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Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwel

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Thüringer <strong>Ministerium</strong> für <strong>Landwirtschaft</strong>, <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Umwel</strong>t- Arbeitsentwurf -Thüringer Strategie zur Erhaltung derbiologischen VielfaltStand: 02. Februar 2009


2INHALT1. Anlass 32. Gründe für die Gefährdung der biologischen Vielfalt 53. Biologische Vielfalt in Thüringen 73.1 Die Artenvielfalt Thüringens 73.2 Zentren der Artenvielfalt <strong>und</strong> Lebensräume in Thüringen 83.3 Veränderungen der Artenvielfalt 113.4 Die Verantwortlichkeit Thüringens aus globaler Sicht 124. Bilanz der Biologischen Vielfalt in Thüringen 194.1 Vergleich der Roten Listen von 1994 <strong>und</strong> 2001 194.2 Erhaltungszustand von Arten <strong>und</strong> Lebensraumtypen nach derFFH-Richtlinie <strong>und</strong> EU-Vogelschutzrichtlinie in Thüringen 214.3 Bilanz der verschiedenen <strong>Naturschutz</strong>instrumente, -projekte<strong>und</strong> –maßnahmen <strong>und</strong> Bewertung ihrer Wirksamkeit 275. Biologische Vielfalt in den Landschaften <strong>und</strong> Lebensräumen Thüringens 355.1 Biologische Vielfalt in den Agrarlandschaften 355.2 Biologische Vielfalt im besiedelten Bereich 415.3 Biologische Vielfalt der Wälder 445.4 Biologische Vielfalt der Gewässer 536. Leitbild/Zielsetzung 2020 597. Aktionsplan bis 2020/Aktionsfelder 62ANHANG


31. AnlassAuf unserer Erde gibt es eine Vielzahl von Lebensformen. In Folge der variablen Klima- <strong>und</strong>Bodenverhältnisse haben sich die unterschiedlichsten Arten herausgebildet. Zwischen diesengibt es mannigfaltige Wechselbeziehungen. Die verschiedenen Lebensformen <strong>und</strong> Lebensräumesind untereinander <strong>und</strong> mit ihrer <strong>Umwel</strong>t verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bilden ein weltumspannendesNetz des Lebens. Wie viele Arten auf unserem Planeten zu finden sind, ist nicht genau bekannt.Die Schätzungen des globalen Artenreichtums schwanken zwischen 3 Mio. <strong>und</strong> 30Mio. Arten. Die Unterschiede ergeben sich durch die verschiedenen gewählten Methoden derAbschätzung. Experten gehen davon aus, dass dies nur ein Bruchteil der tatsächlich vorhandenenArtenvielfalt ist. Allgemein wird eine Gesamtzahl von 14 Mio. Arten angenommen.Der größte Anteil der Tierarten entfällt mit ca. 1 Mio. Arten auf die Klasse der Insekten. Inder jüngsten Zusammenstellung des <strong>Umwel</strong>tprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) kamman auf r<strong>und</strong> 1,75 Mio. beschriebener Arten.Das Staunen über diese Fülle wird jedoch mittlerweile überlagert von der Sorge um diesenSchatz der Natur. Zwischen 1970 <strong>und</strong> 2000 hat die Gesamtzahl der Arten drastisch abgenommen,zahlreiche Ökosysteme sind inzwischen in Gefahr. Das ungebremste Wirtschaftswachstumder Industriestaaten forderte seinen Preis <strong>und</strong> auch die Länder der besonders artenreichenTropen <strong>und</strong> Subtropen haben begonnen, sich zu Lasten ihrer Natur zu entwickeln. Mit derfortschreitenden <strong>Umwel</strong>tzerstörung gerieten auch die Wohlfahrtsleistungen der Ökosystemezunehmend in den Blickpunkt.In dieser Situation entstand um 1980 der Begriff „Biodiversität“, zu deutsch „BiologischeVielfalt“. Darunter fallen alle Erscheinungsformen des Lebens. Es hat sich eingebürgert,darunter die Gesamtheit der Ökosysteme <strong>und</strong> Arten, aber auch der genetischen Ausprägungeninnerhalb der Arten zu verstehen.Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> des fortschreitenden Verlustes an biologischer Vielfalt wurde aufdem <strong>Umwel</strong>tgipfel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 das Übereinkommen überdie biologische Vielfalt (englisch: Convention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet.Mit diesem Übereinkommen wird erstmalig der Schutz der biologischen Vielfalt als eingemeinsames Interesse der gesamten Menschheit anerkannt. Das Übereinkommen ist dabeikeine reine <strong>Naturschutz</strong>konvention, sondern enthält auch Aussagen zu einer gerechtenwirtschaftlichen Nutzung der biologischen Vielfalt. Der völkerrechtlich bindende Vertragwurde bislang von 189 Staaten, darunter Deutschland (1993) <strong>und</strong> der gesamten EuropäischenUnion (EU), ratifiziert.Die wichtigsten Ziele des Übereinkommens sind:- Erhaltung der biologischen VielfaltDer Begriff „Biologische Vielfalt“ umfasst dabei die genetische Vielfalt, die Vielfalt derArten <strong>und</strong> der Lebensräume. Es geht also um den Schutz von Lebensräumen <strong>und</strong> denSchutz von wildlebenden <strong>und</strong> genutzten Tieren, Pflanzen, Pilzen <strong>und</strong> Mikroorganismenin ihrer genetischen Variabilität.- Nachhaltige Nutzung der Bestandteile der biologischen VielfaltDie Vielzahl der nutzbaren Pflanzen, Tiere <strong>und</strong> Mikroorganismen ist eine der wichtigstenProduktionsvoraussetzungen der Land-, Forst-, Fischerei- <strong>und</strong> Ernährungswirtschaft.Ihre nachhaltige Nutzung stellt in der Regel gleichzeitig die beste Voraussetzung für denErhalt der Agrobiodiversität* dar. Die Nutzung soll nachhaltig erfolgen <strong>und</strong> darf nicht zueinem Rückgang der biologischen Vielfalt führen.* Agrobiodiversität ist die Vielfalt der durch aktives Handeln des Menschen für die Bereitstellung seiner Lebensgr<strong>und</strong>lagenunmittelbar genutzten <strong>und</strong> nutzbaren Lebewesen <strong>und</strong> der damit assoziierten Biodiversität.


4- Ausgewogene <strong>und</strong> gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung dergenetischen Ressourcen ergeben (englisch: access and benefit sharing, ABS)Dieses Ziel berücksichtigt, dass die Länder des Südens aufgr<strong>und</strong> ihres Artenreichtumsreich an genetischen Ressourcen sind, während die Industrieländer über die technologischenVoraussetzungen für eine umfangreiche wirtschaftliche Nutzung dieserRessourcen verfügen. Das Übereinkommen sieht u. a. vor, dass die Länder, die diegenetischen Ressourcen beherbergen, angemessen an den Erlösen aus der Nutzungdieser Ressourcen beteiligt werden.Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt ist ein Rahmenabkommen, dessen Inhaltedurch alle zwei Jahre stattfindende Vertragsstaatenkonferenzen weiter konkretisiert werden.Die Vertragsstaatenkonferenz ist das politische Entscheidungsgremium, das durch Ausschüsse<strong>und</strong> Arbeitsgruppen unterstützt wird. Die 9. Vertragsstaatenkonferenz hat vom 19. bis 30. Mai2008 in Bonn stattgef<strong>und</strong>en. Deutschland hat bis zur nächsten Konferenz 2010 in Japan denVorsitz.Die Vertragsparteien haben sich im Artikel 6 des Übereinkommens verpflichtet, nationaleStrategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung <strong>und</strong> nachhaltigen Nutzung der biologischenVielfalt aufzustellen. Auf EU-Ebene liegen bereits mehrere Aktionspläne zu verschiedenenThemenbereichen vor, die die biologische Vielfalt betreffen. 2006 wurde die Mitteilung derKommission „Eindämmung des Verlustes der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 <strong>und</strong>darüber hinaus“ mit einem dazugehörenden Aktionsplan veröffentlicht. Die deutsche B<strong>und</strong>esregierungist ihrer Verpflichtung im November 2007 durch die Verabschiedung einernationalen Strategie zur biologischen Vielfalt nachgekommen. Das BMELV hat aus dernationalen Strategie eine Fachstrategie für die Erhaltung <strong>und</strong> nachhaltige Nutzung derbiologischen Vielfalt für die Ernährungs-, Land-, Forst- <strong>und</strong> Fischereiwirtschaft (Agrobiodiversitätsstrategie)abgeleitet.Während der Auftaktveranstaltung der Thüringer Biodiversitätskampagne am 04. April 2008hat Herr Minister Dr. Sklenar angekündigt, dass es auch für Thüringen wichtig ist, sich imwahrsten Sinne nachhaltig mit dem Thema „Biodiversität“ zu befassen. Es wurde festgelegt,eine speziell auf Thüringen abgestimmte Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfaltzu entwickeln. Dazu soll zunächst das in Thüringen Erreichte dargestellt, bilanziert <strong>und</strong>bewertet werden. Daraus wird sich dann eine strategische Ausrichtung ableiten, wonachMaßnahmen in den verschiedensten Bereichen zukünftig mit besonderem Gewichtdurchgeführt werden sollen, in denen Thüringen im b<strong>und</strong>esweiten Rahmen eine besondereVerantwortung trägt. Dies sind neben den Gipskarstlandschaften die umfangreichenKalkmagerrasen, die Steppenrasen im Thüringer Becken, aber auch die Mittelgebirge mit denausgedehnten Wäldern, Bergwiesen, Fließgewässern <strong>und</strong> Mooren. Nicht zuletzt gehören dazuaber auch die Flächen des nationalen Naturerbes einschließlich des so genannten „GrünenBandes“.Das Thüringer <strong>Ministerium</strong> für <strong>Landwirtschaft</strong>, <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Umwel</strong>t (TMLNU)stellt sich damit seiner Verantwortung zur Erhaltung der biologischen Vielfalt <strong>und</strong> willmit dieser Strategie erreichen, dass der weitere Verlust an biologischer Vielfalt kurzfristiggestoppt <strong>und</strong> bis 2020 deutliche Verbesserungen für Arten <strong>und</strong> Lebensräumeerreicht werden.Ziel dieser Strategie soll aber auch sein, über alle Aktionsfelder hinweg alle relevantenAkteure an der Umsetzung zu beteiligen.


52. Gründe für die Gefährdung der biologischen VielfaltDie derzeitige Aussterberate der Arten übertrifft die vermutete natürliche Rate um daseinh<strong>und</strong>ert- bis tausendfache <strong>und</strong> ist vor allem durch menschliches Handeln bedingt. ImGegensatz dazu ist die Neubildungsrate von Arten im Rahmen der biologischen Evolutionvergleichsweise klein.Auf Gr<strong>und</strong> der ungenauen Schätzung der globalen Artenvielfalt sind Aussagen über dieglobale Gefährdungssituation nur näherungsweise möglich. Nach der Roten Liste derWeltnaturschutzunion (IUCN) von 2006 sind 20 – 23 % der Säugetierarten, 12 % derVogelarten, 31 % der Amphibienarten <strong>und</strong> 60 % aller Ökosysteme weltweit gefährdet. Diedamit verb<strong>und</strong>enen Ökosystemdienstleistungen, die das menschliche Überleben sichern,haben dadurch in den vergangenen Jahrzehnten große Schäden genommen.Pflanzen, Tiere, Pilze <strong>und</strong> Mikroorganismen reinigen Wasser <strong>und</strong> Luft <strong>und</strong> sorgen fürfruchtbare Böden. Intakte Selbstreinigungskräfte der Böden <strong>und</strong> Gewässer sind wichtig für dieGewinnung von Trinkwasser. Die natürliche Bodenfruchtbarkeit, Kulturpflanzen <strong>und</strong>Nutztiere sorgen für ges<strong>und</strong>e Nahrungsmittel. Agrarische, forstliche <strong>und</strong> aquatischeNutzungssysteme stehen dabei in engen Wechselbeziehungen mit den jeweiligen Ökosystemen.Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, welche Leistungen die Ökosysteme fürden Menschen erbringen.Dass die biologische Vielfalt auch ökonomische Werte hat, hat der Ökonom Pavan Sukhdevin einer Studie für die G8-Staaten ermittelt, die bis 2009 vollständig vorliegen wird. Danacherbringen allein die weltweiten Schutzgebiete Leistungen im Wert von insgesamt 5 BillionenUS-Dollar.Weltweit nimmt auch die genetische Vielfalt innerhalb der Arten stark ab. ErheblicheDatenlücken bestehen vor allem im Bereich der genetischen Vielfalt von wildlebenden Arten.Umfangreicher ist dagegen die Datengr<strong>und</strong>lage der genetischen Vielfalt bei den gezüchtetenlandwirtschaftlich genutzten Arten. Über Jahrtausende hinweg hat die landwirtschaftlicheZüchtung aus wenigen Ursprungsarten viele tausende Sorten von z.B. Weizen, Reis <strong>und</strong> Maisgezüchtet. Heutzutage konzentrieren die Landwirte ihren Anbau auf wenige, unter denjeweiligen Standortbedingungen besonders ertrags- <strong>und</strong> marktfähige Sorten, so dass viele alteLandsorten nicht mehr verwendet werden <strong>und</strong> durch Genbanken <strong>und</strong> andere geeigneteMaßnahmen erhalten werden müssen.Schranken für den Erhalt der genutzten Vielfalt setzen insbesondere die Ertrags-<strong>und</strong>Leistungsunfähigkeit der Sorten <strong>und</strong> Rassen, ihre Eignung für wirtschaftliche Produktionsverfahren<strong>und</strong> die Qualität der damit erzeugten Produkte. Traditionell angebaute Pflanzenartenstehen häufig in Konkurrenz mit im Ausland billiger erzeugten Importen.Hinzu kommt, dass in den letzten 30 Jahren weltweit die Zahl der Wissenschaftler, die Artenerkennen <strong>und</strong> Artenvielfalt inventarisieren können, drastisch abgenommen hat. Es gibt kaumInvestitionen in taxonomische Projekte <strong>und</strong> kaum noch Experten für Taxonomie.In Mitteleuropa, <strong>und</strong> damit auch in Deutschland <strong>und</strong> in Thüringen, sind die Artenzahlenaufgr<strong>und</strong> des noch nicht kompensierten Verlustes während der Eiszeiten schon natürlicherweisegeringer als in vergleichbaren Klimazonen anderer Kontinente oder gar in den tropischenLändern. In Deutschland kommen 3378 Farn-<strong>und</strong> Blütenpflanzen, ca. 14 400 Pilzarten<strong>und</strong> ca. 48 000 Tierarten vor. Auf Thüringen bezogen bedeutet dies 2473 Farn- <strong>und</strong>Blütenpflanzen, ca. 10.000 Pilzarten <strong>und</strong> ca. 30.000 Tierarten. Das sind r<strong>und</strong> 2/3 aller Tier<strong>und</strong>Pflanzenarten Deutschlands <strong>und</strong> unterstreicht die nationale Verantwortung vonThüringen für die Erhaltung dieser Arten.Deutschlandweit <strong>und</strong> auch in Thüringen ist neben der Gefährdung von Arten vor allem auchdie Beeinträchtigung oder Zerstörung von Lebensräumen ein erhebliches Problem, mit demgleichzeitig eine Verarmung <strong>und</strong> Nivellierung von Natur <strong>und</strong> Landschaft einhergeht. Von den


6einheimischen Farnen <strong>und</strong> Blütenpflanzen Deutschlands sind nach der aktuellen Roten Liste26,8 % bestandsgefährdet <strong>und</strong> 1,6 % ausgestorben oder verschollen. Von den einheimischenTierarten Deutschlands sind 36 % bestandsgefährdet <strong>und</strong> 3 % ausgestorben oder verschollen.Von den in Deutschland vorkommenden Lebensräumen sind 72,5 % gefährdet. Deutschlanderreicht mit diesen Gefährdungsraten die höchsten Werte in Europa. Auf Thüringen bezogenbedeutet dies (Stand 2001): 45 % aller Arten sind gefährdet, davon 8,5 % ausgestorben oderverschollen, 50 % der Pflanzengesellschaften sind gefährdet <strong>und</strong> 85 % der Biotoptypen.Die Gründe für die Gefährdung von Arten <strong>und</strong> Lebensräumen sind vielfältig <strong>und</strong> lassen sich inneun wichtige Gefährdungsursachen zusammenfassen:- unmittelbare Zerstörung, Zerschneidung <strong>und</strong> sonstige erhebliche Beeinträchtigungenvon Lebensräumen durch Flächenversiegelung, Siedlungsbau, Verkehrslinien,Energiewirtschaft, Abgrabungen, Trockenlegungen, Verfüllen von Gewässern,Beseitigung von Landschaftselementen <strong>und</strong> Nutzungsänderungen in Land- <strong>und</strong>Forstwirtschaft,- intensive Flächennutzung in der <strong>Landwirtschaft</strong> (z. B. Pflanzenschutzmaßnahmen,Düngung, mehrfache jährliche Mahd, Einsatz von Wild-<strong>und</strong> Kleintiere gefährdendenMähgeräten, Umwandlung von Grünland in Acker),- Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung von ökologisch wertvollen Grenzertragsstandorten(z. B. Magerrasen, Bergwiesen, Feucht- <strong>und</strong> Nasswiesen), Aufgabetraditioneller Nutzungsformen,- lokale Defizite bei der Waldbewirtschaftung (z. B. zu geringe Anteile von Alters- <strong>und</strong>Zerfallsphasen sowie Höhlenbäumen <strong>und</strong> Totholz, strukturarme Bestände, nichtstandortgerechte Baumarten, unangepasste Forsttechnik <strong>und</strong> Holzernteverfahren,Forststraßenbau, überhöhte Wildbestände),- Wasserbau (z. B. Begradigung von Fließgewässern, technischer Hochwasserschutz,Wasserstandsregulierungen <strong>und</strong> Stauhaltung von Fließgewässern <strong>und</strong> Wasserstraßen,Nivellierung von Flussbett <strong>und</strong> Uferstrukturen durch Ausbau, Aushub <strong>und</strong> Verbauung),- Eintrag von Schad- <strong>und</strong> Nährstoffen in die Wald-, Offenland- <strong>und</strong> Gewässerökosysteme,- keine nachhaltige Fischereipraxis (z. B. Überfischung, unselektive oder zerstörendwirkende Fischereipraktiken, Besatz von Gewässern mit nicht standortheimischenArten, Bekämpfung von konkurrierenden Arten),- Natur belastende Freizeitnutzungen <strong>und</strong>- Klimawandel.3. Biologische Vielfalt in Thüringen


7Die Biologische Vielfalt Thüringens ist eingeb<strong>und</strong>en in die Natur Mitteleuropas bzw.Deutschlands. Dabei ist Thüringen in der Tat ein „grünes Herz Deutschlands“, das seinenbemerkenswerten Reichtum an Arten <strong>und</strong> Lebensräumen den naturräumlichen Voraussetzungen,insbesondere seiner abwechslungsreichen Geologie, den großen klimatischenGradienten vom Thüringer Becken bis zu den Höhen des Thüringer Waldes, der Vielfalt derhistorischen Landnutzungen <strong>und</strong> dem hohen Engagement seiner Bevölkerung, diese durchLandschaftspflege zu erhalten, verdankt.3.1 Die Artenvielfalt ThüringensFür eine Reihe von Arten ist Thüringen besonders bekannt geworden, so für die bemerkenswerteVielfalt an Orchideen mit reichen Vorkommen des Frauenschuhs sowie an Ackerwildkräutern,die b<strong>und</strong>esweit bedeutenden Vorkommen von Kleiner Hufeisennase <strong>und</strong> Mopsfledermaus,die Wildkatze, der Mittelspecht oder die weltweit nur in der Rhön siedelndeRhön-Quellschnecke.Bis in historische Zeit reichende Bemühungen zur Erfassung der hier lebenden Arten weisenThüringen als ein Land mit langer naturgeschichtlicher Tradition aus. DetaillierteDarstellungen reichen von alten Florenwerken bis hin zu modernen Verbreitungsatlanten,etwa für Pflanzen <strong>und</strong> Heuschrecken. Für weniger gut bekannte Artengruppen gibt esimmerhin Artenlisten.Eine mit den Namen der Arten untersetzte Gesamtzahl der in Thüringen siedelnden Arten istbisher nicht ermittelt worden. Für die besser bekannten Artengruppen sind allerdings RoteListen erarbeitet worden – die letzten 2001 - in deren Vorfeld stets die Gesamt-Artenbeständezu ermitteln waren. Allein der Artenbestand dieser besser bekannten Artengruppen umfasst17.000 Arten.Tab. 1: Artenzahlen der 2001 auf ihre Gefährdung untersuchten Artengruppen(Quelle: Rote Listen Thüringens 2001)*Artengruppe / LebensraumtypArten, AnzahlgesamtSäugetiere inkl. Fledermäuse 75Brutvögel 164Kriechtiere 6Lurche 18Fische <strong>und</strong> R<strong>und</strong>mäuler 39Schnecken <strong>und</strong> Muscheln 204Webspinnen 626Asseln 32Krebse (ausgewählte Familien) 122Eintagsfliegen 67Libellen 52Steinfliegen 63Heuschrecken 54Zikaden 447Land-, Wasser- <strong>und</strong> Uferwanzen 631Käfer (ausgewählte Familien) 3.620Hautflügler (Wildbienen, Ameisen <strong>und</strong> andere) 524Köcherfliegen (Trichoptera) 202Tagfalter <strong>und</strong> andere Schmetterlinge 1.311


8Schwebfliegen <strong>und</strong> andere Zweiflügler 946Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen 1.990Moose 748Armleuchteralgen <strong>und</strong> Süßwasser-Rotalgen 22Flechten 899Großpilze Phytoparasitische Kleinpilze <strong>und</strong> Schleimpilze 4.141Arten insgesamt 17.003Wirbeltiere 302Wirbellose 8.903Pflanzenarten i. w. S. 7.798*Die Zahlen der für die Roten Listen bearbeiteten Arten umfassen oft nur einen Teil der vorkommenden Arten der Artengruppe.Neben den Brutvögeln gibt es so auch viele weitere Vogelarten, die in Thüringen beobachtet werden können – insgesamtknapp 350!Insgesamt kommen schätzungsweise mindestens 55.000 Tier-<strong>und</strong> Pflanzenarten in Thüringenvor, davon allein mindestens 28.000 wirbellose Tiere. Aktuelle Untersuchungen - vor allemvon Fachvereinigungen <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>emuseen - lassen die Zahl der in Thüringennachgewiesenen Arten auch heute noch wachsen. So stieg die Zahl der bekannten Käferartenvon ca. 4.600 im Jahr 1998 auf 4982 Anfang 2009. Unübersehbar ist auch die Zahl der Pilze,die mit etwa 10.000 angenommen wird.Große Anteile haben auch die „niederen Pflanzen“ ( Algen, Flechten <strong>und</strong> Moose). So sind von17.000 weltweit bekannten Süßwasseralgen mindestens 10.000 in Thüringen zu erwarten.Sind diese blanken Zahlen an sich schon beeindruckend, zeigt ein Vergleich mit denNachbarländern, dass Thüringen besonders viele Arten aufweist. Bei den Käfern beherbergtlediglich das um ein mehrfaches größere Bayern (mit seinem Alpenanteil) mehrnachgewiesene Arten.3.2 Zentren der Artenvielfalt <strong>und</strong> Lebensräume in ThüringenDie Artenvielfalt ist nicht gleichmäßig über Thüringen verteilt, sondern es gibt Naturräume<strong>und</strong> Landschaftsausschnitte, die sich durch eine besonders hohe Vielfalt auszeichnen („hotspots“der biologischen Vielfalt). (Karte aus LNT 1/2002 einfügen) Fast ganz Thüringen wäreohne Zutun des Menschen als natürliche Vegetation mit Wald bedeckt. DieRodungstätigkeiten des Menschen haben eine Kulturlandschaft entstehen lassen, die vielenArten erst einen Lebensraum geschaffen hat. In diesen so geschaffenen Lebensräumen habenheute knapp zwei Drittel der Arten in Thüringen ihren Verbreitungsschwerpunkt. Ein großerTeil der Biodiversität Thüringens ist daher durch Bewirtschaftung bedingt <strong>und</strong> kann auch nurdurch angepasste Bewirtschaftung erhalten werden.• Farn- <strong>und</strong> BlütenpflanzenIm Ergebnis einer intensiven Kartierung der Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen Thüringens konntenfolgende Gebiete mit einer hohen Pflanzenartenvielfalt selektiert werden: besonders dieZechsteinstreifen an Südharzrand <strong>und</strong> Kyffhäuser, aber auch am Thüringer Wald zeichnensich durch einen sehr hohen Pflanzenartenreichtum aus. Weiterhin müssen die Muschelkalk-Gebiete nördlich <strong>und</strong> südlich des Thüringer Waldes sowie des westlichen Eichsfeldeshervorgehoben werden. Hier vor allem die Bereiche, die von tief eingeschnittenen Flusstälern


9durchzogen werden bzw. an die Buntsandstein-Gebiete angrenzen. Sehr artenreich sind auchdie Keuperlandschaften am Südrand des Thüringer Beckens <strong>und</strong> im Grabfeld sowie Teile desThüringer Schiefergebirges <strong>und</strong> seines nordöstlichen Vorlandes, vor allem in der Umgebungvon Gera.Geringe Artenzahlen sind zum einen in den ausgeräumten Agrargebieten des zentralenThüringer Beckens <strong>und</strong> zum anderen in den von Fichtenforsten dominierten Hochlagen desThüringer Waldes zu finden.Für die meisten Tierarten liegen keine flächendeckend repräsentativen Kartierungen derVorkommen vor, aus den langjährigen Beobachtungen lassen sich aber Schwerpunkte derArtenvielfalt erkennen. So liegen für Fledermäuse, Heuschrecken, Libellen <strong>und</strong> Tagfalterattraktive Beschreibungen der gegenwärtigen Verbreitung in Thüringen vor. Für die Vögelwird eine solche Darstellung der Verbreitung gerade erarbeitet.• VögelBei den Vögeln lässt sich aufgr<strong>und</strong> ihrer Mobilität, aber auch wegen der Verschiedenartigkeitder Lebensraumansprüche nur schwer eine räumliche Abgrenzung der Artenvielfaltvornehmen. Die meisten Arten sind aber zumindest zur Brutzeit an spezielle Lebensräumegeb<strong>und</strong>en. Zur Zugzeit sind es vor allem die Gewässer <strong>und</strong> deren unmittelbare Umgebung, dieaufgr<strong>und</strong> der zahlreichen Durchzügler <strong>und</strong> Wintergäste eine große Artenzahl aufweisen.• SäugetiereFür die Biodiversität der Säugetiere soll beispielhaft die aktuelle Verbreitung von 3 Fledermausarten<strong>und</strong> 3 anderen Arten beschrieben werden. Die Vorkommen dieser anspruchsvollenArten kennzeichnen Räume, die auch von vielen weiteren schutzwürdigen Arten besiedeltsind.Die Kleine Hufeisennase hat in Thüringen einen Verbreitungsschwerpunkt, wobei das mittlereSaaletal wiederum besonders bedeutsam ist. Für die Nordfledermaus bieten Höhlen imThüringer Gebirge wichtige Winterquartiere. Das Große Mausohr ist weit verbreitet, hebt sichaber durch beachtlich große Wochenstubenquartiere in verschiedenen Landesteilen hervor.Für die Wildkatze stellen die Wälder im Südharz, im Eichsfeld <strong>und</strong> in den nordwestlichenRandhöhen des Thüringer Beckens bis hin zum Nationalpark Hainich ein Refugium dar, indem sie die Zeiten starker Verfolgung überdauern konnte <strong>und</strong> von wo sie sich wiederausbreiten kann. Der Fischotter war dagegen ausgestorben <strong>und</strong> besiedelt Thüringen gegenwärtigwieder. Der Feldhamster besitzt in Thüringen b<strong>und</strong>esweit bedeutsame Bestände. Diesist sowohl aus der besiedelten Fläche als auch aus den – wenigstens regional – noch relativhohen Siedlungsdichten herzuleiten. Zudem beherbergt Thüringen als Besonderheit auchSchwarze Hamster.• Tagfalter <strong>und</strong> HeuschreckenBei den Tagfaltern <strong>und</strong> Heuschrecken heben sich hinsichtlich der Artenvielfalt die BereicheKyffhäuser/ Hainleite/Südharzrand, die Muschelkalklandschaften um Arnstadt <strong>und</strong> Jena sowieder Bereich Vorderrhön/Meininger Muschelkalk/Grabfeld hervor. Diese Gebiete stellen auchZentren der Artenvielfalt für weitere Artengruppen mit vielen wärmeliebenden Arten desOffenlandes dar. Die rein zahlenmäßig ermittelten Schwerpunkte der Vielfalt werden auchdurch das Vorkommen herausragender Tagfalterarten charakterisiert: so hebt sich derKyffhäuser durch Berghexe <strong>und</strong> Blaukernauge heraus. Der Arnstädter Raum ist Verbreitungsschwerpunktfür den Skabiosen-Scheckenfalter <strong>und</strong> den Streifenbläuling. Im MeiningerMuschelkalk kommt der Kreuzenzian-Ameisenbläuling, in der Rhön die Berghexe, im Grabfeldmehrere sehr seltene Scheckenfalter <strong>und</strong> Bläulingsarten vor. Dies sind alles Tagfalterarten,die andernorts fehlen oder selten sind. Es gibt aber auch Räume, mit insgesamt


10geringerer Tagfalterartenzahl, die für die Vielfalt in Thüringen von hoher Bedeutung sind, sodas östliche Thüringer Schiefergebirge mit der Oberen Saale, wo Fetthennenbläuling <strong>und</strong>Violetter Feuerfalter in guten Beständen leben.• LibellenDie großen <strong>und</strong> mittleren Fließgewässer haben durch Verbesserung der Wasserqualität injüngster Zeit ihre ursprüngliche Funktion als Libellenlebensräume wieder erhalten. Nach denPrachtlibellen, die bereits nach 1990 wieder häufiger wurden, sind aktuell weitere Flusslibellendabei, Thüringen wieder zu besiedeln. Die Bedeutung der traditionsreichen Fischteicheum Plothen, im Altenburger Land, im Sonneberger Unterland oder um Ilmenau sowieder eher zerstreut vorhandenen weiteren Teiche ist insgesamt hoch.Gräben spielen ebenfalls eine große Rolle für Thüringer Libellen. Hier sind vor allem dieGräben in den Flussauen <strong>und</strong> -niederungen von Unstrut, Gera <strong>und</strong> Helme bemerkenswert,zumal deren Umgebung oft ausgesprochen artenarm ist. Arten wie Helm-Azurjungfer <strong>und</strong>Vogel-Azurjungfer besitzen hier deutschlandweite Vorkommensschwerpunkte <strong>und</strong> auch derKleine Blaupfeil kommt regelmäßig vor.Gewässer in ehemaligen Abbaugruben können ebenfalls wertvoll sein, wie dies z. B. für dieehemaligen Torfstiche bei Mühlberg, die Herbslebener Teiche oder die Gewässer im KalksteinbruchCaschwitz oder in Restgewässern im Altenburger Land belegt ist. Bedeutsam sindauch alle noch vorhandenen Moorgewässer <strong>und</strong> die Hochmoore des Thüringer Waldes mit derAlpen-Smaragdlibelle <strong>und</strong> Zwischenmoore, z. B. bei Bad Klosterlausnitz, wo die ArktischeSmaragdlibelle lebt.Die angeführten Beispiele zeigen, dass je nach den Ansprüchen der Arten sehr verschiedeneLandschaften <strong>und</strong> Biotope Bedeutung besitzen. Es muss aber betont werden, dass auch kleinflächigeBereiche mit geringen Artenzahlen für die Biodiversität von Bedeutung sind, wennsie letzte Refugien darstellen. So sind in Thüringen z. B. Salzstellen, Stromtalwiesen, Blockhalden,Gipskarst- oder Keuperstandorte, Quellen, Bachoberläufe <strong>und</strong> Moore, oft nur von sehrgeringer Größe <strong>und</strong> wegen der extremen Lebensbedingungen meist nur von wenigen Artenbewohnt. Allerdings sind die vorkommenden Arten oft höchst gefährdete Spezialisten, die nurhier leben können. Manchmal weist ein Anstieg der reinen Artenzahl in diesen Biotopen sogarauf eine Verschlechterung des Zustandes hin.In Thüringen kommen etwa 90 Biotoptypen vor. Über 80 % dieser Biotoptypen wurden in derRoten Liste als gefährdet eingeschätzt. Für die Erhaltung der Artenvielfalt besitzen dieBiotoptypen eine unterschiedliche Bedeutung. Verschiedene mitteleuropäische Lebensräumebesitzen einen Verbreitungsschwerpunkt innerhalb Thüringens. Eine besondere Verantwortungbesteht für die Erhaltung naturnaher Waldbiotope, unter denen die Buchenwälder vonNatur aus in Thüringen eine herausragende Rolle spielen. Hierbei sind es vor allem dieKalkbuchenwälder in Form von Orchideen- <strong>und</strong> Waldmeisterbuchenwäldern, aber auchHainsimsen-Buchenwälder auf sauren Böden in verschiedenen Höhenlagen. Darüber hinausbesitzt Thüringen beachtliche Reste von Eichen-Hainbuchenwäldern, die ihre Entstehungvielfach historischen Waldnutzungsformen verdanken. Bedeutende Vorkommen gibt es auchvon Erlen-Eschen-Auwäldern, Schlucht- <strong>und</strong> Blockhaldenwäldern sowie von Trockenwäldern.Unter den Biotoptypen des Offenlandes sind vor allem die Kalk-Trocken- <strong>und</strong> Halbtrockenrasenhervorzuheben. Sie reichen von den kontinental getönten Steppenrasen des Kyffhäusersüber die orchideenreichen Halbtrockenrasen der Umgebung Jenas bis zu den ausgedehntenKalkmagerrasen der Vorderrhön. Im Komplex mit diesen stehen trockene Staudenfluren,Trockengebüsche, Streuobstwiesen, an Steilhängen Kalk-Fels- <strong>und</strong> -schuttfluren sowie in denatlantisch getönten Bereichen auch Wacholderheiden <strong>und</strong> Kalktuff-Quellen. Letztere liegenoft in engem Kontakt mit kleineren Kalk-Flachmooren.


