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Luzerner Historische Veröffentlichungen - edoc

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LUZERNER HISTORISCHE VERÖFFENTLICHUNGENBand I


<strong>Luzerner</strong><strong>Historische</strong> <strong>Veröffentlichungen</strong>BAND 1Herausgegeben vom Staatsarchiv des Kantons LuzernBasler Studienstiftung, BaselBrauerei Eichhof, LuzernCentralschweizerische Kraftwerke, LuzernDissertationenfonds der Philosophisch-<strong>Historische</strong>n Fakultätder Universität BaselDissertationenfonds der Universität BaselErziehungsdepartement des Kantons Luzern<strong>Luzerner</strong> Kantonalbank<strong>Luzerner</strong> LandbankStiftung für die Entlebucher JugendDiese Institutionen gewährten erhebliche Druckbeiträge


Silvio BucherBevölkerung und Wirtschaftdes Amtes Entlebuchim 18. JahrhundertEine Regionalstudie als Beitragzur Sozial- und Wirtschaftsgeschichteder Schweiz im Ancien RégimeRex-Verlag Luzern


© 1974 by Rex-Verlag LuzernDruck: Raeber AG, LuzernEinband : An der Reuss AGISBN 3 7252 0251 6


VorwortDiese Arbeit ist als Dissertation im <strong>Historische</strong>n Seminar der UniversitätBasel im Rahmen eines vom Nationalfonds finanzierten Forschungsunternehmens«Regionalstudien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Schweizim 18. Jahrhundert» entstanden.Herr Professor Dr. Markus Mattmüller hat mich zu diesem Thema angeregtund stand mir immer bereitwillig mit Ratschlägen zur Seite. - Frau PD Dr.Daniela Schlettwein-Gsell las das Kapitel über die Ernährungslage der Entlebucherund gab mir wertvolle Hinweise. Professor Dr. Hans Guth prüfte dieArbeit im statistischen Bereich.Bei der Materialsammlung durfte ich die grosszügige Hilfe der Pfarrer undArchivbeamten beanspruchen. - Im Staatsarchiv Luzern brachte Dr. FritzGlauser meiner Arbeit von Anfang an grosses Interesse entgegen und machtemich mit den Archivbeständen vertraut.Die methodische Verarbeitung des Materials wurde von den Mitgliedern dersozialhistorischen Arbeitsgemeinschaft am <strong>Historische</strong>n Seminar mit wohlwollenderKritik und guten Ratschlägen erleichtert. Für freundschaftlicheUnterstützung bin ich besonders dem «Pitascher Team» Jürg Bielmann, FranzGschwind und Martin Schaffner, aber auch Hans Rudolf Burri und MarkusSchürmann zu herzlichem Dank verpflichtet.Schliesslich darf ich nun dem Staatsarchiv Luzern meinen besonderen Dankaussprechen, hat es doch grosszügig diese Arbeit an den Anfang der «<strong>Luzerner</strong><strong>Historische</strong>n <strong>Veröffentlichungen</strong>» gestellt.Die ganze Arbeit möchte ich aber meinen Eltern in herzlicher Dankbarkeitwidmen. Sie haben den langwierigen Verlauf der Arbeiten mit Geduld ertragen.S. B.


InhaltsverzeichnisVerzeichnis der Tabellen und graphischen Darstellungen IXQuellen- und Literaturverzeichnisa) Handschriftliche Quellen XIIb) Literatur XIIIGeld, Masse und Gewichte XXVII1. Einleitung1.1 Problemstellung 12. Das Untersuchungsgebiet2.1 Zur Geographie des Landes Entlebuch 22.2 Politische und kirchliche Verhältnisse im 18. Jahrhundert 43. Bevölkerung3.1 Die Quellen zur Bevölkerungsgeschichte 8a) Grobauszählung 11b) Die Verteilung der Geburten, Eheschliessungen und Sterbefälle auf das Jahr 30c) Zusammenfassung 393.2 Die Entlebucher Familie 40a) Aussereheliche Geburten 42b) Die Ledigen 44c) Das Alter bei der Eheschliessung 45d) Die Herkunft der Eheleute 49e) Wiederverheiratungen 52f) Zusammenfassung 543.3 134 Marbacher Familien 55a) Fruchtbarkeit 56b) Die Familiengrössen 64c) Die Geburtenfolge 66d) Zusammenfassung 763.4 Die Sterblichkeit 78a) Die Säuglingssterblichkeit 78b) Die Entwicklung der Kindersterblichkeit 86c) Die Sterblichkeit in Krisenzeiten 88d) Das Jahr 1770/71 92e) Die Zeit nach 1770 103f) Zusammenfassung 1063.5 Die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundert 107a) Die Bevölkerungsstruktur 113b) Die Volksdichte 115c) Die Wanderungen 118d) Das Armenwesen 127e) Zusammenfassung 1383.6 Zusammenfassung der Ergebnisse 1364. Landwirtschaft4.1 Voraussetzungen 1414.2 Der Wald 142a) Geschichte der Waldnutzung 142b) Das Waldbild 144VII


c) Die Waldwirtschaft im 18. Jahrhundert 146d) Die Folgen des Waldraubbaus 150e) Zusammenfassung 1524.3 Das Hochwaldwesen 1534.4 Der Ackerbau 158a) Die Getreidesorten 159b) Die Anbaupraktiken 161c) Die Erträge 163d) Die Abgaben 164e) Die Einführung der Kartoffel 165f) Zusammenfassung 1714.5 Versuch einer Darstellung des Ernährungszustandes in 184 Haushaltungen inSchüpfheim im Jahr 1782 1714.6 Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften im 18. Jahrhundert 181a) Quellen zur Verschuldungsgeschichte 182b) Auswertungsergebnisse 184c) Anlässe zur Verschuldung 189d) Zusammenfassung 1944.7 Die Alpwirtschaft 194a) Die Organisation des Alpbetriebs 195b) Die Viehhaltung 196c) Erträge 202d) Die Rentabilität der Alpwirtschaft 205e) Zusammenfassung 2094.8 Das Schulwesen 2104.9 Zusammenfassung der Ergebnisse 2145. Handel und Gewerbe5.1 Voraussetzungen und Bedingungen 215a) Exportgüter 216b) Importgüter 2215.2 Das einheimische Gewerbe 224a) Das Aufkommen der Heimindustrie 2275.3 Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert 2345.4 Zusammenfassung 2476. Die bäuerliche Gesellschaft. Mentalität.a) Die Prägekraft religiöser Betätigung 249b) Die Gestaltung der Umwelt 253c) Die bäuerliche Gesellschaft 2547. Zusammenfassung der Ergebnisse 257a) Resume 260b) Summary 263c) Abstracts 266Personen-, Orts- und Sachregister 267VIII


