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Soziale Ungleichheit – Kein Schnee von gestern! - Zeithistorische ...

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22 SOZIALE UNGLEICHHEITEINE EINFÜHRUNG 23Nachteile, die sich durch den Besitz wertvoller Güter oder durch den Zugang zu erstrebenswertenPositionen ergeben (zum Beispiel ungleiche Einkommen, Arbeitsbedingungen,Lebensstandards, etc.). Hier geht es also um die ungleiche Verteilung<strong>von</strong> Lebensbedingungen und Handlungsressourcen. Eine wichtige Instanz zur Verringerung<strong>von</strong> Ergebnisungleichheit in den materiellen Lebensbedingungen sindin modernen Gesellschaften die Systeme der sozialen Sicherung. Durch sie können<strong>Ungleichheit</strong>en in den Markteinkommen über Umverteilungen <strong>von</strong> oben nachunten (zum Beispiel durch eine progressive Einkommensbesteuerung oder Transferzahlungen,etwa Kindergeld oder Wohngeld) und damit <strong>Ungleichheit</strong>en dertatsächlich verfügbaren Haushalrs(netto)einkommen und der Lebensbedingungenreduziert werden.Zentrale theoretische Perspektiven-Einführungen in die klassischen Texte sozialer <strong>Ungleichheit</strong>Im Folgenden werden die im Reader versammelten Texte - insbesondere in ihremgegenseitigen Bezug zueinander- einführend kurz dargestellt.Funktionalistische Schichttheorie -Ist soziale <strong>Ungleichheit</strong> notwendig?Die ersten drei Texte (Abschnitt L1) beschäftigen sich mit der funktionalistischenBegründung einer Notwendigkeit sozialer <strong>Ungleichheit</strong>, die auch heute noch dasDenken in modernen Gesellschaften dominiert. Wir alle meinen nämlich fastselbstverständlich Chancengleichheit, wenn wir <strong>von</strong> Gleichheit reden. So ist inVerfassungen vieler westlicher Gesellschaften (zum Beispiel auch im Grundgesetzder Bundesrepublik Deutschland) nicht die Beseitigung <strong>von</strong> Ergebnisungleichheit,sondern die Erreichung <strong>von</strong> Chancengleichheit als Ziel formuliert (-7 Solga). Dasheißt, es geht um einen »fairen« Wettbewerb (Mechanismus) um gesellschaftlichattraktive und knappe Positionen (Dimension), der nicht durch soziale Herkunftoder andere zugeschriebene Gruppenzugehörigkeiren (Determinanten) beeinflusstwerden darf Mir der Forderung nach Chancengleichheit bei der Bildung wirdbeispielsweise selten gefordert, dass alle Gesellschaftsmirglieder einen höherenSekundarschulabschluss erwerben sollten oder deshalb Sonder- oder Hauptschulenabzuschaffen sind. Vielmehr bedeutet diese Forderung nur, dass, wenn es SonderundHauptschulen gibt, diese auch <strong>von</strong> Akademikerkindern entsprechend ihremBevölkerungsanteil besucht werden sollten. Wäre eine Verringerung<strong>von</strong> Ergebnisungleichheitin der Bildung das Ziel, dann müsste der Abbau bzw. die Beseitigung<strong>von</strong> »Bildungsarmut« (Allmendinger 1999) gefordert werden. Bildungsarmutmeint dabei ein Bildungsniveau, das unterhalb des gesellschaftlich notwendigenStandards für eine gleichberechtigte soziale Teilhabe liegt (vgl. Solga und Powellwo6). Und wenn Sonder- und Hauptschule eine Wissensvermittlung auf diesemNiveau nicht (mehr) gewährleisten, dann wären sie im Sinne der Forderung nachAbbau <strong>von</strong> (Ergebnis-)<strong>Ungleichheit</strong> abzuschaffen. Warum sind jedoch Forderungennach Chancengleichheit gegenüber Forderungen nach Ergebnisgleichheit heute(noch) so dominant?Paradigmatisch ist die Forderung nach Chancengleichheit bei gleichzeitiger- und zwar notwendiger - Aufrechterhaltung <strong>von</strong> Ergebnisungleichheit inder liberalen Denktradition angesiedelt. In ihrem klassischen Aufsatz begründen-7 Kingsley Davis und Wilbert E. Moore die Notwendigkeit sozialer <strong>Ungleichheit</strong>mit den Ergebnissen (Belohnungen) für gesellschaftlichen Fortschritt. Ihre zentraleThese lautet: Ohne Ergebnisungleichheit gibt es keinen gesellschaftlichen Wohlstandund keinen Fortschritt. Dafür führen sie zwei zentrale Gründe an: (1) Gesellschaftenmüssen daran interessiert sein, dass die fähigsten Personen bestimmtesoziale Positionen einnehmen. Angesichts der Knappheit an geeignetem Personalfür »funktional« bedeutsame, für die Gesellschaft wichtige Positionen bedarf esbesonderer Anreize, da diese Personen sonst weder bereit wären, in den Erwerb<strong>von</strong> (zusätzlichen) Qualifikationen für diese Positionen zu investieren, noch sichgenügend anstrengen würden, um die positionsspezifischen Aufgaben bestmöglichzu erfüllen. Daher müssen Belohnungssysteme (Einkommen, Prestige, Arbeitsbedingungenim weitesten Sinne) <strong>von</strong> Gesellschaften immer <strong>Ungleichheit</strong> erzeugen.Zudem seien (2) ungleiche Belohnungen den sozialen Positionen inhärent, da dieseeine unterschiedliche Wichtigkeit für die Gesellschaft besitzen, zugleich Rechtebzw. Pflichten und somit auch Vorrechte definieren. Da nicht alle Personen diegleichen Positionen besetzen können, wird es auch deshalb immer Ergebnisungleichheitgeben. Welche Positionen jeweils funktional besonders wichtig sind, undwelche Art des Personals knapp ist, variiert dabei - so Davis und Moore - entsprechenddes jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungsgrades und der vorherrschendenSozialordnung.Diese funktionalistische Begründung sozialer <strong>Ungleichheit</strong> durch Davis undMoore wird <strong>von</strong> -7 Renate Mayntz kritisch hinterfragt: Genügt sie überhaupt denAnforderungen an eine funktionalistische Analyse? In ihrem Beitrag begründenDavis und Moore vor allem die »Funktionalität« vertikaler Differenzierung<strong>von</strong> Positionen und setzen dabei notwendig den freien Wettbewerb um sozialePositionen voraus. Denn nur dann wäre gewährleistet, dass die jeweils fähigstenPersonen auch in »wichtige« Positionen gelangen (können). In dieser Argumentationvernachlässigen sie jedoch - so Mayntz - einen zweiten wichtigen Aspektsozialer Schichtung, nämlich den der Vererbung, und damit die »Zuschreibung«

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