11Auch für die Erhaltung oft angrenzender, meist skelettreicher Kalkäcker besitzt Thüringeneine besondere Verantwortung. Neben Sachsen-Anhalt verfügt Thüringen über die bedeutendstenBinnensalzstellen Deutschlands <strong>und</strong> auch über ein sehr repräsentatives Vorkommen vonSchwermetallrasen an den Bottendorfer Hügeln. Bemerkenswert sind ebenfalls die Häufungenvon Erdfällen in den Gipskarst- <strong>und</strong> einigen Buntsandsteingebieten. Darüber hinaus liegenbedeutende Vorkommen von verschiedenen Biotopen der Mittelgebirge, wie Bergwiesen(Gebirgs-Frischwiesen <strong>und</strong> Borstgrasrasen), Silikat-Felsfluren (insbesondere in Durchbruchstälern),Bergbächen <strong>und</strong> einigen Regenmooren, in Thüringen.3.3 Veränderungen der ArtenvielfaltDie Artenvielfalt Thüringens unterliegt einem zeitlichen Wandel. Schon in vorhistorischerZeit wurde sie durch Zuwanderer oder eingeschleppte Arten bereichert. Eine erste „Invasion“erfolgte mit der Etablierung der <strong>Landwirtschaft</strong> in der Jungsteinzeit, eine zweite nach derEntdeckung Amerikas <strong>und</strong> eine dritte mit dem zunehmenden Warenaustausch nach derIndustrialisierung. Die klimatischen Bedingungen in Thüringen haben aber bisher die Etablierungweiterer fremder Arten verhindert.Dieser Entwicklung der Arten steht ab etwa der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ein zunehmenderVerlust vieler Arten <strong>und</strong> Vorkommen gegenüber. So sind große Teile der ArtenvielfaltThüringens inzwischen bedroht. In so genannten Roten Listen werden die gefährdetenArten Thüringens aufgelistet. Vor allem infolge von Veränderungen der Landnutzung stehtknapp die Hälfte aller Arten auf der Roten Liste.Tab. 2: Übersicht zur Gefährdung der Tiere, Pflanzen, Pflanzengesellschaften <strong>und</strong>Biotope im Jahr 2001 (Quelle: Rote Listen Thüringen 2001)Artengruppe / Lebensraum Arten/ gefährdete Arten <strong>und</strong> Anzahl (Anteil in %)Typengesamtausgestorben aussterben bedroht gesamtWirbeltiere 302 31(11)32(11)164(54)Wirbellose 8.903 838(9)912(10)4.383(49)Pflanzen einschl. Pilze 7.798 582(8)466(6)3.090(40)Pflanzengesellschaften 633 16(3)49(8)318(50)Biotoptypen 87 1(1)9(10)74(85)Die Roten Listen zeigen die Gefährdungsschwerpunkte für einzelne ökologische Gruppen auf.Gefährdet sind danach besonders Arten, die an Lebensräume mit extremen Standortbedingungengeb<strong>und</strong>en sind, wie sehr trockene, nasse oder nährstoffarme Biotope. Mehrfachwerden Arten der Trockenbiotope hervorgehoben, obwohl Thüringen aus b<strong>und</strong>esweiter Sichtfür diese einen Verbreitungsschwerpunkt darstellt <strong>und</strong> für ihren Schutz daher eine besondereVerantwortung trägt. Auch Arten anderer Lebensräume, die in Thüringen jedoch schon immeretwas seltener waren, werden aufgeführt, wie Bewohner von Mooren, Binnensalzstellen odervon Sandlebensräumen (Blatthornkäfer, Blattkäfer, Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen). Immer wiederwerden Bewohner von Auenbiotopen als besonders gefährdet hervorgehoben, da fast alle


12thüringischen Auen mit ihren Flüssen durch den Menschen strukturell <strong>und</strong> hinsichtlich ihrerStandortsqualitäten extrem verändert wurden.Besiedler nährstoffarmer Lebensräume sind von großräumigen Nähr- <strong>und</strong> Schadstoffeinträgenbesonders betroffen. Hierzu zählen epiphytisch wachsende Pflanzen (Flechten- <strong>und</strong>Moosarten), bestimmte Schneckenarten, aber auch Mykorrhizapilze <strong>und</strong> mykorrhizaabhängigeArten der Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen (z. B. Orchideen <strong>und</strong> Bärlappe).Zu den gefährdeten Arten zählen oft Arten, die die Übergangsbereiche (Ökotone) zwischenunterschiedlichen Lebensräumen besiedeln. Etliche Arten sind auch auf besondere Biotopstrukturenangewiesen. Teilweise sind ganze spezialisierte Artengruppen ausgestorben, so z.B. sämtliche Arten der Mittelwälder unter den Tagfaltern. Auch Totholzbewohner sindbesonders hervorzuheben, da sie in verschiedenen Artengruppen einen hohen Anteil dergefährdeten Arten bilden.Unabhängig von den Vorkommen in speziellen Lebensräumen lässt sich bei den Vögeln einezunehmende Gefährdung der Arten in der Agrarlandschaft beobachten. Davon sind auch(noch) häufige Arten betroffen, wie z. B. die Feldlerche.Mit dem Klimawandel ist mit einer natürlichen Ausbreitung südlich verbreiteter Arten(Libellen, Schmetterlinge <strong>und</strong> Vögel) <strong>und</strong> der Einbürgerung vieler vom Menschen eingeschleppterwärmebedürftiger Arten zu rechnen. Früher nur gelegentlich aus dem Mittelmeerraumeinwandernde Arten kommen zunehmend in Thüringen zur Vermehrung. Auffälligist zum Beispiel die zunehmende Häufigkeit von Libellen, wie dem Kleinen Granatauge oderder früher unbekannten, jetzt aber regelmäßigen Vermehrung des Südlichen Blaupfeils <strong>und</strong>der Feuerlibelle in unseren Gewässern. Bei den Schmetterlingen sind es Wanderfalter wie derAdmiral oder das Taubenschwänzchen, die ehemals nur zur Vermehrung einwanderten, jetztaber zunehmend bei uns überwintern. Bei den Vögeln können die ersten Bruten des Bienenfressersbeobachtet werden, dessen Verbreitungsschwerpunkt in Süd-<strong>und</strong> Südosteuropa liegt.Dagegen werden heimische Arten mit geringen Temperaturansprüchen der kühl-feuchtenBiotope verdrängt werden. Bei einigen Artengruppen kann mit einer Zunahme derArtenvielfalt in Thüringen gerechnet werden, wobei unter den Neubürgern (Neobiota) auchviele vom Menschen unerwünschte Problemarten sind, wie die hoch allergen wirkendeBeifuß-Ambrosie oder die mit der Ausbreitung von Zecken- oder Mückenarten assoziiertenKrankheitserreger.3.4 Die Verantwortlichkeit Thüringens aus globaler SichtMit der festgestellten Artenvielfalt hat Thüringen eine besonders hohe Verantwortung für ihreErhaltung. Klar ist aber in Anbetracht dessen auch, dass Schwerpunkte beim Schutz zu setzensind.Rote Listen haben sich als Messinstrument für den Zustand der biologischen Vielfalt bewährt.Sie liefern Aussagen zur Gefährdung <strong>und</strong> damit unmittelbar zur Schutzbedürftigkeit vonArten in einem Bezugsraum, wie Thüringen oder Deutschland. Aus dieser regionalenSichtweise ergeben sich aber auch Grenzen in der Anwendbarkeit Roter Listen. ZurBestimmung der Schutzwürdigkeit von Arten <strong>und</strong> damit der Festlegung von Prioritäten imArten- <strong>und</strong> Biotopschutz müssen zusätzliche Kriterien herangezogen werden.Eines der wichtigsten Kriterien hierfür stellt die Verantwortlichkeit für die Erhaltung vonArten <strong>und</strong> Lebensräumen aus globaler Sicht dar. Erst durch die Beachtung dieses Aspekteswird es möglich, auch die überregionale Situation der Arten <strong>und</strong> Lebensräume gebührend zuberücksichtigen. Diesem Aspekt wurde lange nur ungenügend Beachtung geschenkt. In einerStudie der Thüringer Landesanstalt für <strong>Umwel</strong>t <strong>und</strong> Geologie <strong>und</strong> des Thüringer Fachbeirates


13für Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz aus dem Jahr 2002 wurde die Artenvielfalt Thüringens erstmalignach diesen Kriterien bewertet. Besonders schutzbedürftig sind danach:► 12 Endemiten,► 25 Arten mit sehr kleinem mitteleuropäischen Areal,► 30 Arten mit hochgradig isolierten Vorkommen <strong>und</strong>► 7 Arten mit weltweiter Gefährdung (nach IUCN red list).Die wenigen Endemiten, d.h. Arten, die weltweit nur in Thüringen <strong>und</strong> angrenzendenBereichen vorkommen, sind in der folgenden Tabelle 3 dargestellt. Das außeralpineMitteleuropa ist aufgr<strong>und</strong> seiner Landschaftsgeschichte sehr arm an Endemiten. Deshalb istauch die Zahl in Thüringen vorkommender Endemiten gering.Rhön-Quellschnecke(Bythinella compressa)Berg-Blattkäfer(Oreina alpestris ssp.polymorha)SchmalblättrigesBrillenschötchen (Biscutellalaevigata ssp. tenuifolia)Breitblättrige Mehlbeere(Sorbus latifolia agg.)Braunflockiger Wulstling(Amanita brunneoconulus)2 - Quellen <strong>und</strong> Quellbäche /Quellenschutz, Verhinderung derEutrophierung3 - Bergwiesen, frische Säume, Wiesenin Bachauen / behutsameOffenhaltung2 § Halbtrockenrasen / Schafhutungen,ggf. GehölzbeseitigungHohe Rhön, VorderrhönMittlerer Thüringer Wald, HohesThüringer Schiefergebirge –Frankenwald, Hohe Rhön, HarzZechsteingürtel SüdharzR - Trockenwälder u. –gebüsche /ggf. Lichtstellunginsb. Werrabergland – Hörselberge,Ilm – Saale – Ohrdrufer Platte,1 - wärmebegünstigte Laubmischwälder Hainich-Dün-Hainleite,über Kalk / Fortsetzung historischer Innerthüringer AckerhügellandWaldnutzungsformenErläuterungen: RLT: Rote Liste Thüringens, „1“: Vom Aussterben bedroht, „2“: Stark gefährdet, „3“: Gefährdet, „R“: Extrem selten(Gefährdungskategorien nach FRITZLAR & WESTHUS 2001); Gesetz/FFH: gesetzlicher Schutz nach § 10 Abs. 2 BNatSchG, „§“: besondersgeschützt, „§§“: streng geschützt; II: Art des Anhangs II der FFH-Richtlinie, IV: Art des Anhangs IV der FFH-RichtlinieEin sehr kleines mitteleuropäisches Areal besitzen 25 Arten (Tab. 4). Diese Gruppe verdientin besonderem Maße unsere Aufmerksamkeit, da gerade hier die Arten zu finden sind, diewegen teils weiter Verbreitung in Thüringen (trotz hoher Gefährdung in angrenzendenRegionen) bisher von Seiten des <strong>Naturschutz</strong>es wenig beachtet worden sind. Sie sind ambesten hier zu schützen <strong>und</strong> zu erhalten.Tab. 3: Endemiten Thüringens; aktuelle Gefährdung, gesetzlicher Schutzstatus, Biotopbindung <strong>und</strong> Lage der aktuellenVorkommen.GesetzVorkommen in ThüringenBiotopbindung /ArtRLTErhaltungsmaßnahmenFFHTab. 4: Arten mit sehr kleinem mitteleuropäischen Areal; aktuelle Gefährdung, gesetzlicher Schutzstatus, Biotopbindung<strong>und</strong> Lage der aktuellen Vorkommen.GesetzVorkommen in ThüringenBiotopbindung /ArtRLTErhaltungsmaßnahmenFFHFeldhamster, melanistische 1 §§ Äcker / Strukturvielfalt erhöhen Innerthüringer AckerhügellandMutante (Cricetus cricetus)Zwergheideschnecke(Trochoidea geyeri)Gemeine Plumpschrecke(Isophya kraussii)Elfenspornzikade(Kelisia minima)Kyffhäuserzikade(Psammotettix inexpectatus)Hellbraunroter Blattkäfer(Chrysolina rufa)IV1 - Trockenrasen auf Kalk <strong>und</strong>Gipskeuper / Offenhaltung3 - hochgrasige wärmebegünstigteMagerrasen, Wiesen <strong>und</strong> Säume /behutsame Offenhaltung1 - salzige Feuchtstellen mit Carexdistanz / Offenhaltung1 - wärmebegünstigte Trockenhänge /Offenhaltung3 - lichte Wälder, frische Waldsäume /Erhaltung lichter WälderInnerthüringer Ackerhügelland mitRandplatten, ZechsteingürtelKyffhäuservor allem Süd-Thüringen, ThüringerWald-Vorland, Mittleres SaaletalGera-Unstrut-Niederung (SalzwiesenLuisenhall)In D nur im ZechsteingürtelKyffhäuserIlm-Saale-Ohrdrufer Platte, Hainich-Dün-Hainleite (Hainich)


14Purpurner Blattkäfer(Chrysolina purpurascens)Bergbach-Blattkäfer(Sclerophaedon orbicularis)Wohlgenährter Großaugen-Erdfloh (Minota obesa)Steppenwiesen-Blutströpfchen(Zygaena angelicae ssp.ratisbonensis)Schwebfliegen-ArtEumerus longicornisStengelloser Tragant(Astragalus exscapus)Davall-Segge(Carex davalliana)Weicher Pippau(Crepis mollis)Pfingst-Nelke(Dianthus gratianopolitanus)Busch-Nelke(Dianthus seguieri ssp. glaber)Oellgaard-Flachbärlapp(Diphasiastrum oellgaardii)Felsen-Fingerkraut(Potentilla rupestris)Graue Scabiose(Scabiosa canescens)Krauses Greiskraut(Tephroseris crispa)Glanzloser Ehrenpreis(Veronica opaca)PottmoosPottia caespitosaSteinfliegen-ArtIsoperla silesicaZwerggrashüpfer(Stenobothrus crassipes)Schwacher Langfuß-Erdfloh(Longitarsus languidus)Erläuterungen: s. Tab. 1; „ * “: ungefährdet2 - lichte, frische Wälder /Erhaltung lichter Wälder* - schattige Bachauen in Wäldern,Quellstellen* - kühl-feuchte Bereiche der höchstenLagen, enge Bachtälchen2 § wärmebegünstigte, halbschattigeHalbtrockenrasen, Kiefernwälder,Säume / behutsame OffenhaltungMittlerer Thüringer Wald, HohesThüringer SchiefergebirgeMittlerer Thüringer Wald, HohesThüringer Schiefergebirge –Frankenwald, HarzMittlerer Thüringer Wald, HohesThüringer Schiefergebirge, HarzMeininger KalkplattenR - Trockenrasen / unbekannt Zechsteingürtel Kyffhäuser2 - kontinentale Trockenrasen /SchafthutungZechsteingürtel Kyffhäuser,Innerthüringer Ackerhügelland3 - Kalk-Quell- <strong>und</strong> Niedermoore / insb. Vorderrhön, Meininger Kalkplatten,Mahd, BeweidungSchalkauer Thüringer Wald-Vorland, Ilm-Saale-Ohrdrufer Platte* - Bergwiesen, lichte Wälder / Mahd, insb. Mittlerer Thüringer Wald,Beweidung, historischeHohes Thüringer Schiefergebirge –WaldnutzungsformenFrankenwald, Hohe Rhön,Vorderrhön, Harz* § offene Felsen / ggf. Gehölzentnahme Nordwestlicher Thüringer Wald,Mittlerer Thüringer Wald, Schwarza-Sormitz-Gebiet, Oberes Saaletal,Ostthüringer Schiefergeb. – Vogtland1 § Magerrasen, Gebüsch- <strong>und</strong>Oberes SaaletalWaldränder / ggf. Gehölzentnahme1 § Borstgrasrasen, Zwergstrauchheiden /Bodenverw<strong>und</strong>ungen1 - Säume, lichte Wälder,Halbtrockenrasen / ggf. periodischeFreistellung* - kontinentale Trockenrasen /Schafhutung3 - Nasswiesen, Quellstaudenfluren,Erlenwälder / Beweidung, Mahd2 - Hackfruchtäcker / extensiverAckerbau3 - Kalkfelsen <strong>und</strong> Kalktrockenrasen /Offenhalten der Standorte2 - hochmontane Silikat-Gebirgsbäche /Fließgewässer- <strong>und</strong> QuellenschutzR - kurzrasige Steppenrasen aufGipskeuper <strong>und</strong> Kalk / Offenhaltung1 - Störstellen in mageren Kalk-Halbtrockenrasen / OffenhaltungMittlerer Thüringer Wald, HohesThüringer Schiefergebirge –FrankenwaldOberes Saaletal, NordthüringerBuntsandsteinlandvor allem Zechsteingürtel Kyffhäuser,Innerthüringer AckerhügellandMittlerer Thüringer Wald, HohesThüringer Schiefergebirge –FrankenwaldGrabfeld, InnerthüringerAckerhügellandIlm-Saale-Ohrdrufer Platte,Meininger KalkplattenWeiträumig isoliert im mittlerenThüringer WaldIn D nur im ZechsteingürtelKyffhäuser <strong>und</strong> östliche HainleiteMuschelkalk-Höhen der Hainleite,der Schmücke <strong>und</strong> am MittlerenSaaletalHochgradig isolierte Vorkommen sind für 30 Thüringer Arten identifiziert worden (Tab. 5).Es sind vor allem Arten, deren Vorkommen bei uns Relikte kühler nacheiszeitlicherKlimaperioden, aber auch der postglazialen Warmzeit sind. Vermutlich existieren sie zumTeil bereits mehrere tausend Jahre isoliert bei uns <strong>und</strong> besitzen eine höhere genetischeEigenständigkeit. Sie sind meist hochgefährdet. Auch wegen ihrer biogeographischenSonderstellung stehen sie teilweise schon im Mittelpunkt von Schutzbemühungen. So werdendie Vorkommen dieser Arten im Kyffhäuser durch die Maßnahmen des laufenden<strong>Naturschutz</strong>großprojektes gefördert <strong>und</strong> in den großen, als <strong>Naturschutz</strong>gebiet gesichertenBereichen geschützt. Auch die Schutzbemühungen für Bergbäche <strong>und</strong> Hochmoore erhaltenLebensräume für diese Arten.


15Tab. 5: Arten mit hochgradig isolierten Vorkommen; aktuelle Gefährdung, gesetzlicher Schutzstatus, Biotopbindung <strong>und</strong>Lage der aktuellen Vorkommen.ArtRLTGesetzBiotopbindung /ErhaltungsmaßnahmenFFHVorkommen in ThüringenEintagsfliegen-Art1 - hochmontane Silikat-Gebirgsbäche / Mittlerer Thüringer Wald(Ecdyonurus picteti)Fließgewässer- <strong>und</strong> QuellenschutzSteinfliegen-Art1 - strukturreiche Flüsse /Mittellauf der Werra(Brachyptera braueri)FließgewässerschutzSteinfliegen-Art2 - hochmontane Silikat-Gebirgsbäche / Mittlerer Thüringer Wald(Chloroperla susemicheli)Fließgewässer- <strong>und</strong> QuellenschutzSteinfliegen-Art2 - hochmontane Silikat-Gebirgsbäche / Mittlerer Thüringer Wald(Leuctra alpina)Fließgewässer- <strong>und</strong> QuellenschutzKöcherfliegen-Art1 - hochmontane Silikat-Gebirgsbäche / Mittlerer Thüringer Wald(Drusus chrysotus)Fließgewässer- <strong>und</strong> QuellenschutzKöcherfliegen-Art1 - hochmontane Silikat-Gebirgsbäche / Mittlerer Thüringer Wald(Halesus rubricollis)Fließgewässer- <strong>und</strong> QuellenschutzVogel-Azurjungfer(Coenagrion ornatum)1 §§ saubere Gräben in Flussauen /Grabenpflege, keine BeschattungHelme-Unstrut-Niederung (Helme-Ried)Wanstschrecke(Polysarcus denticauda)2 - kräuterreiche Wiesen <strong>und</strong>Ruderalflächen, HochstaudenflurenRhön, Grabfeld, InnerthüringerAckerhügelland (bei Eichelborn)Weinrosen-Laubzikade(Edwardsiana rhodophila)R - Trockenrasen mit Weinrosen-Beständen / behutsame OffenhaltungKyffhäuser, Alter Stolberg, Hainleite,Bottendorfer Hügel, Drei GleichenHaargraszirpe(Praganus hofferi)1 - Keuper-Trockenrasen mit Haargras /OffenhaltungInnerthüringer Ackerhügelland(Schwellenburg)Narbiger Brach-Laubkäfer(Rhizotrogus cicatricosus)R - wärmebegünstigte Kalk- <strong>und</strong> Gips-Magerrasen / OffenhaltungZechsteingürtel Kyffhäuser,VorderrhönRotflügeliger Halsbock R § Faulholz anbrüchiger Buchen, / Oberes Saaletal(Corymbia erythroptera)Erhaltung von „Baumruinen“Ungarischer Blattkäfer2 - wärmebegünstigte Trockenhänge / Zechsteingürtel Kyffhäuser(Cassida pannonica)Wiener Langbaucherdfloh(Psylliodes vindobonensis)Berghexe(Chazara briseis)Glockenblumen-Graumönch(Cucullia campanulae)Platineule(Apamea platinea)Felsflur-Zünslereule(Zanclognatha zelleralis)Felsen-Beifuß(Artemisia rupestris)Kissenmoos(Grimmia plagiopodia)Drehzahnmoos(Tortula revolvens)H<strong>und</strong>szahnmoos(Cnestrum schisti)Wimpermoos(Asterella saccata)Stelzenstäubling(Battaraea phalloides)Kleinster Erdstern(Geastrum hungaricum)Steppen-Röteltrichterling(Lepista abdita)Rotporiger Feuerschwamm(Phellinus torulosus)Steppen-Porling(Polyporus rhizophilus)Offenhaltung1 - wärmebegünstigte Trockenhänge /behutsame OffenhaltungZechsteingürtel Kyffhäuser,Zechsteingürtel Südharz (AlterStolberg)Vorderrhön, ZechsteingürtelKyffhäuser1 § lückige Trockenrasen auf Kalk <strong>und</strong>Gipskeuper / intensive Schafhut1 § felsige Trockenrasen / Offenhaltung Zechsteingürtel Kyffhäuser1 - Trockenrasen auf Kalkschutt-Halden / OffenhaltungIlm-Saale-Ohrdrufer Platte (Hängedes Mittleren Saaletals)1 - Schieferbergbauhalden /Schwarza-Sormitz-GebietOffenhaltung(Schwarzatal bei Böhlscheiben)1 § Binnensalzstellen / Sicherung Helme-Unstrut-NiederungWasserhaushalt, extensive Mahd oderBeweidung, Konkurrenten beseitigenR - offene kalkhaltige Sandsteinfelsen / Innerthüringer Ackerhügelland,ggf. periodische Gehölzbeseitigung Saale-SandsteinplatteR - offene Gipsstandorte/ggf. periodischeGehölzbeseitigungZechsteingürtel Kyffhäuser,Zechsteingürtel Südharz,Innerthüringer Ackerhügelland1 - Silikatfelsen Mittlerer Thüringer Wald1 - südexponierte Gipshänge /Zechsteingürtel SüdharzSammelverbot1 - eutrophe Gebüsche / ? Zechsteingürtel Kyffhäuser1 - Trockenrasen / Fortsetzungextensiver SchafbeweidungInnerthüringer Ackerhügelland,Orlasenke1 - Trockenrasen / FortsetzungZechsteingürtel Kyffhäuserextensiver Schafbeweidung2 - wärmebegünstigte Eichenwälder / Zechsteingürtel Kyffhäuser, HoheErhaltung von Alteichen, Fortsetzung Schrecke-Finne, Hainich-DünhistorischerWaldnutzungsformen Hainleite1 - Trockenrasen / FortsetzungZechsteingürtel Kyffhäuserextensiver Schafbeweidung