Verzeichnis der Tabellen und graphischen DarstellungenTabellen Seite1. Einführung der Tauf-, Ehe- und Sterbebücher in den Gemeinden des Amtes Entlebuch92. Jährliche Zahl der Taufen, Eheschliessungen und Sterbefälle 14-213. Ausgeprägte Krisenjahre im 18. Jahrhundert 304. Monatliche Verteilung der Taufen in 5 Gemeinden (1700-1760) 315. Monatliche Verteilung der Heiraten in 4 Gemeinden (1750-1799) 346. Monatliche Verteilung der Sterbefälle in 5 Gemeinden (1780-1799) 387. Quotient Taufen/Heiraten in den einzelnen Gemeinden 418. Prozentuale Häufigkeit ausserehelicher Geburten auf alle Getauften nach Gemeinden(1700-1799) 439. Aufteilung der Heiratsalter in Marbach nach Altersgruppen (pro 100 Männer undFrauen) 4510. Vergleich mittlerer Heiratsalter in verschiedenen Gebieten 4711. Heiratsalter in Marbach am Ende des 18. Jahrhunderts (absolute Zahlen) .... 4612. Alter der Marbacher Brautleute bei der Eheschliessung 4913. Herkunft der Brautleute in Hasle (1700-1760) 5014. Marbacher Ehen mit Dispens (1710-1800) 5115. Dispens-Ehen in den Entlebucher Gemeinden 5116. Marbacher Dispensehen nach Verwandtschaftsgraden 5217. Zivilstand der Heiratenden in Marbach (1760-1799) 5318. Häufigkeit von Wiederverheiratungen in einzelnen Entlebucher Gemeinden ... 5419. Altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffern in Marbach am Ende des 18. Jahrhunderts5620. Ehedauer und Kinderzahl nach Familien, nach Altersgruppen und Alter der Frauenbei der Eheschliessung in Marbach (nach 1784) 56-6021. Altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffern in anderen Regionen 6022. Eheliche Fruchtbarkeitsziffern nach Heiratsalter in Marbach 6223. Alter der Marbacher Mütter bei ihrer Letztgeburt 6424. Familiengrössen in Marbach am Ende des 18. Jahrhunderts 6525. Familiengrössen in Marbach nach dem Heiratsalter der Frauen (vollständigeFamilien) 6626. Alter der Marbacher Mütter bei den Geburten 6827. Intervalle zwischen Heirat und Erstgeburt und den späteren Geburten in Marbacb.69-7228. Intervalle zwischen Eheschliessung und Erstgeburt in Marbach 7429. Intervallabstand zwischen Heirat und Erstgeburt nach Heiratsaltersgruppen inMarbach 7430. Verteilung der Geburtsintervalle in Marbach (mit Beispielen aus anderen Regionen) 7531. Säuglingssterblichkeitsziffern in Marbach (1730-1850) 7932. Kumulierte Hinschiede innerhalb des ersten Lebensjahres in Marbach (1790-1850) 8033. Kumulierte Hinschiede innerhalb des ersten Monats nach der Geburt in Marbach(1730-1850) 8034. Verteilung der Säuglingstoten auf das erste Lebensjahr in Marbach 8135. Endogene und exogene Säuglingssterbhchkeitsziffern (Vergleichsbeispiele) .... 8436. Säuglingssterblichkeitsziffern in verschiedenen Gemeinden des Amtes Entlebuch im18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts 8437. Säuglingssterblichkeitsziffern im Amt Entlebuch im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts8538. Kindersterblichkeitsziffern in verschiedenen Entlebucher Gemeinden (18. Jahrhundert)87IX


39. Verteilung der Konzeptionen in 4 Entlebucher Gemeinden (1768-1774), jährlicheZahl der Konzeptionen in 4 Entlebucher Gemeinden (1768-1773), 1760-1769 = 100 9540. Jährliche Zahl der Heiraten in 5 Entlebucher Gemeinden (1768-1774), Index:mittlere Zahl der Heiraten von 1760-1769 = 100 9841. Jährliche Zahl der Sterbefälle in 5 Entlebucher Gemeinden (1769-1774), Index:mittlere Zahl der Sterbefälle von 1760-1769 = 100 9942. Alter der an Pocken verstorbenen Kinder in Marbach (1798/99) 10443. Sterbetafel der Gemeinde Entlebuch von 1810-1824 10544. Einwohnerzahlen der Entlebucher Gemeinden nach einzelnen Zählungen .... 10945. Bevölkerungsentwicklung des Amtes Entlebuch in verschiedenen Zeiträumen (nachIndexwerten) 11046. Entwicklung der Kommunikantenzahl in der Pfarrei Marbach (1712-1729) ... HO47. Bevölkerungsgrössen in den Entlebucher Gemeinden (berechnet nach Zehnjahresdurchschnittender Taufen) 11148. Prozentualer Anteil der Kommunikanten und Nichtkommunikanten an der Gesamtbevölkerungim Jahre 1745 11349. Prozentualer Anteil der 1- bis 16jährigen an der Gesamtbevölkerung in den Zählungenvon 1745, 1780 und 1796 11350. Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen im Jahr 1780 in den EntlebucherGemeinden 11451. Bevölkerungsstand, Nutzfläche und Volksdichte in den Entlebucher Gemeinden(1715, 1745, 1784 und 1798) 11552. Alter der Entlebucher Söldner beim Dienstantritt 12353. Auswanderungsziele von Entlebuchern in verschiedenen Zeiträumen 12654. Prozentualer Anteil der Armen an der Bevölkerung in den einzelnen Gemeindenund im Amt Entlebuch im Jahr 1718 13155. Prozentuale Verteilung der Armen nach dem Status als Landleute und Hintersassen(1718) 13156. Prozentualer Anteil der Armen an der Bevölkerung im Entlebuch um 1800 ... 13757. Viehbestand im Hochwald (1796) 15758. Zehnterträge in Entlebuch (1764, 1765, 1771) 16059. Zehnteinkommen im Amt Entlebuch um 1800 16160. Häufigkeit verschiedener Saatkombinationen in Schüpfheim (1782) 16261. Ertragswerte einzelner Getreide und der Kartoffeln 16462. Kartoffelzehntgrössen in Schüpfheim nach Haushaltgrössen (1782) 17063. Durchschnittliche Gersten- und Kartoffelrationen in g pro Person und Tag in 184Haushaltungen in Schüpfheim (1782) 17564. Nährstoffangebot pro Haushalt 17865. Belastungen der 619 Liegenschaften nach Schatzungs- oder Verkaufswerten ... 18566. Prozentuale Verschuldungsziffern der Bauernbetriebe im Entlebuch im Jahr 1916 18667. Verteilung der Betriebe nach der Höhe der Verschuldungsziffer (absolut und inProzenten) 18668. Verteilung der Gültgelder auf die Gültherren (1701/04, 1770/74) 18769. Alpviehbestände im Entlebuch in den Jahren 1692, 1796 und 1883 19870. Viehbestand auf den Entlebucher Heimweiden im Jahr 1796 19771. Viehbestand auf den Alpen, Heimweiden und in den Hochwäldern 19772. Entlebucher Herdengrössen in den Jahren 1692, 1796 und 1883 19973. Anzahl Kühe pro Anzahl Alpen im Entlebuch (in Prozenten) 19974. Überwintertes Vieh in den Jahren 1788 und 1796 20075. Entwicklung der entlebucherischen Käseproduktion (1692-1796) 20376. Viehverkäufe durch Entlebucher auf dem Lauisermarkt in Luzern (1787) .... 21977. Durchschnittliche jährliche Einnahmen an Umgeld für Wein und Branntwein imEntlebuch von 1700 bis 1797 223


