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NFV_05_2010 - Rot Weiss Damme

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Fußball-Journal: Wenn man Sie heute<br />

auf dem Platz in Bewegung sieht, kann<br />

man sich nicht vorstellen, dass Sie mal als<br />

„kloc“ bezeichnet wurden. Dies bedeutet<br />

im übertragenen Sinne: „Der ist geschmeidig<br />

wie ein Zaunpfahl“.<br />

D ˇzeko: In Bosnien gibt es das Problem,<br />

dass die Trainer und das Umfeld einer<br />

Mannschaft nicht an junge Spieler glauben.<br />

Wenn Du einmal schlecht spielst, dann<br />

heißt es gleich, der ist nicht gut.<br />

Fußball-Journal: Welche der europäischen<br />

Topligen ist für Ihre Spielweise die<br />

Beste?<br />

Dˇzeko: Die Deutsche!<br />

Fußball-Journal: Ihr erklärter<br />

Lieblingsverein ist der AC Mailand. Die italienische<br />

Liga gilt für Stürmer als tödlich ...<br />

Dˇzeko: ... also, ich kann jetzt nicht sagen,<br />

die italienische Liga wäre gut für mich,<br />

die englische oder die spanische. Ich kann<br />

nur sagen: Die Bundesliga ist für mich sehr,<br />

sehr gut.<br />

Vojnikovic: In einem Interview mit einer<br />

bosnischen Zeitung rät Darko Pancev<br />

(wechselte 1992 von <strong>Rot</strong>er Stern Belgrad<br />

zu Inter Mailand; d. Red.) dir von Italien ab.<br />

Dˇzeko: Das habe ich auch gelesen. Ich<br />

will dazu aber nicht mehr sagen. Außer:<br />

Die Bundesliga ist viel offensiver als die italienische<br />

Liga. Für den Fußball ist das natürlich<br />

besser.<br />

Fußball-Journal: Sie sind 2007 vom<br />

tschechischen Klub FK Teplice zum VfL<br />

Wolfsburg gewechselt. Was wussten Sie<br />

über Deutschland, welches Bild hatten Sie<br />

über Land und Leute?<br />

Dˇzeko: Von Deutschland kannte ich<br />

eigentlich nur die Bundesliga. Die habe ich<br />

immer geguckt, weil Barbarez in Hamburg<br />

spielte oder Salihamidzic bei Bayern.<br />

Fußball-Journal: Sie hatten also keine<br />

Bekannten, Verwandten, die hier bereits<br />

lebten?<br />

Dˇzeko: Nein.<br />

Fußball-Journal: Was gefällt Ihnen an<br />

der deutschen Mentalität besonders?<br />

Dˇzeko: (überlegt) ... schwere Frage.<br />

Alles ist anders als in Bosnien. Bei uns gibt<br />

es viel Korruption und jeder schaut nur darauf,<br />

was der andere kriegt. Wenn überhaupt.<br />

Es kommt vor, dass du drei Monate<br />

überhaupt kein Geld bekommst und umsonst<br />

arbeitest. In Deutschland ist Ordnung<br />

immer das Wichtigste. Das gefällt mir.<br />

Fußball-Journal: Als der Bosnienkrieg<br />

im April 1992 begann, hatten Sie kurz zuvor<br />

ihren sechsten Geburtstag gefeiert.<br />

Können Sie sich noch an den Tag erinnern,<br />

der Ihre Kindheit so dramatisch veränderte?<br />

Dˇzeko: Wie Sie gesagt haben, war ich<br />

noch ziemlich jung. Ich hatte damals gar<br />

keine rechte Vorstellung von dem, was da<br />

los ist, was da vor sich geht. Es war die<br />

schlechteste Zeit in meinem Leben. Ich will<br />

aber nicht mehr zurückschauen, sondern<br />