16Zierlicher Braunspor-Stacheling(Sarcodon lepidus)Gelber Schuppenwulstling(Squamanita schreieri)Erläuterungen: s. Tab. 11 - wärmebegünstigter Eichen-Birkenwald über Gips / Fortsetzunghistorischer Waldnutzungsformen1 - wärmebegünstigte Wälder überKalk / lichte Waldstrukturen erhaltenZechsteingürtel SüdharzInnerthüringer Ackerhügelland,Werrabergland-HörselbergeDie meisten der sieben in Thüringen vorkommenden <strong>und</strong> nach IUCN (2000) weltweitgefährdeten Arten besitzen größere Areale, in denen sie aber überall zurückgehen. Sie sindauch in Thüringen durchweg hoch gefährdet. Es handelt sich um die in der folgenden Tabelle6 aufgeführten Arten:Tab. 6: Weltweit gefährdete Arten nach IUCN (2000); aktuelle Gefährdung, gesetzlicher Schutzstatus, Biotopbindung <strong>und</strong>Lage der aktuellen Vorkommen.GesetzVorkommen in ThüringenBiotopbindung /ArtRLTErhaltungsmaßnahmenFFHKleine Hufeisennase(Rhinolophus hipposideros)Mopsfledermaus(Barbastella barbastellus)Bechsteinfledermaus(Myotis bechsteinii)Wachtelkönig(Crex crex)Steinkrebs(Austropotamobius torrentium)Helm-Azurjungfer(Coenagrion mercuriale)Kreuzenzian-Ameisenbläuling(Maculinea rebeli)1 §§II IV2 §§II IV2 §§II IV1 §§I*strukturreiche Siedlungs-Randbereiche / Quartiererhaltung,Schutz der Kulturlandschaftstrukturreiche Siedlungs-Randbereiche / Quartiererhaltung(Höhlen <strong>und</strong> Stollen)strukturreiche Wälder / Schutz vonHöhlenbäumen <strong>und</strong>Quartiersicherungoffene Flussauen, Bergwiesen /extensive Grünlandpflege1 - Quellbäche <strong>und</strong> Bachoberläufe /Fließgewässerschutz2 §§ saubere Gräben in Flussauen /II Grabenpflege, Vermeidung vonBeschattung1 § Halbtrockenrasen mit Kreuzenzian /behutsame OffenhaltungErläuterungen: s. Tab. 1; „I*“ Art des Anhang I der EG-Vogelschutzrichtlinievor allem Ilm-Saale-Ohrdrufer Platte,Orlasenke, Zechsteingürtel BadLiebenstein, Werrabergland –Hörselbergevor allem Eichsfeld, Süd-Thüringen,Mittleres Saaletal, westlichesSchiefergebirge, Randhöhen desThür. BeckensWaldreiche Gebiete unter 600 m ü.NNvor allem Auen von Werra <strong>und</strong>Helme, weitere Auen <strong>und</strong> Grünländerder MittelgebirgeGrabfeld (Main-Einzugsgebiet)Thüringer Becken: Unstrut-Einzugsgebiet (v. a. Unstrut, Gera,Helme)Ilm-Saale-Ohrdrufer Platte (MittleresSaaletal, Steiger bei Erfurt),Meininger KalkplattenThüringen besitzt große zusammenhängende Gebiete, die einen wesentlichen Beitrag zurErhaltung <strong>und</strong> Entwicklung der Biologischen Vielfalt ganz Deutschlands liefern. Sie zeichnensich durch Großflächigkeit, geringere menschliche Beeinträchtigungen (große Naturnähe),repräsentative Biotope, die aus B<strong>und</strong>essicht vor allem in Thüringen besonders ausgeprägtsind, <strong>und</strong> eine besonders hohe Vielfalt an Arten <strong>und</strong> Lebensräumen aus <strong>und</strong> enthalten ofteinen besonders hohen Anteil von naturschutzrechtlich geschützter Fläche. In einer offenenListe wurden 22 Landschaftsteile Thüringens zusammengestellt, die einen hohen Beitrag zurSicherung der biologischen Vielfalt Europas leisten.Tab. 7: B<strong>und</strong>esweit bedeutende Landschaftsteile für die Biologische VielfaltGebietsname Größe/ha Besonders charakteristische BiotoptypenSüdharz ca. 11.386 ausgedehnte Hainsimsen-Buchenwälder sowieWaldmeister-Buchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong>Hangmischwälder, naturnahe Fließgewässer, Silikatfelsen


17Gipskarstgebiet imSüdharzvorlandca. 6.930einmaliges Gipskarstgebiet mit Erdfällen, Höhlen,Gipsfelsen mit Felsfluren <strong>und</strong> Gips-Schutthalden, Kalk-Trockenrasen, Orchideen-Buchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong>HangmischwälderKyffhäuser-Helmestausee ca. 7.921 Trockenbiotope über Gips <strong>und</strong> stellenweiseKarbonsandstein in herausragender Ausdehnung mitkontinentalen Kalk-Trockenrasen, Gips- <strong>und</strong>Silikatfelsen, Eichentrockenwälder <strong>und</strong> Orchideen-Buchenwälder; Waldmeister- <strong>und</strong> Hainsimsen-Buchenwälder, Erdfälle, Höhlen, Feuchtwiesen <strong>und</strong>-weiden, BinnensalzstellenRiedgebiete bei Artern <strong>und</strong>Bottendorfer HügelNördliche Randhöhen desThüringer Beckensca. 3.631ca. 31.876bedeutendste Binnensalzstellen Thüringens, Niedermooremit Feuchtwiesen <strong>und</strong> –weiden, Brenndolden-Auenwiesen <strong>und</strong> Röhrichten, einzige SchwermetallrasenThüringens in Verzahnung mit kontinentalenTrockenrasenGroßflächige Hainsimsen-, Waldmeister- <strong>und</strong> Orchideen-Buchenwälder, Eichen-Hainbuchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong>Hangmischwälder, Kalkfelsen mit Felsfluren; Kalk-Trockenrasen, PionierrasenSüdliches Eichsfeld ca. 18.215 Orchideen- <strong>und</strong> Waldmeister-Buchenwälder, Schlucht<strong>und</strong>Hangmischwälder, naturnahe Waldgrenzstandort(Bergstürze) mit Kalkfelsen; Kalkäcker, naturnaheFließgewässerHainich ca. 15.348 Großflächige unzerschnittene Waldmeister-, Hainsimsen<strong>und</strong>Orchideen-Buchenwälder, Eichen-Hainbuchenwälder,Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder,Wacholderheiden, Kalk-TrockenrasenRiedgebiet im ThüringerBeckenMuschelkalkgebietsüdöstlich von ErfurtSeeberg - Drei Gleichen –Ohrdrufer Muschelkalk-PlatteThüringisches Werratalvon Breitungen bis TreffurtNordwestlicher ThüringerWald <strong>und</strong> südliches Zechsteinvorlandca. 3.942ca. 3.287ca. 11.416ca. 10.065ca. 14.667Reichmoore mit Feuchtwiesen <strong>und</strong> –weiden,Großseggenrieden, Röhrichten <strong>und</strong> Erlen-Eschen-Wäldern, Kalkzwischenmoore mit Pfeifengraswiesen,Binsenschneide-Ried, wechseltrockene Trespen-Halbtrockenrasen, BinnensalzstellenEichen-Hainbuchenwälder, Orchideen- <strong>und</strong> Waldmeister-Buchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder, Kalk-Trockenrasen, Kalkquellmoore, PfeifengraswiesenEichen-Hainbuchen-Wälder, Orchideen- <strong>und</strong>Waldmeister-Buchenwälder, Waldgrenzstandorte(Bergstürze) mit Kalkfelsen, Kalkschutthalden <strong>und</strong>Eichen-Trockenwäldern, kontinentale <strong>und</strong>submediterrane Kalk-Trockenrasen, naturnaher Flusslauf,KalkquellmooreFlusslauf mit Altwässern, Auenwiesen, Standgewässer(Auslaugungsseen), naturnahe Waldgrenzstandort mitKalkfelsen <strong>und</strong> Kalk-Trockenrasen, Orchideen- <strong>und</strong>Waldmeister-BuchenwälderGroßflächige Hainsimsen- <strong>und</strong> Waldmeister-Buchenwälder, enge Schluchten mit Schlucht- <strong>und</strong>Hangmischwäldern, Silikat-Felsen, Bergmähwiesen,Schafhutungen mit Kalk-Trockenrasen, Wacholderheiden<strong>und</strong> Kalkquellmooren, naturnahe Fließgewässer


18Mittlerer Thüringer Wald ca. 25.303 Montane Hainsimsen- <strong>und</strong> Waldmeister-Buchenwälder,Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder, naturnaheFließgewässer mit Hochstaudenfluren; Bergmähwiesen,Borstgrasrasen, Hochmoore mit Fischen-Mooswäldern,SilikatfelsenThüringische Rhön <strong>und</strong>MeiningerMuschelkalkgebietca. 52.150Großflächige Schafhutungen mit Kalk-Trockenrasen,Wacholderheiden, Kalkquellmoore, z. T. mitKalktuffquellen;offene Basaltblockhalden, Blockhaldenwälder (Schlucht<strong>und</strong>Hangmischwälder), Waldmeister-Buchenwälder,Orchideen-Buchenwälder, Eichen-Hainbuchenwälder,Kesselmoore <strong>und</strong> Erdfallseen, naturnahe Fließgewässer,Bergmähwiesen, Borstgrasrasen, ZwergstrauchheidenGleichberge - Grabfeld ca. 7.245 Eichen-Hainbuchenwälder, Basaltblockhalden,Blockhaldenwälder (Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder),Kalk-Trockenrasen, naturnahe Fließgewässer,FeuchtgrünlandGrenzstreifen zwischenVeilsdorf <strong>und</strong> SonnebergMuschelkalkhänge desMittleren SaaletalsSchwarzatal zwischenSitzendorf <strong>und</strong> BadBlankenburgca. 1.690ca. 15.832ca. 1.866naturnahe Fließgewässer mit Buchenauenwäldern <strong>und</strong>Hochstaudenfluren; Übergangsmoore,Zwergstrauchheiden, Kalk-Halbtrockenrasen, Orchideen-Buchenwälder, Eichen-HainbuchenwälderOrchideen- <strong>und</strong> Waldmeister-Buchenwälder, Eichen-Hainbuchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder,submediterrane Kalk-Trockenrasen, naturnaheWaldgrenzstandorte mit Kalkfelsen (Bergstürze) <strong>und</strong>Kalk-Schutthalden, Kalkquellmoore, Kalktuffquellennaturnahe Waldgrenzstandorte mit Silikatfelsen,Felsfluren, Felsgebüschen <strong>und</strong> Eichen-Trockenwäldern,sehr naturnahes Fließgewässer, Hainsimsen-Buchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong> HangmischwälderOberes Saaletal ca. 9.095 naturnahe Waldgrenzstandorte mit Silikatfelsen,Felsfluren <strong>und</strong> Eichen-Trockenwäldern, Waldmeister-Buchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder,naturnahe FließgewässerFrankenwald ca. 3.848 Montane Hainsimsen- <strong>und</strong> Waldmeister-Buchenwälder,Bergmähwiesen, naturnahe Fließgewässer, Steinbrüchemit Silikatfelsen <strong>und</strong> -SchutthaldenTeichgebiete bei Plothen,Auma <strong>und</strong> NeustadtNordöstliches AltenburgerLandca. 3.528ca. 9.218meso- <strong>und</strong> eutrophe Fischteiche (größtes TeichgebietThüringens) mit Wasserpflanzen-, Ufer- <strong>und</strong> Teichbodenvegetation,VerlandungsmooreEichen-Hainbuchenwälder, Schlucht- <strong>und</strong>Hangmischwälder, naturnahe Fließgewässer,Auenwiesen, Fischteiche, Bergbaufolgelandschaft mitGrubengewässernInsgesamt nehmen diese Landschaftsteile knapp 17 % der Landesfläche ein. Diese größerenLandschaftsausschnitte mit hoher biologischer Vielfalt dürfen natürlich nicht isoliert betrachtetwerden. Über diese hinaus gibt es in allen Landesteilen Thüringens eine Vielzahl kleinererGebiete, die ebenfalls eine hohe biologische Vielfalt aufweisen. Um die Vielfalt all dieserLandschaftsteile langfristig zu sichern, ist ihre Vernetzung untereinander durch einenfunktionierenden Biotopverb<strong>und</strong> mit Trittsteinbiotopen wichtig.


19Thüringen besitzt auch etliche große Landschaftsräume, die von überörtlichen Verkehrswegennicht durchschnitten werden. Sie besitzen besondere Bedeutung für Tierarten mit größerenAktionsradien.4. Bilanz der biologischen Vielfalt in Thüringen4.1 Vergleich der Roten Listen von 1994 <strong>und</strong> 2001Thüringen hat 1994 <strong>und</strong> 2001 Sammelbände Roter Listen herausgegeben. Diese Roten Listenstellen eine Beschreibung der Gefährdung der heimischen Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt, derPflanzengesellschaften <strong>und</strong> Biotope dar <strong>und</strong> eignen sich für eine Bilanz der Situation derBiologischen Vielfalt in Thüringen für die Zeit bis Anfang der 1990er-Jahre <strong>und</strong> der Jahre bis2000.Die folgende Übersicht zeigt die summarischen Ergebnisse der Roten Listen 2001 imVergleich zu der ersten Roten Liste Thüringens 1994:1994 2001Anzahl der Einzellisten 34 59Arten, gesamt 8.904 17.003gefährdet, 3.680 (41 %) 7.642 (45 %)davon ausgestorben oder verschollen 770 (8,6 %) 1.462 (8,5 %)Pflanzengesellschaften 520 633gefährdet, 254 (49 %) 318 (50 %)davon ausgestorben oder verschollen 10 (2 %) 16 (2,5 %)Biotoptypen 88 87gefährdet 77 (88 %) 74 (85 %)Aus diesem Vergleich geht hervor, dass nach wie vor fast die Hälfte der bewerteten Arten <strong>und</strong>Pflanzengesellschaften <strong>und</strong> über 80 % der Biotoptypen in unterschiedlichem Maße gefährdetsind, wobei ca. 8,5 % der Arten als ausgestorben oder verschollen eingestuft werden mussten– das waren 2001 insgesamt 1.462 heimische Arten, die nicht mehr bei uns leben. Es wirdweiterhin deutlich, dass die Rote Liste von 2001 schon durch die viel höhere Zahl dereinbezogenen Arten (immerhin 17.000, die einzeln auf ihre Gefährdung hin bewertet wordensind!) eine hohe Repräsentativität aufweist.Der Vergleich der Roten Listen von 1994 mit denen von 2001 lässt im Einzelnen deutlicheVeränderungen in der Natur erkennen, die im Aussterben von Arten, in einer Zunahme derGefährdung, aber auch in einem Rückgang der Bestandsbedrohung zum Ausdruck kommen.In dieser Zeit haben einige Gefährdungsfaktoren zu <strong>und</strong> andere abgenommen.Durch die Bearbeiter der Roten Listen werden die wesentlichsten Gefährdungsursachen fürLebensräume, Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten in Thüringen benannt. Darunter waren besondershäufig:• Intensivierung der Landnutzung(z. B. Biozide <strong>und</strong> Düngemittel, Verlust von Randstrukturen),


20• Nutzungsänderungen(z. B. Verlust von Rohböden auf Truppenübungsplätzen, Aufforstung von Offenland),• Aufgabe traditioneller Nutzung(z. B. Schafhutung, Mahd, historische Waldnutzung, extensive Teichwirtschaft),• Nähr- <strong>und</strong> Schadstoffeinträge(in Gewässer <strong>und</strong> alle terrestrischen Biotope: Wasser- <strong>und</strong> Luftverschmutzung),• direkte Zerstörung von Biotopen(z. B. durch Verkehrs-, Siedlungs- <strong>und</strong> Industriebauten),• Ausbreitung von Neophyten oder Neozoen(z. B. infolge Fischbesatz).Besonders gravierend sind die Folgen des Auflassens extensiv genutzter Flächen. Rohbodenstandortehaben deutlich abgenommen (insbesondere auf ehemaligen Truppenübungsplätzen).Offene, kurzrasige Grasfluren, Säume <strong>und</strong> lichte Waldstellen gehen infolge fehlender oderveränderter Nutzung bzw. Pflege (z. B. Aufgabe von Schafhutung) rapide zurück. So mussteu. a. der Frauenschuh – eine der attraktivsten heimischen Orchideen – in die Kategorie starkgefährdet hochgestuft werden. Der Steinkauz als typische Eulenart kurzrasiger Grasfluren istin Thüringen unmittelbar vom Aussterben bedroht. Auf verschiedene Tiergruppen wirkt dasdeutlich erhöhte Straßenverkehrsaufkommen als unmittelbarer Gefährdungsfaktor (z. B.Säugetiere, Amphibien, Vögel). Durch die diffusen Nähr- <strong>und</strong> Schadstoffeinträge nehmenMykorrhizapilze <strong>und</strong> mykorrhizaabhängige Pflanzen weiter ab.Andere Gefährdungsursachen haben in ihrer Intensität im letzten Jahrzehnt deutlich abgenommen.Zu nennen ist in erster Linie die Abwasserbelastung unserer Fließgewässer, deren Reduzierungbereits eine Abnahme der Gefährdung einzelner Arten bewirkt hat (z. B. bei Fischen,Libellen, Steinfliegen). Die Auswirkungen einer verbesserten Wasserqualität sind allerdingsnicht so gravierend wie sie allgemein erwartet wurden. Ursache ist die meist noch vorhandeneStrukturarmut der Gewässer, die eine weitere Bestandserholung gefährdeter Arten vielfachbegrenzt. Auch die Luftqualität hat sich hinsichtlich verschiedener Parameter offenbar deutlichverbessert. So kann eine leichte Zunahme epiphytischer Arten (Flechten, Moose) <strong>und</strong>einiger Waldarten der Schnecken beobachtet werden. Zum Beispiel konnte die Pflaumenflechte,die 1992 noch stark gefährdet war, aus der Liste von 2001 herausgenommen werden.Die Bemühungen um ein höheres Totholzangebot in den Wäldern (Nationalpark Hainich,Totalreservate, Naturwaldparzellen) benötigen sicher längere Zeit, bis sie zu verändertenGefährdungseinstufungen bei Totholz bewohnenden Arten führen. Auch stehen ihnenverstärkte Verluste, z. B. durch "Baumsanierungen" im besiedelten Bereich <strong>und</strong> an Alleengegenüber.In einigen Fällen konnten Arten durch die Besiedlung von Sek<strong>und</strong>ärstandorten ihre Verlustean ursprünglichen F<strong>und</strong>orten etwas ausgleichen (z. B. die Salzpflanze Europäischer Queller anRückstandshalden der Kali-Industrie). Neben den genannten Gruppen gibt es auch Bei-spielefür positive Bestandsentwicklungen oder für eine erfolgreiche Stabilisierung derBestandssituation durch <strong>Naturschutz</strong>maßnahmen im weitesten Sinne. Eisvogel, Wasseramsel<strong>und</strong> Gebänderte Prachtlibelle, die offenbar unmittelbar von der Abwasserreinigung profitierten,sowie Schwarzstorch, Uhu <strong>und</strong> Wanderfalke, für die direkte Schutzmaßnahmenerfolgreich waren, sind Beispiele für solche Arten aus Thüringer Sicht. Die Zahl dieser Artenist noch relativ gering <strong>und</strong> auch auf besser bekannte Artengruppen, die im Zentrum speziellerSchutzbemühungen stehen, begrenzt.4.2 Erhaltungszustand von Arten <strong>und</strong> Lebensraumtypen nach der (FFH-)Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie <strong>und</strong> EU-Vogelschutzrichtlinie in Thüringen


21Auf europäischer Ebene sind Regelungen <strong>und</strong> Ziele zur Erhaltung der Biodiversität in derVogelschutzrichtlinie von 1979 <strong>und</strong> der FFH-Richtlinie von 1992 festgelegt. Die dort vorgeschriebenennational umzusetzenden Maßnahmen <strong>und</strong> gesetzlichen Regelungen dienen dazu,die Bestände der Arten <strong>und</strong> Lebensräume von europäischer Bedeutung langfristig zu erhaltenoder wieder in einen guten Zustand zu bringen. Im Zentrum der FFH-Richtlinie stehen ausgewählteArten <strong>und</strong> Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse, für die Schutzgebieteausgewiesen werden, sowie Arten von gemeinschaftlichem Interesse, für die ein strengerSchutz zu organisieren <strong>und</strong> durchzusetzen ist.Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen sind alle 6 Jahre Berichte zum Erhaltungszustandder Lebensraumtypen <strong>und</strong> Arten zu erstellen. Im Jahr 2006 wurde auch für denThüringer Anteil an der kontinentalen biogeographischen Region ein Bericht erstellt, der dasaktuelle Verbreitungsgebiet, die besiedelte Fläche, die bestehenden Gefährdungen <strong>und</strong> dieZukunftsaussichten beschreibt <strong>und</strong> dahingehend bewertet, ob der Erhaltungszustand günstigoder unzureichend oder schlecht ist. Diese Bewertung erfolgte nach einem Ampelschema, beidem die Bewertung „grün“ (= günstig) für den zu erreichenden oder zu erhaltenden Zustandsteht, wogegen „gelb“ <strong>und</strong> „rot“ für unzureichend bzw. schlecht stehen.Insgesamt 62 Thüringer Tier- <strong>und</strong> 5 Pflanzenarten der Anhänge II <strong>und</strong> IV der FFH-Richtliniesowie 44 Lebensraumtypen wurden so bewertet (Tab. 8 <strong>und</strong> 9). In den meisten Fällen decktsich die thüringische Bewertung mit der Bewertung für die gesamte kontinentale biogeographischeRegion Deutschlands.Tab. 8 : Thüringer Arten der Anhänge II <strong>und</strong> IV der FFH-Richtlinie (92/43/EWG), Berichtzum Erhaltungszustand 2000-2006, Annex B, Landesübersicht (Stand: 21.12.2006)Erhaltungszustand (= Gesamtbewertung laut Annex C)[für kontinentale biogeographische Region in Thüringen bzw. Deutschland]:FV = günstig; U1 = unzureichend; U2 = schlecht; XX = unbekannt; Populationsgröße nachZahl besiedelter Messtischblätter (TK25) bzw. Messtischblattquadranten (TK25Q) oder Zahlder VorkommenArtArtengruppeVerbreitungsgebietErhaltungszustandThüringen DeutschlandSäugetiere,sonst.Feldhamster Cricetus cricetus 65 TK25Q U1 U2Wildkatze Felis silvestris 49 TK25 FV U2Fischotter Lutra lutra 17 TK25 U1 U1Luchs Lynx lynx 1 Vork. U1 U2MuscardinusavellanariusHaselmaus41 TK25 FV XXSäuget.,Flederm.BarbastellaMopsfledermaus barbastellus103 TK25 FV U1Nordfledermaus Eptesicus nilssonii 39 TK25 U1 U1Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus 86 TK25 U1 FVBechsteinfledermaus Myotis bechsteinii 79 TK25 FV U1


22ArtengruppeVerbreitungsgebietErhaltungszustandGroße Bartfledermaus Myotis brandtii 80 TK25 U1 U1Teichfledermaus Myotis dasycneme 6 TK25 FV U1Wasserfledermaus Myotis daubentonii 118 TK25 FV FVGroßes Mausohr Myotis myotis 136 TK25 U1 FVKleine Bartfledermaus Myotis mystacinus 124 TK25 FV U1Fransenfledermaus Myotis nattereri 128 TK25 FV FVKleiner Abendsegler Nyctalus leisleri 70 TK25 U1 U1Abendsegler Nyctalus noctula 98 TK25 U1 U1Rauhhautfledermaus Pipistrellus nathusii 60 TK25 U1 FVZwergfledermaus Pipistrellus pipistrellus 117 TK25 FV FVMückenfledermaus Pipistrellus pygmaeus 18 TK25 XX XXBraunes Langohr Plecotus auritus 137 TK25 FV FVGraues Langohr Plecotus austriacus 88 TK25 U1 U1RhinolophusKleine Hufeisennase hipposideros34 TK25 U2 U2Zweifarbfledermaus Vespertilio murinus 47 TK25 U1 XXAmph. /ReptilienGeburtshelferkröte Alytes obstetricans 105 TK25Q U1 U1Gelbbauchunke Bombina variegata 28 TK25Q U2 U2Kreuzkröte Bufo calamita 111 TK25Q U1 U2Wechselkröte Bufo viridis 44 TK25Q U2 U2Schlingnatter Coronella austriaca 66 TK25 FV U1EuropäischerLaubfroschHyla arborea140 TK25Q U1 U1Zauneidechse Lacerta agilis 133 TK25 FV U1Knoblauchkröte Pelobates fuscus 102 TK25Q XX U1Moorfrosch Rana arvalis 25 TK25Q U2 U1Springfrosch Rana dalmatina 9 TK25Q FV FVKleiner Wasserfrosch Rana lessonae 77 TK25 FV XXNördlicher KammmolchTriturus cristatus 117 TK25 U1 U1FischeGroppe Cottus gobio 174 TK25Q FV FVBachneunauge Lampetra planeri 76 TK25Q U1 U1Schlammpeitzger Misgurnus fossilis 1 TK25Q U2 U1Bitterling Rhodeus amarus 3 TK25 U1 U1SchmetterlingeSkabiosen-Scheckenfalter Euphydryas aurinia56 TK25Q U1 U2EuplagiaSpanische Flagge quadripunctaria11 TK25 FV FVHeckenwollafter Eriogaster catax 1 TK25Q U2 U2Quendel-Ameisenbläuling Glaucopsyche arion106 TK25Q U1 U1Dunkler Wiesenknopf- GlaucopsycheAmeisenbläuling nausithous61 TK25 U1 U1Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling Glaucopsyche teleius6 TK25 U2 U1Haarstrangwurzeleule Gortyna borelii lunata 1 TK25Q U2 XX


23ArtengruppeVerbreitungsgebietErhaltungszustandSchwarzer Apollofalter Parnassius mnemosyne 2 Vork. U2 U2Nachtkerzenschwärmer Proserpinus proserpina U1 XXKäferHirschkäfer Lucanus cervus 33 TK25 U1 U1Eremit, Juchtenkäfer Osmoderma eremita 30 Vork. U1 U2LibellenHelm-Azurjungfer Coenagrion mercuriale 40 TK25Q U1 U1Vogel-Azurjungfer Coenagrion ornatum 5 TK25Q U1 U1Asiatische Keiljungfer Gomphus flavipes 1 TK25Q FV U1keineÖstliche Moosjungfer Leucorrhinia albifronsBewertungU2Große Moosjungfer Leucorrhinia pectoralis 4 TK25Q U1 U1Grüne Keiljungfer Ophiogomphus cecilia 7 TK25 FV FVWeichtiereMargaritiferaFlussperlmuschel margaritifera1 TK25 U2 U2Gemeine Flussmuschel Unio crassus 3 Vork. U2 U2SchmaleWindelschnecke Vertigo angustior27 TK25 U1 U1BauchigeWindelschnecke Vertigo moulinsiana2 TK25 U2 U1KrebseAustropotamobiusSteinkrebstorrentium4 TK25 U1 U1Farn- u. Blütenpfl.Sumpf-Engelwurz Angelica palustris 3 Vork. U1 U2Frauenschuh Cypripedium calceolus 77 TK25 U1 U1TrichomanesPrächtiger Dünnfarn speciosum7 TK25 FV FVMooseGrimaldimoos Mannia triandra 1 Vork. FV FVGrünes Besenmoos Dicranum viride 11 TK25 U1 U1Tab. 9 :Thüringer Lebensraumtypen des Anhanges I der FFH-Richtlinie (92/43/EWG),Bericht zum Erhaltungszustand 2000-2006, Annex D, Landesübersicht (Stand: 21.12.2006)FV = günstig; U1 = unzureichend; U2 = schlecht; XX = unbekannt;Natura2000CodeFFH-Lebensraumtypen(Bezeichnung in Thüringen)Fläche in haErhaltungszustandThüringen*1340 Salzstellen des Binnenlandes 70 FV U13130 Nährstoffarme Stillgewässer mit 200Strandlings- <strong>und</strong> Zwergbinsen-U2U1Vegetation403140 Nährstoffarme bis mäßignährstoffreiche, kalkhaltigeStillgewässermit ArmleuchteralgenU2GesamtbewertungkontinentaleRegionU1


24Natura2000 FFH-LebensraumtypenCode (Bezeichnung in Thüringen)3150 Natürliche nährstoffreicheStillgewässerFläche in ha600ErhaltungszustandThüringenU1GesamtbewertungkontinentaleRegion3160 Dystrophe Stillgewässer 2 FV U2*3180 Temporär wasserführende5Karstseen <strong>und</strong> -tümpelU1FV3190 Gipskarstseen auf gipshaltigem 2Untergr<strong>und</strong>U2U23260 Fließgewässer mit flutender 1.000WasserpflanzenvegetationU1U13270 Flüsse mit Schlammbänken 90 U2 U24030 Trockene Heiden 550 U2 U25130 Wacholderheiden 300 U1 U1*6110 Kalk- oder basenhaltige Felsen 200mit Kalk-PionierrasenU1U16130 Schwermetallrasen 1 U1 U1(*)6210Trespen-Schwingel-Kalk-Trockenrasen (*: besondereBestände mit bemerkenswertenOrchideen)9.000U1U1*6230 Artenreiche Borstgrasrasen 300 U1 U1*6240 Steppenrasen 350 U1 U16410 Pfeifengraswiesen 90 U1 U16430 Feuchte Hochstaudenfluren 1.380 U1 FV6440 Brenndolden-Auenwiesen der 62StromtälerU1U16510 Extensive Mähwiesen des Flach<strong>und</strong>Hügellandes4.500U1U16520 Berg-Mähwiesen 3.000 U1 U1*7110 Naturnahe lebende Hochmoore 4 U1 U17120 Geschädigte Hochmoore 25 U1 U27140 Übergangs- <strong>und</strong>150SchwingrasenmooreU1U17150 Torfmoor-Schlenken 0,3 U1 U1*7210 Kalkreiche Sümpfe mit Binsen- 5SchneideFVU1*7220 Kalktuffquellen 12 U1 XX7230 Kalkreiche Niedermoore 65 U1 U18150 Silikatschutthalden 150 U1 FV*8160 Kalkschutthalden 120 U1 FV8210 Kalkfelsen <strong>und</strong> ihre100FelsspaltenvegetationU1FV8220 Silikatfelsen <strong>und</strong> ihre200FelsspaltenvegetationU1FV8230 Silikatfelskuppen mit ihrer 50PioniervegetationU1FV8310 Nicht touristisch erschlossene 50HöhlenU1FV9110 Hainsimsen-Buchenwälder 28.000 U2 FV9130 Waldmeister-Buchenwälder 67.000 U1 FVU1