78. Anzahl einiger Handwerksbetriebe im Entlebuch um 1800 22479. Flachsanbau in Schupf heim nach Haushaltgrössen (1782) 22880. «Haushaltsrechnung» für das Amt Entlebuch am Ende des 18. Jahrhunderts ... 23381. Mittlere Korn- und Haferpreise von 1700 bis 1800 in der Gegend von Schwarzenbachbei Wolhusen (pro Halbviertel) 23582. Mittlere Käsepreise von 1720 bis 1800 anhand einzelner entlebucherischer Kirchenrechnungsbücher(Zentnerpreise) 237/23883. Mittlere Viehpreise von 1608 bis 1798 in der Innerschweiz 24084. Viehpreise im Entlebuch von 1760 bis 1800 24185. Entwicklung der Getreide-, Käse- und Viehpreise seit 1720/29 nach Indexwerten 24186. Entwicklung der Kornpreise in verschiedenen europäischen Ländern seit 1731/40nach Indexwerten 24187. Feiertagsheilige im Entlebuch 251Graphiken Seite1. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefalle von 1600 bis 1820 in Schüpfheim 12/132. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1690 bis 1820 in Entlebuch 243. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1690 bis 1820 in Escholzmatt254. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1690 bis 1820 in Hasle . . 265. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1700 bis 1820 in Marbach 286. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1710 bis 1820 in Romoos 297. Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefälle von 1700 bis 1800 in Doppleschwand298. Monatliche Verteilung der Taufen in 5 Gemeinden von 1750 bis 1760 329. Monatliche Verteilung der Heiraten in 4 Gemeinden von 1750 bis 1799 3510. Monatliche Verteilung der Sterbefälle in 5 Gemeinden von 1780 bis 1799 ... . 3711. Verteilung der Heiratsalter in Marbach am Ende des 18. Jahrhunderts 4812. Altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffern in Marbach, Silenen, Tunis, Crulaiund Kanada 6313. Eheliche Fruchtbarkeitsziffern in Marbach (nach Altersgruppen und Heiratsalter) 6314. Alter der Marbacher Mütter bei der Niederkunft 6715. Häufigkeit und Verteilung der Intervalle zwischen Eheschliessung und Erstgeburt 6716. Die Entwicklung der Säuglingssterblichkeit in Marbach (1730 bis 1850) 7917. Verteilung der Hinschiede während des ersten Lebensjahres in Marbach .... 8218. Kumulierte Sterbefälle innerhalb des ersten Lebensjahres in Marbach zur Berechnungder endogenen Todesfälle 8319. a) Die Entwicklung der Empfängnis- und Sterbezahlen in der Krise von 1770/72in Hasle 96b) Die Entwicklung der Empfängnis- und Sterbezahlen in der Krise von 1770/72in Marbach 97c) Die Entwicklung der Empfängnis- und Sterbezahlen in der Krise von 1770/72in Entlebuch 9820. Blatternepidemie in Marbach 1798/99: Verteilung der Sterbefalle nach Alterszugehörigkeitund Sterbemonat 10521. Entwicklung der Bevölkerungsdichte in den Entlebucher Gemeinden im 18. Jahrhundert(1715, 1745, 1784, 1798) 11722. Verteilung der Gültgelder nach Gültherren 18823. Mittlere jährliche Korn- und Haferpreise in der Gegend von Schwarzenbach beiWolhusen von 1700 bis 1800 (pro Halbviertel) 23624. Jährliche Entwicklung der Kornpreise von 1700 bis 1800 nach Indexwert .... 23925. Mittlere jährliche Käsepreise im Entlebuch von 1720 bis 1800 (Zentnerpreise) . . 24026. Mittlere Viehpreise von 1608 bis 1798 in der Innerschweiz 24227. Entwicklung der Getreide-, Käse-und Viehpreise seit 1720/29 nach Indexwerten . . 243XI


Akten 27/62 D Akten A2 F7 Staatswirtschaft, Gewerbe, GerberAkten 27/81 C Akten A2 F7 Staatswirtschaft, Armenwesen (Umfrage)Akten 27/123 C Akten A2 F7 Staatswirtschaft, Forstwesen, BannwarteAkten 27/123 D Akten A2 F7 Staatswirtschaft, Forstwesen, Forstberichte 1836-1841cod 305 Rechnungsbuoch der Vogty Entlebuoch, angfangen anno 1585 bis als 1797cod 325 Beschreibung des Landes Entlibuoch (R. Cysat)cod 4175 ff. Civilrathsprotokoll, Sammlung von Gerichtsurteilen während der Jahre 1701 ff.cod 4725 Turmbuch, Verhör- und Urteilsprotokoll der Kriminaljustiz während der Jahre1744 bis 1746cod 4740 Turmbuch,... 1747 bis 1748cod 4825 Turmbuch,... 1769 bis 1771cod 4830 Turmbuch,... 1771cod 5135 Protokoll der Staats-Oekonomie-Commission für die Jahre 1761-1791cod 5965 Stadt und Land Vieh-Markt Buch vom 1-ten Christmonats 1786 bis 1789cod 5650 Victualien-Kammer-Protocoll, angefangen anno 1769 (und fortgeführt bis zumJahre 1771)Protokoll der Verwaltungskammer des Kantons Luzern (10. August 1798 bis1. März 1799, Nr. 2)Bürgerbibliothek Luzern (ZB LU)Ms31/4 Pfarrherrn Joseph Xaver Schniders von Wartensee kleine landwirthschaftlicheSchriften (Erster Jahrgang 1784). Pfarrer Schniders Aufforderung an vaterländischdenkende Liebhaber, eine landwirthschaftliche Gesellschaft zu errichten.Cernalien oder Abhandlung über die Geschlechter, Arten und Spilarten desGetreydes, welche im Canton Luzern gemeiniglich angepflanzet werden.263/4 Cysat R., Beschreybung dess Lands Entlibuch92 fol Jos. Ant. Felix Balthasar: Sammlung historisch-topographischer Merkwürdigkeitendes Kantons Luzern443/4 Witterungsannalen vom Jahr 1729 bis 1759 inclusive (von Dr. Segesser)PfarrarchiveTauf-, Ehe- und Sterbebücher von Marbach, Escholzmatt, Schüpfheim, Flühli, Hasle, Entlebuch,Romoos, Doppleschwand ; Zehntenbücher von Schüpfheim und EntlebuchSchüpfheim: Verzeichnis aller in der Pfarrei Schüpfheim bei Ausgang des Jahres 1782 befindlicherPersonenHasle: Werthliche Proposition oder Vortrag beschahen vor hochgeachten Herrenneüw und alt Landvogten dess Lands Entlibuoch, alss Jkr. Jacob Carlj Balthasarneüwen, und Jkr. Ludwyg Cysatt, alten Herren Landvogt von und in Namender 5 Herren Pfahrherren alss von Schüpfhen, Hassle, Romoss, Dopplischwandund Entlibuoch, den Härdöpfel alss auch sambtlichen kleinen Zähnden beträffende.Ao 1717, den 21 Aug.Gerichtsarchiv EntlebuchProtokolleb) Literatur(Q = gedruckte Quellen)Zeitschriften (Auswahl)Annales de Démographie Historique, éd. Société de Démographie historique, Paris1964ff.XIII


