Herbst 2010 - Bauer & Thöming Verlag
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Das Rathaus<br />
in Hoffnungsthal<br />
»Die Köpfe haben hier schon immer<br />
geraucht« sinniert Erwin Kauert, seines<br />
Zeichens Leiter des Immobilienservice<br />
der Stadt Rösrath und deshalb<br />
zuständig für jenes Gebäude,<br />
das er mit »hier« meint – das rosa<br />
Rathaus in Hoffnungsthal, das besonders<br />
im Frühling mit seinen dunkelgrünen<br />
Schlagläden und der üppig<br />
blühenden Glyzine ein prächtiges<br />
Farbenspiel bietet. Mit dem Akt<br />
des Denkens war man in diesem Gebäude<br />
freilich schon seit 1865 beschäftigt,<br />
damals brüteten hier Schüler<br />
im neu errichteten Schulgebäude<br />
über dem ABC und dem Einmaleins.<br />
Das urprüngliche Gebäude von<br />
1865 an der Hauptsraße 229 in<br />
Hoffnungsthal.<br />
Heute macht sich Kämmerer Karlheinz<br />
Batzer hier im Haus Gedanken<br />
über den Etat, also über das ganz<br />
große Finanzeinmaleins und Bürgermeister<br />
Marcus Mombauer grübelt<br />
in seinem Büro im ersten Stock<br />
über so manche Ratsvorlage und<br />
das »Verwaltungs-ABC«. Wo heute<br />
die EDV im Rathaus »sitzt«, war damals<br />
wahrscheinlich ein Klassenzimmer.<br />
1865 gab es schon seit 40 Jahren<br />
die durch Preußen (das Rheinland<br />
war preußische Provinz) eingeführte<br />
allgemeine Schulpflicht, aber<br />
im Bergischen Land noch allerlei Bildungs-Missstände.<br />
Die neue Schule<br />
an der Hoffnungsthaler Hauptstraße,<br />
versehen mit besser ausgebildeten<br />
Lehrern, gab Kindern ab fünf Jah-<br />
Die Erweiterungsarbeiten 1912 mit Bauarbeitern<br />
und ganz rechts Bürgermeister<br />
Haumann. Die beiden Postkarten<br />
wurden uns freundlicherweise von Uwe<br />
Heimbach zur Verfügung gestellt.<br />
ren die Chance, raus aus den Heck-<br />
Hof- und Winkelschulen zu kommen,<br />
in denen sie in den vier Wintermonaten<br />
meist von Handwerkern unterrichtet<br />
wurden, die kaum selber<br />
lesen und schreiben konnten.<br />
Für die Schüler begann eine<br />
Ausbildung, die so lange dauern sollte,<br />
so die preußische Kabinettsorder,<br />
»bis das Kind nach einem Befund<br />
des Seelsorgers die seinem Stand zukommende<br />
Bildung erlangt habe«,<br />
nachzulesen in der Festschrift des<br />
Rösrather Geschichtsvereins »100<br />
Jahre Schule Hoffnungsthal«.<br />
Der Lehrer hatte ein karges Gehalt.<br />
60 bis 90 Schüler musste er unterrichten,<br />
die eingepfercht in einem<br />
viel zu kleinem Klassenzimmer waren.<br />
Und nach der Schule musste er<br />
die Räume kehren und lüften und<br />
vier Mal im Jahr scheuern.<br />
Urlaub wurde beim Bürgermeister<br />
beantragt, der als Schulvorstand<br />
gemeinsam mit dem Pfarrer die<br />
Schulaufsicht hatte. Selbst Stundenplanänderungen<br />
gingen über den<br />
Tisch des Bürgermeisters, der praktischerweise<br />
ab 1875 seinen Sitz<br />
ebenfalls im Gebäude des heutigen<br />
Rathauses hatte.<br />
Bald platzte die Schule aus allen<br />
Nähten und so wurde 1884 ein neues<br />
Gebäude an der Stelle der jetzigen<br />
GGS Hoffnungsthal bezogen.<br />
Heute müssen die Lehrer der<br />
Grundschule nicht mehr Rathauschef<br />
Marcus Mombauer bemühen, wenn<br />
Fotos: RÖSRATHerleben (2)