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Leseprobe aus: Die verbotenen Evangelien von ... - PranaHaus

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<strong>Leseprobe</strong> <strong>aus</strong>: <strong>Die</strong> <strong>verbotenen</strong> <strong>Evangelien</strong> <strong>von</strong> KatharinaCeming und Jürgen Werlitz. Abdruck erfolgt mitfreundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechtevorbehalten.


InhaltsverzeichnisKriterien für die Kanonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51Der Kanon des Alten Testaments im Judentum und Christentum . . . . 544. <strong>Die</strong> Apokryphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Begriffserläuterung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<strong>Die</strong> literarischen Gattungen der Apokryphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<strong>Die</strong> Quellen apokryphen Schriftgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<strong>Die</strong> Geschichte der Apokryphenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64Verschiedene Arten apokrypher <strong>Evangelien</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65Motive für die Entstehung der Apokryphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675. Weiterentwicklung apokrypher Zeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Zur Wirkungsgeschichte apokrypher Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Teil BDas Protevangelium des Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75Das Kindheitsevangelium des Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100Das Ebjonitenevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116Der Papyrus Egerton 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121Das Geheime Markusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125Das Thomasevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130Das Judasevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Das Petrusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181Das Nikodemusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201Das Evangelium nach Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25410


EinleitungDer Weg der Nag Hammadi Texte <strong>von</strong> ihrem Fund bis zur Veröffentlichungwar mehr als abenteuerlich. Ob nun die Frau des Priesters – in der koptischenKirche dürfen Priester heiraten – diese ihrem Bruder, einem Englischlehrer,zeigte, der sofort ihren Wert erkannte und sie einem Freund in Kairobrachte, welcher sich mit der koptischen Sprache beschäftigte, oder ob derPriester selbst diese dem Geschichtswissenschaftler Raghib zukommen ließ,lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Sicher ist, dass das Ministerium für öffentlicheBildung <strong>von</strong> dem Fund erfuhr. Es erwarb einen Codex und beschlagnahmteweitere elf, die zuvor der ägyptische Antiquitätenhändler PhocionTano an eine italienische Sammlerin verkauft hatte und erklärte diese Codiceszum National-Eigentum. <strong>Die</strong>se Texte gingen nun in den Besitz des KoptischenMuseums in Kairo über, wo sie <strong>von</strong> dem französischen ÄgyptologenJean Doresse untersucht wurden, der ihren Wert erkannte und darauf drängt,den Rest der Texte zu suchen.Ein paar Blätter vielleicht auch ein ganzer Codex waren <strong>von</strong> Alis Mutter verbranntworden, die ihren Wert nicht kannte und sie für ein ungutes Omen hielt.Aber eine Schriftensammlung war durch einen belgischen Antiquitätenhändlergekauft und außer Landes gebracht worden. Als sie 1951 oder 1952 zum Verkaufangeboten wurde, erwarb sie das C.G. Jung-Institut in Zürich auf Anratendes niederländischen Geschichtswissenschaftlers Gilles Quispel, um sie CarlGustav Jung zum Geburtstag zu schenken. <strong>Die</strong>se Sammlung trägt nun den NamenCodex Jung und wurde nach einem Streit um die Besitzrechte letztlichauch dem Koptischen Museum in Kairo übergeben. Als Quispel 1955 nachKairo fuhr, um dort nach einigen verschollenen Seiten des C.G.Jung Codex zusuchen und im Koptischen Museum sah, dass der Codex Jung nur einer <strong>von</strong> insgesamtdreizehn Codices war, wusste er sofort, welch einen wertvollen Schatzdie Funde <strong>von</strong> Nag Hammadi darstellten. Damit konnte die Erforschung, Auswertungund Veröffentlichung der 52 Abhandlungen in 13 Handschriftensammlungenbeginnen, die einige Jahre, ja Jahrzehnte andauerte.<strong>Die</strong> Bibliothek <strong>von</strong> Nag Hammadi beinhaltet koptisch verfasste Texte <strong>aus</strong>dem 4. Jahrhundert, die Übersetzungen griechischer Schriften des 2. und 3.Jahrhunderts darstellen. Beim Koptischen handelte es sich um die in Ägyptengesprochene Sprache. Es wurde mit griechischen Buchstaben sowie einigen im12


