudemhatte beispielsweise die welsche Schweiz mitden Probearbeiten noch nicht begonnen.Man kann also den Musikvereinen kein Desinteressevorwerfen. Der Austragungsort, dieOrganisation, der Zyklus und ein eventuellesQualifikationssystem müssen überdacht werden.Ausnahmsweise interessiert mich bei Ihnender Rückspiegel sehr! Wie sind Sie in jüngstenJahren zur Musik gekommen?Durch mein Elternhaus. Mich hat die Musikschon immer fasziniert. Ich begann mitSchlagzeug, Klavier und Trompete. Späterlernte ich noch Akkordeon und einige wichtigePerkussionsinstrumente. Die ersten Jahrespielte ich viele Melodien auswendig und«begleitete» so meinen Plattenspieler. Erstspäter besuchte ich den Musikunterricht undlernte die Noten richtig kennen. Meines Erachtensist das auch noch aus heutiger Sichtein guter Weg, um die Musik spielerisch mitviel Freude und Lust zu erleben.Fleiss ist eines der wichtigsten Elemente desLernens. Bitte schildern Sie das Übungsverhaltenin Ihren Jugendjahren.Leider war ich ein fauler, bequemer Kerl,hatte viel Talent und machte zu wenig daraus.Ich absolvierte immer einen Circuit:Zuerst sass ich am Klavier und spielte sämtlicheMelodien, die ich kannte oder am Radiogehört hatte. Irgendwann nahm ich die Notenfür den Unterricht hervor und versuchtediese Klassik zu spielen (etwas anderesbekam ich nie vorgesetzt!). Nach kurzer Zeithatte ich einfach die Nase voll, auf diese Artund Weise Musik machen zu müssen. Somitwechselte ich zur Trompete. Ich liess die PiccadillySix LP’s laufen und spielte dazu.Wenn es mit dem Ansatz vorbei war, gingich in den Keller und sass ans Schlagzeug.Jeden Hit aus den 50er bis 70er Jahrenbegleitete ich am Drum Set. Ich war in meinereigenen Welt und liebte das Musikmachenüber alles. Schlussendlich besuchte ichtrotz allem und mit viel Lust die «klassische»Ausbildung an der Musikhochschule Zürich.Was würden Sie musikalisch anders machen?Disziplinierter arbeiten und in jungen Jahrenmehr Erfahrungen in Orchestern sammeln.Wenn Sie am Konzertflügel eine erlauchteGesellschaft stundenlang mit Backgroundmusikunterhalten können, löst das Bewunderungaus ...So? Das freut mich, danke! Durch mein Musikmachenin jungen Jahren kann ich automatischauf einen grossen Fundus zurückgreifen.Zudem habe ich glücklicherweisedie Fähigkeit, alles, was ich kenne, auswendigauf dem Klavier spielen zu können.Der gleiche Musiker könnte ebenso prob-lemlos einen frappanten Szenenwechselvollziehen, indem er das Repräsentationsorchester<strong>Schweizer</strong> Armeespiel mit einerRiesenschau in Stockholm über den Rasenführt. Was haben Sie sonst noch auf derKiste oder in Ihrem Repertoire?Ich hoffe noch viel! Das sind doch alles nurkleine Stationen in meinem schönen Lebenals Musiker, als Vater von zwei aufgewecktenJungs, Simon und Tobias, sowie als Partnermeiner lieben Frau Annegret.Sie sind menschlich ruhiger geworden.Täuscht der Eindruck, dass dies musikalischnicht der Fall ist?Zum Glück bin ich endlich ein bisschen vernünftigergeworden (das ist übrigens garnicht so einfach). Aber die letzten fünf Jahrewaren die lehrreichsten für mich. Es isterstaunlich, wie viel man in so kurzer Zeitlernen kann. Dafür bin ich dem Leben sehrdankbar.Hunderttausende schauen zu, wenn ineiner möglichst intimen Atmosphäre überMensch, Gott und die Welt gesprochenwird. Lieben Sie auch