25Natura2000CodeFFH-Lebensraumtypen(Bezeichnung in Thüringen)Fläche in haErhaltungszustandThüringenGesamtbewertungkontinentaleRegion9150 Orchideen-Kalk-Buchenwälder 15.000 U1 FV9160 Sternmieren-Stieleichen-680HainbuchenwälderU1U19170 Labkraut-Traubeneichen- 12.400HainbuchenwälderU1U1*9180 Schlucht- <strong>und</strong> Hangmischwälder 3.300 U1 FV*91D0 Moorwälder 150 U1 U1*91E0 Auenwälder mit Erle, Esche <strong>und</strong> 3.000WeideU1U191F0 Hartholz-Auenwälder mit Eiche, 4Ulme, EscheU1U19410 Bodensaure Fichtenwälder 800 U2 U2Bei den Tierarten befinden sich 12 Arten in einem schlechten, 29 in einem unzureichenden<strong>und</strong> 12 in einem günstigen Erhaltungszustand. Zwischen den einzelnen Artengruppen gibt esdabei deutliche Unterschiede. Unter den 34 Säugetieren ist lediglich die Kleine Hufeisennasein einem schlechten Erhaltungszustand <strong>und</strong> immerhin 11 in einem günstigen. Unter den 15Amphibien <strong>und</strong> Reptilien sind mit Gelbbauchunke, Wechselkröte <strong>und</strong> Moorfrosch 3 Arten inschlechtem Erhaltungszustand, dagegen 6 in einem günstigen. Unter den 9 Schmetterlingen istlediglich eine Art in einem günstigen Erhaltungszustand, 4 dagegen in einem schlechten.Ebenso problematisch ist die Lage bei den Weichtieren, bei denen 3 der 5 Arten in schlechtemErhaltungszustand sind.Die nötigen Konsequenzen aus der aktuellen Bewertung sind dabei unterschiedlich, da derHandlungsbedarf außer aus dem Erhaltungszustand auch aus den Erfolgsaussichten <strong>und</strong> derBedeutung der Thüringer Vorkommen für die biogeographische Region abzuleiten ist. So sindMaßnahmen für die Flussperlmuschel von geringen Erfolgsaussichten. Dagegen ist derHeckenwollafter auch in den wenigen anderen Vorkommensgebieten Deutschlands selten <strong>und</strong>höchst gefährdet, der Zustand des Thüringer Bestandes ist hier also maßgeblich.Auch für Arten, die in Thüringen einen unzureichenden Erhaltungszustand besitzen, bestehtakuter Handlungsbedarf, wenn die Thüringer Bestände einen bedeutenden Anteil des Gesamtbestandesbilden, wie etwa beim Feldhamster, beim Quendel-Ameisenbläuling oder bei derHelm-Azurjungfer.Bei den Pflanzenarten befinden sich zwei Arten in einem günstigen <strong>und</strong> drei Arten in einemunzureichenden Erhaltungszustand. Zu den Arten mit günstigem Erhaltungszustand gehörender Prächtige Dünnfarn <strong>und</strong> das Grimaldimoos. Die Sumpf-Engelwurz <strong>und</strong> das Grüne Besenmoosbefinden sich in einem unzureichenden Erhaltungszustand. Beim Frauenschuh mit ebenfallsunzureichendem Erhaltungszustand sieht die Situation am kritischsten aus ( wieso?).Im Vergleich der Zustandsbewertungen der Lebensraumtypen Thüringens mit denen dergesamten kontinentalen Region heben sich der LRT 1340 (Salzstellen des Binnenlandes),LRT 3160 (Dystrophe Standgewässer) <strong>und</strong> der LRT 7210 (Kalkreiche Sümpfe mit Binsenschneide)mit dem Erhaltungszustand „günstig“ ab. Während die letzteren im Land nur relativkleine, aber intakte Vorkommen haben, trägt Thüringen mit 70 ha Fläche bei den Binnensalzstellenauch b<strong>und</strong>esweit eine besondere Verantwortung. Mit einem LIFE-Projekt in denSchwerpunktgebieten konnten weitere Verbesserungen erzielt werden.Bei den FFH-Lebensraumtypen des Grünlandes fällt die Thüringer Beurteilung weitgehendmit der der gesamten Kontinentalen Region in der Einstufung „ungünstig“ zusammen. Neben


26veränderten Bewirtschaftungsweisen führt vor allem die Auflassung zu Flächenverlusten.Fels- <strong>und</strong> Haldenbiotope, die vielfach auch mit einer traditionellen Nutzung verknüpft waren,leiden in Thüringen besonders unter der mit der Auflassung verb<strong>und</strong>enen Sukzession, so dassdie aktuellen Flächenverluste gegenüber der gesamten kontinentalen Region zu einerungünstigeren Bewertung führen.„Ungünstig“ stellt sich die Situation bei den meisten Waldlebensraumtypen dar. Zu dieserBewertung führen allgemein noch vorhandene Defizite der Funktionen <strong>und</strong> Strukturen derBestände. Dies gilt ganz besonders für die Eichen-Hainbuchenwälder <strong>und</strong> die ohnehin nurfragmentarisch vorhandenen Hartholzauenwälder.In Thüringen ist der Erhaltungszustand von sieben FFH-Lebensraumtypen als schlecht einzustufen,bei vieren davon deckungsgleich mit der Bewertung in der gesamten kontinentalenRegion.Bei den drei Standgewässertypen 3130 (Nährstoffarme Stillgewässer mit Strandlings- <strong>und</strong>Zwergbinsen-Vegetation), 3140 (Nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche, kalkhaltige Stillgewässermit Armleuchteralgen), 3190 (Gipskarstseen auf gipshaltigem Untergr<strong>und</strong>) sowiedem Fließgewässertyp 3270 (Flüsse mit Schlammbänken) führen derzeit bestehende funktionelle<strong>und</strong> strukturelle Defizite zu ungünstigen Zustandsbeurteilungen. Für 9110 (Hainsimsen-Buchenwälder) <strong>und</strong> 9410 (bodensaure Fichtenwälder) wird bei naturgemäßer Bewirtschaftungeine positive Entwicklung gesehen. Die derzeitigen Funktionen <strong>und</strong> Strukturen des Lebensraumtyps4030 (Trockene Heiden) werden in Thüringen als noch vorhanden eingestuft. Fastalle größeren trockenen Heiden in Thüringen verdanken ihre Entstehung jedoch derinzwischen aufgegebenen militärischen Nutzung, die Suche nach Nutzungsalternativengestaltet sich vielfach schwierig. Mangels besserer Zukunftsaussichten wird dieserLebensraumtyp - wie in der gesamten kontinentalen Region - als „schlecht“ eingestuft.4.3 Bilanz der verschiedenen <strong>Naturschutz</strong>instrumente, -projekte <strong>und</strong> -maßnahmen <strong>und</strong>Bewertung ihrer WirksamkeitGesetzlicher ArtenschutzDer gesetzliche Artenschutz, der Regelungen für besonders oder streng geschützte Artenumfasst, hat bisher nur bedingt Verluste an Biologischer Vielfalt verhindern können. Die imZusammenhang mit den artenschutzrechtlichen Bestimmungen der FFH-Richtlinie stehendeÄnderung des B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzes vom Dezember 2007 hat jedoch zu einer stärkerenBerücksichtigung artenschutzrechtlicher Belange im Rahmen von Vorhabensgenehmigungengeführt.ArtenhilfsprogrammeSie dienen dazu, die Lebensbedingungen gefährdeter Arten zu verbessern. Zu diesem Zweckwerden zunächst eine Bestandsaufnahme mit einer Erfassung der Populationen <strong>und</strong> ihrerHabitate sowie eine Gefährdungsanalyse durchgeführt. Ein darauf aufbauendes Maßnahmenkonzept(Artenhilfskonzept) muss dann in andere Planungen eingearbeitet <strong>und</strong>/oder von denregionalen Akteuren umgesetzt werden.Artenhilfskonzepte sind für eine ganze Reihe von Arten erarbeitet worden, teils landesweit,teils regional, teils von Seiten der Fachbehörden, teils auch von ehrenamtlichen Fachverbänden<strong>und</strong> -vereinigungen. Auch die Basiserfassungen für die Arten des Anhangs II der FFH-


27Richtlinie fanden zum Teil im Rahmen solcher Artenhilfskonzepte statt. Die bisherigenAnsätze haben Vertreter vieler Artengruppen zum Gegenstand. Bei der Auswahl der Artenwurde auch beachtet, dass ihre Lebensräume möglichst viele weitere Arten beherbergen, sodass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch ganzen Artengemeinschaften nutzen.An Säugern sind Kleine Hufeisennase, Wildkatze, Fischotter <strong>und</strong> Biber, an Vögeln z. B.Wanderfalke, Schwarzstorch, Weißstorch, Uhu, Auerhuhn, Birkhuhn <strong>und</strong> Steinkauz, anKriechtieren die Kreuzotter, an Amphibien Moorfrosch, Gelbbauchunke <strong>und</strong> Feuersalamander<strong>und</strong> an Wirbellosen Steinkrebs, Bachmuschel, Rhön-Quellschnecke, die Libellenarten Helm<strong>und</strong>Vogel-Azurjungfer, die Heuschreckenarten Rotflügelige Ödlandschrecke <strong>und</strong> Wanstschrecke,die Schmetterlingsarten Skabiosen-Scheckenfalter, Heller <strong>und</strong> Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling<strong>und</strong> Heckenwollafter Arten für die Hilfskonzepte. Bei den Pflanzenliegen z. B. für Frauenschuh, Sumpf-Engelwurz <strong>und</strong> Panzer-Sommerwurz, aber auch für diegesamte Gruppe der Ackerwildkräuter Artenhilfskonzepte vor.Einige dieser Konzepte wurden umgesetzt. Zum Beispiel: Abwasserentlastung <strong>und</strong> Unterstützungder Reproduktion für die Bachmuschel an der Milz im Thüringer Grabfeld, quartiererhaltendeMaßnahmen für die Kleine Hufeisennase, Waldbewirtschaftungsmaßnahmen fürFrauenschuh, Kreuzotter <strong>und</strong> Feuersalamander, Horstschutzmaßnahmen für Wanderfalke <strong>und</strong>Schwarzstorch oder Landbewirtschaftungsmaßnahmen zur Förderung der Ackerwildkräuter,für den Feldhamster <strong>und</strong> für den Rotmilan im Rahmen des KULAP.Arten- <strong>und</strong> BiotopschutzprogrammMit dem Arten- <strong>und</strong> Biotopschutzprogramm (ABSP) gemäß § 29 Abs. 2 des vorläufigenThüringer <strong>Naturschutz</strong>gesetzes von 1993 sollte die vorsorgliche Sicherung der wildlebendenPflanzen- <strong>und</strong> Tierwelt <strong>und</strong> ihrer Lebensräume betrieben werden. Die erste Stufe diesesKonzeptes auf Ebene der Planungsregionen konnte bereits Ende 1993 vorgelegt werden <strong>und</strong>diente der <strong>Naturschutz</strong>verwaltung insbesondere zur Sicherung vorhandener schutzwürdigerFlächen. So wurden seine Ergebnisse als Fachbeitrag des biotischen Ressourcenschutzes indie Landschaftsrahmenpläne 1994 <strong>und</strong> damit in die Fachgutachten der Regionalplanungeingearbeitet.Während der Erarbeitung erster kreisbezogener ABSP wurden bereits kleinere Projekte zurVerbesserung lokaler Lebensraumstrukturen <strong>und</strong> Artenhilfsmaßnahmen gestartet. Die umfangreichenGr<strong>und</strong>lagenerhebungen des ABSP (Luftbildinterpretationen, Biotopkartierungen,Artenerfassungen) konnten die Anforderungen der aus EU-Recht resultierenden Meldungenzur Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie bedienen <strong>und</strong> sind heute eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage derFFH-Management-Planungen.Investitionen <strong>und</strong> Projekte für Natur <strong>und</strong> LandschaftMit dem neuen Förderprogramm „Entwicklung von Natur <strong>und</strong> Landschaft“ (ENL) wurde2007 im Rahmen der „Förderinitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen“ ein Instrumentgeschaffen, das das Spektrum des <strong>Naturschutz</strong>es bis weit in die Regionalentwicklung desländlichen Raumes erweitert. Der vorgesehene Finanzrahmen von insgesamt 2 Mio. € im Jahrerlaubt auch Investitionen nicht nur zur Erhaltung, Wiederherstellung <strong>und</strong> Entwicklung vonLebensräumen <strong>und</strong> Artenschutzmaßnahmen, sondern schließt u.a. <strong>Umwel</strong>tbildung <strong>und</strong> Öffent-


28lichkeitsarbeit mit ein. Einen Schwerpunkt des Mitteleinsatzes bilden dabei die Natura-2000-Gebiete, für die mit Hilfe von ENL eine Managementplanung erstellt werden soll.<strong>Naturschutz</strong>großprojekteEin übergreifender Ansatz besteht darin, über <strong>Naturschutz</strong>großprojekte ganze Landschaftsteile,für die eine hohe Dichte schutzwürdiger <strong>und</strong> schutzbedürftiger Lebensräume <strong>und</strong> Artenbekannt sind, insgesamt in das Zentrum von Schutzbemühungen zu stellen, um so die Kapazitätenzu konzentrieren <strong>und</strong> maßnahmenabhängige Erfolge auch nachhaltig sicherstellen zukönnen.So wurden seit 1990 folgende <strong>Naturschutz</strong>großprojekte gefördert <strong>und</strong> umgesetzt :„Orchideenregion Jena – Muschelkalkhänge im Mittleren Saaletal“ (1996 – 2008, 10 Mio.€),„Kyffhäuser“ (1997 – 2008, 6 Mio.€),„Thüringer Rhönhutungen“ (2002 – 2013, 5 Mio.€).Bisher konnte nach Beendigung der naturschutzfachlichen Maßnahmen eine deutlicheVerbesserung der Lebensraumqualität beobachtet werden. Die Bilanzierung der Verbesserungenist allerdings abhängig von der finanziellen Unterstützung des Landes für dasMonitoring.Mit der Ausweisung der Kerngebiete als NSG wurde in diesen Bereichen eine relativePflegesicherheit erreicht.LIFE-ProjekteFolgende LIFE-Projekte wurden bisher in Thüringen durchgeführt:• Zwei LIFE-Projekte „Schutz des Lebensraumes Rhön – Baustein im europäischenSchutzgebietsnetz“ (1993 – 2001, 1,4 Mio.€)• „Managementplan für das zukünftige Großschutzgebiet Hainich des EuropäischenNetzwerkes Natura 2000“ (1995 – 1999, 560.000 €)• "Erhaltung <strong>und</strong> Entwicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens" (2003 – 2008, 2,4Mio.€)Programm zur Förderung von Maßnahmen des <strong>Naturschutz</strong>es <strong>und</strong> der Landschaftspflege(NALAP)Mit dem allein vom Freistaat finanzierten Förderprogramm NALAP sichert Thüringen dieUnterstützung von Projekten des Arten-<strong>und</strong> Biotopschutzes sowie Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes,die sonst durch das Raster der Vorgaben für die von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> EU kofinanziertenProgramme fallen würden (z.B. Maßnahmen für den Schutz von Fledermäusen bei derSanierung von Gebäuden oder ein an die speziellen Anforderungen von Orchideenartenangepasste Wiesenmahd durch den ehrenamtlichen <strong>Naturschutz</strong>).VertragsnaturschutzKULAP ist ein von der EU kofinanziertes Programm, das unter die Rubrik „Agrarumweltmaßnahmen“fällt. Die Programminhalte werden in Entwicklungsplänen für den ländlichenRaum fixiert <strong>und</strong> mit der EU-Kommission abgestimmt. Das seit 1993 etablierte KULAP hatsich zum mittlerweile wichtigsten Instrumentarium zur Umsetzung <strong>und</strong> Sicherung von Arten<strong>und</strong>Biotopschutzmaßnahmen entwickelt. In der derzeitigen Förderperiode von 2007 bis 2013wurden im Jahre 2008 mit ca. 48.000 ha Vertragsfläche <strong>und</strong> ca. 14 Mio € ( prüfen ?)verausgabter Mittel im Programmteil N (<strong>Naturschutz</strong>) ein neuer Höchststand erreicht. Mit denKULAP-<strong>Naturschutz</strong>maßnahmen werden wertvolle Grünlandflächen, insbesondere in Natura


292000-Gebieten, in einem guten Erhaltungszustand gesichert. Durch Effizienzkontrollen werdenfortlaufend die Maßnahmen geprüft <strong>und</strong> im Bedarfsfall abgeändert bzw. neue Programmpunktedefiniert. Um den Mitteleinsatz noch zielgerichteter auf Lebensräume mit hohemHandlungsbedarf zur Pflege zu richten, wurde in den Jahren 2006 bis 2008 eine Förderkulissefür KULAP-<strong>Naturschutz</strong> entwickelt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die im Fachinformationssystem<strong>Naturschutz</strong> gespeicherte Förderkulisse einen hohen Praxisbezug besitzt.Defizite ( welche <strong>und</strong> erfüllbar ?)in der Landschaftspflege erwachsen vor allen Dingen ausungenügenden Finanzierungsmöglichkeiten für besonders anspruchsvolle Pflegearbeiten, wieEntbuschung von Trockenrasen oder differenzierte Mahd im schwer zu bewirtschaftendemGelände zum Beispiel zum Schutz hoch bedrohter Orchideenarten. Durch steigende Agrarpreise<strong>und</strong> Verwendungsalternativen für den Aufwuchs kann der finanzielle Anreiz für denLandwirt, an KULAP-Programmen teilzunehmen, geringer werden. Bisherige Auswertungenzur Akzeptanz des neuen KULAP-Programms bestätigen dies jedoch nicht.Beim Ackerschonstreifenprogramm ist allerdings ein enormer Rückgang der Vertragsflächenzu verzeichnen, was Verluste an Vielfalt befürchten lässt. Probleme bereiten auch Flächen mitVorkommen schutzwürdiger Arten, für die es keine Nutzungs- bzw. Pflegeinteressenten mehrgibt. Zum Teil übernehmen die unteren <strong>Naturschutz</strong>behörden die Pflegearbeiten, sie sind aberzunehmend überfordert.Im Sinne der Nutzung von Synergieeffekten bestehen Defizite bei der Extensivierung vonüberschwemmungsaktiven Auenflächen. Gerade bei letzteren handelt es sich um Konfliktfelderzwischen <strong>Landwirtschaft</strong>, <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> Wasserwirtschaft. Maßnahmen zur Lösungkönnen nur im gesellschaftlichen Konsens umgesetzt werden <strong>und</strong> erfordern eine erheblicheMittelbereitstellung, um z. B. berechtigten landwirtschaftlichen Interessen gerecht zu werden.Weitere Fördermöglichkeiten nach KULAP sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:Tabelle 10: Programm zur Förderung umweltgerechter <strong>Landwirtschaft</strong>, Erhaltung der Kulturlandschaft,<strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> Landschaftspflege in Thüringen (KULAP 2007)<strong>Landwirtschaft</strong>Ökologischer Landbau, Fruchtartenvielfalt, artenreiches Grünland, Schafhutung (nicht mechanisierbaresGrünland), Ackerlandumwandlung in Grünland (Wiesenbrüter-/Überschwemmungsgebiete), Pflege Hecken <strong>und</strong>Schutzpflanzungen<strong>Naturschutz</strong> auf AckerlandHamster-/Rotmilanschutz 1) , Nahrungs- <strong>und</strong> Nistschutzflächen 1) , Ackerlandstilllegung, Blühflächen, Blühstreifen1) , Ackerrandstreifen, Uferrandstreifen 1)<strong>Naturschutz</strong> auf GrünlandGrünland-Biotoppflege Weiden (Mager- <strong>und</strong> Trockenstandorte, Bergwiesen <strong>und</strong> Borstgrasrasen, Feucht- <strong>und</strong>Nasswiesen, Wiesenbrütergebiete),Grünland-Biotoppflege Wiesen (Mager- <strong>und</strong> Trockenstandorte, Bergwiesen <strong>und</strong> Borstgrasrasen, Feucht- <strong>und</strong>Nasswiesen, Wiesenbrütergebiete, Flachlandwiesen)Biotoppflege StreuobstwiesenGewässerschutzReduzierung N-Austrag (N-Saldo) 1) , Zwischenfrüchte/Untersaaten 1) , Mulch- oder Direktsaat 1) , TeichpflegeSchutz alter NutztierrassenZucht vom Aussterben bedrohter Nutztierrassen1)neue Maßnahme seit 2007SchutzgebietsausweisungBei der Ausweisung von Schutzgebieten nach <strong>Naturschutz</strong>recht sind seit 1989/90 erheblicheFortschritte erzielt worden. Im Mittelpunkt stehen die <strong>Naturschutz</strong>gebiete. So gibt es mitStichtag 30.09.2008 in Thüringen 264 <strong>Naturschutz</strong>gebiete (einschließlich der Kern- <strong>und</strong>Pflegezonen der beiden Biosphärenreservate) mit einer Fläche von 43.873 ha (2,7 % derLandesfläche).Die Sicherung gefährdeter <strong>und</strong> schutzbedürftiger Lebensräume sowie von Habitatengefährdeter <strong>und</strong> schutzbedürftiger Arten vor allem in den Kerngebieten der <strong>Naturschutz</strong>-


30Schutzgebietskategorie Größe in ha Anteil an derLandesfläche in %*Nationalpark Hainich 7.513 0.46Biosphärenreservat Rhön48.828 3,02(Thüringer Teil)Biosphärenreservat17.028 1,05Vessertal-Thüringer WaldNaturpark Eichsfeld-Hainich-87.000 5,38WerratalNaturpark Kyffhäuser 30.465 1,88Naturpark Thüringer82.000 4,95Schiefergebirge/Obere SaaleNaturpark Thüringer Wald 208.200 12,87Naturpark Südharz 30.000 1,85Großprojekte stellten wichtige Schwerpunkte bei der Auswahl der vorrangig auszuweisenden<strong>Naturschutz</strong>gebiete dar. Auf der Basis dieser Kriterien wurde von den für die Schutzgebietsausweisungzuständigen <strong>Naturschutz</strong>-<strong>und</strong> Fachbehörden eine abgestimmte Arbeitsplanung fürdie <strong>Naturschutz</strong>gebietsausweisung aufgestellt, deren Umsetzung in wesentlichen Teilen schonstattgef<strong>und</strong>en hat. Weitere wichtige Maßgabe bei der Schutzgebietsausweisung war <strong>und</strong> ist diePrämisse, die Schutzgebietsausweisung konsensual mit den von der naturschutzrecht-lichenUnterschutzstellung Betroffenen durchzuführen. Auf diese Weise wurden zahlreiche NSG imBereich der ehemaligen innerdeutschen Grenze, des „Grünen Bandes“, aber auch aufehemaligen militärischen Liegenschaften ausgewiesen. Auch die Kerngebiete der <strong>Naturschutz</strong>-Großprojekte„Orchideenregion Jena - Muschelkalkhänge im Mittleren Saaletal“ <strong>und</strong>„Kyffhäuser“ wurden auf diese Weise als NSG gesichert.Durch die Ausweisung der <strong>Naturschutz</strong>gebiete einschließlich der Kern-<strong>und</strong> Pflegezonen derBiosphärenreservate sowie den Nationalpark Hainich wurde bisher für ca. 3,2 % der Landesflächeder verbindliche Rahmen zur Erhaltung der dortigen Arten <strong>und</strong> Lebensgemeinschaften<strong>und</strong> damit der biologischen Vielfalt geschaffen.Ergänzt wird dieses Gr<strong>und</strong>gerüst durch die in Thüringen bisher ausgewiesenen Naturdenkmale,Flächennaturdenkmale, Geschützte Landschaftsbestandteile <strong>und</strong> Landschaftsschutzgebietesowie die nach § 18 ThürNatG gesetzlich geschützten Biotope ( Flächenangaben?). Durch die damit verb<strong>und</strong>enen punktuellen Unterschutzstellungen <strong>und</strong> durchden Schutz charakteristischer Landschaftsbildelemente wie Hecken, Feldgehölze oder Streuobstbeständekonnten Verbindungs- <strong>und</strong> Trittsteinelemente gesichert werden, die für dieErhaltung der biologischen Vielfalt wichtig sind. Die naturschutzrechtlichen Schutzinstrumentewirken gemeinsam mit den nach dem Thüringer Waldgesetz erlassenen Naturwaldparzellen<strong>und</strong> –reservaten. Auch hierfür existiert ein Fachkonzept.Tab. 11: Übersicht der Schutzgebiete <strong>und</strong> Größen* Hier sind Überlagerungen mit anderen Schutzgebietskategorien wie <strong>Naturschutz</strong>gebiet oder Landschaftsschutzgebiet möglich.Thüringen verfügt darüber hinaus über sieben unter dem Namen „Nationale Naturlandschaften“zusammengefasste Großschutzgebiete, die ebenfalls wichtige Beiträge zurErhaltung der biologischen Vielfalt Thüringens liefern. Hierzu zählen der NationalparkHainich, die beiden Biosphärenreservate „Rhön“ <strong>und</strong> „Vessertal – Thüringer Wald“ sowie dievier Naturparke. Die Ausweisung eines weiteren Naturparks „Südharz“ wird derzeit vorbereitet.Die Tabelle 11 gibt einen Überblick über die Nationalen Naturlandschaften:Fazit: Die Instrumente des Flächen-<strong>und</strong> Objektschutzes dienen nicht nur einzelnen Schutzerfordernissen,sondern unterstützen als rechtliches Sicherungsinstrument die Durchsetzung


31naturschutzfachlicher Programme. Es erfolgt ein koordinierter Einsatz. Zudem werden in denModellregionen der Biosphärenreservate <strong>und</strong> Naturparke nachhaltige Landnutzungsformen<strong>und</strong> Wirtschaftsweisen erprobt, um das gedeihliche Miteinander von Mensch <strong>und</strong> Natur inseiner ganzen Vielfalt zu erhalten <strong>und</strong> zu entwickeln.LandschaftsplanungDie als „querschnittsorientierte“ Fachpläne des <strong>Naturschutz</strong>es <strong>und</strong> der Landschaftspflegeangelegten Landschaftsrahmenpläne <strong>und</strong> Landschaftspläne liegen in einer ersten Generation(1993 – 2002) für Thüringen weitgehend flächendeckend vor. Bisher gibt es keine differenziertestatistische Auswertung der Inhalte der Landschaftsrahmenpläne <strong>und</strong> Landschaftspläneder ersten Generation <strong>und</strong> ihrer Umsetzung, so dass ihre naturschutzfachlichen Stärken <strong>und</strong>Schwächen in Thüringen bisher nicht im Einzelnen bilanziert werden können. Im Überblickbetrachtet lagen die Schwerpunkte der Pläne• bei der Zusammenstellung verschiedener Gr<strong>und</strong>lagen über die biotischen <strong>und</strong> abiotischenSchutzgüter des <strong>Naturschutz</strong>es <strong>und</strong> daraus abzuleitenden Planungen für diegr<strong>und</strong>sätzliche Struktur der Flächennutzung,• bei der Auseinandersetzung mit den damals vielfach in der Planung oder Realisierungbefindlichen Eingriffsvorhaben <strong>und</strong>• der Darstellung von Vorschlägen <strong>und</strong> Anforderungen des <strong>Naturschutz</strong>es im Hinblick aufdie Raumordnung <strong>und</strong> die Bauleitpläne.Aspekte der Biodiversität wurden dabei als Gr<strong>und</strong>lagendaten <strong>und</strong> als eines der Ziele des<strong>Naturschutz</strong>es berücksichtigt, standen aber nicht im Mittelpunkt, weil mit dem „Arten-<strong>und</strong>Biotopschutzprogramm“ ein spezielles Planungskonzept vorgesehen war. Dennoch haben dieDarstellungen der Landschaftspläne über die in verschiedenen Gesetzen vorgesehenenPflichten zur Berücksichtigung <strong>und</strong> Integration bei anderen Planungen <strong>und</strong> Maßnahmenwesentlich zur Sicherung <strong>und</strong> Entwicklung der Biodiversität beigetragen, beispielsweise überdie frühzeitige raumordnerische Sicherung vieler für das europäische Schutzgebietssystem„Natura 2000“ zu meldenden Flächen <strong>und</strong> die Lenkung von Planungen für Eingriffsvorhabenauf weniger sensible Bereiche.Eingriffsregelung <strong>und</strong> Flächenpools (viel zu lang, kürzen, max. ¾ Seite)Jeden Tag wird in Thüringen ein Stück Landschaft, ein Stück Natur, ein Lebensraum vonPflanzen <strong>und</strong> Tieren für Bauvorhaben, für neue Industriegebiete oder für den Straßenbau inAnspruch genommen. Das Instrument „Eingriffsregelung“ soll dabei helfen, die Verluste zuverringern bzw. an anderer Stelle der Natur etwas dafür zurück zu geben. Gr<strong>und</strong>lage hierfürist das B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz (BNatSchG, Paragraph 18 ff) <strong>und</strong> das Thüringer Gesetz fürNatur <strong>und</strong> Landschaft (ThürNatG, Paragraph 6 ff).In der Eingriffsregelung gilt das Verursacherprinzip. Sie greift laut der gesetzlichen Definitionaber nur bei erheblichen Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Gr<strong>und</strong>flächen. Dietägliche <strong>und</strong> der guten fachlichen Praxis entsprechende Wirtschaftsweise der Land- <strong>und</strong>Forstwirtschaft unterliegt somit nicht der Eingriffsregelung. Will man diese im Sinne derBiologischen Vielfalt beeinflussen, so sind andere Instrumente des <strong>Naturschutz</strong>es wieVertragsnaturschutz oder Schutzgebietsausweisungen gefordert.Die Vorhabensträger sind zunächst angehalten, Beeinträchtigungen zu vermeiden bzw. sogering wie möglich zu halten. Für alle Beeinträchtigungen, die nicht vermieden werdenkönnen, muss Abhilfe durch entsprechende <strong>Naturschutz</strong>maßnahmen geschaffen werden.