Gfr.Annales. Économies. Sociétés. Civilisations. Revue bimestrielle fondée en 1929 parLucien Febvre et Marc Bloch, Paris 1946ff.The Economie History Review. Ed. by E. Lipson and R. H. Tawney, assisted byJ. Mann, London 1927 ff.Der Geschichtsfreund. Mittheilungen des historischen Vereins der V Orte Lucern,Uri, Schwyz, Unterwaiden und Zug, Einsiedeln 1844 ff.BHK Blätter für Heimatkunde aus dem Entlebuch, hrsg. von der Sektion Escholzmatt desV Örtigen historischen Vereins, Schüpfheim 1929 ff.Population. Revue bimestrielle de l'Institut National d'Études démographiques, éd.,I.N.E.D., Paris 1946ff.Abel WilhelmGeschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert,Stuttgart 1962IdemAgrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und ErnährungswirtschaftMitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, Hamburg/Berlin 1966Allemann GustavSöldnerwerbungen im Kanton Solothurn von 1600-1723, Diss. Bern 1946Aregger JuliusQ Ein Beitrag zur Geschichte des Alpwesens im Entlebuch, BHK 34 (1961) 29-38IdemQ Zwei alte Verzeichnisse über ausgewanderte Entlebucher, BHK 42 (1969) 5-25QQQXIVBättig RichardDas Bürgerrecht der Stadt Luzern (1252-1798), Gfr. 77 (1922) 1-96Balthasar Josef Anton FelixSammlung historisch-topographischer Merkwürdigkeiten des Kantons Luzern, 5 Bde.,Luzern 1785 f.Bein Georg FelixDie historische Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern mit besondererBerücksichtigung der ländlichen Meisterschaftsverbände, Diss. iur. Bern 1917Berichte des Erziehungsraths des Kantons Luzern über den Zustand der Landschulenin diesem Kanton, Luzern 1801Berner LudwigBemerkungen auf einer Reise durch die Kantone Solothurn, Bern und Luzern auf denRigikulm, Aarau 1827Bickel WilhelmBevölkerungsgeschichte und Bevölkerungspolitik der Schweiz seit dem Ausgang desMittelalters, Zürich 1947Bielmann JürgDie Lebensverhältnisse im Urnerland während des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts,Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 126, Basel 1972Bircher RalphWirtschaft und Lebenshaltung im schweizerischen «Hirtenland» am Ende des 18. Jahrhunderts,Diss. Zürich 1938Bitzi AlbertDas Entlebucher Landrecht von 1491, Diss. Schüpfheim 1948, BHK 21/22 (1948/49)


IdemDie Gült und das Blumenpfand von einst und jetzt im Entlebuch, BHK 25 (1952)151-156IdemPropst Matthias Riedweg. Domherr des Bistums Basel, gew. Vikar, Kaplan und Pfarrervon Escholzmatt und Kantonalschulinspektor, Gfr. 115 (1962) 241-274, 116 (1963)143-177Bloch MarcApologie pour l'histoire ou métier d'historien, Colin, Paris 1967 6 (Cahiers des Annales,3)Blumer Johann JakobStaats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen Demokratien oder der KantoneUri, Schwyz, Unterwaiden, Glarus, Zug und Appenzell, 2 Teile, St. Gallen 1850-1859Bölsterli JosefGeschichte der «Feiertage» im Kanton Luzern, Gfr. 32 (1877) 221-256Bonnaud-Delamare RogerL'Immigration helvétique dans les principautés de Murbach et de Lure après la guerrede Trente Ans (1649-1715), Annales littéraires de l'Université de Besançon, Série 2,Vol. 76, Paris, Belles Lettres 1966IdemNotes sur la Descendance d'un émigré lucernois: Hans Krummenacker, SZG 11(1961) 289-320Boog GotthardDas Capuzinerkloster in Schüpfheim, Gfr. 16 (1860) 96-186Bourgeois-Pichat JeanDe la mesure de la mortalité infantile, Population No. 1 (1946) 53-68Bräker UlrichDer arme Mann im Tockenburg, Büchergilde Gutenberg, 1970Brändly WillyGeschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern, Luzern 1956Brandstetter RenwardDie Hirse im Kanton Luzern, Gfr. 72 (1917) 69-109Braudel FernandCivilisation matérielle et capitalisme (XVe-XVIIIe siècle), Tome I, Colin, Paris 1967Braun RudolfIndustrialisierung und Volksleben. Veränderungen der Lebensformen unter Einwirkungder verlagsindustriellen Heimarbeit in einem ländlichen Industriegebiet (ZürcherOberland) vor 1800, Diss. Zürich 1960Brugger HansDie schweizerische Landwirtschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Frauenfeld1956Bühler JosefVeränderungen in Landschaft, Wirtschaft und Siedlung des Entlebuchs, Diss. Zürich,Schüpfheim 1938, BHK 12 (1938) 833-948, 13 (1939) 1-53Bühlmann JostBeitrag zur Geschichte der Viehseuchen, speziell der Maul- und Klauenseuche in derSchweiz, Diss. med. vet. Zürich, Sursee 1916XV


Bürki FritzBerns Wirtschaftslage im 30jährigen Krieg, Archiv des <strong>Historische</strong>n Vereins desKantons Bern, 34 (1937), 1. Heft, 1-224Burnet Frank MacfarlaneNatural History of Infections Desease, London 1962; dt: Naturgeschichte der Infektionskrankheitendes Menschen, Conditio huraana. Ergebnisse aus den Wissenschaftenvom Menschen, Frankfurt 1971Burri Hans RudolfQuantitative Untersuchungen zur Bevölkerungsgeschichte der Stadt Luzern im 18. undfrühen 19. Jahrhundert, Lizentiatsarbeit, Universität Basel 1971 (nicht publ.)Chevallaz Georg AndréAspects de l'agriculture vaudoise à la fin de l'ancien régime. La terre - le blé - lescharges, Lausanne 1949Chevalier LouisProblèmes d'histoire humaine, Population 2 (1948) 386-390Congrès et colloques universitaires de Liège, «Problèmes de mortalité», vol. 33, 1965Connell Kenneth HughThe population of Ireland (1750-1845), Oxford 1950Constitutiones Synodi Diocesanae Constantiensis, Konstanz 1761Curti OskarForstgesetzgebung im Kanton Luzern, Bern 1928Dahinden JosefDie Bewirtschaftung, in: Gedenkschrift Flühli, 464-536Deniel Raymond, Henry LouisLa population d'un village du nord de la France, Sainghin-en-Mélantois, de 1665 à1851, Population 1965, No. 4, 563-602Denzler AliceJugendfürsorge in der alten Eidgenossenschaft. Ihre Entwicklung in den KantonenZürich, Luzern, Freiburg, St. Gallen und Genf bis 1798, Glarus 1925Dommann FritzDer Einfluss des Konzils von Trient auf die Reform der Seelsorge und des religiösenLebens in Zug im 16. und 17. Jahrhundert, Beiheft 9 zum Gfr., Stans 1966Dommann HansBeiträge zur <strong>Luzerner</strong> und Schweizer Geschichte des 17. Jahrhunderts. Aus einemzeitgenössischen Briefwechsel, Gfr. 88 (1933) 132-213Drake MichaelMarriage and Population Growth in Ireland, 1750-1845, Econ. Hist. Rev., Sec. Series,vol. 16, no. 2 (1963) 301-313Dubois AlainDie Salzversorgung des Wallis 1500-1610, Wirtschaft und Politik, Winterthur 1965Emmenegger EmilDas Entlebuch in vergangener Zeit, BHK 3 (1930) 6-156IdemDas Säckelamt Schüpfheim-Flühli, BHK 36 (1963) 1-88Emmenegger JosefGeschichtliches über die Korporation Schüpfheim, BHK 34 (1961) 39-58XVI


