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Rundbrief 2 2012 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV

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Jahre wie in der GWA in Deutschland überhaupt –unterschiedliche Konzepte der GWA nebeneinander: GWA als Koordination traditioneller Methoden derSozialarbeit sowie der im Gemeinwesen arbeitendenInstitutionen, Verbände und Organisationen zur gegenseitigenUnterstützung aller im Gemeinwesen Tätigen GWA als <strong>sozial</strong>pädagogische Strategie: Bürger werdendurch Einsatz des Gemeinwesenarbeiters/derGemeinwesenarbeiterin in die Lage versetzt, selbstständigund gemeinsam <strong>für</strong> die Befriedigung eigenerBedürfnisse und <strong>für</strong> die Verbesserung ihrer Lebensverhältnissezu sorgen. Gemeinwesenarbeit als politische Strategie, diedurch aggressive Intervention, um eine FormulierungC.W. Müllers aufzugreifen, um mögliche Veränderungendes Machtpotenzials im Stadtteil, vielleichtsogar in der Gesellschaft zu erreichen.Das ist alles etwas holzschnittartig dargestellt, aberdie Positionen waren damals so. Wichtig ist, dassdiese Positionen im <strong>Verband</strong> lange Zeit gleichwertignebeneinander bestehen konnten. Ich weiß aus eigenerErfahrung u.a. in Heerstraße Nord, dass Vertreterder unterschiedlichen Positionen in fruchtbarem Dialogin den Projekten zusammenarbeiteten.Ein wesentliches Ergebnis der Tagung von 1969 war dieGründung einer Organisation der Gemeinwesenarbeiter.Die Tagungsteilnehmer beschlossen einstimmig, eineSektion GWA zu bilden. Diese Sektion gab sich mit demSektionsteil des <strong>Rundbrief</strong>es ein eigenes Organ. 1971hatte die Sektion bereits 154 Mitglieder. Die Gemeinwesenarbeiterund Gemeinwesenarbeiterinnen sahendort die GWA als eine (berufs-)politische Alternative zureinzelfallorientierten Sozialarbeit, verstanden aber dieSektion GWA auch als eine gute Möglichkeit <strong>für</strong> vieleregional arbeitenden Kollegen, Erfahrungen auszutauschenund zu bewerten und Diskussionen systematischzu führen. Die Sektion bestand bis 1979, der GWA-Teildes <strong>Rundbrief</strong>s bis 1988.Es wäre lohnenswert, die Geschichte der GWA der60er und 70er Jahre anhand der vielen Projekte des<strong>Verband</strong>es zu betrachten, wie sie in zahlreichen Beiträgenim <strong>Rundbrief</strong> dieser Jahre dargestellt wurden.Aber es bleibt nur der Raum, zusammenfassend<strong>für</strong> diese Zeit festzustellen: Schon früh stellte sichheraus, das GWA nicht „an sich“ kritisch ist. Neben derpolitischen GWA, die Widerstand von unten, aus denQuartieren heraus organisieren wollte, gab es ebensoProjekte, die sich der nachbarschaftlichen Hilfe undSelbsthilfe im Stadtteil verschrieben hatten. Gemeinwesenarbeitbildete immer – und nicht nur im <strong>Verband</strong>– ein Kontinuum, an dessen einen Ende ein systemkritischer,konfliktorientierter, zu Zeiten auch <strong>sozial</strong>revolutionärerAnsatz stand, der aber nicht die ganzeGWA war, wie die Kritiker im <strong>Rundbrief</strong> das meinten,und an dem anderen Ende ein staatstragender harmonischerAnsatz: „Während die eine (idealtypische)Position zentrale Aspekte wie Autonomie, Selbstorganisationund Handlungsfähigkeit unauflösbar mit denstrukturellen Voraussetzungen verbindet, blendet dieandere Position ökonomische und <strong>sozial</strong>strukturelleZwänge im Wesentlichen aus und/oder rückt die <strong>sozial</strong>eEbene, insbesondere die (moralische) Dispositionder Akteurinnen und Akteure in den Focus des Nahraumdiskurses“(Stövesand 2009,79).1973/74 führte die bis dahin tiefste Wirtschaftskriseseit 1929 weltweit, die „Ölkrise“, in Deutschland zumEnde vieler Reformen, die Geld kosteten. Im <strong>Verband</strong>wurde das deutlich durch die Liquidierung des Sanierungsprojektesdes Nachbarschaftsheimes Frankfurt-Bockenheim, auch die Vorhaben im Märkischen Viertelund in Tegel in Berlin mussten die <strong>Arbeit</strong> einstellen.Seit 1972 war auch eine innenpolitische Veränderungwirksam geworden, die durch den „Radikalenerlass“und die damit verbundenen Berufsverbote deutlichspürbar wurde. Diese Rücknahme bildungs- und<strong>sozial</strong>politischer Reformen und die innenpolitischenTurbulenzen führten zu Beunruhigungen und Kontroversenim <strong>Verband</strong>. Die Diskussion um eine Stellungnahmedes <strong>Verband</strong>es zu den Berufsverboten stellteihn vor eine Zerreißprobe.