32Vom Gesetzgeber wird der Vermeidung von Beeinträchtigungen Vorrang vor allen weiterenSchritten eingeräumt (§ 7 (2) ThürNatG). Vermeidung ist damit das erste <strong>und</strong> wichtigste Zielder Eingriffsregelung, denn für Natur <strong>und</strong> Landschaft ist es das Beste, wenn Beeinträchtigungengar nicht erst entstehen.Das gelingt am besten, wenn <strong>Naturschutz</strong>aspekte schon bei der Wahl des Standortes für einVorhaben berücksichtigt werden. Neben der Abklärung des günstigsten Standortes, bestehenaber noch vielfältige Möglichkeiten, Beeinträchtigungen von Natur <strong>und</strong> Landschaftabzuwenden. Hierzu einige Praxisbeispiele:• Störungen gefährdeter Tierarten (z. B. des Steinkauzes) können gemindert werden, indemdie Baumaßnahmen außerhalb der Brutzeit <strong>und</strong> der Aufzucht der Jungtiere durchgeführtwerden,• die Barrierewirkung von Straßen kann durch die Anlage von Tierdurchlässen (z. B. fürAmphibien) vermieden werden,• der Boden kann vor Flächeninanspruchnahme <strong>und</strong> Verdichtung durch Begrenzung vonBaustelleneinrichtungen auf das unbedingt notwendige Maß geschützt werden,• Die Ökologische Baubegleitung ist ein durchaus geeignetes Mittel, alle ökologischenBelange vor <strong>und</strong> während der Bauausführung zu berücksichtigen <strong>und</strong> die Umsetzungspezieller Schutz- <strong>und</strong> Vermeidungsmaßnahmen zu kontrollieren. Bei der Einführung derÖkologischen Baubegleitung bei den großen Straßenbauvorhaben hatte Thüringen eineVorreiterrolle.Es ist nachvollziehbar, dass die mit einem Vorhaben verb<strong>und</strong>enen Beeinträchtigungen nichtimmer vollständig vermeidbar sind. Allein die Zunahme der Siedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsflächenbelegt dieses eindrucksvoll:Tab. 12: Zunahme der Siedlungs- <strong>und</strong>Verkehrsflächen (SVF) in Hektar pro Tag (ha/d) <strong>und</strong>Anteil der Siedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsfläche an derLandesfläche in %JahrZunahme SVF[ha/d]Anteil SVF [%]2007 2,1 9,082006 1,6 9,042005 1,6 9,002004 1,0 8,962003 2,3 8,942002 3,0 8,892001 2,4 8,822000 2,6 8,771999 3,6 8,711998 3,6 8,631996 6,1 8,441992 7,89Datenquelle: Thüringer Landesamt für StatistikDiese der freien Natur entzogenen Flächen sind aber nicht automatisch mit einerEingriffsfläche gleichzusetzen. Siedlungsflächen umfassen auch Grünflächen, die für selteneArten als Rückzugsraum von großer Bedeutung sein können (siehe Kap. 5.2).


33Für die unvermeidbaren Beeinträchtigungen wird eine Wiedergutmachung (Kompensation)erforderlich. Bei der Eingriffsregelung besteht diese Kompensation an erster Stelle ausAusgleichsmaßnahmen, an zweiter Stelle aus Ersatzmaßnahmen. Ist eine Kompensation inNatura nicht möglich, so ist eine Ausgleichsabgabe zu leisten.Eine Untersuchung der in den 90er Jahren festgesetzten Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmenzeigt hinsichtlich ihrer Wirksamkeit <strong>und</strong> Werthaltigkeit ein unbefriedigendes Bild. Währendder quantitative <strong>und</strong> qualitative Realisierungsgrad von Kompensationsmaßnahmen beiStraßenbauvorhaben mit 60 % im b<strong>und</strong>esweiten Vergleich noch gut war, konnte dieser beiBebauungsplänen mit ca. 30% nicht mehr überzeugen.Hinzu kommen Klagen der landwirtschaftlichen Unternehmen, dass oft die besten Ackerbödenfür Kompensationsmaßnahmen in Anspruch genommen wurden, auch wenn dieInanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Fläche für Kompensationsmaßnahmen mit ca.1 % gemessen an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Thüringen gering ist.Neue Konzepte waren <strong>und</strong> sind gefragt. Schon mit der Änderung des Baurechts 1998 wurdenbauleitplanerische Ökokonten eingerichtet. Erste Flächenpoolmodelle wurden erprobt, auchum Siedlungsbrachen, wie beim ehemaligen Pionierlager Reila, zu renaturieren. Auf dengemeinsam von der Landentwicklung <strong>und</strong> der <strong>Naturschutz</strong>verwaltung initiierten FlächenpoolSonneberger Unterland wird Bezug genommen.Durch die Landesverwaltung wurden darauf aufbauend weitere Flächenpoolvorschlägeerarbeitet, um unter anderem für Vorhaben von regionaler <strong>und</strong> überregionaler Bedeutungentsprechende Flächen- <strong>und</strong> Maßnahmenvorschläge geben zu können. Dabei wurden inhohem Maße NATURA 2000-Gebiete einbezogen. Vorteile dieses Instrumentes ergeben sichz.B. durch eine gezielte Erhöhung des Entsiegelungsanteils an Kompensationsmaßnahmen(Ziel Erhöhung von ca. 10% auf 20%), die Unterstützung des landesweiten Biotopverb<strong>und</strong>es,die Möglichkeit frühzeitig abgestimmter <strong>und</strong> möglichst betriebsintegrierter Maßnahmen auf<strong>Landwirtschaft</strong>sflächen oder Synergien bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wiedurch Gewässerrenaturierungen in Bereichen mit besonders hohem Bedarf. Das Instrumentder Eingriffsregelung dient somit der Umsetzung verschiedener Programme <strong>und</strong> damit derErhaltung <strong>und</strong> Verbesserung der biologischen Vielfalt.Mit der Aufnahme der Neuausrichtung der Eingriffsregelung 2006 in das Thüringer Gesetz fürNatur <strong>und</strong> Landschaft wurde dieser Weg rechtlich abgesichert.Vorhabensträger haben die Möglichkeit, Kompensationsmaßnahmen in Abstimmung mit derzuständigen <strong>Naturschutz</strong>behörde schon vor der Zulassung des Eingriffs durchzuführen oder ineinem Flächenpool vorgehaltene gleichwertige Maßnahmen zur Kompensation heranzuziehen.Flächenpools können auch außerhalb des vom Eingriff betroffenen Naturraumesliegende Maßnahmen enthalten.Einen wichtigen Beitrag wird in diesem Rahmen die Stiftung <strong>Naturschutz</strong> Thüringen leisten.Aus Mitteln der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe können o.g. Schwerpunkte imSinne eines revolvierenden Fonds durch vorgezogene Maßnahmen umgesetzt werden – zurfrühzeitigen Aufwertung von Natur <strong>und</strong> Landschaft, mit Erleichterungen für Vorhabensträger<strong>und</strong> zur Lösung von Landnutzungskonflikten.Fazit: Die Eingriffsregelung ist kein Verhinderungsinstrument. Sehr wohl konnten durch einekonsequente Anwendung des Vermeidungsgebotes schlimmere Auswirkungen auf wertvolleTeile von Natur <strong>und</strong> Landschaft vermieden werden. Die Neuausrichtung der Eingriffsregelung,hier insbesondere die Flächenpoollösungen, steigern Akzeptanz <strong>und</strong> Werthaltigkeit


34von Kompensationsmaßnahmen, indem diese nach Möglichkeit konsequent zur Erfüllungübergeordneter Zielsetzungen eingesetzt <strong>und</strong> einvernehmlich entwickelt werden.Sonstige Instrumente• <strong>Umwel</strong>tbildung/Bildung für nachhaltige Entwicklung<strong>Umwel</strong>tbildung ist ein wichtiger Arbeitschwerpunkt der Verwaltungen der NationalenNaturlandschaften in Thüringen. Viele Veranstaltungen, die sich an verschiedeneNutzergruppen richten, werden regelmäßig durchgeführt (Vorträge, geführte Wanderungen,Projekte mit Schulen, Naturerlebnistage, etc.). Insbesondere Schüler stellen eineintensiv betreute Nutzergruppe dar. Im Zusammenhang mit der UN-Dekade „Bildung fürNachhaltige Entwicklung“ wurden verstärkt in diesem Bereich Bildungsangebotegemacht.Ergänzt werden diese Bildungsangebote des Nationalparks, der Biosphärenreservate <strong>und</strong>Naturparke durch Angebote der Zertifizierten Natur- <strong>und</strong> Landschaftsführer des jeweiligenGebietes.• FlurneuordnungSynergien mit der Landentwicklungsverwaltung wurden vielfach genutzt. Im Rahmen derZusammenarbeit wurden eine Vielzahl von Maßnahmen durch Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetzflankiert. Hierzu zählt die Verdichtung von Biotopverb<strong>und</strong>systemen(z.B. Wildkatzenkorridor), die Sicherung von Uferschutzstreifen, die Sicherung vonSchutzflächen für bedrohte Arten u. a. Als gemeinsame Großprojekte sind das EU-LIFE-Projekt zur Erhaltung der Binnensalzstellen im Esperstedter Ried <strong>und</strong> die Sicherung desGrünen Bandes als Deutschlands größter Biotopverb<strong>und</strong> zu nennen. Im Bereich desGrünen Bandes wurden bislang nahezu 30 Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetzangeordnet.Darüber hinaus erstreckte sich die Zusammenarbeit auf die Einrichtung <strong>und</strong> Verwaltungvon Flächenpools zur Bereitstellung von Flächen für Kompensationsmaßnahmen <strong>und</strong> dieModeration bei der Erarbeitung von Konzepten unter Beteiligung von Bürgern, Verbänden<strong>und</strong> Behörden.5. Biologische Vielfalt in den Landschaften <strong>und</strong> Lebensräumen ThüringensNach der Darstellung der bisherigen Bilanz der biologischen Vielfalt mehr aus der Sicht des<strong>Naturschutz</strong>es soll im folgenden eine Situationsbeschreibung aus den anteilmäßig größtenLandschaften <strong>und</strong> Lebensräumen die Bilanzierung abr<strong>und</strong>en.5.1 Biologische Vielfalt in den AgrarlandschaftenAusgangslageDie <strong>Landwirtschaft</strong> ist Nutzer <strong>und</strong> Gestalter der biologischen Vielfalt auf etwa 54% derBodenfläche Thüringens. Sie beeinflusst über unterschiedlich intensive Formen derBewirtschaftung maßgeblich Erhalt <strong>und</strong> Entwicklung der Agrarökosysteme, der dort lebendenArten <strong>und</strong> der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten. Agrobiodiversität bezeichnet den vonLand-, Forst- <strong>und</strong> Fischereiwirtschaft genutzten Teil der Biodiversität, der die Vielfalt derArten (Kulturpflanzen, Nutztiere), die genetische Vielfalt (Sorten, Rassen, Genotypen) <strong>und</strong>die Vielfalt der genutzten Ökosysteme (Wildarten, Strukturen im Agrarraum) umfasst. Sie istein wesentlicher Teil der gesamten biologischen Vielfalt in Thüringen.Naturraumbedingt ist die Verteilung der <strong>Landwirtschaft</strong>sfläche <strong>und</strong> der Landnutzungsformenregional sehr differenziert. Von der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) entfallen derzeit


3577 % auf das Ackerland, während 22 % als Dauergrünland bewirtschaftet werden. 1991 betrugder statistisch erfasste Grünlandanteil an der LF noch 18,4 %. Während im Thüringer Becken<strong>und</strong> im Altenburger Land der Grünlandanteil unter 10% der LF liegt, erreicht er im ThüringerWald <strong>und</strong> in der Hohen Rhön mehr als 50 %.Zur Beschreibung der Ausgangslage existieren neben vorliegenden Statistiken nur wenigespezielle Untersuchungen. Vorliegende Daten wurden in die Erstellung der nachfolgenddargestellten Bilanzen einbezogen.Ziele (für Zeitraum 1990 bis 2008 ??)Die Thüringer <strong>Landwirtschaft</strong> musste <strong>und</strong> muss sich der Herausforderung stellen, den für die<strong>Landwirtschaft</strong> genutzten Teil der biologischen Vielfalt zu erhalten, ihre Potentiale weiter zuerschließen <strong>und</strong> nachhaltig zu nutzen. Gleichzeitig steht die Thüringer <strong>Landwirtschaft</strong> aberauch in der Verantwortung, ihren Beitrag zur steigenden Marktnachfrage nach Biomasse(Nahrungs- <strong>und</strong> Futtermittel, Rohstoffe <strong>und</strong> Energie) zu leisten. Die <strong>Landwirtschaft</strong> mussdaher sowohl Schutz- als auch Nutzinteressen gerecht werden. Auf <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>und</strong>Biodiversität in Agrarökosystemen wirken sehr unterschiedliche Einfußfaktoren (Abbildung01).Klima/StandortAgrar-/ Energie-/RohstoffmärkteVerbrauchernachfrageTechnischerFortschrittErzeugungNahrungsmittel, Rohstoffe, EnergieErhalt / PflegeKulturlandschaftNutzung / SchutzRessourcenabiotisch (Boden, Wasser, Luft)biotisch (Flora, Fauna)Wirtschaftsfaktorim ländlichen Raum<strong>Landwirtschaft</strong>multifunktionalLenkungsinstrumente (Agrar- <strong>und</strong> <strong>Umwel</strong>tpolitik)Fachrecht(insbesondere Düngung, z.B.Düngeverordnung, Pflanzen-,Wasser- <strong>und</strong> <strong>Naturschutz</strong>,z.B. Natura 2000)Cross Compliance(spezifischeBewirtschaftungsvorgaben)FreiwilligeAgrarumweltmaßnahmen(KULAP Thüringen)Abbildung 01: Einflussfaktoren auf <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>und</strong> Biodiversität in AgrarökosystemenSich ändernde Rahmenbedingungen (hier insbesondere Klimawandel, Märkte, Politik) führendazu, dass sowohl die Landnutzung als auch die biologische Vielfalt einer dynamischenEntwicklung unterliegen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es derInnovationsfähigkeit von Landnutzung <strong>und</strong> Agrarwirtschaft.Eine nachhaltige, d.h., ökologischen, wirtschaftlichen wie auch sozialen AnforderungenRechnung tragende <strong>Landwirtschaft</strong> zielt auf einen höchstmöglichen betrieblichen wie auchgesellschaftlichen Gesamtnutzen ab.Erhalt <strong>und</strong> Nutzung der Agrobiodiversität bei gleichzeitiger Erhaltung natürlicher Ökosysteme<strong>und</strong> bedrohter Arten erfordert den Einsatz nachhaltiger Nutzungssysteme. Hierzubedarf es:


36- einer gezielten Analyse <strong>und</strong> Bewertung des Einflusses verschiedener Nutzungssystemeauf die biologische Vielfalt,- der Darstellung <strong>und</strong> monetären Bewertung von Maßnahmen <strong>und</strong> Leistungen der<strong>Landwirtschaft</strong> für Erhalt <strong>und</strong> Verbesserung der biologische Vielfalt,- einer leistungsgerechten Vergütung zusätzlich erforderlicher Maßnahmen zum Erhaltder biologische Vielfalt,- der langfristigen Verfügbarkeit eines breiten Spektrums nutzbarer Arten, Sorten <strong>und</strong>Rassen <strong>und</strong>- spezieller Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungsangebote für Landwirte.Mit den Programmen zur Förderung umweltgerechter <strong>Landwirtschaft</strong>, Erhaltung derKulturlandschaft, <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> Landschaftspflege (KULAP) sowie den Programmen desVertragsnaturschutzes (NALAP) verfolgt Thüringen Ziele zur Verbesserung der biologischenVielfalt (siehe Kap. 4.3).Projekte <strong>und</strong> Maßnahmen- AgrarumweltmaßnahmenThüringen bietet seit 1993 ein gebietsspezifisches Programm zur Förderung umweltgerechter<strong>Landwirtschaft</strong>, Erhaltung der Kulturlandschaft, <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> Landschaftspflege (KULAP)an. Das KULAP-Programm hat sich bewährt <strong>und</strong> ist daher auch Bestandteil derFörderinitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen 2007-2013 ´(FILET).- Programme zum Erhalt der genetischen Vielfalt in der TierzuchtZuchtprogramme <strong>und</strong> -strategien der Tierzuchtverbände orientieren sich an einer Vielzahlwirtschaftlich relevanter Kriterien. Diese existieren für Milch- <strong>und</strong> Fleischrinder (Leistung,Produktqualität, Fruchtbarkeit, Nutzungsdauer, Ges<strong>und</strong>heit), Pferde (Exterieur <strong>und</strong> Leistung),Schweine (Leistung <strong>und</strong> Fruchtbarkeit), Schafe (Leistung <strong>und</strong> Futterverwertung) <strong>und</strong> Ziegen(Leistung <strong>und</strong> Fruchtbarkeit). Genetische Vielfalt bildet eine wichtige Voraussetzung fürZuchtfortschritte <strong>und</strong> für die Nutzungsvielfalt der Nutztierarten.Zur aktiven Erhaltungsarbeit für gefährdete Nutztierrassen werden folgende Maßnahmen bzw.Projekte umgesetzt:• Förderung der Zucht vom Aussterben bedrohter einheimischer Nutztierrassen imKULAP (8 Rassen),• Arche-Höfe (Ziegenhof Peter, Greußen <strong>und</strong> Arche-Rhönschafhof, Schernberg) <strong>und</strong>• Modellprojekt Thüringer Wald Ziege.- Erweiterung Anbauspektrum im PflanzenbauDurch Schaffung neuer Verwertungslinien, u. a. mit nachwachsenden Rohstoffen ergibt sicheine Erweiterung des Anbauspektrums im Pflanzenbau. Von Thüringen wird seit 2006 dasb<strong>und</strong>esweite Forschungsprojekt „Entwicklung <strong>und</strong> Vergleich von optimierten Anbausystemenfür die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen unter den verschiedenenStandortbedingungen Deutschlands“ koordiniert. In diesem Projekt werden zahlreicheFruchtarten <strong>und</strong> Anbausysteme getestet. So konnten in Thüringen bereits Zuckerhirse <strong>und</strong>durchwachsene Silphie in die Praxis überführt werden. Des weiteren werdenAgroforstsysteme im Thüringer Lehr-, Prüf- <strong>und</strong> Versuchsgut getestet. Seit 2004 wird denLandwirten im Rahmen des KULAP die Förderung der Fruchtartendiversifizierung aufAckerflächen <strong>und</strong> von Blühflächen auf stillgelegten Flächen angeboten.


37Bilanz- Vielfalt im PflanzenbauAuf dem Ackerland werden aktuell über 100 verschiedene Kulturpflanzenarten angebaut,darunter über 45 landwirtschaftliche Fruchtarten. Letztere nehmen einen Flächenanteil vonüber 98% der Ackerfläche ein. Auf etwa 60% der Ackerfläche erfolgt der Anbau vonGetreide. Der Feldgemüseanbau erstreckt sich auf mehr als 25 Arten. Außerdem werden inThüringen Erdbeeren, Tabak sowie weitere Gartenbaukulturen <strong>und</strong> Zierpflanzen mit einergroßen Sortenvielfalt angebaut. Über 16 verschiedene, mehrjährige Sonderkulturen werden inThüringen kultiviert, wozu Obstplantagen, Baumschulflächen <strong>und</strong> Rebflächen zählen.Darüber hinaus bereichern Hopfen, Färberwaid, Faserhanf <strong>und</strong> andere Handelsgewächse dasAnbauspektrum in Thüringen. Thüringen ist ein traditionelles Anbaugebiet von Heil-, Duft<strong>und</strong>Gewürzpflanzen mit b<strong>und</strong>esweit bedeutsamen Anbauumfängen. Jährlich werden etwa 25verschiedene Heil-, Duft- <strong>und</strong> Gewürzpflanzenarten angebaut, als Hauptkulturen Kamille,Pfefferminze, Melisse <strong>und</strong> Baldrian.Innerhalb der Arten erweitert ein reichhaltiges Sortenspektrum die genetische Vielfalt. Derzüchterische Fortschritt bringt ständig neue Sorten hervor, die speziellen Standortbedingungen<strong>und</strong> Qualitätsanforderungen immer besser gerecht werden. Beispielsweise erhöhte sich dieVielfalt der in Deutschland angebauten Maissorten von 349 Sorten im Jahr 1996 auf 516Sorten im Jahr 2006. Eine Zunahme der Sortenvielfalt ist auch im Getreide- <strong>und</strong> Rapsanbaufestzustellen. Von 2000 bis 2006 erhöhte sich die Anzahl der in Thüringen angebautenGetreidesorten von 84 auf 87 bzw. bei Raps von 15 auf 28 Sorten. Die Sortenvielfalt ist beiden Fruchtarten am höchsten, die einen hohen Anbauumfang aufweisen <strong>und</strong>/oder neuenVerwendungsrichtungen dienen.Besonders positive Wirkungen auf die biologische Vielfalt <strong>und</strong> eine vielfältigeKulturlandschaft erreichte das seit 1993 angebotene Thüringer Programm zur Förderung vonumweltgerechter <strong>Landwirtschaft</strong>, Erhaltung der Kulturlandschaft, <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong>Landschaftspflege (KULAP), an dem sich jeder zweite <strong>Landwirtschaft</strong>sbetrieb im Freistaatbeteiligte <strong>und</strong> dessen Maßnahmen insgesamt r<strong>und</strong> 36 % der LF betreffen.Die Extensivierungsmaßnahmen auf 24,1% der Ackerfläche, darunter kontrolliert-integrierteAnbauverfahren, ökologischer Landbau sowie die Schaffung von Zwischenstrukturen, führtenzu einer Erweiterung des Artenspektrums wildlebender Pflanzen- <strong>und</strong> Tierarten (Abb. 02).Beispielsweise wurden auf Brachestreifen 143 Pflanzenarten, auf Blühflächen 241 <strong>und</strong> aufökologisch bewirtschafteten Flächen 208 Arten mit über 30% Bedeckungsgraden registriertim Gegensatz zu konventionell bewirtschafteten Flächen, auf denen insgesamt 173Ackerwildkrautarten mit bis zu etwa 5% Gesamtdeckung nachgewiesen wurden. Einenbesonders hohen Wert für den Schutz seltener <strong>und</strong> gefährdeter Ackerwildkräuter besitzenAckerrandstreifen, auf denen 27 Arten der Roten Liste Thüringens festgestellt wurden.


38Abbildung 02:Bewertung der Laufkäferzönosen aufunterschiedlich bewirtschaftetenAckerflächenEtwa 80 % des Dauergrünlandes in Thüringen unterlag bislang im Rahmen des KULAPzusätzlichen Extensivierungsauflagen bzw. einer gezielten Biotoppflege. Über 750 Gräser-,Kräuter- <strong>und</strong> Leguminosenarten wurden auf den Thüringer Dauerbeobachtungsflächen erfasst.In ganz Deutschland sind etwa 2000 verschiedene Grünlandpflanzenarten bekannt.Die geförderten Bewirtschaftungsweisen bewirkten die weitere Anpassung derPflanzenbestände an die vielfältigen Standort- <strong>und</strong> Bewirtschaftungsbedingungen (Abb. 03).Abbildung 03:Entwicklung der Vielfalt derPflanzengesellschaften durchGrünlandextensivierung <strong>und</strong>gezielte BiotoppflegeDabei konnten vielfältige <strong>und</strong> artenreiche Pflanzenbestände, z.B. mit über 40 Pflanzenartender Roten Liste Thüringens bzw. 31 anspruchsvolle Arten spezieller Standorte, wie aufbeweideten Trocken- <strong>und</strong> Magerrasen erhalten werden (Abb. 04).


39Abbildung 04:Artenvielfalt derGrünlandvegetation- Vielfalt in der TierhaltungBei den Nutztierarten hat sich im Vergleich von 1990 zu 2007 eine unterschiedlicheEntwicklung in der Vielfalt gehaltener Rassen vollzogen (Tabelle 01). Mit Ausnahme derSchweine hat sich bei allen Nutztierarten die Anzahl der Rassen deutlich erhöht. InVerbindung mit der Grünlandextensivierung ist eine Vielzahl von Fleischrind- <strong>und</strong>Schafrassen hinzugekommen. Die sehr starke Erweiterung der Rassenvielfalt beim Pferd stehtim engen Zusammenhang mit der Nutzung dieser Tiere im Freizeitbereich. Die neuhinzugekommenen Rassen sind, mit Ausnahme beim Milchrind, selten/gefährdet <strong>und</strong>/oder mitbesonderen Eigenschaften ausgestattet.Die Entwicklung des Rinderbestandes ist von 1995 zu 2007 stark rückläufig, Der Bestand anMilchkühen ist im Betrachtungszeitraum von 164.041 auf 116.467 gesunken, während derBestand an Mutterkühen von 30.000 auf 38.052 angestiegen ist. Eine deutliche Abnahme imBestand ist auch bei den Schafen zu verzeichnen. Trotzdem gehört Thüringen mit 27Tieren/100ha LF nach wie vor zu den Regionen mit dem höchsten Schafbesatz inDeutschland.Tabelle 12: Entwicklung der Rassenvielfalt <strong>und</strong> Tierbestände der Nutztierarten in ThüringenRassen (Anzahl)Tierbestand (Stück)Tierart 1990 2007 1995 2007Milchrind 1 6Fleischrind 1 18468.226 347.194Pferd 6 26 7.815 9.310Schwein 7 7 659.700 775 600Schaf 7 20 241.886 214.761Ziege 3 8 2.732 13.281<strong>Landwirtschaft</strong>liche Wildhaltung(Wildwiederkäuer)3 5 741 4.598Wirtschaftsgeflügel8 8Rassegeflügel336 3783.607.000 4.983.000Kaninchen 54 234 41.649 84.217*)ArtenBei allen anderen Tierarten (Pferd, Schwein, Ziege, landwirtschaftliche Wildhaltung, Geflügel<strong>und</strong> Kaninchen) hat die jeweilige Tierzahl deutlich zugenommen. Das gilt insbesondere fürdie Ziegen. Beispielhaft sind die erfolgreichen Bemühungen zum Erhalt der „Thüringer WaldZiege“. Der Bestand dieser leistungs- <strong>und</strong> widerstandsfähigen heimischen Rasse hatte sichvon 53.000 Tieren im Jahr 1935 auf 88 Zuchttiere im Jahr 1992 reduziert. Dank demgemeinsamen Engagement Thüringer Züchter <strong>und</strong> der Gesellschaft zur Erhaltung alter <strong>und</strong>


40gefährdeter Haustierrassen gelang es, die „Thüringer Waldziege“ zu erhalten. Mit Hilfe einesb<strong>und</strong>esweiten Modellprojektes wurde eine zentrale Zuchttierdatenbank geschaffen mit der dieAnpaarungsberatung für eine länderübergreifende Erhaltungszucht optimiert werden konnte.Aktuell sind b<strong>und</strong>esweit 942 Zuchttiere erfasst.Die KULAP-Förderung der vom Aussterben bedrohten einheimischen Nutztierrassen (RotesHöhenvieh, Rhönschaf, Leineschaf, Thüringer Wald Ziege, Schweres Warmblutpferd,Rheinisch-Deutsches Kaltblutpferd, Deutsches Sattelschwein) hat dazu beigetragen, dass dereingetragene Zuchttierbestand zugenommen hat (Tabelle 02).Tabelle 13:Entwicklung der Zuchttierbestände heimischer, vom Aussterben bedrohterNutztierrassen in Thüringenweibliche <strong>und</strong> männliche Zuchttiere (Stück) EntwicklungNutztierasse 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 zu2000 (%)Rotvieh, Zuchtrichtung Höhenvieh 92 117 121 125 133 92 101 110Rhönschaf 872 1.073 1.841 2.076 2.145 2.307 2.149 246Leineschaf, ursprünglicher Typ 582 550 548 605 599 629 647 111Thüringer Wald Ziege 256 273 283 322 311 285 270 106Schweres Warmblutpferd 324 340 362 415 406 437 439 136Sächsisch-Thüringisches Kaltblutpferd 1) 152 161 178 190 187 184 187 123Deutsches Sattelschwein 60 56 43 50 54 59 62 1031) ab 2004 Rheinisch-Deutsches KaltblutIn der Förderperiode 2007-2013 wird zusätzlich zu diesen 7 Nutztierrassen die Zucht vonBöcken der Rasse Merinolangwollschaf gefördert.Thüringen gehört mit 47,5 Großvieheinheiten je 100 ha LF im Jahr 2007 zu den Regionen mitdem niedrigsten Viehbesatz.1.939 Imker hielten im Jahr 2006 insgesamt 15.868 Bienenvölker im Freistaat. Die Anzahl dergehaltenen Bienenvölker ist weiterhin leicht rückläufig.In der Kaninchenzucht sind 234 Rassen <strong>und</strong> Farbschläge in die Vereinszuchtbüchereingetragen. Die Tierzahl ist tendenziell steigend.Beim Rassegeflügel betreut das Zuchtbuch 83 Zuchten.- Vielfalt der LandnutzungssystemeIn Thüringen existieren 18 Landnutzungssysteme unterschiedlichster Bewirtschaftungsintensität.Auf etwa 1/3 der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden extensive <strong>und</strong>naturschutzkonforme Wirtschaftsweisen bzw. Pflegeverfahren praktiziert. Dadurch bliebennatürliche <strong>und</strong> kulturhistorisch begründete Landschaftsformen, wie Steilhänge,Terrassenlandschaften, Wiesentäler, Hutelandschaften u.a. in beträchtlichem Umfang erhalten.Der Anteil der Ökofläche stieg im Zeitraum von 1993 bis 2007 kontinuierlich an <strong>und</strong> erreichte2006 4% an der LF Thüringens. Das Landschaftsbild der verschiedenen Kulturlandschaftenwird durch einen hohen Flächenanteil weniger Fruchtarten (Getreide <strong>und</strong> Raps) geprägt.Dennoch werden landesweit viele Arten auf den Ackerflächen angebaut.Naturnahe Strukturelemente in der Agrarlandschaft, zum Beispiel Hecken, Baumreihen <strong>und</strong>Feldraine, dienen in besonderem Maße wildlebenden Tieren <strong>und</strong> Pflanzen als Lebens- <strong>und</strong>Rückzugsraum. Im Jahr 2006 wurden im Rahmen der Betriebsprämienregelung über 28000verschiedene Landschaftselemente mit einer Gesamtfläche von 2.131 ha von Landwirtenausgewiesen. Erhalt <strong>und</strong> Entwicklung der vorhandenen Strukturen sowie Erweiterung <strong>und</strong>Neuschaffung werden durch unterschiedliche Förderprogramme bezuschusst.