Engel SamuelAbhandlungen der Ökonomischen Gesellschaft, 1772EntwicklungspolitikHandbuch und Lexikon, hrsg. H. Besters, Ernst E. Boesch, Stuttgart/Berlin 1966Eversley D. E. C.Population, Economy and Society, in: Population in History, 23-69Fassbind RudolfDas in Luzern verunglückte Florettseidengewerbe 1702-1723, Innerschweizer Jahrbuchfür Heimatkunde 11/12, 1947/48IdemDie Schappe-Industrie in der Innerschweiz, Gfr. 107 (1954) 5-76, 108 (1955) 5-62Felder FriedrichSchulgeschichte von Flühli-Sörenberg, in: Gedenkschrift Flühli, 440-463Felder WilhelmGeschichtliches über die Kaplanei Marbach, BHK 5 (1932) 17-52Feller RichardGeschichte Berns, 4 Bde., Bern 1946ff.IdemBündnisse und Söldnerdienst 1515-1798, in: Schweizer Kriegsgeschichte, Heft 6,Bern 1915/16Fetscherin-Lichtenhahn WilhelmMichael Schüpbach und seine Zeit. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des vorigenJahrhunderts, Bern 1882Fetscherin WernerBeitrag zur Geschichte der Baumwollindustrie im alten Bern, Diss. iur. Bern, Weinfelden1924Frödin JohnZentraleuropas Alpenwirtschaft, Bd. 1/2, Oslo 1940/41Gagliardi ErnstGeschichte der Schweiz von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 1-3, Zürich 1938 3Ganiage JeanTrois villages de l'Ile-de-France au XVIIIe siècle. Étude démographique, Cahiers deTravaux et documents de 1T.N.E.D., cahier no. 40IdemÉtude démographique sur les Européens de Tunis au milieu du XIXe siècle, Cahiers deTunisie 1957, nos. 19/20, 167-202Gautier Etienne, Henry LouisLa population de Crulai, paroisse normande: étude historique, Travaux et Documentsde 1T.N.E.D., Paris 1958Gedenkschriftzur Jahrhundertfeier des Bestehens der politischen Gemeinde Flühli (Luzern) 1836bis 1936. Hrsg. Sektion Escholzmatt des historischen Vereins der V Orte, Schupf heim1936Geiser KarlGeschichte des Armenwesens im Kanton Bern von der Reformation bis auf die neuereZeit, Zeitschrift für Schweiz. Statistik, Bern 1893/94XVII


XVIIIIdemHandel, Gewerbe und Industrie im Kanton Bern bis zum Jahre 1860, BernischerVerein für Handel und Industrie, Denkschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens1860-1910, Bern 1910Girard P.Aperçus de la démographie de Sotteville-les-Rouen vers la fin du XVIIIe siècle,Population, 1959, no. 3., 485-508Glauser FritzHandel mit Entlebucher Käse und Butter vom 16. bis 19. Jahrhundert, SZG 21 (1971)1-63Gmür LeonhardDie Entwicklung der Gewerbefreiheit im Kanton Luzern von der Helvetik bis zur Bundesverfassungvon 1874, Diss. Bern 1924Goubert PierreUne richesse historique en cours d'exploitation: Les registres paroissiaux, AnnalesE.S.C., 1954, 83-93IdemBeauvais et le Beauvaisis de 1600 à 1730. Contribution à l'histoire sociale de la Francedu XVIIe siècle. Thèse Fac. des Lettres et Sciences humaines. Univ. Paris, 2 vol.,Impr. Nationale 1958IdemHistoire sociale, Sources et méthodes, Colloque de l'École Normale Supérieure deSaint Cloud (1965), P.U.F., 1967IdemRecent theories and research in French Population between 1500 and 1700, in: Populationin History, 457-473Grossmann HeinrichDer Einfluss der alten Glashütten auf den schweizerischen Wald. Bericht über dasgeobotanische Forschungsinstitut Rubel für das Jahr 1933, Zürich 1934Grüter RudolfDie luzernischen Korporationsgemeinden, Diss. Bern 1914, Gfr. 69 (1914) 1-148Grüter SebastianGeschichte des Kantons Luzern im 16. und 17. Jahrhundert, Luzern 1945Gsell DanielaDer Ernährungszustand der Bergkinder, in: Pro Juventute, Heft 10, 1959EademErnährungs- und Gesundheitszustand in Bruson/Bagnes (Wallis), in: Mitteilungenaus dem Gebiet der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene, veröffentlicht vomEidgen. Gesundheitsamt in Bern, Bd. 55 (1964) Heft 1Gsell Daniela, Verzar F.Über einen Heilungsversuch von mehrfachem Vitaminmangel bei Kindern einesBergtales, in: Internationale Zeitschrift für Vitaminforschung, Bd. XXX, Heft 1/2,1959Gubler Konrad RobertBevölkerungsentwicklung und wirtschaftliche Wandlungen im Kanton Luzern, Diss.Zürich, Stans 1952Guillaume P., Poussou J.-P.Démographie historique, Collection U, Colin, Paris 1970Gutersohn HeinrichGeographie der Schweiz in drei Bänden, Bd. 1-3, Bern 1958-1969