Voyeurismus?Meine Frau sagt ja, ich sage nein. BeimCoiffeur eine Klatsch-Zeitschrift lesen, das istfür mich lockere Unterhaltung. Dies genügtdann jedoch bis zum nächsten Haarschnitt.Den Militaristas sind Ausdrücke wie«Feind» oder «Gegner» nicht unbekannt.Vielleicht kennen Sie das Sprichwort «Seireizend zu deinen Feinden, nichts ärgert siemehr!». Herr Major, wann sind Sie besondersreizend?Ich habe das Glück, dass mich in meinemBeruf viele Sachen nicht mehr ärgern. Reizendzu sein brauche ich ebenfalls nichtmehr. Lieber schalte ich auf «Airolo-Göschenen»(da inne, änne use). Man muss sichimmer wieder der Wichtigkeit der Sachebewusst werden. Wie bereits erwähnt, habeich dies durch den «Lebensintensivkurs»gelernt: Tod meiner Mutter, eine gescheiterteEhe und gesundheitliche Probleme lehreneinem, das Unwichtige vom Wichtigen zutrennen. Trotz allem muss auch ich jedenTag von neuem an den äusseren Reizen derGesellschaft arbeiten.Sie haben sowohl zu Peter Troller, demabtretenden Boss des BDV, als auch zu St.Petersburg persönliche Beziehungen. Sollman Peter, den Urschweizer, auf Grundseiner Leistungen auf dirigentischer Verbandsebeneheilig sprechen?Heiligsprechungen liegen sicher nicht in meinemKompetenzbereich. Für den BDV hatPeter Ausserordentliches geleistet und bewirkt.Ebenso schätze ich ihn auch sehr alsMensch.Als Tonschöpfer haben Sie vor allem in denletzten vier Jahren zahlreiche Werke geschaffen.Wann finden Sie dazu Zeit?Ich arrangiere und komponiere meistens anden Wochenenden und nachts. Tagsüberarbeite ich als Chef der Kaderschulen imKompetenzzentrum Militärmusik in Aarau.Wann komponieren Sie Ihr Lebenswerk mitdem Namen «Up and Down»?Ein guter Titel, Kompliment! Sicher nichtmehr dieses Jahr. Überdies habe ich meinerFrau schon seit längerer Zeit eine Kompositionversprochen.Vor wenigen Jahren waren Sie einer dermeistengagiertesten Musikfest-Experten.Warum das heutige Decrescendo oder Ritardando?Durch die Scheidung habe ich gelernt, dassich auch Zeit für meine Lebenspartnerinhaben muss. Deshalb möchte ich die freienTage, wenn möglich, nur mit den Kindernund Annegret verbringen. Diese Zeit ist mireinfach heilig geworden. Auch ohne Expertentätigkeitbin ich an den Wochenendennoch oft genug durch Konzerte oder Auslandaufenthaltebesetzt. Zudem «pflege» ich dieBeziehung zur Blasmusik, indem ich abendsöfters Workshops mit Musikvereinen mache.Für mich ist das eine viel befriedigendereArbeit, weil ich direkt Einfluss nehmen kann.Vielen Experten fehlen die Erfahrungen, jasogar auch teilweise die Qualitäten.Das ging mir persönlich auch so. Kaum warich als Musikinstruktor gewählt, wurde ichaufgrund meiner Position als Experte eingesetzt.Die Routine fehlte jedoch. Das ist vielleichtein grundsätzliches Problem in derBlasmusik: Es wird zu wenig auf Erfahrungund zu viel auf Positionen gesetzt!Ihr Schlusswort?Ich wünsche mir, dass die U-Musik auch inder Blasmusikszene möglichst stilgetreu undgleich seriös umgesetzt wird wie die sogenannt«echte» Original-Blasmusik. Es gibtdoch nur gut oder schlecht gemachte Musik.Der Stil jedoch ist Geschmacksache und solltevon allen respektiert werden.Christoph Walter, ich danke Ihnen für Ihreerfrischend offenen Antworten ganz herzlichund wünsche Ihnen sowohl privat wieauch musikalisch für die Zukunft nur dasAllerbeste.René MessmerUNISONO 8 • 2005 15