Der Fund <strong>von</strong> Nag HammadiGriechischen nicht enthaltenen zusätzlichen Zeichen geschrieben. Noch heutewird koptisch <strong>von</strong> der kleinen christlichen Minderheit Ägyptens gesprochen.<strong>Die</strong> Texte <strong>von</strong> Nag Hammadi sind in zwei unterschiedlichen koptischenDialekten abgefasst. Der Inhalt der Codices gibt die Lehren und Anschauungenverschiedener gnostischer Schulen, die in Kap. 3 <strong>aus</strong>führlicher behandelt werden,wieder. Das gnostische Gedankengut ist zum Teil eng mit christlichen,zum Teil mit jüdischen Vorstellungen, verwoben.Fast alle Verfasser dieser Werke waren jedoch Christen. Einige dernicht-christlichen Texte wurden christlich überarbeitet. Bei den Sammlernhandelte es sich <strong>aus</strong>nahmslos um Christen. Man ist sich nicht sicher, ob dieseSchriften Teil einer Klosterbibliothek waren, die vor einer Säuberungsaktionder Orthodoxie versteckt wurden, oder ob es sich um die Sammlung einesPrivatmannes handelte. Sicher ist jedoch, dass sie zur Bewahrung und nichtzur Vernichtung in das Tongefäß gegeben wurden. Hätte man sie vernichtenwollen, um gnostische Lehren zu beseitigen, wäre es leichter gewesen, sie zuverbrennen. Denn Bücherverbrennungen und das Anzünden <strong>von</strong> Bibliothekenhatten sich schon im Altertum als ein äußerst wirksames Mittel zur Auslöschunggegnerischen Gedankenguts erwiesen.Was machte den Fund <strong>von</strong> Nag Hammadi nun so interessant? Er ließ einenungeheuren Schatz an christlich-gnostischen und rein gnostischen Texten derersten drei Jahrhunderte zum Vorschein kommen, die eine Richtung des Christentumsrepräsentierten, die sich <strong>von</strong> der sich durchsetzenden christlichen Kircheunterschied. Damit ist unter anderem gezeigt, dass die Kirche der erstenJahrhunderte noch nicht in der Einheitlichkeit existierte, wie es oft vermutetund behauptet wurde.Jahrhunderte lang hielt man die Schilderungen des KirchenschriftstellersEusebius <strong>von</strong> Cäsarea für die wahre Darstellung, was das Verhältnis <strong>von</strong> Häretikernund katholischer Kirche anbelangte. Im 32. Kapitel des 3. Buches seinerKirchengeschichte heißt es diesbezüglich: „In seinem Berichte über die erwähntenZeiten fügt Hegesippus jener Erzählung noch bei, daß die Kirche bisdahin eine reine, unbefleckte Jungfrau geblieben sei; denn die, welche die gesundeLehre der Heilspredigt zu untergraben suchten, hielten sich damals,wenn es schon solche gab, wohl noch in Finsternis versteckt und verborgen.13