Gutzwiller KarlDie Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen. Geschichte,Betriebsformen, Marktverhältnisse und volkswirtschaftliche Bedeutung,Schaffhausen 1923Habakkuk H. J.English population in the eighteenth century, in: Population in History, 269-307Häusler FritzDas Emmental im Staate Bern bis 1798. Die alt bernische Landesverwaltung in denÄmtern Burgdorf, Trachselwald, Signau, Brandis und Sumiswald, 2 Bde., Bern 1958-Häfeli ErwinDas Armenwesen im Kanton Luzern, Diss. Bern 1928Hauser MargritDas Salzwesen der Innerschweiz bis 1798, Diss. Zürich, Zug 1927Head-König A.-L., Veyrassat-Herren BéatriceLa production agricole du plateau Suisse aux XVIIe et XVIIIe siècles, SZG 20 (1970)586-600Die Heilungsarten der herrschenden Faulfieber, Bern 1785Helleiner K. F.The vital revolution reconsidered, in: Population in History, 79-86Henggeler AloisDas bischöfliche Kommissariat 1605-1800, Diss. Bonn, Stans 1906Henripin JacquesLa fécondité des ménages canadiens au début du XVIIIe siècle, Population 9 (1954)61-84IdemLa population canadienne au début du XVIIIe siècle, I.N.E.D., Paris 1954Henry Louis, Fleury MichelNouveau Manuel de dépouillement et d'exploitation de l'état civil ancien, éd. I.N.E.D.,Paris 1965Henry LouisManuel de Démographie historique, Genève/Paris 1967 (Besprechung in SZG 7 (1957)242ff. (R. Pithon)Histoire économique et sociale de la France, Tome II, P.U.F. 1970, vgl. LabrousseHösli JostGlarner Land- und Alpwirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart, Diss. Zürich,Glarus 1948Houdaille JacquesTrois paroisses de Saint Domingue au XVIIIe siècle. Étude démographique, Population18 (1963), no. 1, 93-110Huber AlfredDer Privatwald in der Schweiz, Diss. tech. Wiss., ETH Zürich 1948Hug AnnaDie Bedeutung St. Urbans für das luzernische Volksschulwesen, Diss. Zürich 1920EademDie St. Urbaner Schulreform an der Wende des 18. Jahrhunderts, Schweizer Studienzur Geschichtswissenschaft, Bd. 12 (1920) Heft 2XIX


Jann AdelhelmHeilig Kreuz im Entlebuch, BHK 17/18 (1944/45)IdiotikonSchweizerisches Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Frauenfeld 188Iff.Jeannin PierreLa Valeur alimentaire de la pomme de terre, Diss. Paris Médecine 1949Inhalts-Verzeichnisder Blätter für Heimatkunde aus dem Entlebuch für die 40 Jahrgänge 1928-1968,Schüpfheim 1969Isenegger JosefDas Forstwesen, in: Gedenkschrift Flühli, 670-685IdemDer Entlebucher Bergwald, seine Schicksale und heutigen Verhältnisse, in: Derpraktische Forstwirt 99 (1963) 209-238Juillard EtienneLa vie rurale dans la plaine de Basse-Alsace. Essai de géographie sociale, Thèse Strasbourg1953Journal of the American Dietic Association, Chicago, Febr. 1969, vol. 54, Nr. 2:Recommended Daily Dietary Allowances, Revised 1968Kaufmann JakobDas ehemalige Weiderecht der Dorfgeissen im alten Escholzmatt, BHK 37 (1964)151-187McKeown T., Brown R. G.Medical Evidence related to English Population Changes in the eighteenth Century,in : Population in History, 285-307Kiem MartinDie Alpenwirtschaft und Agrikultur in Obwalden seit den ältesten Zeiten, Gfr. 21(1866) 144-231Kintz J.-P.La mobilité humaine en Alsace. Essai de Présentation statistique XlVe-XVIIIe siècle,Annales de Démographie historique 1970, 157-183Kleiner Versuch einer besonderen Geschichte des Freystaats Unterwaiden, Luzern 1791Klimatologieder Schweiz (E) Niederschlag, v. H. Uttiger, hrsg. Schweizerische MeteorologischeZentralanstalt, Zürich 1965Kürner MeinradPfarrer Josef Xaver Schnider von Wartensee, BHK 25 (1952) 1^8Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Bd. 1, Basel 1946Labrousse ErnestEsquisse du mouvement des prix et des revenus en France au XVIIIe siècle, CollectionScientifique d'Économie politique III, Dalloz Paris 1933, 2 vol.IdemLa crise de l'économie française à la fin de l'ancien régime et au début de la révolution,P.U.F. 1944Labrousse, Léon, Goubert, Bouvier u. a.Histoire économique et sociale de la France, tome II: Des derniers temps de l'âgeseigneurial aux préludes de l'âge industriel 1660-1789, Paris 1970XX


Lachiver MarcelLa population de Meulan du XVIIe au XIXe siècle, S.E.V.P.E.N., Paris 1969Laedrach WalterDas Kloster Trüb und die Hoheit über das Trubertal, Diss. Bern 1921Laube BrunoJoseph Anton Felix Balthasar 1737-1810. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärungin Luzern, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 81, Basel 1956Laur ErnstHand- und Leinenweberei im Emmental, Heimatwerk 31, Heft 1, 1966Leibundgut HansDer Wald. Eine Lebensgemeinschaft, Frauenfeld 1970 2LéonP.Économies et sociétés préindustrielles, Tome II, 1650-1780, Colin, Paris 1970Le Roy Ladurie EmanuelClimat et récoltes au XVIIe et XVIIIe siècles, Annales E.S.C., 15 (1960) 434-465IdemLes paysans de Langu<strong>edoc</strong>, Thèse Paris, 2 vol., Imprimerie Nationale 1966IdemHistoire du climat depuis l'an mil, Flammarion, Paris 1967IdemL'aménorrhée de famine (XVIIe-XXe siècles), Annales E.S.C., 24 (1969) 1589-1601von Liebenau TheodorDer luzernische Bauernkrieg von 1653, Jahrbuch für Schweizergeschichte 1893/94IdemDie Siegel der luzernischen Landschaft, Schweiz. Archiv für Heraldik 1897Ludin JosefDas Schulwesen des Kantons Luzern (Bibliographie), Bern 1893Mackenroth GerhardBevölkerungslehre, Theorie, Soziologie und Statistik der Bevölkerung, Berlin 1953Marty AlbinDie Viehwirtschaft der Urschweiz und Luzerns, insbesondere der Welschlandhandel1500-1798. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Innerschweiz,Diss. Zürich, Lachen 1951Merz FranzDie forstlichen Verhältnisse Entlebuchs, in: Der praktische Forstwirt, 1884IdemDas Entlebuch und seine Viehzucht, Alpen- und Milchwirthschaft, Zürich 1887Meuvret JeanLes crises de subsistances et la démographie de la France d'Ancien Régime, Population4 (1946) 643-650Meyer MartinDie Krise von 1770/71 im Gebiet des heutigen Kantons Luzern, BHK 43 (1970) 180-198Michel TheodorBader, Scherer, Chirurgen, Hebammen und Apotheker im alten Luzern, Gfr. 87 (1932)207-303MoheauRecherches et considerations sur la population de la France, 1er édition 1778, éd.Gonnard 1912XXI


