Wenn Künstler fremd gehen„Bios“-Ausstellung im Kolbe MuseumEs lohnt sich, mal wieder ins GeorgKolbe-Museum zu gehen. Das frühereAtelierhaus liegt gar nicht so weit ab seits wie man denkt: ganz nahe demS-Bahnhof Heerstraße. Dort gibt’s jetztein aufregendes Kontrastprogramm zuKolbe. „Bios“ heißt die neue Ausstellung,Untertitel: „Konzepte des Lebens in derzeitgenössischen Skulptur“.Auch schon zu Lebzeiten Kolbes (1877-1947) hätte eine Ausstellung diesenNamen tragen können. Denn Zeitgenossendes populären Neoklassizistenmit seinen anmutigen Bronzemädchenund muskulösen (nazikonformen)Männerfiguren waren die fast gleichaltrigenKünstlerkollegen Arp und Archipenko,Belling und Brancusi, Laurens,Modigliani und viele andere. Sie interpretiertenden menschlichen Körper ganzneu oder verließen das jahrtausendealteBildhauersujet ganz. Kolbe stand ihnendenkbar fern.Die „Bios“-Objekte in seinem Atelier hättenden Traditionalisten vollends entsetzt.Der menschliche Körper spielt hierkaum noch eine Rolle. Die einzige Figur,hyper- und zugleich surrealistisch: einjunges Mädchen, das bunt gekleidet aufdem Boden sitzt und liebevoll etwas inden Armen hält. Auf den ersten Blick einIdyll – aber ein negativ-utopischesMemento. Es ist ein schütter behaartes„Wolfsmädchen“ (mit dem Gendefekt„Hypertrichosis“). Und was es auf demSchoß wiegt, ist ein nur entfernt menschenähnlichesrosiges Monsterchen, gegendas die doppelköpfigen oder zyklopenäugigenPräparate in VirchowsSammlung fast Schönheiten sind. „TheComforter“ (Die Trösterin) nennt die australischeKünstlerin Patricia Piccinini dieunheimliche Gruppe. Was steht dahinter:Angst vor den Risiken der Gentechnikoder vor den Mutationen durch Umweltnoxen?Die meisten anderen Objekte, überwiegendAssemblages oder Installationen,haben trotz des Aus stel lungs titels mit„Skul pturen“ nur die Dreidimensionalitätgemein. Alle beteiligten, oft internationalrenommierten Künstler, haben eine sichtbareBeziehung zu Natur phä nomenenoder den Lebens wissenschaften. (Auf diesesCross-over ist die Schering-Stiftungspezialisiert, weshalb sie diese Ausstellungauch finanziell ermöglicht.)Nicht alles beeindruckt gleichermaßen,einiges wirkt sogar etwas läppisch; abererstaunlich ist die Vielgestal tigkeit, undvieles überzeugt sofort, wenn man bereitist, den Kunstbegriff stark auszudehnen.Die runden, weißzotteligen „atmenden“Kissen von Günter Weseler haben Betrachterschon früher für lebende Tieregehalten. Einen Kon trast zu ihrer Ruhebildet der lautstarke „Hurricane“ in derVitrine von Donato Piccolo. „Glas, entmineralisiertesWasser, vier Ventilatoren,Ultra schallvernebler, Halogenlampe, Verstärker, Mikrophone, Lautsprecher“ – soetwas verwenden Künstler heute stattMarmor und Bronze. Wir haben uns darangewöhnt. Aber auch an Katalogtextewie diese? „…Donato Piccolos kinetischeKlangskulpturen sind als technischeAnverwandlungen des menschlichenKörpers Metaphern seiner inneren Beseeltheit“.Die filigranen Froschskelette des AmerikanersBrandon Ballagée, präsentiertwie kostbare Schmuck stücke, bezauberndurch ihre Ästhetik.Aber die Indikator-Tiere für Umwelt schädenhaben überzähligeHinter beine.Hauptthema desKünst lers, der engmit Naturwissenschaftlernzusammenarbeitet,ist das Artensterben.Um die Welternäh rungslage gehtes dagegen demÖster reicher ThomasFeuer stein. Eine Fassungseiner „Manna-Maschine“ pumptWasser durch einSchlauchsystem rundum einen großenPlexiglasbehälter. Kein reines Wasser, vielmehrangereichert mit Plankton (Chlorellavulgaris). Die Algen vermehren sich