EinleitungAls der heilige Chor der Apostel auf verschiedene Weise sein Ende gefundenhatte und jenes Geschlecht, welches gewürdigt worden war, mit eigenen Ohrender göttlichen Weisheit zu l<strong>aus</strong>chen, abgetreten war, erhob sich zum erstenMale der gottlose Irrtum durch den Trug der Irrlehrer. <strong>Die</strong>se wagten nun, dakeiner der Apostel mehr am Leben war, mit frecher Stirne der Lehre der Wahrheiteine falsche so genannte Gnosis entgegenzusetzen.“<strong>Die</strong> gängige Ansicht <strong>von</strong> der einen, wahren, rechtgläubigen Kirche, welchedie Lehre Jesu <strong>von</strong> Anfang an gegen häretische Gruppen bewahrte, ist einenachträgliche Zurechtlegung oder -lesung historischer Tatsachen, die so erstmöglich wurde, nachdem sich eine Gruppe, die man dann als Großkirche bezeichnenkonnte, Ende des 2. Jahrhunderts gegen alle anderen durchgesetzthatte. Realiter existierten im Christentum der ersten zwei Jahrhunderte verschiedensteGruppierungen und Anschauungen bezüglich der wahren LehreChristi, <strong>von</strong> denen eben noch keine die absolute Macht hatte, den anderenden Rang des Christseins abzusprechen. <strong>Die</strong> gnostischen Christen selbst sahensich ja nicht als außerhalb der christlichen Tradition Stehende, zwar gab es eigenegnostische Zirkel und Gemeinden, aber ein Teil <strong>von</strong> ihnen lebte auch inden bestehenden kirchlichen Gemeinden, die nicht gnostisch <strong>aus</strong>gerichtet waren,mit. <strong>Die</strong> christlich-gnostischen Texte sind damit nicht nur eindrucksvolleZeugnisse christlicher Literatur, sondern sie spiegeln ebenso die Breite derchristlichen Tradition dieser frühen Zeit wider.<strong>Die</strong> Ablehnung und Verdammung der Gnostiker als Häretiker durch kirchlicheAutoritäten, z. B. Bischöfe, Kirchenväter u. a., hatte ihre Wurzeln sowohl ineinem unterschiedlichen Verständnis dessen, wie die Nachfolge Jesu und das Lebender Christen <strong>aus</strong>zusehen hätte, als auch in der häufig unterschiedlichen Ausdrucksweiseder gnostischen Schriften selbst. <strong>Die</strong> gnostischen Christen sahensich nicht außerhalb der christlichen Tradition, im Gegenteil, oftmals verstandensie sich als die wahren Christen.Des Weiteren liegt die Bedeutung der Nag Hammadi Handschriften vorallem darin, dass in ihnen Werke überliefert sind, <strong>von</strong> deren Existenz man bisdato gar nichts wusste oder nur durch einzelne Zitate verschiedener Kirchenväterunterrichtet war. <strong>Die</strong> durch die Kirchenväter überlieferten Bruchstücke wurdenmeistens <strong>aus</strong> rein apologetischem Interesse angeführt, d. h. man zitierte diese14


Der Fund <strong>von</strong> Nag HammadiSchriften nur, um die darin enthaltenen Lehren anzuprangern oder lächerlichzu machen. Manchmal wurde dabei deren Sinn nicht erkannt und bewusstoder unbewusst verstellt, so dass das <strong>aus</strong> diesen Schriften rekonstruierte Bild derchristlichen Gnosis oft nur ein Zerrbild darstellte.Worin liegt nun der Unterschied der christlich-gnostischen Schriften zudenen, die uns im Neuen Testament entgegentreten? <strong>Die</strong> wesentliche Differenzbesteht in der jeweiligen Beantwortung der Frage, wie das Heil des Menschenerlangt werden kann. Für die christlichen Gnostiker war nicht der Glaubedas <strong>aus</strong>schlaggebende Instrument, sondern das Wissen. Zu diesem Wissengehörte in erster Linie die Erkenntnis, was der Mensch in sich und an sich sei.Gefordert war Selbsterkenntnis. <strong>Die</strong> Aufgabe Christi in seinem irdischen Wirkenbestand darin, diese Erkenntnis zu vermitteln und den Menschen zuihr zu führen. <strong>Die</strong> Vorstellung der Rechtfertigung und Heilserlangung desMenschen durch den Glauben an Tod und Auferstehung Jesu teilte die Gnosisalso nicht. Nicht durch Jesus, sondern durch wahre Selbsterkenntnis, die Jesusvermittelt, konnte das Heil erlangt werden. Durch Unwissenheit entferntesich die menschliche Seele <strong>von</strong> ihrem Ursprung, Gott, und verstricktesich immer mehr im Materiellen bis sie letztendlich in dieser Welt in einem körperlichenLeib geboren wurde. <strong>Die</strong>se irdische Welt ist wie alles Materielle nichtwahrhaft an sich seiend, sie ist nur Trug und Illusion, die es zu überwinden gilt,um wieder in die lichthafte Welt des Göttlichen aufzusteigen. <strong>Die</strong> Gnosis rangum eine sinnvolle Erklärung <strong>von</strong> Leid und menschlichem Leben mit all seinenSchwierigkeiten. Das Geworfensein in eine Welt <strong>von</strong> Schmerz und Unrechtwurde ihr zum Problem, das nicht durch die Antworten der sich langsam etablierendenKirche zu befriedigen war.Dass die Antworten der Gnosis eine nicht zu leugnende Nähe zu den östlichenReligionen aufweisen, wurde schon <strong>von</strong> verschiedenen Seiten gezeigt. Insbesonderedie Betonung der Selbsterkenntnis, und damit einhergehend derAspekt der Selbsterlösung, lassen die Parallelen deutlich werden. Unklar ist, obes direkte Einflüsse des Ostens auf die Gnosis gab, denn historisch lassen sichdiese nirgendwo bezeugen. Man muss aber festhalten, dass der Aust<strong>aus</strong>ch zwischendem Vorderen Orient, Kleinasien und Griechenland auf der einen Seiteund Asien auf der anderen Seite auch ohne moderne Kommunikations- und15