XXIIMüller KunoDie <strong>Luzerner</strong> Sagen, Luzern 1942Myrdal GunnarEconomie Theory and Under-Developed Regions, London 1957IdemThe Challenge of World Poverty, New York 1970; dt.: Politisches Manifest über dieArmut in der Welt, Frankfurt 1970Nadot RobertMesure de la mortalité infantile. Étude statistique de la méthode biométrique deM. Jean Bourgeois-Pichat, Population 26 (1971), no. 5, 901-913von Orell, LandschreiberKurze Beschreibung des Endtlibuchs aus dem Jahre 1791, BHK 13 (1940) 69-76Pfister WillyGetreide- und Weinzehnten 1565-1798 und Getreidepreise 1565-1770 im bernischenAargau, Argovia 52 (1940) 237-264Pfyfifer CasimirGeschichte der Stadt und des Kantons Luzern, 2 Bde., Zürich 1850-1852Piuz Anne-MarieLa disette de 1693-1694 à Genève et ses conséquences démographiques, in: Mélangespubliés par la Faculté des Sciences économiques et sociales de l'Université de Genèveà l'occasion de son cinquantenaire, Genève 1965, 175-185EademAlimentation populaire et sous-alimentation au XVIIe siècle. Le cas de Genève,SZG 18 (1968) 23^6Poitrineau AbelLa vie rurale en Basse-Auvergne au XVIIIe siècle (1726-1798), Thèse, 2 Tomes,Aurillac 1965Population in History. Essays in Historical Demography, ed. by Glass, Eversley,London 1965Portmann FranzDie Korporationsgemeinde Flühli, in: Gedenkschrift Flühli, 132-250Portmann HansPfarrer Josef Xaver Schnyder von Wartensee und seine Karte des Entlebuch, Schüpfheim1925IdemVergessene Bäder und unbenutzte Mineralquellen im Entlebuch, BHK 4 (1931) 1-28Ramseyer RudolfDas altbernische Küherwesen, Diss. Bern 1961Armengaud A., Dupâquier J., Reinhard M.Histoire générale de la population mondiale, Montchrestien, Paris 1968 3Röösli OttoPoesie und Volkslied im Entlebuch sowie Rym und Rank, BHK 24 (1951) 1-112Roos Josef500 Jahre Entlebucher Hochwald und 135 Jahre Korporation Romoos, BHK 29(1956) 1-14


Ruwet J.Crises démographiques: Problèmes économiques ou crises morales?, Population (1954),no. 3, 451^76IdemCrises de mortalité et mortalités de crise, Congrès et colloques de Liège, vol. 33,1965,379-408Salaman RedcliffeThe history and social influence of the Potato, Cambridge 1949Sauvy AlfredThéorie générale de la population, vol. Iff., P.U.F., Paris 1952ff.Schacher Josef<strong>Luzerner</strong> Akten zur Geschichte der Täufer, Zschr. f. Schweiz. Kirchengeschichte 51(1957) 1-26, 113-135, 173-198IdemGeschichte der luzernischen Täufer, Gfr. 118 (1965), 187-229Schlettwein-Gsell DanielaSuboptimale Vitaminversorgung, in: Vitamine 1967/68Schmid JosefDie Junkerfamilie Hartmann und ihre Besitzungen im Sörenberg, BHK 33 (1960)169-182IdemVom Salpeter zum <strong>Luzerner</strong>pulver, BHK 34 (1961) 59-188IdemDie Schulen im Dorf Flühli, BHK 38 (1965) 73-96Schmidlin WilhelmSchulgeschichte von Schüpfheim, BHK 5 (1932) 122-144Schneider HedwigDie bernische Industrie- und Handelspolitik im 17. und 18. Jahrhundert, Diss. Zürich1937Schneller JosefChronologische Verzeichnisse des 11. Bandes (Urkunden), Gfr. 11 (1855) 268Schnyder FranzPest und Pestverordnungen im alten Luzern, Gfr. 87 (1932) 102-206Schnyder von Wartensee Josef XaverQ Geschichte der Entlibucher, 2 Teile, Luzern 1781/82IdemQ Besondere Beschreibungen etlicher Berge des Entlibuches, mit verschiedenen historischenAnekdoten, ökonomischen Beobachtungen und andern Erklärungen über dieGeschichte der Entlibucher, Heft 1-3, Luzern 1783/84IdemQ Systematische Darstellung der Schweitzerischen Milchspeisen, in: SchweizerischesMuseum, 2. Jg., 2. Stück, 1784IdemQ Unveröffentlichte Arbeiten von Pfarrer Schnyder von Wartensee, BHK 1 (1928) 91-164Schöpfer SiegfriedFragmente aus der Schulgeschichte von Escholzmatt, BHK 25 (1952) 157-160Das Schrifttumzur Geschichte und Heimatkunde der Landschaft Entlebuch, v. E. Emmenegger,Schüpfheim 1972XXIII


Schürmann MarkusBevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft in Appenzell-Innerrhoden im 18. und frühen19. Jahrhundert, Diss. Universität Basel (erscheint 1974 im «Innerrhoder-Geschichtsfreund»)Schwab RudolfDie Pest im Emmental, in: Bl. f. bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde 1(1905) 186-190Schweizerische Alpstatistik15. Lieferung: Die Alpwirtschaft im Kanton Luzern, hrsg. vom Schweizerischenalpwirtschaftlichen Verein, bearbeitet von A. Strüby, Solothurn 1905von Segesser Anton PhilippRechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, 4 Bde., Luzern 1851-1858Sidler OttoDie Gült nach <strong>Luzerner</strong> Recht, Diss. Bern, Luzern 1897Siegrist Jean JacquesDie Baumwollindustrie des 18. Jahrhunderts in der ehemaligen Herrschaft Hallwil, in:Heimatkunde aus dem Seetal 31 (1957) 33-55Siegwart LeoDie Kohlenbrennerei im Napfgebiet, in: Schweiz. Archiv für Volkskunde 26 (1925)81-89IdemDie Glasindustrie im Entlebuch 1723-1870, in: Gedenkschrift Flühli, 313-326IdemÜber die Harzgewinnung in den Wäldern, Schweiz. Archiv für Volkskunde 38 (1937)119-121Slicher van Bath B. H.The Agrarian History of Western Europe, A. D. 500-1850, London 1963Franz Josef StalderGedenkschrift, hrsg. Hist. Verein der V Orte, Sektion Escholzmatt, Schüpfheim 1922Stalder Franz JosefQ Fragmente über Entlebuch, 2 Teile, Zürich 1797/98IdemQ Malerische Skizze über das Land Entlebuch, BHK 2 (1929) 59-63QXXIVStatistikder Hypothekarverschuldung im Kanton Luzern mit besonderer Berücksichtigung derLandwirtschaft, Luzern 1916Steimer ThimotheusAus der Gründungsgeschichte des Kapuzinerklosters Schüpfheim, BHK 1 (1928) 75-87Steiner PeterDas Gericht Reinach zur Zeit der Berner Herrschaft, Diss. Zürich, Menziken 1956Steiner WernerEiniges über die Schulverhältnisse im Entlebuch vor 150 Jahren, BHK 27 (1954)126-127Steinmüller Johann RudolfBeschreibung der schweizerischen Alpen- und Landwirthschaft, 2 Bde., Winterthur1802