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbarschaftswerk Freiburg e.V.C.W. Müller schreibt zu dieser Zeit: „GWA, insbesonderein ihrer aggressiven, konfliktorientiertenForm, hatte die Reformpolitik der späten 60er undder frühen 70er Jahre provokativ und zuverlässigbegleitet. Wirtschaftskrise und nachlassende Experimentierfreudevon Gemeinden und Verbänden,Berufsverbote und Einschränkungen im Sozial- undBildungsbereich begannen nun wieder zu greifenund (vielleicht allzu rasch) eine allgemeine Mutlosigkeitzu verbreiten“ (Müller 1988, 131). 1975 führteder <strong>Verband</strong> noch einmal ein internationales Seminarzu Fragen der GWA durch. Unter dem Eindruckder Erfahrungsberichte der Kolleginnen und Kollegensaßen einige von ihnen abends in einer Kneipezusammen und verfassten die „Todesanzeige“ <strong>für</strong>die GWA, vorschnell, wie die weitere Geschichte derGWA zeigte.Gar nicht traf zu, was Herbert Scherer – Mitte der80er Jahre zum <strong>Verband</strong> gekommen – darüber sagte:„… eigentlich ist es traurig, dass die Gemeinwesenarbeittheatralisch beendet wurde und die Akteuresich in die Hochschulen zurückgezogen haben, umvon da aus mit kritischem Blick die real existierendeNachbarschaftsheimarbeit zu bewerten“ (Scherer2011,9). Ich gehörte damals zu denjenigen, diediese Todesanzeige verfassten und weiß, dass vielevon uns weiterhin in der Praxis der GWA blieben,etliche auch als Mitarbeiter oder Leiter von Einrichtungendes <strong>Verband</strong>es oder gar Vorsitzender desBundesverbandes wurden.Mit der GWA war es auch nicht zu Ende. GWA alsdritte Methode und auch als in sich geschlossenes<strong>Arbeit</strong>sfeld hatte zwar an Bedeutung verloren, esgab gewissermaßen als Nachfolge der Studentenbewegungeine Zunahme von Selbsthilfegruppen,Stadtteilinitiativen und neuen <strong>sozial</strong>en Bewegungen,deren Einfluss das Bewusstsein <strong>für</strong> den <strong>sozial</strong>enRaum geschärft hat und der GWA neue Impulse gab,die bis heute wirksam sind.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .www.nachbarschaftswerk.deLiteratur:W. Hartwieg: Das Nachbarschaftsheim als Ausgangspunkt<strong>für</strong> <strong>sozial</strong>e <strong>Arbeit</strong> im Gemeinwesen“, in:Soziale <strong>Arbeit</strong> 14/1965/5/197 – 204Hertha Kraus: Amerikanische Methoden derGemeinschaftshilfe – Community Organization forSocial Welfare, in: Soziale Welt 1951/184 – 192C. Wolfgang Müller: Wie Helfen zum Beruf wurde.Band 2: Eine Methodengeschichte der Sozialarbeit1945 - 1995 Weinheim und Basel 1988Klaus Niestroy: Tendenzen der Nachbarschaftsarbeit– Formen und Entwicklungsschritte konzeptionellerVeränderungen unter Berücksichtigung pädagogischerund politischer Faktoren.Diplomarbeit am Fachbereich Erziehungswissenschaftder Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurtam Main 1974Dieter Oelschlägel: Rückblick in die Zukunft II.Kontinuitäten und Visionen, in: <strong>Rundbrief</strong> 2001/2und 2002/1, 11-14Dieter Oelschlägel: <strong>Verband</strong>sgeschichte –Zeitgeschichte: 90 Jahre Nachbarschaftsheime –40 Jahre <strong>Verband</strong> <strong>für</strong> <strong>sozial</strong><strong>kulturelle</strong> <strong>Arbeit</strong>, in:<strong>Verband</strong> <strong>für</strong> <strong>sozial</strong>-<strong>kulturelle</strong> <strong>Arbeit</strong> (Hrsg.): Sozial<strong>kulturelle</strong><strong>Arbeit</strong> Bestandsaufnahme der <strong>Arbeit</strong> in denNachbarschaftsheimen, Bürgerzentren und Gemeinwesenprojekten.Köln 1991, 5 - 20Herbert Scherer in: Gesprächsrunde zur 60-jährigenGeschichte, in: <strong>Rundbrief</strong> 2011/2/8-13Sabine Stövesand: Sozialraumorientierte <strong>Arbeit</strong> inHamburg, in: Standpunkt Sozial 2009/2/77-83Unsere Nachbarschaftsheime 1963/1964Georg Zinner: Sozial<strong>kulturelle</strong> Gemeinwesenarbeit– Geschichte und Renaissance in der Bundesrepublik,in: Blätter der Wohlfahrtspflege135/1988/12/283 - 285Georg Zinner in: Gesprächsrunde zur 60-jährigenGeschichte, in: <strong>Rundbrief</strong> 2011/2/8-13Geschäftsführer Mathias Staenke67

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