September 2013len diesen Fällen kann eine potentielle Gefahrfür das <strong>Opfer</strong> oder weitere konkret betroffenePersonen vorliegen. Eine überraschende,unvorbereitete oder gar unerwünschte Konfrontationmit dem <strong>Täter</strong>, der nicht selten als„Peiniger“ empfunden wird, kann erheblichenegative Konsequenzen für das <strong>Opfer</strong> haben.Die Maßnahmen zur Gewährleistung des soverstandenen <strong>Opfer</strong>schutzes können vielfältigsein und von Erkundungen <strong>im</strong> sozialenEmpfangsraum über Verhaltensanweisungenan den (gelockerten oder ehemaligen) Gefangenen,Hinweisen auf Hilfsangebote anbetroffene Personen, bis hin zur Vernetzungsolcher Stellen, Agenturen und Institutionen<strong>im</strong> Rahmen eines Übergangsmanagementssein. Stets ist Kommunikation und Kooperationin den Vordergrund zu stellen. Dem<strong>Opfer</strong> (oder den konkret betroffenen Dritten)müssen Hilfen aufgezeigt und angebotenwerden. Entscheidende Bedeutung kommtin diesem Zusammenhang den sogenannten<strong>Opfer</strong>informationsrechten zu, deren zufriedenstellendeRealisierung ebenfalls aktiven<strong>Opfer</strong>schutz darstellt (dazu sogleich unter<strong>Opfer</strong>informationsrechte).c) <strong>Opfer</strong>autonomieBei allen Maßnahmen steht <strong>im</strong>mer derGrundsatz der <strong>Opfer</strong>autonomie <strong>im</strong> Vordergrund.Es darf und soll keinen „aufgedrängten“Schutz und keinen „erzwungenen“ <strong>Ausgleich</strong>geben. Stets muss das <strong>Opfer</strong> einverstandensein und zust<strong>im</strong>men. Ein „Nein“ istselbstverständlich zu akzeptieren.2. Kein „Vollzugsverschärfungsinstrument“Sämtliche Aspekte einer opferbezogenenVollzugsgestaltung müssen sich nicht nur mitdem Vollzugsziel der Wiedereingliederungdes Gefangenen vereinbaren lassen, sondernsie sollen dieses <strong>im</strong> Ergebnis sogar fördern.Die opferbezogene Vollzugsgestaltung richtetsich nicht gegen den <strong>Täter</strong>. 16 Sie darf nichtals Mittel dienen, den Vollzug zu verschärfen,die <strong>Opfer</strong>interessen quasi gegen den Anspruchdes Gefangenen auf resozialisierendeBehandlung auszuspielen. So sollen dem<strong>Täter</strong> bspw. vollzugsöffnende Maßnahmennicht etwa wegen des <strong>Opfer</strong>bezuges verwehrtwerden. Im Gegenteil kann in diesen Fällen16 Gelber/Walter, BewHi 2013, 10dem <strong>Opfer</strong>schutz Genüge getan und geradehierdurch die Gewährung von Lockerungenermöglicht werden, z.B. durch die Erteilungentsprechender opferschützender Weisungen(wie z.B. Kontakt- oder Annäherungsverbote).<strong>Opfer</strong>schutz und Tatausgleich sowieWiedereingliederung stehen mithin in einemErgänzungsverhältnis zueinander; sie dürfensich nicht wechselseitig zuwiderlaufen.<strong>Opfer</strong>informationsrechteUm überhaupt in der Lage zu sein, sich aufeine – wie auch <strong>im</strong>mer geartete – Begegnungmit dem <strong>Täter</strong> einzustellen, muss das <strong>Opfer</strong>über best<strong>im</strong>mte Informationen, z.B. zu anstehendenvollzugsöffnenden Maßnahmenoder dem Zeitpunkt der Entlassung, verfügen.Hierzu existieren und dienen Auskunftsrechtedes <strong>Opfer</strong>s einer Straftat, namentlich§ 406d Strafprozessordnung (StPO) sowie§ 180 Abs. 5 StVollzG (des Bundes). 17 DieVorschriften regeln zwar inhaltlich wichtigePunkte und gewährleisten theoretisch einenicht unerhebliche Information des <strong>Opfer</strong>süber für dessen Schutz bedeutsame Umstände.Entscheidend für eine Stärkung des <strong>Opfer</strong>schutzesist insoweit aber nicht die bloßeExistenz solcher Auskunftsrechte. Vielmehrmuss die Inanspruchnahme und Erfüllung inzuverlässiger und einfacher Form gewährleistetwerden. Hieran scheint es bislang in derPraxis allzu oft zu mangeln. 18 Dabei sind dieProbleme der Anwendung bereits <strong>im</strong> Gesetzselbst angelegt. So sind neben divergierendenVoraussetzungen und Rechtsfolgen unterschiedlicheZuständigkeiten festzustellen.Während durch § 180 Abs. 5 StVollzG dieJVAen zu Auskünften berechtigt werden,verpflichtet § 406d Abs. 2 StPO nach herrschenderMeinung die Staatsanwaltschaftenbzw. Gerichte. 