lieber in die Zukunft sehen.<br />

Fußball-Journal: War es damals<br />

überhaupt möglich, Fußball zu spielen?<br />

Dˇzeko: Ich war ein kleiner Junge und<br />

kann mich nicht mehr genau erinnern. Vielleicht<br />

haben wir ein bisschen Fußball gespielt,<br />

aber immer versteckt.<br />

Fußball-Journal: In einem Filmbeitrag<br />

des Norddeutschen Rundfunks, der auf der<br />

Ehrungsveranstaltung in Barsinghausen gezeigt<br />

wurde, berichtet ihr Jugendtrainer,<br />

dass Sie und Ihre Kameraden in Tiefgaragen<br />

gespielt haben.<br />

Dˇzeko: Zum Beispiel.<br />

Fußball-Journal: Und als der Krieg<br />

1995 vorbei war, haben Sie sich einem Verein<br />

angeschlossen.<br />

Dˇzeko: Ja, ich war zehn Jahre alt.<br />

Mein Vater hat mich zum FK Zeljeznicar gebracht,<br />

wo ich bis zu meinem Wechsel<br />

nach Tschechien geblieben bin.<br />

Fußball-Journal: Gab es auch andere<br />

Sportarten, die Sie betrieben haben?<br />

Dˇzeko: Ich mag Basketball. Das habe<br />

ich oft gespielt. Allerdings nicht in einem<br />

Verein, sondern nur so zum Spaß mit meinen<br />

Kumpels.<br />

Fußball-Journal: Ermin, welche Bedeutung<br />

hat Edin D ˇzeko für Bosnien-Herzegowina?<br />

Vojnikovic: Er ist ein Nationalheld.<br />

Kaum einer kennt die Politiker, aber Edin<br />

Dˇzeko kennt jeder. Ähnlich ist es mit der<br />

Nationalmannschaft. Es gibt noch 20 andere<br />

Spieler, darunter richtig Gute wie Misimovi<br />

c, ´ Spahic oder Pjanic. Aber die Nationalmannschaft<br />

ist D ˇzeko.<br />

Fußball-Journal: Edin D ˇzeko, Sie<br />

kommen aus der Bosniakisch-Kroatischen<br />

Föderation des Staates Bosnien und Herzegowina.<br />

Gilt Ihr Status als eine Art Nationalheld<br />

auch für den anderen autonomen<br />

Gliedstaat Ihres Landes, der Republika<br />

Srpska, dem serbischen Teil?<br />

Dˇzeko: Das ist eine sehr schwere Frage.<br />

Ich bin nie in der Republika Srpska, ich<br />

weiß nicht, was die Menschen dort über<br />

mich denken. Vor den Spielen gegen Portugal<br />

(Playoff-Runde um die WM-Teilnahme<br />

<strong>2010</strong>; d. Red.) habe ich ein paar Interviews<br />

gesehen, in denen die Leute gefragt wurden,<br />

wie die Spiele wohl ausgehen werden.<br />

Ich hatte nicht den Eindruck, dass alle für<br />

uns waren.<br />

Vojnikovic: Das stimmt leider. Meine<br />

Heimatstadt Prijedor liegt im serbischen<br />

Teil. Die Serben sind für die serbische Nationalmannschaft,<br />

während die Moslems fanatische<br />

Fans des bosnischen Teams sind.<br />

Da gibt es immer wieder Spannungen. In<br />

Prijedor kann man zum Beispiel keine Originaltrikots<br />

der Nationalmannschaft zu kaufen,<br />

sondern nur irgendwelche nachgemachten<br />

Dinger. Nicht alle Bosnier stehen<br />

hinter unserem Team. Das finde ich traurig.<br />

Dˇzeko: Das sehe ich auch so. Das sind<br />

Menschen, die in Bosnien geboren sind<br />

und die in Bosnien leben. Wieso sind diese<br />

Menschen Serbien- oder Kroatien-Fans?<br />

Das verstehe ich nicht!<br />