durchPhotosynthese, das Wasser wird grün undgrüner – und zur Nähr lösung.Foto: Katalog Georg Kolbe-Museum BerlinAls Höhepunkt zuletzt doch noch eine„richtige“ Plastik: Ein Riesentintenfisch,fast fünf Meter lang, scheinbar tot an denStrand gespült und in der Lache seiner„Tinte“ liegend (gefärbter Sirup). Der inLima geborene David Zink Yi hat ihn ausKeramik mit einer wunderbar changierendenGlasur gestaltet. Allein schon dieserKunst-Kalamar lohnt den Weg.Rosemarie SteinGeorg Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25,bis 11.11., Di-So 10-18 Uhr. Informationenüber Führungen: Tel. 304 21 44.Der deutsch-englische Katalog kostetin der Ausstellung 16 Euro.Hier noch ein Hinweis auf die laufendeAusstellung Yunchul Kim, „Carved Air“, inder Schering-Stiftung, Unter den Linden32-34. Bis 1.12., Mo-Sa 11-18 Uhr.Informationen über das astrophysikalischeBegleitprogramm: Tel. 20 62 29 65.BERLINER ÄRZTE 10/2012 S. 31
I M P R E S S U MBERLINERÄRZTE10/2012 49. JAHRGANGDie offizielle Zeitschrift der <strong>Ärzte</strong>kammer Berlin,Körperschaft des öffentlichen Rechts.Herausgeber:<strong>Ärzte</strong>kammer BerlinFriedrichstraße 16, 10969 BerlinTelefon 030 408060EMail: presse@aekb.deRedaktion:Dipl.Jour. Sascha Rudat (v.i.S.d.P.)Michaela Peeters, M. A.Eveline Piotter (Redaktionsassistentin)Redaktionsbeirat:Dr. med. Svea KellerUniv. Prof. Dr. Harald MauDr. med. Bernd MüllerDr. med. Gabriela StemporDr. med. Kilian TegethoffJulian VeelkenDr. med. Elmar WilleAnschrift der Redaktion:Friedrichstraße 16, 10969 BerlinTelefon 030 408064100/4101, FAX 4199<strong>Titel</strong>bild © SehsternS. 14 © Sunny Images Fotolia.comS. 6 © fusebulb Fotolia.comFür die Richtigkeit der Darstellung der auf den vorstehenden Seitenver öffentlichen Zuschriften wissenschaftlicher und standespolitischerArt kann die Redaktion keine Verantwortung übernehmen. Die darin ge äußerten Ansichten decken sich nicht immer mit denen der Heraus ge berder Zeit schrift. Sie dienen dem freien Meinungsaustausch unter der<strong>Ärzte</strong> schaft und ihr nahestehender Kreise. Nachdruck nur mit Genehmigung.Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungensind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zuläs sigenFälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar.Verlag, Anzeigenverwaltung und Vertrieb:Leipziger Verlagsanstalt GmbHPaulGrunerStraße 62, 04107 LeipzigTelefon 0341 71003990, FAX 99Internet: www.lva.de, EMail: mb@lva.deVerlagsleitung: Dr. Rainer StumpeAnzeigendisposition: Melanie BölsdorffAnzeigenverwaltung Berlin/Brandenburg:Götz & Klaus Kneiseler, Uhlandstraße 161, 10719 BerlinTelefon 030 88682873, Telefax o30 88682874Druck und Weiterverarbeitung: Brühlsche UniversitätsdruckereiGmbH & Co KG, Am Urnenfeld 12, 35396 GießenDie Zeitschrift erscheint 12mal im Jahr jeweils am 1. des Monats. Sie wirdvon allen <strong>Berliner</strong> <strong>Ärzte</strong>n im Rahmen ihrer Mitglied schaft zur Ärz te kammerbezogen. Der Bezugspreis ist mit dem Mit gliedspreis ab ge gol ten.Nichtmitglieder können die Zeitschrift beim Verlag abonnieren. Der Jahresbezugspreis(12 Ausgaben) beträgt im Inland 79,50 inkl. Versandkosten,Patenschaftsabo BerlinBran den burg 53,50 inkl. Versandkosten,im Ausland 79,50 (zzgl. Porto) . Die Kündi gung des Abonnements istnur schrift lich an den Verlag mit einer Frist von 2 Monaten zum Ablaufmöglich. Einzelheftpreis 5,45 zzgl. 2,50 Versandkosten.Z. Z. gilt die Anzeigenpreisliste 2012 vom 01.01.2012.ISSN: 09395784BE R L INE R Ä R Z T E 10/2012 S. 42