415.2 Biologische Vielfalt im besiedelten Bereich in Thüringen- AusgangslageDer Freistaat Thüringen ist ein ländlich geprägtes B<strong>und</strong>esland, in dem Dörfer <strong>und</strong> kleinereStädte dominieren. Die ländlichen Strukturen wurden in den vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ertenmehrfach verändert. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts begann eine weiterePhase dörflicher Umgestaltung, in denen sich einerseits die Stadtflucht massiv verstärkte,andererseits besonders in der Nähe größerer Städte neue Wohngebiete in Dörfern entstanden<strong>und</strong> sich das Leben dort durch die neuen sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bedingungen sehrschnell wandelte.Die Unterschiede zwischen Stadt <strong>und</strong> Land verwischen zunehmend. Die vom Menschen selbstgeschaffene Eigenart <strong>und</strong> Vielfalt der alten dörflichen Strukturen geht dabei unaufhalt-samverloren. Kaum bekannt ist, dass in diesen besiedelten Bereichen eine spezielle biolo-gischeVielfalt an Pflanzen <strong>und</strong> Tierarten vorkommt, die dort teilweise auch wichtige Ersatzlebensräumegef<strong>und</strong>en haben.Dass die besiedelten Bereiche beim Verlust der weltweiten biologischen Vielfalt eine Rollespielen, wurde bereits 1992 in der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) <strong>und</strong>im Rahmen der Lokalen Agenda 21 thematisiert <strong>und</strong> in den jeweiligen Vertragsstaatenkonferenzenintensiv diskutiert. Allerdings wurden die Gefahren, die vom besiedelten Bereichauf die biologische Vielfalt ausgehen, im Allgemeinen nur unzureichend berücksichtigt.Im Mai 2008 trafen sich in der Landeshauptstadt Erfurt r<strong>und</strong> 400 Fachleute aus Wissenschaft,Planung <strong>und</strong> kommunaler Praxis aus fast 50 Ländern, um zum ersten Mal auf einer weltweitenKonferenz aktuelle wissenschaftliche <strong>und</strong> praktische Ansätze zur Umsetzung der Konventionüber die biologische Vielfalt im besiedelten Bereich in Vorträgen <strong>und</strong> Posterpräsentationenvorzustellen, gemeinsam zu diskutieren <strong>und</strong> zu beurteilen.- Ziele <strong>und</strong> BedeutungIm Zusammenhang mit den Zielen der Biodiversitätskonvention ist die biologische Vielfalt imbesiedelten Bereich vor allem aus folgenden Gründen wichtig:−−−−−urbane Ökosysteme haben eigenständige <strong>und</strong> charakteristische Eigenschaften,Städte <strong>und</strong> Dörfer sind wichtige Zentren der Evolution <strong>und</strong> Anpassung,besiedelte Bereiche sind vielschichtige „Hotspots“ <strong>und</strong> Schmelztiegel regionalerBiodiversität,biologische Vielfalt im urbanen Bereich leistet einen signifikanten Beitrag zurLebensqualität einer zunehmend durch Städte geprägten globalen Gesellschaft <strong>und</strong>biologische Vielfalt im urbanen Bereich ist die einzige Biodiversität, mit der vieleMenschen täglich Kontakt haben.Biologische Vielfalt <strong>und</strong> Naturerfahrung im urbanen Bereich kann deshalb der Schlüssel zumErhalt der globalen Biodiversität sein, weil Menschen sich nur dann für die biologische Vielfaltengagieren, wenn sie direkten Kontakt dazu haben.Da in Thüringen die ländlichen Regionen mit zahlreichen Dörfern <strong>und</strong> ihren Dorfbiotopenüberwiegen, soll ihre Bedeutung für die biologische Vielfalt besonders hervorgehobenwerden:


42Dorfbiotope in ThüringenDorfbiotope <strong>und</strong> Ihre charakteristischen Arten gehörten bis etwa 1950 zum selbstverständlichenErscheinungsbild der Dörfer. Von da ab vollzog sich mit dem Strukturwandel in der<strong>Landwirtschaft</strong> auch eine Änderung in der Zusammensetzung der Arten in den Dörfern.Dennoch wiesen die thüringischen Dörfer Anfang der 90er Jahre des vergangenenJahrh<strong>und</strong>erts im Vergleich zu vielen Gemeinden in den alten B<strong>und</strong>esländern nochbemerkenswert zahlreiche <strong>und</strong> vielfältige Dorfbiotope mit der ihnen eigenen Flora <strong>und</strong> Faunaauf. Als charakteristische dörfliche Lebensräume <strong>und</strong> Pflanzenarten können beispielhaftgenannt werden:- Ländliche Wege, Gehwege, Dorfstraßen <strong>und</strong> -gassenIm ländlichen Raum gibt es auch heute noch ländliche Wege, die, wie in der Vergangenheitüblich, aus verfestigtem Sand oder Lehm bestehen. Mitunter waren <strong>und</strong> sind Wege in derFeldflur sowie innerörtliche Straßen, Wege <strong>und</strong> Gassen mit Natursteinen gepflastert. Wo dieseFlächen weniger häufig genutzt wurden, siedelten sich verschiedene, an so extremeStandortbedingungen angepasste Trittpflanzen an. Im Grenzbereich zwischen Fuß- <strong>und</strong>Fahrwegen <strong>und</strong> den sich anschließenden Hauswänden mit Garteneinfriedungen sammeltensich in der Vergangenheit durch den Kot von Pferden, Schweinen, Schafen, Ziegen oderHühnern, die entweder auf dem Hof gehalten oder durch die Gassen getrieben wurden,Nährstoffe an. Sie förderten damit regelmäßig die Ansiedlung zahlreicher stickstoffliebenderArten.−NatursteinmauernAlte, vegetationsreiche Mauern prägten früher in besonderem Maße das Ortsbild. Die je nachSonneneinstrahlung unterschiedlichen kleinklimatischen Bedingungen <strong>und</strong> verschiedenenNährstoffverhältnisse auf <strong>und</strong> an der Mauer bedingen ein unterschiedliches Artenspektrum.−DorfgärtenIn diesen Dorfgärten findet man eine bunte Mischung aus Gemüsebeeten, Beerensträuchern,Obstbäumen, Kräutern, Stauden <strong>und</strong> Sommerblumen, die der Wuchsort zahlreicherWildkraut-Gesellschaften sind, die zu ihrem Gedeihen auf die regelmäßige Bodenbearbeitungdurch den Menschen angewiesen sind.−Anlagen für das ViehWichtige Lebensräume für stickstoffliebende Arten sind überall dort anzutreffen, wo Viehgehalten wurde, das den Boden durch seinen Kot mit Nährstoffen anreicherte. Außerdemwurde durch den Viehtrieb die Verbreitung zahlreicher Arten gefördert, da sie sich im Felloder zwischen den Klauen <strong>und</strong> Hufen festsetzten <strong>und</strong> an anderer Stelle wieder zufälligabfielen.- Dorffriedhöfe, Streuobstwiesen, Gehölze <strong>und</strong> Dorfteiche <strong>und</strong> -bäche


43In diesen Biotoptypen findet sich eine Vielzahl verschiedener Biotopstrukturen <strong>und</strong> sie sindaufgr<strong>und</strong> ihrer im Allgemeinen extensiven Pflege als Lebensraum für zahlreiche Arten vonBedeutung.Gefährdung der DorfbiotopeObwohl die Situation der Dorfbiotope <strong>und</strong> ihrer typischen Arten in Thüringen im Vergleich zuden alten B<strong>und</strong>esländern in den 90er Jahren noch allgemein als gut bezeichnet werden konnte,ist seit der Wiedervereinigung ein starker Wandel im Erscheinungsbild der Dörfer erkennbar.Zahlreiche Arten, die an diese Lebensräume geb<strong>und</strong>en waren, sind dadurch zunehmendgefährdet.Als Gründe für den Rückgang dieser Lebensräume können genannt werden:−−−−−−−−−−Intensivierung <strong>und</strong> Technisierung der <strong>Landwirtschaft</strong>,Bautätigkeit an den Ortsrändern <strong>und</strong> damit im ökologisch wertvollen Übergangsbereichzwischen Dorf <strong>und</strong> Landschaft, wodurch z. B. viele Streuobstwiesen beseitigt wurden,Versiegelung von Hofflächen, Gehwegen, Dorfstraßen <strong>und</strong> Dorfplätzen, Schaffung neuerVerkehrsflächen,Gestaltung von Grünflächen nach städtischen Vorbildern (geschnittene Rasenflächen <strong>und</strong>Anpflanzung nichtheimischer Ziersträucher <strong>und</strong> Bäume),Abriss, Sanierung <strong>und</strong> Säuberung alter Natursteinmauern,Ausbau <strong>und</strong> Verrohrung von Bächen <strong>und</strong> Gräben, Verfüllung von Dorfteichen,Aufgabe der Gartennutzung für den Gemüse- <strong>und</strong> Obstanbau <strong>und</strong> Umgestaltung zuZiergärten,Umgestaltung von Dorffriedhöfen,Verwendung von Herbiziden <strong>und</strong> mechanische Beseitigung von Wildkräutern an Wegen<strong>und</strong> Plätzen <strong>und</strong>übertriebene Säuberungsaktionen.- Projekte <strong>und</strong> Maßnahmen bis 2008In Thüringen wurden in den vergangenen 15 Jahren eine Reihe von Maßnahmen auf den Weggebracht, die den Verlust an biologischer Vielfalt in den Dörfern <strong>und</strong> Städten des Landesreduzieren halfen. Darunter sind zu nennen:−Dorfbiotopkartierung in ThüringenBereits 1993 entstand in der Naturparkverwaltung „Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale“im Zusammenwirken mit dem „Zentrum für Thüringer Landeskultur“ die Idee einerökologischen Kartierung von Dörfern. Im September 1994 fand das Thema durch die 15.Jahrestagung „Biotopkartierung im besiedelten Bereich“ in Erfurt verstärkte Beachtung. ImFrühjahr 1995 rief das TMLNU das landesweite Projekt der Dorfbiotopkartierung ins Leben<strong>und</strong> übernahm auch die Finanzierung der nicht anderweitig gedeckten Kosten.Die im Jahr 2003 vorgelegte Bestandsaufnahme der Dorfbiotopkartierung zeigte, dass dieDörfer Thüringens noch eine Vielzahl wertvoller Lebensräume beherbergen. DieseLebensräume sind es, die zusammen mit der Bauweise der Gebäude <strong>und</strong> den verwendetenBaumaterialien landestypisch sind <strong>und</strong> den Thüringer Dörfern ihr eigenes Gesicht verleihen.


44Die Dorfbiotopkartierung ist eine Momentaufnahme, die den kommunalen Entscheidungsträgernhelfen soll, die ökologischen <strong>und</strong> kulturhistorischen Gegebenheiten zu erkennen <strong>und</strong>bei allen zukünftigen Maßnahmen darauf zu achten, dass die damit verb<strong>und</strong>ene biologischeVielfalt erhalten bleibt. Bei zahlreichen Dörfern haben die Ergebnisse der Dorfbiotopkartierunggeholfen, Aktionsprogramme der Lokalen Agenda 21 zu entwickeln. Thüringen istbisher das einzige B<strong>und</strong>esland, das eine solche Dorfbiotopkartierung durchgeführt hat.−Dorferneuerung in ThüringenSeit 1991 hat das Thüringer Dorferneuerungsprogramm dazu beigetragen, den Dörfern ihreregionale Eigenart zu bewahren <strong>und</strong> zu gestalten <strong>und</strong> damit einen Beitrag zum Erhalt derbiologischen Vielfalt zu leisten. Mit der Dorferneuerungsförderung war von Anbeginn dieMöglichkeit gegeben, Vorhaben zu unterstützen, die dorf- <strong>und</strong> standortgerechte Grünlösungenzum Ziel hatten.Mit diesem Förderprogramm wurde die Erhaltung <strong>und</strong> Wiederherstellung naturnah gestalteterStraßen, Wege <strong>und</strong> Plätze genauso gefördert, wie der Erhalt <strong>und</strong> die Pflanzung von Laubbäumenoder die naturnahe Erhaltung <strong>und</strong> Gestaltung von Freiflächen, Gärten, Einfriedungen <strong>und</strong>Gewässern. Bis zum Jahr 2008 wurden 1768 Dörfer <strong>und</strong> Städte im ländlichen Raum mit einerGesamtfördersumme von 717 Millionen EUR (Stand 12/2008) unterstützt.5.3 Biologische Vielfalt der WälderAusgangslageThüringen ist von Natur aus ein Waldland. Ohne menschliche Einflussnahme würde unter denherrschenden standörtlichen Bedingungen Wald nahezu das gesamte Land bedecken. Im Zugeder Besiedlung sind die ursprünglichen Wälder zurückgedrängt <strong>und</strong> die verbliebenenWaldungen nach den gesellschaftlichen Anforderungen mehr oder weniger stark umgestaltetworden. Gegenwärtig nimmt die Waldfläche in Thüringen r<strong>und</strong> 547.000 ha ein. Dies entsprichteinem Waldanteil von 33 %. Der Waldanteil schwankt dabei regional sehr stark:während Gemarkungen in den Mittelgebirgen Waldanteile bis zu 80 % aufweisen, sinkt dasBewaldungsprozent in den landwirtschaftlichen Gunstlagen insbesondere des ThüringerBeckens <strong>und</strong> im Altenburger Land teilweise unter 5 %. Die ursprüngliche Dominanz desLaubmischwaldes ist vielerorts nicht mehr gegeben. Insbesondere infolge der forstlichenRekultivierung verödeter <strong>und</strong> devastierter Flächen sowie der mit dem Rückzug der <strong>Landwirtschaft</strong>aus dem Wald <strong>und</strong> der Industriealisierung verb<strong>und</strong>enen Orientierung auf Nutzholzgewinnungseit dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert werden die Wälder in Thüringen heute maßgeblich durchFichten <strong>und</strong> Kiefern geprägt. Der Anteil der Buchen, Eichen <strong>und</strong> anderer Laubbaumarten istim Zuge dieser Entwicklung bis Anfang der 1990er Jahre auf unter 1/3 gesunken. Trotz dieserstrukturellen Veränderungen infolge Jahrh<strong>und</strong>erte langer menschlicher Einflussnahme sind dieWälder in Thüringen ein vergleichsweise naturnaher Lebensraum <strong>und</strong> deshalb Rückzugsgebietfür viele wildlebende Arten geblieben. Diese hohe Bedeutung für die biologische Vielfaltkommt in dem überproportional hohen Anteil von Waldflächen in der naturschutzrechtlichenSchutzgebietskulisse zum Ausdruck.ZieleFür die Waldbewirtschaftung haben sich seit 1990 gravierende Veränderungen ergeben. Nachder fast flächendeckenden staatlichen Bewirtschaftung der Wälder bis 1989 fand die Rückübertragungdes Waldeigentums an die vormaligen Besitzer bzw. deren Rechtsnachfolger


45statt. Im Ergebnis dieses, bis heute noch nicht vollständig abgeschlossenen Prozesses, stehenheute eine Vielzahl von Eigentümern (siehe Abbildung 5) mit ganz unterschiedlichenEigentümerzielsetzungen in der Verantwortung, die im Thüringer Waldgesetz von 1993niedergelegten Ziele <strong>und</strong> Vorgaben einer die Nutz-, Schutz- <strong>und</strong> Erholungsfunktionennachhaltig gewährleistenden ordnungsgemäßen Forstwirtschaft umzusetzen.Abbildung 5Waldeigentumsverteilung im Freistaat Thüringen, Quelle: Forstbericht 2007Das Thüringer Waldgesetz betont die Gleichrangigkeit der Nutz-, Schutz- <strong>und</strong> Erholungsfunktionen(Multifunktionalität des Waldes) <strong>und</strong> deren Erfüllung auf der gleichen Fläche alszentrale Vorgabe für eine nachhaltige naturverträgliche Waldbewirtschaftung. Dies schließtörtlich wechselnde Vorrangfunktionen nicht aus, tritt aber einer generellen flächenmäßigenTrennung der Waldfunktionen entgegen. Im Rahmen der Schutzfunktionen des Waldes nimmtdie biologische Vielfalt eine besondere Stellung ein. So haben die Waldbesitzer u. a. diePflicht, eine artenreiche Pflanzen- <strong>und</strong> Tierwelt zu erhalten bzw. zu entwickeln sowiestandortgerechte Baumarten <strong>und</strong> herkunftsgerechtes Saat- <strong>und</strong> Pflanzgut bei Erhaltung dergenetischen Vielfalt zu verwenden. Unter Einbeziehung naturschutzrechtlicher Vorgaben istdabei ein hinreichender Anteil standortheimischer Forstpflanzen sicherzustellen. Bei derVerfolgung dieser gesellschaftlichen Ziele werden die Waldbesitzer durch die Landesforstverwaltungunterstützt <strong>und</strong> gefördert.Projekte <strong>und</strong> MaßnahmenIm Anhalt an die B<strong>und</strong>-Länder-Strategie zur Erhaltung <strong>und</strong> nachhaltigen Nutzung derbiologischen Vielfalt in den Wäldern Deutschlands (BMELF, 2000) ergeben sich folgendeHandlungsfelder:• Erfassung <strong>und</strong> Überwachung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt


46Mittels umfangreicher Fachverfahren werden Inventuren über naturschutzrelevante Strukturenim Wald durchgeführt (Waldbiotopkartierung, Meldungen zur NATURA 2000-Gebietskulisse,Erhebung seltener Baumarten), besondere Schutzfunktionen räumlich dargestellt(Waldfunktionenkartierung) <strong>und</strong> die Ergebnisse als Gr<strong>und</strong>lage für die Beurteilung desZustandes der Biodiversität im Wald <strong>und</strong> eines im Kontext der Multifunktionalität naturschutzfachlichenAnforderungen gerecht werdenden Managements genutzt.• Erfassung <strong>und</strong> Regelung nachteiliger externer EinwirkungenDie von außen auf die Ökosysteme Wald nachteilig einwirkenden biotischen <strong>und</strong> abiotischenFaktoren werden erfasst <strong>und</strong> ausgewertet (Waldzustandserfassung, Bodenzustandserfassung,Waldmessstationen, Klimawandelauswertungen) sowie im forstlichen Wirkungskreis nachKräften vermindert. Eine lange Tradition haben hierbei die Bodenschutzkalkungen zurKompensation der durch Schadstoffeinträge bedingten Versauerungen von Boden <strong>und</strong> Wasser<strong>und</strong> den damit einhergehenden Änderungen der Lebensgemeinschaften. Hinsichtlich desnachweisbaren Wandel des Klimas werden die Potentiale des Waldes als Kohlenstoffsenke,aber auch die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung <strong>und</strong> Verbesserung der Anpassungsfähigkeitder Wälder an sich ändernde Wuchs- <strong>und</strong> Konkurrenzbedingungen entwickelt. Deranhaltenden Inanspruchnahme von Waldflächen für Siedlungs-, Gewerbe- <strong>und</strong> Verkehrswegeflächenbzw. Zerschneidungseffekten werden gesetzliche <strong>und</strong> fachplanerische Instrumente(Forstliche Rahmenplanung, Waldmehrungskonzeption, Kompensationsflächenpools)gegenübergestellt.• Erhaltung <strong>und</strong> Nutzung der biologischen Vielfalt durch nachhaltige Bewirtschaftungsowie ergänzender Strategien <strong>und</strong> KonzepteIm Sinne des integrierten multifunktionalen Ansatzes nimmt die Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzungnaturnaher Waldbaukonzepte eine Schlüsselrolle für den Schutz der biologischen Vielfalt imWald auf der gesamten Fläche ein. Das hierbei kennzeichnende gezielte Einbeziehen natürlicherAbläufe <strong>und</strong> Selbstregulierungsprozesse fördert sowohl unmittelbar wie mittelbarkomplexe ökologische Strukturen. Die naturnahe Waldbewirtschaftung setzt insbesondere aufNaturverjüngung, Waldumbau von nicht hinreichend standortsgemäßen, wenig strukturiertenReinbeständen, Kahlschlagsverzicht, Belassen von Alters-/Zerfallsphasen, natur- <strong>und</strong> landschaftsschonendeWalderschließung <strong>und</strong> boden-/bestandespfleglichen Forstmaschineneinsatzsowie integrierten Waldschutz. Daneben werden spezielle Prozessschutzflächen unterhalten<strong>und</strong> insbesondere zur Beobachtung natürlicher Dynamik genutzt (z. B. Naturwaldparzellenkonzept).Projektbezogene Konzepte zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung von ausgewähltenLebensräumen <strong>und</strong> Arten, wie z. B. zur Renaturierung von Waldmooren <strong>und</strong> von Waldfließgewässern,zur Entwicklung lichter Waldstrukturen, zur Unterstützung seltener Tierarten (z.B. Rauhfußhühner, Feuersalamander, Kreuzotter) <strong>und</strong> Pflanzenarten (z. B. Tanne, Eibe,Wildobst, Sorbus-Kleinarten, Schwarzpappel, Frauenschuh) sind direkt auf den Schutz derbiologischen Vielfalt gerichtet. Zur Unterstützung autochthoner Arten <strong>und</strong> Rassen beiBäumen <strong>und</strong> Sträuchern werden in-situ- <strong>und</strong> ex-situ-Genressourcen-Erhaltungsmaßnahmendurchgeführt (Zulassung von Saatgutbeständen, Anlage von Generhaltungssamenplantagen).• Entwicklung von Anreizmaßnahmen/FörderinstrumenteBereits seit 1993 bestehen im Rahmen der von EU, B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Freistaat gemeinsam getragenenFörderung von forstwirtschaftlichen Maßnahmen nach dem B<strong>und</strong>esgesetz über die Gemeinschaftsaufgabe„Verbesserung der Agrarstruktur <strong>und</strong> des Küstenschutzes“ finanzielle Anreizefür Maßnahmen zur Umstellung auf naturnahe Waldwirtschaft, insbesondere durch langfristigeÜberführung von Reinbeständen in Mischbestände. 2006 wurde darüber hinaus mitdem Programmteil „Förderung der Umsetzung besonderer Anforderungen des <strong>Naturschutz</strong>esbei der Waldbewirtschaftung im Privat- <strong>und</strong> Körperschaftswald“ ein spezielles Vertragsnaturschutzkonzeptfür den Wald aufgenommen. Dieses Konzept schafft Anreize für gezielteMaßnahmen zur Erhaltung <strong>und</strong> Entwicklung von Waldlebensräumen <strong>und</strong> Habitaten. Die


47Förderung hat sich bewährt <strong>und</strong> ist daher auch Bestandteil der „Förderinitiative LändlicheEntwicklung in Thüringen“ 2007-2013 (FILET).Bilanz• WaldbiotopkartierungDie Waldbiotopkartierung stellt eine zur Beurteilung der Biodiversität im Wald <strong>und</strong> sichdaraus ergebender Konsequenzen für die Waldbewirtschaftung gr<strong>und</strong>legende Erfassung dar.Sie wurde im Erstdurchgang 1993 bis 2005 eigentumsübergreifend als Gemeinschaftsprojektder Forst- <strong>und</strong> <strong>Naturschutz</strong>verwaltung durchgeführt. Im Ergebnis wurden r<strong>und</strong> 277.000Biotope erfasst. Besonders geschützte Biotope nach § 18 ThürNatG kommen danach auf ca.2,6 % der Waldfläche in Thüringen vor. Bezogen auf die potentiell natürliche Vegetation kannetwa die Hälfte aller Waldbiotope der Kategorie „naturbestimmt“ zugeordnet werden. DiesesErgebnis wird durch die B<strong>und</strong>eswaldinventur II 2002 gestützt.• NATURA 2000Im Zuge der Meldungen zur NATURA 2000-Gebietskulisse, die hinsichtlich derWaldlebensraumtypen maßgeblich auf Waldbiotopkartierungsergebnissen aufbaute, zeigtesich, dass mit 174.505 ha (r<strong>und</strong> 2/3) der größte Teil der Flächen in den NATURA 2000-Gebieten (siehe Kap. 4.2) mit Wald bestockt ist. Knapp 50 % der Waldfläche in den FFH-Gebieten sind als Waldlebensraumtypen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie erfasst. Dabeidominieren die Buchenwald-Lebensräume eindeutig. Dieses Ergebnis unterstreicht dennaturschutzfachlichen Wert der Wälder insgesamt <strong>und</strong> gerade der heimischen Buchenwälderfür den Erhalt der Arten- <strong>und</strong> Lebensraumvielfalt in Thüringen. Es ist nicht zuletzt auch dasErgebnis einer über Generationen hinweg praktizierten, verantwortungsbewussten Pflege <strong>und</strong>Nutzung der Wälder durch die verschiedenen Waldbesitzer.• WaldfunktionenkartierungMit der eigentumsübergreifenden digital vorliegenden Waldfunktionenkartierung von 2001<strong>und</strong> ihrer Aktualisierung von 2006 (siehe Abbildung 6) wurden auf ca. 95 % der GesamtwaldflächeThüringens besondere Waldfunktionen festgestellt. Besondere Schutzfunktionenleisten danach 85 % der Gesamtwaldfläche, besondere Nutzfunktionen 45 % <strong>und</strong> besondereErholungsfunktionen 33 %. Hieraus wird ersichtlich, dass die Ansprüche an die Waldflächenumfangreich <strong>und</strong> vielfältig sind. Bei Überlagerungen verschiedener besonderer Waldfunktionengilt es im Sinne des Integrationsansatzes auf Gr<strong>und</strong>lage forstlichen Sachverstandesakzeptierte Kompromisslösungen für die weitere forstliche Pflege abzuleiten.


48Abbildung 6: Beispielhafte Darstellung der flächendeckend digital vorliegendenWaldfunktionenkartierung (Steiger bei Erfurt)• Erhebung seltener BaumartenSeit 1992 finden durch die Forstverwaltung Inventuren seltener Baumarten statt, um lagegerechteInformationen für besondere Schutz- <strong>und</strong> Fördermaßnahmen zu gewinnen. Nebenden äußerst selten vorkommenden Baumarten Wildapfel (180 Stck.), Wildbirne (210 Stck.)<strong>und</strong> Speierling (15 Stck.), allesamt in der Roten Liste Thüringens als gefährdet geführt, konnteauch ein erfreulicher Bestand von r<strong>und</strong> 32.000 Eiben (besonders geschützte Art nachB<strong>und</strong>esartenschutzverordnung) erfasst werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf derWeißtanne (Rote Liste Thüringen: Gefährdungsstufe 3) als ursprünglich in den Bergmischwälderndes Thüringer Waldes <strong>und</strong> Schiefergebirges verbreitete Mischbaumart, die für dennaturnahen Waldbau <strong>und</strong> den Waldumbau eine wichtige Rolle spielt. 1993 betrug der Bestandin Thüringen r<strong>und</strong> 233.000 Weißtannen, was theoretisch einer Reinbestandsfläche von lediglich123 ha entspricht. Durch umfangreiche Voranbaumaßnahmen in den 1990er Jahrenkonnte die Anteilsfläche bis zur B<strong>und</strong>eswaldinventur 2002 bereits verdreifacht werden.• Erfassung <strong>und</strong> Regelung nachteiliger externer EinwirkungenAnthropogen verursachte Stoffeinträge, forstliche Schädlinge (z. B. Borkenkäfer), Wildschäden,Witterungsextreme sowie klimatische Veränderungen stellen hinsichtlich ihrerkomplexen Wirkungsweise eine ernste Gefahr für die Wälder <strong>und</strong> deren Lebensraumfunktionendar. Zwar konnte anhand der seit 1991 jährlich stattfindenden Waldschadenserhebungenbis 2003 eine kontinuierliche Verbesserung des Kronenzustandes der Waldbäumefestgestellt werden, seitdem stagniert die Schadsituation jedoch auf einem nach wie vorbedenklichen Niveau: 2008 zeigten noch immer 34 % der aufgenommenen Bäume deutlicheSchadanzeichen. Forstlicherseits wird durch naturnahe Waldbewirtschaftung <strong>und</strong>Waldumbaumaßnahmen (siehe unten) sowie Bodenschutzkalkungen versucht, die Stabilitätder Waldökosysteme <strong>und</strong> damit die Widerstandskraft <strong>und</strong> das Anpassungsvermögen derWaldbäume an sich ändernde standörtliche Bedingungen zu verbessern. Um unerwünschteEffekte der Bodenschutzkalkung auf die biologische Vielfalt zu vermeiden, bestehen strengeRestriktionen hinsichtlich der Auswahl zu kalkender Waldflächen.• Waldmehrung


49Das Thüringer Waldgesetz betont neben dem Walderhalt auch das Ziel der Waldmehrung.Neben vielfältigen positiven Wirkungen von Waldneuanlagen auf die Schutzgüter, Boden,Wasser <strong>und</strong> örtliches Klima kann die Waldmehrung einen wichtigen Beitrag für die Vernetzungvon Lebensräumen <strong>und</strong> damit für die Förderung der biologischen Vielfalt leisten.Gemäß der forstlichen Rahmenplanung, welche die Zielstellungen des Thüringer Waldgesetzesräumlich umsetzt, soll die Waldmehrung unter Beachtung agrarstruktureller, landeskultureller,landschaftspflegerischer <strong>und</strong> naturschutzfachlicher Belange insbesondere aufGebiete mit unterdurchschnittlichem Waldanteil gelenkt werden. Besondere Bedeutung habendabei waldarme Gebiete mit Waldanteilen in den Gemarkungen unter 15 %, Sanierungsgebietedes Bergbaus <strong>und</strong> ehemalige militärisch genutzte Bereiche. In die noch laufendenAbstimmungen zur Aktualisierung der Regionalpläne sind von den regionalen Planungsgemeinschaftenr<strong>und</strong> 240 Flächenvorschläge (ca. 7500 ha) für Vorrang-/VorbehaltsgebieteWaldmehrung aufgenommen worden. Bei der Gegenüberstellung von Waldflächenverlusten(insbesondere durch Baumaßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur <strong>und</strong> Waldflächenzugängendurch Erstaufforstungen zeigt sich eine positive Bilanz: So hat sich die Waldflächeim Zeitraum von 1992 bis 2006 um ca. 2.800 ha erhöht (siehe Abbildung 7).Abbildung 7:Bilanz der Waldflächenzugänge <strong>und</strong> –abgänge im Zeitraum 1992 bis 2006 in Thüringen(Forstbericht 2007, abgeändert)• Naturnahe WaldbewirtschaftungAuf Gr<strong>und</strong>lage gesetzlicher Vorgaben (insbesondere Gr<strong>und</strong>sätze ordnungsgemäßer Forstwirtschaft,Vorbildlichkeit der Staatswaldbewirtschaftung) gestützt durch fachliche Beratung<strong>und</strong> Betreuung der Waldbesitzer durch die Landesforstverwaltung, finanzieller Anreize imRahmen des forstlichen Förderwesens sowie der Etablierung freiwilliger Selbstverpflichtungenim Zusammenhang mit der Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung ist dieUmstellung der Waldbewirtschaftung seit Beginn der 1990er Jahre auf naturnahe Konzeptegut vorangekommen. Die Nutzung der biologischen Automation ist gerade bei der Walderneuerungbinnen weniger Jahre zum allgemeinen Standard geworden. Inzwischen ist miteinem Anteil von r<strong>und</strong> 90 % Naturverjüngung (B<strong>und</strong>eswaldinventur II 2002, kurz BWI II), diebesonders die genetische Vielfalt begünstigt, ein Stand erreicht, der angesichts notwendigerWaldumbaumaßnahmen nicht mehr gesteigert werden kann. Die auf standortsgemäßestrukturelle Vielfalt der Waldbestände setzenden „modernen“ Pflege-, Durchforstungs- <strong>und</strong>