Vojnikovic: Edin ist Bosnier und spielt<br />

für Bosnien. Andere, die aus unserem Land<br />

kommen, haben sich für Kroatien oder Serbien<br />

entschieden. Wie Subotic, der in Banja<br />

Interview<br />

Luka geboren ist (Hauptstadt der Republika<br />

Srpska; d. Red.) oder Kristajic, der aus<br />

Zenica kommt. Beide spielen für Serbien.<br />

Und ich möchte nicht wissen, wie das Team<br />

aussehen würde, wenn neben einem D ˇzeko<br />

ein Ibrahimovic (Eltern kommen aus<br />

Bosnien-Herzegowina; d. Red.) spielen<br />

würde.<br />

Fußball-Journal: Edin D ˇzeko, wie<br />

froh waren Sie, in der Qualifikation zur Europameisterschaft<br />

2012 nicht auf Spanien<br />

zu treffen, einem Gegner, an dem Bosnien-<br />

Herzegowina schon zweimal gescheitert<br />

ist?<br />

Dˇzeko: Ich habe vor dem Fernseher<br />

gesessen und gefleht: Bitte, bitte nur nicht<br />

Spanien. Für mich ist diese Mannschaft der<br />

Favorit für die WM.<br />

Fußball-Journal: Was macht die Spanier<br />

so besonders?<br />

Dˇzeko: Einfach alles. Wie Sie Fußball<br />

spielen, so locker und technisch perfekt.<br />

Das ist unglaublich.<br />

Fußball-Journal: Für Sie die stärkste<br />

Mannschaft der Welt?<br />

Dˇzeko: Aber wie, aber wie!<br />

Fußball-Journal: Große Spieler zeichnen<br />

sich nicht nur dadurch aus, dass sie bei<br />

einem großen Verein, sondern auch bei einem<br />

großen Turnier gespielt haben. Wie<br />

beurteilen Sie die Chancen für Bosnien und<br />

Herzegowina, sich in einer Gruppe mit Albanien,<br />

Frankreich, Luxemburg, Rumänien<br />

und Weißrussland für die EURO 2012 zu<br />

qualifizieren?<br />

Dˇzeko: Frankreich ist natürlich der Favorit.<br />

Albanien ist eine Mannschaft, die zu<br />

Hause nicht schlecht ist und immer Probleme<br />

bereiten kann. Wir schauen zunächst<br />

auf Platz zwei, für den zudem Rumänien<br />

und vielleicht Weißrussland in Frage kommen.<br />

Klar ist aber auch: Frankreich ist nicht<br />

Spanien. Deshalb wollen wir versuchen, die<br />

Franzosen zu schlagen. Alles andere wird<br />

man sehen.<br />

Fußball-Journal: Sollten Sie irgendwann<br />

einmal Wolfsburg verlassen sollten,<br />

gleich ob im Sommer oder erst in ein paar<br />

Jahren: Wen oder was werden Sie neben<br />

Zvjezdan Misimovi c ´ am meisten vermissen?<br />

Dˇzeko: Alles! Ich bin jetzt schon drei<br />

Jahre hier und fühle mich wie zu Hause.<br />

Manchmal denke ich darüber nach, wie es<br />

wohl sein wird, wenn ich irgendwann mal<br />

wechsele. Ich würde Wolfsburg vermissen<br />

und immer wieder gerne zurückkommen.<br />

Zu Besuch oder ...<br />

Fußball-Journal: ... oder?<br />

Dˇzeko: Im Fußball weiß man nie.<br />

Fußball-Journal: Edin D ˇzeko, Ermin<br />

Vojnikovic, vielen Dank für das Gespräch. ■<br />

Zum Gespräch mit Ermin Vojnikovic und Journal-Redakteur Manfred Finger traf sich Edin Dˇzeko in<br />

der Wolfsburger Volkswagen Arena. Fotos (5): Neumann<br />

Mai <strong>2010</strong> 13

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