19 Diesen liegen allerdings inder Regel wichtige Informationen, über diesie Auskunft zu erteilen haben (z.B. der Zeitpunktder Gewährung vollzugsöffnenderMaßnahmen), nicht vor mit der Folge, dass17 § 180 Abs. 5 StVollzG gilt in allen Bundesländern,die noch nicht von der ihnen seit 2006 zustehendenMöglichkeit Gebrauch gemacht haben,<strong>Strafvollzug</strong>sgesetze oder Justizvollzugsdatenschutzgesetzezu erlassen, was z.B. in NRW der Fall ist. ZumRegelungsgehalt der <strong>im</strong> Text genannten Vorschriften vgl.die Rubrik „Recht“ in diesem Heft.18 Vgl. Gelber/Walter NStZ 2013, 7719 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Aufl. 2012, §406d Rn. 316
TOA-Magazin - Nr. 01Holger JoikoStudium der Rechtswissenschaften in Trier und Köln. Seit dem Jahr 2000 tätig alsStaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Duisburg in verschiedenen Aufgabengebieten,u.a. auch zeitweise als Beauftragter zur Förderung des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s.Derzeit Referent und Vertreter des Justizvollzugsbeauftragten des LandesNordrhein-Westfalen – Prof. Dr. Walter.Claudia GelberStudium der Rechtswissenschaften in Würzburg und Köln, seit 1997Richterin, derzeit Vorsitzende Richterin am Landgericht in Bonn,ehemalige Referentin des Justizvollzugsbeauftragten des LandesNordrhein-Westfalen – Prof. Dr. Walter.zunächst Erkundigungen angestellt werdenmüssen. Dies alles führt zu einer unfreundlichenVerwaltungspraxis. Dabei ist zu berücksichtigen,dass die Informationsrechte rechtunbekannt sind. Zwar erfolgt eine Aufklärungder <strong>Opfer</strong> durch ein Formblatt. Dieseswird jedoch - § 406h StPO folgend - in derPraxis zu einem sehr frühen Zeitpunkt <strong>im</strong>Ermittlungsverfahren durch die Polizei ausgehändigtund enthält neben einem Hinweisauf das <strong>Opfer</strong>recht aus § 406d StPO nocheine Vielzahl weiterer Informationen. Aufdas hier in Rede stehende Recht wird mithinzu einem Zeitpunkt aufmerksam gemacht, zudem das <strong>Opfer</strong> mit anderen, naheliegendenund dringenderen Fragen beschäftigt ist. Die<strong>Opfer</strong>informationsrechte geraten <strong>im</strong> Folgendenin Vergessenheit, zumal sich das Verfahrenbis zu einer (rechtskräftigen) Verurteilungdes <strong>Täter</strong>s ziehen und evtl. erst Jahre späterdie Entlassung aus der Haft anstehen kann.Eine positive Entwicklung der <strong>Opfer</strong>informationsrechteist in NRW für den Bereichder Sicherungsverwahrung zu verzeichnen.Es gilt hier seit dem 1. Juni 2013 dieVorschrift des § 106 SVVollzG NRW, derElemente der Regelungen des § 180 Abs. 5StVollzG und des § 406d Abs. 2 StPO fürseinen Anwendungsbereich vereint. Überdieswerden die bestehenden Informationsrechtezukünftig gesetzgeberisch weiter modifiziert:Nach dem Gesetz zur Stärkung der Rechtevon <strong>Opfer</strong>n sexuellen Missbrauchs(StORMG), welches vom Bundestag bereitsverabschiedet worden ist, 20 wird das <strong>Opfer</strong>informationsrechtaus § 406d Abs. 2 StPOdurch eine Nr. 3 ergänzt, wonach dem Verletztenunter gewissen Voraussetzungen aufAntrag auch die Gewährung erneuter Vollzugslockerungenmitzuteilen ist.Ferner sind durch die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und desRates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandardsfür die Rechte, die Unterstützungund den Schutz von <strong>Opfer</strong>n von Straftaten 21Erweiterungen von <strong>Opfer</strong>informationsrechtenzu erwarten.Insgesamt ergeben sich bereits aus den heuteexistierenden gesetzlichen Grundlagen(theoretisch) nicht unerhebliche Möglichkeitenfür <strong>Opfer</strong>, sich über den in Haft be-20 Zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Beitragesstand die Verkündung des Gesetzes unmittelbar bevor (vgl.auch BT–Dr. 17/6261 vom 22.06.2011 und BR-Dr. 253/13vom 03.05.2013).21 Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.11.2012 L315/5717