50Verjüngungsmaßnahmen haben sich ebenfalls gegenüber traditionellenReinbestandskonzepten durchgesetzt.Nach den Ergebnissen der BWI II sind auf etwa 71 % der Waldfläche im Freistaat Mischwälderanzutreffen, r<strong>und</strong> ¼ der Wälder weisen bereits eine Mehrschichtigkeit auf <strong>und</strong>befinden sich damit auf gutem Wege in Richtung stabilerer dauerwaldartiger Bestockungsverhältnisse.Eine etablierte neue Bestandesgeneration unter dem Schirm der Altbäume –wichtig für die Risikominimierung – wurde bei der BWI II auf 16 % der Waldfläche festgestellt,womit Thüringen bereits den B<strong>und</strong>esdurchschnitt erreicht hat. Angesichts derzunehmenden Gefährdungen gerade der Nadelwald-Reinbestände (siehe oben) wird derAusbau der Vorausverjüngung mit Schatten ertragenden Baumarten (v. a. Buche, Tanne)zukünftig ein wichtiges Element der naturnahen Waldbewirtschaftung sein.Hinsichtlich der naturschutzfachlich bedeutsamen Elemente der Alters- <strong>und</strong> Zerfallsphaseweisen die Wälder in Thüringen gemäß den Ergebnissen der BWI II mit 17,8 fm/ha dieb<strong>und</strong>esweit zweithöchsten durchschnittlichen Totholzvorräte auf (B<strong>und</strong>esdurchschnitt: 11,5fm/ha). Hier wird zukünftig auf die qualitative Ausformung verstärkter Wert zu legen sein.• WaldumbauVon Natur aus weitgehend laubbaumdominiert, prägen heute Nadelbaumarten ThüringensWälder. Neben Biodiversitätsverlusten hat diese Entwicklung auch zu einer Verringerung derStabilität <strong>und</strong> Elastizität der Wald-Ökosysteme geführt. Die durch Wind, Schnee <strong>und</strong> Insektensowie durch Immissionen verursachten Waldschäden (siehe oben) zeigen nur zu deutlich, dassdie Einbeziehung ökologischer Gesetzmäßigkeiten in die forstliche Bewirtschaftungexistenziell für den Erhalt funktionengerecht leistungsfähiger Wälder ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong>kommt dem Waldumbau hin zu naturnäheren Waldstrukturen in Thüringen eine besondereRolle zu. Waldumbau ist als forstliche Daueraufgabe bereits seit 1994 Bestandteil der Waldbaukonzeptionder Thüringer Landesforstverwaltung. Waldeigentümer <strong>und</strong> Landesforstverwaltungsind per Gesetz angehalten <strong>und</strong> im eigenen Interesse bestrebt, die Wälder aufGr<strong>und</strong>lage des erreichten forstlichen Wissens- <strong>und</strong> Erfahrungsschatzes zu anpassungs- <strong>und</strong>leistungsfähigen Waldbeständen zu entwickeln.Abbildung 8: Veränderung der Hauptbaumartenanteile im Zeitraum von 1993-2002Quellen: Datenspeicher Wald, Stichtag 01.01.1993 (ohne B<strong>und</strong>eswald); Forstbericht 2007Die hierfür notwendigen Aufwendungen für den Waldumbau wurden in Thüringen u. a. durchden Einsatz der forstlichen Förderung umfangreich flankiert. So konnte zwischen 1993 <strong>und</strong>2002 (BWI II) der Anteil heimischer Laubbaumarten bereits um über 7 % auf 38 % erhöht


51werden (siehe Abbildung 8). Langfristig soll der Laubbaumanteil insbesondere vor demHintergr<strong>und</strong> der klimatischen Veränderungen noch deutlich steigen.• NaturwaldparzellenkonzeptionBesondere naturschutzfachliche Bedeutung haben die Naturwaldparzellen. Dabei handelt essich um geschützte Waldgebiete nach § 9 ThürWaldG, die durch gänzliche Herausnahme ausder Waldbewirtschaftung neben dem Schutz der unbeeinflussten Entwicklung der vorhandenenWaldökosysteme insbesondere der natur- <strong>und</strong> forstwissenschaftlichen Forschungdienen. Gemäß Naturwaldparzellenkonzeption hat die Landesforstverwaltung ein Netz vonGebieten aufgebaut <strong>und</strong> inventarisiert, in dem alle großflächig typischen WaldstandorteThüringens exemplarisch vertreten sind. Derzeit sind fünf Naturwaldparzellen per Verordnung<strong>und</strong> zwei durch das Nationalparkgesetz geschützt. Weitere 14 Flächen sind bis zu ihrerendgültigen Ausweisung per Erlass gesichert.• Genressourcen-ErhaltungsmaßnahmenDie Erhaltung selten gewordener Mischbaumarten ist nicht nur im Hinblick auf die Besetzungökologischer Nischen wichtig, sondern auch Voraussetzung für den Generhalt im Hinblick aufsich ändernde <strong>Umwel</strong>tbedingungen (Klimawandel). Als Bestandteil der biologischen Vielfaltist genetische Vielfalt Voraussetzung für Angepasstheit <strong>und</strong> vor allem Anpassungsfähigkeitder Wälder. Im Rahmen eines ersten B<strong>und</strong>eskonzeptes wurden in den Forstverwaltungen derLänder Erhaltungsmaßnahmen für eine Vielzahl seltener Baum- <strong>und</strong> Straucharten eingeleitet.Die Landesforstverwaltung hat bereits 1998 ein Generhaltungskonzept für Thüringenerarbeitet. Das Konzept bezieht sich auf einheimische Baum- <strong>und</strong> Straucharten <strong>und</strong> bewährtefremdländische Baumarten, die in ein komplexes System von in-situ- <strong>und</strong> ex-situ-Erhaltungsmaßnahmen einbezogen werden. Das Generhaltungskonzept differenziert die Notwendigkeitder Generhaltungsmaßnahmen nach Arten <strong>und</strong> Dringlichkeit. Bis auf Berg- <strong>und</strong>Feldulme sowie Feldahorn sind bei allen Baumarten der Dringlichkeitsstufe 1 „vordringlich“(Hochlagenfichte, Höhenkiefer, Weißtanne, Eibe, Wildapfel, Wildbirne, Elsbeere, Schwarzpappel)spezielle Generhaltungsmaßnahmen (Erhaltungspflanzungen sowie Anlage von Generhaltungssamenplantagen)realisiert worden. Inzwischen sind weitere Baumarten (Breitblättr.Mehlbeere, Speierling, Vogelkirsche) in die Dringlichkeitsstufe 1 aufgenommen worden.• Projekte zur Sicherung bzw. Förderung von LebensräumenAnstrengungen zum Erhalt der Biodiversität in Waldlebensräumen wurden in den letztenJahren verstärkt für Maßnahmen auf Sonderstandorten unternommen. Beispiele hierfür sindMaßnahmen zur Renaturierung von Hochmooren <strong>und</strong> Fließgewässerbereichen. Im ThüringerWald <strong>und</strong> im Westlichen Schiefergebirge sind über 450 rezente Moorbildungen (Torflager)bekannt. Moore haben herausragende naturschutzfachliche Bedeutung. Naturnahe, lebendeHochmoore zählen zu den prioritären Lebensräumen nach Anhang I der FFH-Richtlinie <strong>und</strong>sind besonders geschützte Biotope nach § 18 ThürNatG. Die größten <strong>und</strong> bedeutendstenHochmoore sind als <strong>Naturschutz</strong>gebiete unter besonderen Schutz gestellt. Auf der Gr<strong>und</strong>lageeingehender Untersuchungen werden seit 2000 Erhaltungs- <strong>und</strong> Entwicklungsvorhaben vonWaldmooren im Bereich des Thüringer Waldes <strong>und</strong> des Schiefergebirges auf der Gr<strong>und</strong>lageeiner von der Landesforstverwaltung gemeinsam mit der <strong>Naturschutz</strong>verwaltung erarbeitetenKonzeption durchgeführt. Seit 2007 laufende umfangreiche Effizienzuntersuchungen zeigen,dass das Wachstum der für die Moorneubildung wichtigen Torfmoose deutlich verbessertwerden konnte.Bereits 1993 wurde durch die Landesforstverwaltung ein Waldfließgewässerprogramm mitModellvorhaben in einigen Forstämtern initiiert <strong>und</strong> späterhin ein Leitfaden für die Praxis zurÖkologie <strong>und</strong> zum Schutz der Waldfließgewässer herausgegeben. Im Zuge eines von der


52Deutschen B<strong>und</strong>esstiftung <strong>Umwel</strong>t geförderten mehrjährigen Kooperationsprojektes zwischen<strong>Naturschutz</strong>verwaltung, Landesforstverwaltung <strong>und</strong> Wasserwirtschaftsverwaltung (2002 –2007) wurden weitere gezielte Behandlungshinweise zur Pflege von Waldbachtälern unterdem besonderen Aspekt des Feuersalamanders als Leitart in diesem Lebensraum entwickelt.• Projekte zur Sicherung bzw. Förderung von ArtenHinsichtlich des Artenschutzes sollen die Aktivitäten zum Schutz der Eibe, des Auerhuhns<strong>und</strong> des Frauenschuhs exemplarisch dargestellt werden.Thüringen ist eines der eibenreichsten deutschen B<strong>und</strong>esländer. In Verantwortung diesesbesonderen Naturerbes widmet sich die Landesforstverwaltung seit Jahren dieser heimischenBaumart, um ihr mittels in-situ- <strong>und</strong> ex-situ-Maßnahmen einen Platz in geeigneten Waldgesellschaftenzu sichern. Aufgr<strong>und</strong> ihrer hervorragenden Qualität <strong>und</strong> überregionalenBedeutung wurden durch die Deutsche Kontrollvereinigung (DKV) zwei Eiben-Kontrollzeichenherkünfte(„Ibengarten“ <strong>und</strong> „Eichsfeld“) ausgewiesen.Der von <strong>Naturschutz</strong>- <strong>und</strong> Forstverwaltung gemeinsam getragene Auerhuhnschutz umfasstMaßnahmen der Biotop- <strong>und</strong> Habitatgestaltung, der Bestandesstützung durch Auswilderungvon Wildfängen aus Russland (140 Individuen) <strong>und</strong> gezüchteten Vögeln aus landeseigenerZucht sowie das Auerhuhnmonitoring. Derzeit wird von einem Bestand von etwa 40 bis 50adulten Tieren im Bereich der Thüringer Auerwildgebiete ausgegangen.Thüringen verfügt über zahlreiche Orchideenvorkommen mit zum Teil europäischerBedeutung. Besondere Anstrengungen zum Schutz <strong>und</strong> zur Förderung werden seit Jahren inenger Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis heimischer Orchideen e.V. für den Frauenschuhdurchgeführt. Dies umfasst die Erarbeitung spezifischer Schutzkonzepte, den Einsatz vonBeschäftigten der Landesforstverwaltung bei artgerechten Pflegemaßnahmen in Abstimmungmit der <strong>Naturschutz</strong>verwaltung bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit.• Entwicklung von Anreizmaßnahmen/FörderinstrumenteDie finanzielle Förderung im Privat- <strong>und</strong> Körperschaftswald setzt an vorhandenenstrukturellen Defiziten an <strong>und</strong> verfolgt in Thüringen folgende Ziele <strong>und</strong> Strategien:• eine nachhaltige, leistungs- <strong>und</strong> wettbewerbsfähige, marktorientierte <strong>und</strong> umweltverträglicheForstwirtschaft zu entwickeln,• die regionale <strong>und</strong> kommunale Entwicklung zu fördern <strong>und</strong>• die natürlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen zu schützen.Insgesamt wurden im Zeitraum 1991 bis 2006 Fördermittel in Höhe von 171,6 Mio. €ausgereicht. Das entspricht einem jährlichen Durchschnitt von 49 € pro Hektar Privat- <strong>und</strong>36 € pro Hektar Körperschaftswald.Forstpolitisch genießt die Förderung von Erstaufforstungen bisher nicht forstwirtschaftlichgenutzter Flächen einen besonderen Stellenwert. Im Zeitraum 1992 bis 2006 wurden fürinsgesamt 3.093 Hektar Erstaufforstungsfläche investive Fördermittel in Höhe von 20,8Mio. € ausgereicht.Im Rahmen der „Förderung der Umsetzung besonderer Anforderungen des <strong>Naturschutz</strong>es beider Waldbewirtschaftung im Privat- <strong>und</strong> Körperschaftswald“ kamen bislang insgesamt r<strong>und</strong>350.000 € zur Sicherung von 5.243 Habitatbäumen im Kommunal- <strong>und</strong> Privatwald zurAuszahlung. Die hiermit geförderten Bäume wurden markiert <strong>und</strong> verbleiben bis zu ihremnatürlichen Zerfall auf der Fläche5.4 Biologische Vielfalt der GewässerEinführung


53Die Zielstellungen der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ decken sich sowohlmethodisch als auch inhaltlich in vieler Hinsicht mit den Zielstellungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie(WRRL). Deshalb schließt sich an die Darstellung der Entwicklung bis zumDezember 2000 (Inkraftsetzung der WRRL) eine Bilanz zur Umsetzung der WRRL inThüringen im Hinblick auf die „Thüringer Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt“ an,wobei zeitliche Überlagerungen in der Natur der Sache liegen.Entwicklung bis zum 22.12.2000• KommunalabwasserDie Belastung der Gewässer mit nicht oder unzureichend gereinigten Abwässern hat in derVergangenheit maßgeblich dazu beigetragen, dass die biologische Vielfalt der Gewässer sichsehr weit von den natürlichen Ausgangsbedingungen entfernt hatte.Der Freistaat Thüringen ist ein ländlich geprägtes B<strong>und</strong>esland <strong>und</strong> hatte auf dem Gebiet derAbwasserreinigung <strong>und</strong> -entsorgung 1990 einen großen Nachholbedarf. Nur eine geringe Zahlvorhandener Kläranlagen in größeren Orten entsprach den gesetzlichen Anforderungen, derAnschlussgrad an funktionierende Kanalisationen war insbesondere im ländlichen Raumunbefriedigend.In Umsetzung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie von 1991 wurden Anforderungen an dieAbwassertechnik festgelegt, die in gemeindlichen Gebieten mit mehr als 2000 Einwohnerwertenbis 2005 zu erfüllen waren.Im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie ist es gelungen, die Gewässergüte derthüringischen Fließgewässer deutlich zu verbessern, was durch die folgende Abbildunguntersetzt wird:100%90%80%70%60%50%40%30%20%10%0%1991 1993 1995 1997 1999 2001 2002 2003 2004 2006Güteklasse:I I-II II II-III III III-IV IVAbb.9: Prozentuale Entwicklung der Güteklasse thüringischer Gewässer von 1991 - 2006Konnten noch 1991 nur ca. 16 % der Fließgewässer in Thüringen die Güteklasse II oder bessererreichen, so waren es 2006 bereits 73 %.Die Bestimmung der biologischen Gewässergüte erfolgt nach dem Saprobiensystem. DasVorhandensein bestimmter Gewässerorganismen (Saprobien) zeigt den Grad der organischenVerunreinigung der untersuchten Gewässerabschnitte an. Aus dem Vorhandensein <strong>und</strong> der


54Häufigkeit der Arten wird der Saprobienindex berechnet <strong>und</strong> eine entsprechende Gewässergüteklasseabgeleitet.Auch für ausgewählte chemische Güteparameter lässt sich dieser Trend belegen:Erreichung Chemische Güteklasse II (LAWA)1991 2006Ammonium 8 % 48 %AOX 18 % 75 %Phosphor-Gesamt 0 % 15 %Fließgewässer mit Gewässergüteklassen II-III (kritisch belastet) <strong>und</strong> schlechter weisen aufGr<strong>und</strong> des sich einstellenden Sauerstoffmangels, der zunehmenden Bildung toxischer Stoffe<strong>und</strong> Faulschlammablagerungen eine geringe biologische Vielfalt auf <strong>und</strong> sind zum Teil durchMassenentwicklungen weniger Arten bis hin zur ökologischen Zerstörung geprägt.Die aufgezeigte positive Entwicklung im Bereich der Kommunalabwasserbehandlung <strong>und</strong>-entsorgung hat die biologische Vielfalt in den Gewässern Thüringens deutlich erhöht.Der Freistaat Thüringen hat diese durch die kommunalen Aufgabenträger zu erbringendenLeistungen durch die Ausreichung von Fördermitteln maßgeblich unterstützt. Von 1991 -2006 wurden in Thüringen 3,8 Milliarden € in die Abwasserentsorgung investiert, derFreistaat Thüringen hat den Aufgabenträgern dazu Fördermittel in Höhe von 1,1 Milliarden €zur Verfügung gestellt.Bis zum Aufbau einer vollständigen abwassertechnischen Infrastruktur sind trotz der geschildertenErfolge noch immer erhebliche Anstrengungen zu leisten. Dies betrifft insbesondereden Anschlussgrad an Kläranlagen. Dieser wurde von 1990 bis 2006 von 43 auf 67 % erhöht -was den noch bestehenden Nachholbedarf aufzeigt.Durch die rückläufige Entwicklung des Tierbesatzes in Thüringen seit 1990 sowie insbesonderedurch ein verbessertes Düngungsmanagement, welches auch durch neue gesetzlicheRahmenbedingungen wie die Düngeverordnung des B<strong>und</strong>es (1996) definiert werden konnte,ist eine Stabilisierung der Stickstoffbilanzüberschüsse der thüringischen <strong>Landwirtschaft</strong>sbetriebe(1996 - 2007) zu konstatieren.Die Anforderungen der inzwischen novellierten Düngeverordnung, bezogen auf die zuerreichenden N-Bilanzüberschüsse, werden bereits vielerorts erreicht. Wie unten nochbeschrieben wird, reichen diese jedoch in Thüringen nicht überall aus, um den ambitioniertenZielen des Europäischen Gewässerschutzes zu genügen.Die Bodenerosion stellt für den landwirtschaftlichen Bereich den Haupteintragspfad fürPhosphor dar. Trotz zum Teil rückläufiger <strong>und</strong> negativer P-Bilanzen <strong>und</strong> im B<strong>und</strong>esvergleichgeringen Tierbesatzes ist die Gefahr erosiver Einträge in Thüringen erhöht. Das ist aufbedeutende erosionswirksame Hanglängen <strong>und</strong> große Bewirtschaftungseinheiten - vielfachohne wirksame Hindernisse für den Oberflächenabfluss - zurückzuführen. Hier besteht nochimmer ein großer Handlungsbedarf.Ein wesentlicher Schwerpunkt für Maßnahmen des Gewässerschutzes mit Bezug zurlandwirtschaftlichen Nutzung ab Anfang der 1990er Jahre waren die Einzugsgebiete, die deröffentlichen Trinkwasserversorgung dienten.


55Noch in der jüngeren Vergangenheit dienten wasserbauliche Maßnahmen insbesondere demHochwasserschutz <strong>und</strong> der Wasserkraftnutzung. Diese Nutzungen haben ihre Berechtigung<strong>und</strong> sind auch aus der modernen Wasserwirtschaft nicht wegzudenken. Es ist deshalb nötig,den Menschen <strong>und</strong> die Zivilisation vor Hochwässern <strong>und</strong> deren zum Teil verheerendenAuswirkungen zu schützen. Die Sicherung der Retentionsräume, insbesondere der Auenbereiche,ist daher vorrangig erforderlich. Begrenzte Eingriffe in die Fließgewässer werdendeshalb auch künftig nicht zu vermeiden sein.Es war jedoch zu berücksichtigen, dass eine vielfältige <strong>und</strong> naturnahe Gestaltung derGewässermorphologie einen großen Einfluss auf die Güte eines Gewässers, seine Selbstreinigungskraft<strong>und</strong> somit seine Besiedlung hat. Deshalb stehen bereits seit Anfang der 1990erJahre in Thüringen die Bemühungen um naturnahe Gewässerunterhaltung <strong>und</strong> -ausbau imVordergr<strong>und</strong>. Die Maßgabe war es deshalb, die fließenden Gewässer unserer Kulturlandschaftnicht isoliert, sondern stets im Kontext des natürlichen Gesamtsystems zu betrachten.Gemeinsam mit den Fachbereichen <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Landwirtschaft</strong> wurde deshalb durch dieAbteilung Wasserwirtschaft im TMLNU die „Richtlinie zur naturnahen Unterhaltung <strong>und</strong>zum Ausbau von Fließgewässern (1996)“ erarbeitet. Sie dient sowohl den Aufgabenträgernder Gewässerunterhaltung als auch den zuständigen Behörden als wichtige Handlungsanleitung.Da es zu den typischen Verhaltensweisen von vielen Fließgewässerorganismen gehört, inihren Lebenszyklen mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen durchzuführen, ist für dieWiederansiedlung dieser Organismen die Wiederherstellung der Durchgängigkeit derGewässer ein wesentlicher Schritt. Strukturreiche <strong>und</strong> durchwanderbare Fließgewässer sindwichtige Voraussetzungen zur Erhaltung <strong>und</strong> Entwicklung der biologischen Vielfalt.EU-Wasserrahmenrichtlinie• Biologische Vielfalt als ein integriertes Hauptziel der RichtlinieAm 22. Dezember 2000 trat die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Kraft. Sieverpflichtet die Mitgliedstaaten der EU bis zum Jahr 2015 den guten Zustand in allenGewässern zu erreichen. Darunter versteht man den guten ökologischen <strong>und</strong> chemischenZustand der Oberflächengewässer <strong>und</strong> den guten chemischen <strong>und</strong> mengenmäßigen Zustanddes Gr<strong>und</strong>wassers.Insbesondere die Zustandsbewertung der Oberflächengewässer, als Gr<strong>und</strong>lage für dieKontrolle der Zielerreichung nach WRRL, ist mit der Einführung der Richtlinie deutlicherweitert worden.Neben den klassischen Parametern, wie den chemisch-physikalischen Kenngrößen <strong>und</strong> derZusammensetzung der Wirbellosenfauna (Saprobie), die bisher - wie bereits oben beschrieben- zur Bestimmung der Gewässergüte dienten, sind nunmehr vor allem weitere biologischeKriterien zu untersuchen.Die Beurteilung der Gewässer erfolgt anhand von Referenzgewässern. EntscheidendeBedeutung haben dabei die Artenvielfalt <strong>und</strong> Zusammensetzung der biologischen Qualitätskomponenten.Neben der Wirbellosenfauna werden nun auch Wasserpflanzen <strong>und</strong> Algenbewertet <strong>und</strong> erstmals wird der Zustand der Fischfauna zur Bewertung herangezogen. Für dieBeurteilung ist ausschlaggebend, wie stark die Biozönose des jeweiligen Gewässers von derentsprechenden Referenzbiozönose abweicht.Zusätzlich zu den biologischen Qualitätskomponenten werden hydromorphologische <strong>und</strong>physikalisch-chemische Komponenten zur Beurteilung des ökologischen Zustands herangezogen.Allein schon diese Kurzbeschreibung bezüglich der Bewertung des Zustands der Gewässerzeigt, dass die Verbesserung der biologischen Vielfalt der Gewässer im Blickpunkt der


56WRRL steht. Maßnahmen, die in Thüringen zur Erreichung des guten Gewässerzustandesgemäß WRRL durchgeführt werden, tragen somit unmittelbar zur Erhöhung der Biodiversitätder Gewässer bei.Die bisher vorliegenden Ergebnisse der Überwachung der Oberflächengewässer gemäß denAnforderungen der WRRL zeigen, dass der gute ökologische Zustand in ca. 96 % allerOberflächenwasserkörper (OWK) in Thüringen verfehlt wird. Ursache ist neben der nach wievor noch vorhandenen Abwasserbelastung <strong>und</strong> den Nährstoffeinträgen aus der <strong>Landwirtschaft</strong>vor allem die unzureichende Gewässerstruktur einschließlich der fehlenden Durchgängigkeit.Die Minderung der Stickstofffrachten <strong>und</strong> –konzentrationen ist für die Erreichung des gutenchemischen Zustands einiger Oberflächengewässer erforderlich <strong>und</strong> befördert zudem in vielenStandgewässern die Erreichung der Zielstellungen der WRRL.Gewässermorphologische Maßnahmen (Strukturverbesserung, Herstellung Durchgängigkeit)werden insbesondere einen maßgeblichen Einfluss auf die Etablierung typspezifischer Fisch<strong>und</strong>Makrozoobenthoslebensgemeinschaften haben.Im Rahmen von 9 Modellvorhaben Flussgebietsmanagement wurde die Palette möglicherMaßnahmen für die genannten Bereiche zwischen 2004 <strong>und</strong> 2007 erfolgreich erprobt. Eswurden Modellvorhaben zu folgenden Themenkomplexen durchgeführt:- Reduzierung von Nährstoffeinträgen in Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Oberflächenwasser,- Verbesserung <strong>und</strong> Vernetzung aquatischer Lebensräume.Im einzelnen wurden folgende Modellvorhaben realisiert:Lebendige Sprotte (Landkreis Altenburger Land/Greiz)Schwerpunkte: Schaffung eines biologisch durchgängigen Fließgewässersystems unterBetrachtung des gesamten Einzugsgebietes; Unterstützung einer freiwilligen, regionalenKooperation der KommunenTrägerschaft: Stadt SchmöllnRevitalisierung des Röstegrabens (Landkreis Nordhausen)Schwerpunkte: Lösung typischer Probleme im ländlichen Raum; Nährstoffreduzierung durchErrichtung einer Abwasserbehandlungsanlage für die Gemeinde Großwechsungen;Herstellung der Durchgängigkeit; Zusammenarbeit zwischen Gewässerunterhaltungsverband<strong>und</strong> AbwasserzweckverbandTrägerschaft: Gewässerunterhaltungsverband Werther/ GörsbachAuenrenaturierung für eine lebendige Werra zwischen Sallmannshausen <strong>und</strong> Wartha(Wartburgkreis)Schwerpunkte: Reduzierung der Nährstoffeinträge in einem grenznahen Abschnitt einesgroßen Gewässers durch dauerhafte Sicherung <strong>und</strong> Entwicklung eines Uferrandstreifens <strong>und</strong>moderate Nutzungsänderungen in der Fläche; Anbindung des Altarmes an den Flusslauf;Rückbau von Uferbefestigungen; Gebietskulisse befindet sich im Bereich des Grünen BandesThüringenTrägerschaft: Staatliches <strong>Umwel</strong>tamt Suhl


57Verminderung von Stoffausträgen aus landwirtschaftlich genutzten Flächen(landesweit)Schwerpunkte: Absenkung betrieblicher Stickstoff-Salden, Quantifizierung derunvermeidbaren Verluste <strong>und</strong> deren Wirkung auf den chemischen Zustand des Gr<strong>und</strong>wassers,Verringerung von Stoffausträgen durch BodenerosionTrägerschaft: Thüringer Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong>Renaturierung der Ulster im Flurbereinigungsverfahren Buttlar (Wartburgkreis)Schwerpunkte: Revitalisierung eines Teilabschnittes der Ulster; Gr<strong>und</strong>erwerb im Bereich desFließgewässers Ulster (Gewässer 1. Ordnung) im Flurbereinigungsgebiet Buttlar zurSicherung der Uferrandstreifen;Trägerschaft: Staatliches <strong>Umwel</strong>tamt Suhl + Amt für Landentwicklung <strong>und</strong> FlurneuordnungMeiningenEntwicklung der Rodach <strong>und</strong> ihrer Zuflüsse zu einem durchgängigen, strukturreichenVerb<strong>und</strong>system in der Kurregion Bad Colberg/Ummerstadt (LandkreisHildburghausen)Schwerpunkte: Entfernung von Verrohrungen der Rodachtalzuflüsse; Erwerb von Uferstreifenentlang der freigelegten Zuflüsse <strong>und</strong> der Rodach; Anlage einer FischaufstiegsanlageTrägerschaft: Stadt Bad Colberg-HeldburgGewässersanierung der Walse (Eichsfeldkreis)Schwerpunkte: Errichtung einer Abwasserbehandlungsanlage als Modellprojekt zurBehandlung des in Kleinkläranlagen vorgereinigten kommunalen Abwassers aus derTeilortskanalisation ohne Neubau des OrtsnetzesTrägerschaft: WAZ ObereichsfeldReduktion des Stickstoffaustrages aus landwirtschaftlich genutzten Flächen im Bereichder Talsperren Weida, Zeulenroda <strong>und</strong> Lössau (Greiz/Saale-Orla-Kreis)Schwerpunkte: Erprobung <strong>und</strong> Bewertung von Maßnahmen zur Reduktion des diffusenStickstoffeintrags in Fließgewässer; Entwicklung eines übertragbaren Systems zur Auswahlvon Flächen <strong>und</strong> Maßnahmenkombinationen zur Optimierung des RessourceneinsatzesTrägerschaft: Staatliches <strong>Umwel</strong>tamt Gera + Thüringer FernwasserversorgungSanierung <strong>und</strong> Renaturierung der Monna im Thüringer Becken (Landkreis Sömmerda)Schwerpunkte: Sanierung eines ehemals industriell stark belasteten Gewässers in einem FFH-Gebiet; Kombination mehrerer Vorhaben (u.a. A/E-Maßnahmen zum Autobahnbau) zumGesamtvorhaben MonnaTrägerschaft: Stadt Kölleda


58Abb. 10: Übersicht über die Modellvorhaben Flussgebietsmanagement, Quelle: TMLNUVertieft wurden diese Erkenntnisse durch die exemplarische Modellbewirtschaftung in 4weitgehend repräsentativen Gebieten.Besonderer Erwähnung bedarf das für sich stehende national überaus beachtete Projekt"Verbesserung <strong>und</strong> Vernetzung aquatischer Lebensräume" an der Werra <strong>und</strong> wichtigerNebenflüssse. Zur Erreichung des guten ökologischen Zustandes gemäß WRRL sowie zurWiederherstellung der Durchgängigkeit der Gewässer <strong>und</strong> Verbesserung ihrer Ufer- <strong>und</strong>Sohlstrukturen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen ökologischen Aufwertung der Fließgewässer alsLebensraum wurde dieses im Auftrag des TMLNU in den Jahren 2004 - 2008 durchgeführt.Dabei wurden Erfahrungen nicht nur an örtlichen Einzelprojekten, sondern auf ca. 150 kmGewässerlänge <strong>und</strong> bei insgesamt 54 Querbauwerken gesammelt. .Schwerpunkte des Projektes waren der Rückbau nicht mehr genutzter Wehranlagen, derUmbau von Sohlabstürzen zu Sohlgleiten, die Herstellung der Durchgängigkeit an genutztenWasserkraftanlagen (z. B. Einbau von Fischaufstiegsanlagen oder Umgehungsgerinnen), dieWiederherstellung des naturnahen Zustandes stark veränderter Gewässerabschnitte sowie dieVerbesserung der Gewässerstruktur, um gute Laichbedingungen für heimische, gewässertypischeFische zu schaffen. Für die Umsetzung des Projektes durch das Staatliche <strong>Umwel</strong>tamtSuhl standen ca. 5 Mio € zur Verfügung (gefördert durch die EU). Von den 54 vorgesehenenQuerbauwerken wurde im Projektzeitraum die Durchgängigkeit an 44 Anlagenerreicht, an weiteren 5 wurde die Planung ausgelöst. An 5 Wasserkraftstandorten stehenLösungen noch aus. Kleinere Rückbaumaßnahmen konnten dabei im Rahmen der personellen<strong>und</strong> materiellen Möglichkeiten der Flussmeisterei kosteneffizient durchgeführt werden. Beianderen Maßnahmen wirkte sich die Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG)als finanzieller Anreiz für die Betreiber aus. Der Schwerpunkt der notwendigen Erfolgskontrollenauf die Biodiversität <strong>und</strong> die Einhaltung der WRRL wurde dabei nicht auf dieFunktion des jeweiligen Einzelbauwerkes gelegt, sondern auf die Auswirkungen bei derGesamtdurchgängigkeit <strong>und</strong> die Gewässerfauna.