<strong>Die</strong> kanonischen <strong>Evangelien</strong>fe dar. Daneben wurden Gemeindeordnungen, Sprüche Jesu, Gleichnisse undWundergeschichten zusammengestellt und gesammelt. <strong>Die</strong> mündliche Überlieferungwurde noch einige Zeit gepflegt und hoch geachtet.<strong>Die</strong> apostolische Tradition, d. h. die Berufung auf die Autorität eines Apostels,war ein Produkt der nachapostolischen Zeit. Genannt seien hier nur diePetrustradition im westlichen Syrien – auf das <strong>aus</strong> dieser Tradition stammendeapokryphe Petrusevangelium wird noch gesondert eingegangen – die Thomastraditionim östlichen Syrien – auch deren Schrifttum wird noch genauerdargestellt – sowie die Johannestradition, die in syrischen Randgebieten zu H<strong>aus</strong>ewar, deren Schriften zum Teil kanonisiert wurden, zum Teil nicht. Ferner gabes eine <strong>aus</strong>geprägte Tradition der 12 Apostel, die sich in den verschiedenenApostelgeschichten niederschlug. Im 2. Jahrhundert machten viele gnostischeGruppen <strong>aus</strong>giebig Gebrauch vom Namen der Apostel, wenn sie Schriftenverfassten, um diesen damit apostolische Autorität zu verleihen. Nahezu jederApostel wurde durch die Apokryphen zum Verfasser einer eigenen Schrift.Dass es sich dabei aber nicht um einen unüblichen Akt handelte, der unlautereAbsichten des eigentlichen Schreibers dokumentierte, zeigt ein Blick in dieGeschichte. Wollte man einer Schrift besonderes Gewicht verleihen oderwähnte sich der Verfasser im Einklang mit der Lehre einer berühmtenPersönlichkeit, wurde der Name dieser Person als Urheber des Werkes angegeben.Solche Texte finden sich unter anderem auch im neutestamentlichen Kanon,denn einige der Paulus zugeschriebenen Briefe stammen nicht <strong>von</strong> ihm selbst.Man bezeichnet sie heute als Deuteropaulinen, als zweite Paulusschriften.Dazu rechnet man den Epheserbrief, den Kolosserbrief, den zweiten Thessalonicherbrief.Ähnliches gilt für die Pastoralbriefe, den ersten und zweiten Petrusbrief,den Judasbrief und den Jakobusbrief. Sie alle stammen nicht <strong>von</strong> den Personen,deren Namen sie tragen.Aber auch in anderen Bereichen der antiken Literatur findet sich dieses Phänomen.So waren z. B. unzählige philosophische Schriften unter den Namengroßer Denker im Umlauf, die diese nie verfasst hatten.18

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