59Das Projekt wird seine Fortführung auch länderübergreifend entfalten, da veranlasst durchdiese von TH begonnene Initiative am 11. Juni 2007 eine Vereinbarung zwischen Niedersachsen,Hessen <strong>und</strong> Thüringen auf Ministerebene unterzeichnet wurde, die zum Ziel hat, dieDurchgängigkeit der Werra bis zum Zusammenfluss von Werra <strong>und</strong> Fulda bis zum Ende desJahres 2012 herzustellen.6. Leitbild/Zielsetzung 2020Die Bilanz <strong>und</strong> die Beschreibung der Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfaltin Thüringen sowie die Darstellung der Situation in den wichtigsten Landschaften <strong>und</strong>Lebensräumen Thüringens zeigt eindrucksvoll, dass auf allen Ebenen viele Schritteunternommen wurden, um die für alle lebenswichtige biologische Vielfalt zu erhalten.Da weitere Verluste irreversibel sind <strong>und</strong> die weitere Vernichtung von Arten eine hoheDramatik hat, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden.Bis 2020 will das TMLNU den im nachfolgenden Leitbild beschriebenen Zustanderreicht haben <strong>und</strong> formuliert dazu klare Ziele, die bis 2020 umgesetzt sein sollen.LeitbildDie Erhaltung der biologischen Vielfalt in Thüringen ist eine zentrale Aufgabe des Landes biszum Jahre 2020. Es gibt in Thüringen eine gebietstypische Vielfalt von natürlichen sowiedurch menschliches Handeln geprägte Landschaften, Lebensräume, Lebensgemeinschaften<strong>und</strong> Arten von charakteristischer Ausprägung, die eine hohe Wertschätzung genießen. ImVergleich zu anderen B<strong>und</strong>esländern weist Thüringen eine ungeheure Artenvielfalt auf (auf4,5 % der b<strong>und</strong>esdeutschen Gesamtfläche kommen über 42.000 Tier-, Pilz-<strong>und</strong> Pflanzenartenvor).Kennzeichen einer natürlichen Vielfalt <strong>und</strong> von herausragender Bedeutung sind z. B. dieBuchenwälder, die Gipskarstgebiete, bedeutende Binnensalzstellen, naturnahe Wasserläufe,Hoch- <strong>und</strong> Niedermoore, Offenlandlebensräume, aber auch eine historisch geprägteKulturlandschaft. Diese Elemente prägen das Landschaftsbild Thüringens <strong>und</strong> tragen dazu bei,von einem „Grünen Herzen Deutschlands“ zu sprechen.Die charakteristischen Kultur-<strong>und</strong> Naturlandschaften Thüringens sind in ihrer Schönheit,Eigenart <strong>und</strong> Vielfalt erhalten <strong>und</strong> ggf. wieder hergestellt <strong>und</strong> entwickelt. Zur Erhaltung dercharakteristischen Kulturlandschaft <strong>und</strong> ihrer zugehörigen Arten <strong>und</strong> Lebensräume tragenumweltgerechte Landnutzungen bei. Darüber hinaus sind die Bereiche, deren Artenvielfalt nurdurch spezielle Pflegemaßnahmen erreicht werden können, entsprechend gepflegt. Esexistieren ausreichend große ungenutzte Bereiche.Die Lebensräume, Lebensgemeinschaften <strong>und</strong> die in ihnen lebenden Arten sollen sich bisspätestens 2020 in einem möglichst günstigen Erhaltungszustand befinden. Der Bestand derfür Thüringen typischen Arten lebt in Lebensräumen, die eine für die Erhaltung der Artenausreichende Größe haben. Der genetische Austausch der Arten ist durch die Vernetzung derverschiedenen Lebensräume sichergestellt.Es ist ein nachhaltiges, sich selbst tragendes System von Lebensgemeinschaften, das dennatürlich vorkommenden Arten das Überleben sichert, erhalten oder wieder hergestelltworden.Die landwirtschaftlichen Unternehmen nutzen ein noch breiter gewordenes Spektrumangepasster leistungsfähiger Sorten in mehrgliedrigen Fruchtfolgen. Die Veredlung der


60pflanzlichen Rohstoffe erfolgt standortgeb<strong>und</strong>en mit produktiven Rassen, in die dasgenetische Potential alter Landrassen eingeflossen ist. Insbesondere früher vom Aussterbenbedrohte heimische Nutztierrassen werden gezielt für extensive Wirtschaftsformen <strong>und</strong>Landschaftspflege eingesetzt.Dafür <strong>und</strong> für die In-situ-Erhaltung einheimischer Arten <strong>und</strong> Lebensräume des Grünlandeserhalten die Landwirte ebenso eine spezielle Förderung wie für die Anreicherung derAgrarlandschaft mit Strukturelementen <strong>und</strong> deren Pflege. Dabei kooperieren sie eng mit dem<strong>Naturschutz</strong>.Thüringen ist in die Ex-situ-Erhaltung genetischer Ressourcen mittels Genbanken <strong>und</strong>Kryokonservenspeichern angemessen eingeb<strong>und</strong>en.Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen <strong>und</strong> der Gartenbau tragen maßgeblich zurinnovativen Nutzung eines breiten Spektrums von Arten bei. Dabei werden auch früherangebaute Arten wieder in Nutzung genommen. In der Ernährungswirtschaft ist es gelungen,Mikroorganismen für Produkt-<strong>und</strong> Verfahrensinnovationen nutzbar zu machen.Zusammen mit einer nachhaltigen Landnutzung ist bis zum Jahr 2020 eine geeigneteLebensgr<strong>und</strong>lage für eine Vielzahl von typischen Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten gesichert.Die Wälder in Thüringen, die eine hohe natürliche Vielfalt <strong>und</strong> Dynamik hinsichtlich ihrerStruktur <strong>und</strong> Artenzusammensetzung aufweisen, werden nachhaltig bewirtschaftet. Dabei sindihre ökologischen <strong>und</strong> sozialen Funktionen beachtet.Die Fließgewässer <strong>und</strong> ihre Auen bilden eine Einheit <strong>und</strong> sind bedeutende Lebensadern derThüringer Landschaft. Der Erhaltung oder Wiederherstellung ihrer natürlichen Vielfalt <strong>und</strong>Dynamik fällt eine wichtige Aufgabe zum Erhalt der biologischen Vielfalt zu. Bis 2020 habendie Mehrzahl der Flüsse <strong>und</strong> Talsperren den guten chemischen <strong>und</strong> ökologischen Zustandbzw. das gute ökologische Potential gemäß WRRL erreicht.Die besiedelten Bereiche sind in Thüringen vor allem durch ihre Dörfer <strong>und</strong> kleinen Städtegekennzeichnet. Sie bieten eine hohe Lebensqualität für die dort lebenden Menschen <strong>und</strong>bieten vielen, auch seltenen <strong>und</strong> gefährdeten Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten einen Lebensraum. Biszum Jahr 2020 ist die Durchgrünung der Siedlungen deutlich erhöht <strong>und</strong> für die dort lebendenTier- <strong>und</strong> Pflanzenarten ein möglichst günstiger Erhaltungszustand erreicht.Das Anliegen, dem Verlust der biologischen Vielfalt Einhalt zu gebieten, ist eingesamtgesellschaftliches Anliegen, an dem sich die verschiedenen Interessengruppen <strong>und</strong>Politikbereiche beteiligen. Dies sind neben der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft <strong>und</strong> der Fischerei u.a. auch die Industrie, Städte, Kreise, Gemeinden, Kirchen <strong>und</strong> letztlich alle Bürger.Die Einrichtungen der öffentlichen Hand in Thüringen zeigen engagiert <strong>und</strong> transparent, wiesich die Erhaltung <strong>und</strong> nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt konkret verwirklichenlässt <strong>und</strong> gehen in ihrem gesamten Handeln vorbildlich voran.Die Wirtschaft setzt sich für ein tragfähiges Miteinander von wirtschaftlicher Entwicklung<strong>und</strong> <strong>Naturschutz</strong> ein. Dabei hat Öko-Sponsoring eine besondere Bedeutung bekommen.Natur <strong>und</strong> Landschaft ermöglichen in ihrer Vielfalt <strong>und</strong> Schönheit Naturerfahrung, Erholung<strong>und</strong> einen naturverträglichen Sport. Tourismus, Sport <strong>und</strong> Erholung werden so betrieben <strong>und</strong>durch geeignete Maßnahmen gelenkt, dass die biologische Vielfalt keinen Schaden nimmt.Alle Beteiligten setzen sich gemeinsam mit dem <strong>Naturschutz</strong> für die Erhaltung der Kultur<strong>und</strong>Naturlandschaften in Thüringen ein.Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist ebenso wie der Klimawandel ein Thema, das in dasThüringer Bildungssystem integriert ist. Die Nationalen Naturlandschaften sind alsaußerschulische Lernorte wichtige Partner der klassischen Bildungseinrichtungen.


61Biologische Vielfalt erfreut sich in Thüringen einer hohen Wertschätzung als wesentlicherBestandteil der Lebensqualität <strong>und</strong> ist Voraussetzung für ein ges<strong>und</strong>es <strong>und</strong> erfülltes Leben.Dies drückt sich im alltäglichen, eigenverantwortlichen <strong>und</strong> ehrenamtlichen Handeln allerBürger aus.Zielsetzung 2020Bis zum Jahre 2020 sollen folgende Ziele in Thüringen erreicht werden:- Der Rückgang natürlicher <strong>und</strong> naturnaher Lebensräume <strong>und</strong> der in ihnen wildlebendenArten in Thüringen ist gestoppt ( eingedämmt ?).- Arten, die vom Aussterben bedroht bzw. stark gefährdet sind, breiten sich wieder aus.Einzelne Arten, die einst heimisch waren, wandern wieder vorrangig in ihren einstangestammten Lebensraum ein.- Gefährdete Arten- <strong>und</strong> Lebensraumtypen, für die Thüringen international <strong>und</strong> nationaleine besondere Verantwortung trägt, werden in ihrem Erhaltungszustand gesichert <strong>und</strong>können sich weiterentwickeln.- Die Schwerpunktgebiete des <strong>Naturschutz</strong>es sind in einem guten Erhaltungszustand <strong>und</strong>so vernetzt, dass auch Beeinträchtigungen ihrer biologischen Systeme, z. B. durch denKlimawandel, weitgehend abgefedert werden können.- Unzerschnittene <strong>und</strong> störungsarme Räume werden erhalten <strong>und</strong> wo immer möglich neugeschaffen oder miteinander verb<strong>und</strong>en.- Ausgehend von den Nationalen Naturlandschaften sind für die Nutzung von Natur <strong>und</strong>Landschaft Modelle entwickelt, die ökonomische, ökologische <strong>und</strong> soziale Zielewirksam <strong>und</strong> nachhaltig verbinden. Dies gilt insbesondere für die Land- <strong>und</strong>Forstwirtschaft als größten Flächennutzer.- Die Erhaltung der Kulturlandschaft erfolgt auch dort, wo „ungünstige“landwirtschaftliche Voraussetzungen existieren.- Die Erhaltung der biologischen Vielfalt erfolgt auch durch die Instrumente andererLandnutzungsformen (z.B. Fischerei <strong>und</strong> Jagd).- Freiwillige Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt werden durch diebewährte konsensorientierte Ausweisung von Schutzgebieten flankiert.- Änderungen der Bodennutzung, die negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalthaben, finden nicht mehr statt.- Alte Landrassen <strong>und</strong> Sorten, für die Thüringen eine besondere Verantwortung hat,werden vor dem Aussterben bewahrt <strong>und</strong> ihre Bestände vergrößert.- Durch gezielte Nutztier-<strong>und</strong> Pflanzenzüchtung werden beständig angepassteleistungsfähige Rassen <strong>und</strong> Sorten für eine nachhaltige <strong>Landwirtschaft</strong> bereitgestellt.- Die Bürger orientieren sich in ihrem Nachfrageverhalten neben Preis <strong>und</strong> Qualität auchstärker an Regionalität <strong>und</strong> Erzeugnissen von alten heimischen Nutztierrassen <strong>und</strong>Pflanzensorten.- Landschaftselemente in der Feldflur werden entwickelt <strong>und</strong> gepflegt, sie strukturierendie Kulturlandschaft, schützen vor Erosion <strong>und</strong> sind Habitat für viele wildlebende Arten.- Die ökologische Durchgängigkeit, besonders in den wichtigen VerbindungsgewässernSaale, Werra, Unstrut, Ilm <strong>und</strong> geeigneten Laichgewässern, wird wiederhergestellt.- Die naturraumtypische Vielfalt wird durch die Verbesserung der Gewässerstruktur <strong>und</strong>Ufervegetation in der Mehrheit der Wasserkörper erhöht.- Schad-<strong>und</strong> Nährstoffeinträge in Fliessgewässer <strong>und</strong> Talsperren werden deutlichreduziert.


62- Aspekte des <strong>Naturschutz</strong>es werden bei der Aufstellung derHochwasserrisikomanagementpläne bis 2015 <strong>und</strong> bei der Erhöhung natürlicherRetentionsflächen berücksichtigt.- Die Überschwemmungsgebiete werden dauerhaft gesichert.7. Aktionsplan bis 2020/AktionsfelderUm das vorgestellte Leitbild umzusetzen <strong>und</strong> um die gesteckten Ziele bis 2020 zu erreichen,wird ein „Aktionsplan 2020“ festgelegt, der nach einzelnen Aktionsfeldern untergliedert ist.Der Schutz der Arten <strong>und</strong> insbesondere die Entwicklung ihrer Bestände, für die Thüringenglobal eine besondere Verantwortung trägt, muss intensiviert <strong>und</strong> finanziell unterstütztwerden. Dazu wurde ein Arten-<strong>und</strong> Lebensraumkorb „33 Arten <strong>und</strong> Lebensräume fürThüringen“ entwickelt . Die dort enthaltenen Arten-<strong>und</strong> Lebensräume wurden nachspeziellen Auswahlkriterien ermittelt <strong>und</strong> sind als für den Laien leicht erkennbare Leitartenauch für andere Arten repräsentativ. Einzelheiten zu ihrer speziellen Bedeutung sind demjeweiligen Steckbrief im Anhang zu entnehmen. Sie dienen als Indikatoren für die Umsetzungder Strategie.Dazu sind geeignete Artenhilfsprogramme <strong>und</strong> –maßnahmen zu erstellen.Auswahlkriterien:1. Arten, für deren globale Erhaltung Thüringen eine besondere Verantwortungträgt (G)2. Prioritäre Arten- <strong>und</strong> Lebensraumtypen gem. FFH-Richtlinie (P)3. Lebensraumtypen <strong>und</strong> Arten der Anhänge I, II, IV <strong>und</strong> V der FFH-Richtlinie,deren Erhaltungszustand im aktuellen nationalen Bericht an die EU-KOM alsungünstig-schlecht (S) oder ungünstig-unzureichend (U) eingeschätzt wurde4. Für ein Zielartenkonzept geeignete Vogelarten des Anhangs I oder II der EU-Vogelschutzrichtlinie (V)5. Gut für Öffentlichkeit geeignet (gilt für alle ausgewählten Arten)6. Zeigerart für besondere Lebensräume (gilt für alle ausgewählten Arten)Art / Lebensraumtyp Kriterium Anhang FFH bzw.EU-VRL bei VögelnFeldhamster G + S IVWildkatze S IVKleine Hufeisennase G + S II + IVMopsfledermaus G + U II + IVFischotterII + IVWachtelkönig G + V IRotmilan G + V ISchwarzstorch V IWeißstorch V IKiebitzVSchwarzspecht V IGelbbauchunke S II + IVMoorfroschIVBarbeV


63Bachneunauge U IISteinkrebs G +U VBachmuschel (Gemeine Flussmuschel) S II + IVHelm-Azurjungfer G + U IIHirschkäfer U IIEremit S + P IVDunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling U II + IVBerghexeGStengelloser Tragant U VFrauenschuh U II + IVArnika U VBreitblättriges KnabenkrautGBinnensalzstellen U + P IKarstseen <strong>und</strong> Kalktuffquellen P IKalk-Trockenrasen <strong>und</strong> ihreU (+ P) IVerbuschungsstadien (mit orchideenreichenBeständen)Steppenrasen U IBuchenwälder G + P ILabkraut-Eichen-Hainbuchenwälder U IAuenwälder U + P I• Aktionsfeld <strong>Naturschutz</strong>1. Bis 2020 sollen alle Arten, die darauf angewiesen sind, ohne Barrieren ihre natürlichenWanderbewegungen wieder auf das ganze Land erstrecken können. Dazu ist einBiotopverb<strong>und</strong>system unter Einbeziehung des „Grünen Bandes“ zu schaffen, mitdem Thüringen auf Gr<strong>und</strong> seiner Lage im Herzen Europas dies ermöglicht. Dazusollen Grünbrücken <strong>und</strong> andere Verkehrsquerungen, auch im Wege von Ausgleichsmaßnahmen,nicht nur bei Neu- oder Umbauten von Verkehrswegen, sondern auch beibestehenden <strong>und</strong> von Tieren stark frequentierten Verkehrswegen eingerichtet werden.Als wichtige Verbindungen sind auch die Gewässer <strong>und</strong> ihre Auen entsprechend zuentwickeln <strong>und</strong> zu nutzen.2. Ein Ausbau der <strong>Naturschutz</strong>information <strong>und</strong> –bildung, auch in den Museen, isterforderlich.3. Im Rahmen eines integrierten Gesamtkonzeptes für die ländlichen Räume Thüringenswerden zielstrebig alle Synergien zwischen der <strong>Naturschutz</strong>verwaltung <strong>und</strong> Landentwicklungsverwaltungumfassend genutzt. Bestehende Planungsinstrumentarien wieFlurbereinigung <strong>und</strong> Dorfentwicklung sind einzusetzen. Für die eigentumsrechtlicheSicherung von Flächen mit besonderer Bedeutung für den <strong>Naturschutz</strong> kommt denVerfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz weiterhin erhebliche Bedeutung zu.4. Bis 2011 wird eine repräsentative Schutzgebietskonzeption für Thüringen erarbeitet, inder die weitere <strong>Naturschutz</strong>gebietsausweisung in Thüringen festgelegt wird. Bis 2015


64sind die für die Erhaltung der biologischen Vielfalt unverzichtbaren Kerngebiete alsNSG ausgewiesen, bis zum Jahre 2020 sind mindestens 2/3 der in der Konzeptiongenannten Gebiete als NSG ausgewiesen.5. Bis 2011 wird geprüft, ob alle geeigneten Gebiete als Nationale Naturlandschaftenausgewiesen sind. Ebenso werden bis 2011 die Landschaftsschutzgebiete überprüft( mit welchem Ziel ?).6. Bis 2011 wird ein Qualitätssicherungssystem für die Schutzgebiete nach <strong>Naturschutz</strong>rechtentwickelt, dass hinsichtlich der Schutzgebietsbetreuung auch aufehrenamtliches Engagement setzt.7. Bis 2015 ist das Qualitätssicherungssystem für die Schutzgebiete eingeführt, es stehenausreichend finanzielle Mittel für seine Umsetzung bereit.8. Es findet eine konsequente Umsetzung der Flexibilisierungen statt, die die Eingriffsregelungseit der Gesetzesänderung 2006 bietet.9. Bis 2015 wird im Rahmen des Monitoring eine zweite Dorfbiotopkartierungdurchgeführt, die Veränderungen aufzeigt <strong>und</strong> Maßnahmen zur Verbesserung derbiologischen Vielfalt enthält.10. Fortführung eines integrierten <strong>Naturschutz</strong>es durch Beibehaltung <strong>und</strong> Weiterentwicklungder schwerpunktmäßig kooperativen Zusammenarbeit von <strong>Naturschutz</strong> <strong>und</strong>Land-, Forst- <strong>und</strong> Fischereiwirtschaft als Ergänzung zum Ordnungsrecht.11. Die Sicherung der NATURA 2000-Gebiete wird konsequent umgesetzt inklusive einerfristgerechten kooperativen Erarbeitung der FFH-Managementpläne.12. Verbesserung der inhaltlichen <strong>und</strong> finanziellen Unterstützung des Landes für dasMonitoring in <strong>Naturschutz</strong>großprojekten <strong>und</strong> Unterstützung von zwei weiteren<strong>Naturschutz</strong>großprojekten ab 2009: Grünes Band Eichsfeld-Werratal <strong>und</strong> Grünes BandRodachtal-Lange Berge-Steinachtal.13. Unterstützung des LIFE+ - Projektes „Erhaltung <strong>und</strong> Entwicklung der SteppenrasenThüringens“ ab 2009 <strong>und</strong> Begleitung von <strong>Naturschutz</strong>großprojekten durch TMLNU14. Das Land übernimmt aus den Flächen des „Nationalen Naturerbes“ weitere B<strong>und</strong>esflächen,u.a. im GRÜNEN BAND, zu <strong>Naturschutz</strong>zwecken.


65• Aktionsfeld Gewässer1. Die Aktion „Fluss“ des TMLNU wird bis 2020 fortgesetzt <strong>und</strong> in erheblichem UmfangMaßnahmen zur Verbesserung der Flüsse, Talsperren <strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>wassersdurchgeführt. Die Maßnahmen dienen der Umsetzung der WRRL , der Verbesserungder Lebensräume <strong>und</strong> dem vorbeugenden Hochwasserschutz. Schwerpunkte derumfangreichen Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur an Fliessgewässernsind der abschnittsweise Rückbau von Uferbefestigungen, die Duldung vonFlusslaufveränderungen <strong>und</strong> die Einrichtung von Gehölzstreifen. Bis 2015 sind 290Maßnahmen an 41 Schwerpunktgewässern vorgesehen. Außerdem werden bis 2015ca. 660 Querbauwerke durchgängig gestaltet.Ein weiterer Schwerpunkt der Aktion „Fluss“ ist die weitere Reduzierung der Nährstoffeinträge(Stickstoff, Phosphor) in die Gewässer. In Abstimmung mit denkommunalen Aufgabenträgern <strong>und</strong> zur Erreichung der Zielstellungen der WRRLwerden verstärkt Abwassermaßnahmen gefördert, die zu deutlichen Frachtreduzierungenin Gewässern führen.Durch das erstmalige Angebot von Agrarumweltmaßnahmen (Absenkung Stickstoffsalden,Erosionsschutz) für den Gewässerschutz im Thüringer KULAP 2007-2013wird ein weiterer Beitrag zur Verringerung der Nährstoffeinträge in die Gewässergeleistet. Diese Maßnahmen werden durch das Angebot von Bildungsveranstaltungen<strong>und</strong> die Initiierung von Kooperationen (<strong>Landwirtschaft</strong>sbetriebe, <strong>Landwirtschaft</strong>s-<strong>und</strong>Wasserbehörden) flankiert. Ergänzend soll der Eintrag von Schadstoffen, Salzen <strong>und</strong>Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer weiter reduziert werden.Im Rahmen der Aktion „Fluss“ sind allein bis 2015 Investitionen in Höhe von r<strong>und</strong>400 Mio. € vorgesehen.• Aktionsfeld Wälder1. Der Erhalt der Wälder <strong>und</strong> ihre naturnahe Bewirtschaftung sind für das „waldreiche“Thüringen ein besonderer Schwerpunkt. Handlungsbedarf besteht beim Umbau zulaubholzdominierten Mischwäldern, beim Erhalt seltener waldspezifischer Arten <strong>und</strong>Lebensräume <strong>und</strong> bei der Schaffung waldverträglicher Wilddichten.• Aktionsfeld Agrarlandschaften1. Die Biodiversität in den Agrarökosystemen muss deutlich erhöht werden. Bis 2020sollen die Populationen der wildlebenden Arten, die für die agrarisch genutztenKulturlandschaften in Thüringen typisch sind, gesichert sein <strong>und</strong> wieder zunehmen.Bis 2020 wird der Flächenanteil naturschutzfachlich wertvoller Agrarbiotope wieGrünland oder Streuobstwiesen um mindestens 10 % gegenüber 2005 gesteigert.Außerdem wird der Anteil naturnaher Landschaftselemente wie Hecken <strong>und</strong>Feldgehölze um mindestens 5 % erhöht ( nicht auf Thüringen übertragbar ?).2. Die Maßnahmen nach KULAP werden fortgeführt <strong>und</strong> dahingehend angepasst, dasssie den Erhalt wildlebender Arten <strong>und</strong> die Agrobiodiversität unterstützen <strong>und</strong> nochmehr auf diese ausgerichtet werden.3. Es wird eine wissenschaftliche Analyse <strong>und</strong> Bewertung des Einflusses der täglichenWirtschaftsweise in der <strong>Landwirtschaft</strong> auf die biologische Vielfalt durchgeführt <strong>und</strong>daraus optimierte Nutzungssysteme abgeleitet.4. Es erfolgt eine monetäre Bewertung <strong>und</strong> Verbesserung der Vergütung von gezieltenzusätzlichen Maßnahmen <strong>und</strong> Leistungen der <strong>Landwirtschaft</strong> bei der Erhaltung derbiologischen Vielfalt.


665. Zur Erhaltung alter Nutztierrassen <strong>und</strong> Pflanzensorten sind eine Reihe von Einzelmaßnahmenerforderlich: Rassenkorb Thüringer Heimatrassen, Aufbau von Erhaltungszuchtprogrammen,Ausbau von Arche-Höfen als Objekte zum On-Farm-Erhalt,Unterstützung von Zuchtorganisationen, Marketing.6. Agrarumweltmaßnahmen für den In-situ-Erhalt besonderer Grünlandgesellschaften<strong>und</strong> Gehölze für Landschaftselemente <strong>und</strong> Streuobstwiesen werden fortentwickelt <strong>und</strong>gefördert.7. Es wird eine Marketingaktion gestartet „Verbraucher fördern biologische Vielfalt“.8. Bis 2020 werden die Verwendungsmöglichkeiten seltener Kulturpflanzen als Heil-,Duft- <strong>und</strong> Gewürzpflanzen oder nachwachsende Rohstoffe weiter erforscht.Der aufgezeigte Aktionsplan wird unter Beachtung des Leitbildes in den Jahren 2012<strong>und</strong> 2016 evaluiert.ANHANGSteckbriefe der Arten <strong>und</strong> Lebensräume des Arten-<strong>und</strong> LebensraumkorbesQuellenverzeichnis------------------------------------------------------------------------------------------------------------(Themenfelder, für die noch Maßnahmen geprüft werden!!)• Fortentwicklung KULAP <strong>und</strong> ENL, Einsatz finanziell attraktiver Weideprogramme,Förderung besonders aufwendiger Pflegemaßnahmen <strong>und</strong> spezieller Artenhilfsprogramme,Erhöhung Kappungsgrenze von 450 € bei Grünland, Werbung beiLandwirten für Einsatz zur Biodiversität, Vertragsnaturschutz• Fortentwicklung NALAP, andere Schwerpunkte ?• Förderung der Betreuung von Flächen über Verbände• Rolle der Stiftung <strong>Naturschutz</strong> ?• Ökokonto ?• Weitere NWP <strong>und</strong> NWR ? Waldnaturschutzprojekte ? Seltene Baumarten• Moorschutz ? Hangquellmoore? Moorwälder?• Management für die Einwanderung von Wolf <strong>und</strong> Luchs• Ausbau der Bio-Anbauflächen• Bau von Grünbrücken konkret• Stärkung Freiwilligenprogramme in NNL• Finanzieller Beitrag der Wirtschaft, Ökosponsoring• Finanzieller Beitrag des B<strong>und</strong>es• Überarbeitung Landschaftsprogramm <strong>und</strong> RROP ?• Öffentliche Kantinen bieten Gerichte aus ökologischem Anbau, Bio-Produkte• Genetischer Ressourcenschutz (Pflanzung von Gehölzen in der freien Natur nur ausder Region)• Strategie für Ex-situ-Maßnahmen/ LANA soll Entwurf machen• Förderung Ehrenamt

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