Stintzi PaulSchweizer Einwanderung in das Elsass, in: Der Schweizer Familienforscher 1967,131-137Strebi WalterDie Rechtsstellung der unehelichen Kinder im Kanton Luzern, Diss. Bern, Luzern 1928Strüby A., siehe: Schweizerische AlpstatistikStuder EduardFranz Josef Stalder. Zur Frühgeschichte volkskundlicher und dialektgeschichtlicherInteressen, in: Schweiz. Archiv für Volkskunde 50 (1954) 125-227Studer OttoSchicksale der Talschaft Entlebuch bis zum schweizerischen Bauernkriege, Schüpfheim1923IdemAus dem Landesarchiv des Landes Entlebuch, BHK 1 (1928) 4-26IdemDas Landespanner und das Landessiegel des Landes Entlebuch, BHK 2 (1929) 68-90IdemZur Geschichte der Korporationen im Lande Entlebuch, BHK 4 (1931) 86-98IdemVon den Bürgerrechten im Entlebuch, BHK 15 (1942) 14ff.IdemPfarrer und Volk im Entlebuch im Mittelalter, BHK 33 (1960) 189-192Suter HermannInnerschweizerisches Militär-Unternehmertum im 18. Jahrhundert, Mitteilungen derAntiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 45, Heft 3, Zürich 1971Trümpy HansSchweizerdeutsche Sprache und Literatur im 17. und 18. Jahrhundert, Schriften derSchweiz. Gesellschaft für Volkskunde, Bd. 36, Basel 1955Unternährer WaltherDas Gerichtsarchiv in Entlebuch, BHK 38 (1965) 26-72Vasella OskarÜber die Taufe totgeborener Kinder in der Schweiz, in: Ztschr. für Schweiz. Kirchengeschichte60 (1966) 1-75Verzar F., Gsell D.Ernährung und Gesundheitszustand der Bergbevölkerung der Schweiz, Bericht derEidgen. Ernährungskommission, hrsg. Eidgen. Gesundheitsamt Bern, St. Gallen 1962Walker A. R. P.Haemoglobin Concentration and Nutritional State in South African Bantu habituatedto a very high Iron Intake, S.A. Journal of Laboratory and Clinical Medicine, Vol. I,No. I, March 1955IdemCertain Biochemical Findings In Man In Relation to Diet, Annals of the New YorkAcademy of Sciences, vol. 69, Article 5, Jan. 10, 1958, 1002f.IdemNutritional, Biochemical, and Other Studies on South African Populations, S.A. MedicalJournal, vol. 40, 17. Sept. 1966, 829ff.Wartmann HermannAtlas über die Entwicklung von Industrie und Handel der Schweiz in den Zeiträumenvon 1770-1870, Winterthur 1873XXV


Weiss RichardVolkskunde der Schweiz, Zürich 1946Werder ErnstDie Entwicklung des Gewerbes im Amt Konolfingen, in: Archiv des Hist. Vereins desKts. Bern 46 (1962) Heft 2, 349-454Wermelinger HugoLebensmittelteuerungen, ihre Bekämpfung und ihre politischen Rückwirkungen inBern vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis in die Zeit der Kappelerkriege, Diss.Zürich, in: Archiv des Hist. Vereins des Kts. Bern, 55. Bd., Bern 1971Wicki HansBernhard Ludwig Göldlin (1723-1785). Aus dem Leben und Denken eines bedeutendenPfarrers der Aufklärungszeit, in: Festschrift Oskar Vasella, Fribourg 1964, 456-500IdemZur Geschichte der Zisterzienserabtei St. Urban im 18. und 19. Jahrhundert, 1700-1848,Gfr. 121 (1968) 64-228Wiel PhilippeUne grosse paroisse du Contentin aux XVIIe et XVIIIe siècles: Tamerville. Démographie.Société. Mentalité. In: Annales de Démographie historique 1969, 136-189Wimmer OttoHandbuch der Namen und Heiligen, Innsbruck 1959Wocher-Wey JosefTrauungen aus dem Gebiet des Kantons Luzern am Grabe des heiligen LandesvatersBruder Klaus in der Pfarrkirche zu Sachsein, in: Der Schweizer Familienforscher 21(1954) 41-70Wrigley E. A.Bevölkerungsstruktur im Wandel. Methoden und Ergebnisse der Démographie, KindlersUniversitätsbibliothek, München 1969Wrigley E. A. (Hrsg.)An Introduction to English Historical Demography, London 1966XXVI


Geld, Masse und GewichteDie Kommastellen sind aufgerundet.HohlmasseFlüssigkeiten172,87 151,8611,7310,4310,041Saum3'/ 3 Ohm100 30 Mass400 120 4 Schoppen4000 1200 40 10 PrimGetreide554,17 1 Malter138,54 1 4 Mütt34,641 16 4 Viertel17,32 1 32 8 2 Halbviertel3,461 160 40 10 5 Immi2,161 256 64 16 8 1,6 Becher0,221 2560 640 160 80 16 10 PrimDie Getreide wurden nach folgenden Grossen umgerechnet:(nach Angaben der Eidg. Getreideverwaltung)1 hl Weizen 79 kg MittelwerteHafer 53 kgRoggen 68 kgDinkel 30 kg nicht entspelztGerste 70 kgGewichteDie nachfolgenden Angaben betreffen das Zurzacher oder Handelsgewicht52,89 kg Zentner528,90 g100 Pfund132,22 g400 4 Vierling14,69 g5600 369 Loth3,67 g4 QuintleinFlächenmasse3635,51 m 2 Juchart450 Quadratruthe45 0001006,5 • 10« 14 4803,9 • 10 7 2- 10«Quadratfuss14420 879Quadratzoll144 QuadratlinieXXVII


Längenmasse62,81 cm Elle28,42 cm 2,2 Fuss2,37 cm 27 12 Zoll0,20 cm 30000 135 12 Linie0,02 cm 12 PunkteKubische Masse6,7 m* Kubikklafter300 Kubikfuss5- 10 5 1730 Kubikzoll8,7 • 10 7 2,9 • 10« 1730 KubiklinieGeldGulden40 Schilling240 6 Angster480 12 2 Heller/PfennigHauptsächlich benützte Literatur:Zürcher Felix LeontiArithmetica oder Rechen-Kunst, Durch kurze Reymens-Regeln, derselben Erklärung undÜbung in gebührender Ordnung vorgetragen, und durch Einleitung verschiedener undseltsammen Lehren: Samt Zusatz von der Gabel-Kunst, und Vergleichung des Gelds-, derGewicht-, Ellen-, Schuhen-, Wein- und Kornmäässes. Zu dem allgemeinen Nutzen wohleingerichtet von Felix Leonti Zürcher, Zug 1776.Ineichen J., Tabellen zur Vergleichung der neuen schweizerischen Masse und Gewichte mit denalten Luzernischen und einigen Ausländischen, Luzern 1837.Reduktionstabellen zur Umrechnung der bisherigen schweizerischen Masse und Gewichte inneue (metrische) und umgekehrt, Amtliche Ausgabe, Bern 1876 (StA LU Akten A3, F7Staatswirtschaft, Handelswesen).XXVIII


1. Einleitung1.1 ProblemstellungDas Amt Entlebuch hat in der allgemeineren Schweizer Geschichte fast ausschliesslichals Feuerherd des Bauernkrieges von 1653 Beachtung gefunden,wobei im Schulunterricht die Bauern - in den Anführern personifiziert - mitVorliebe als unbotmässige, revolutionär gesinnte Untertanen charakterisiertwerden. - Daneben gewann das Land in der Volkskunde einen bevorzugtenPlatz: am Ende des 18. Jahrhunderts hatten die beiden im Entlebuch tätigenPfarrer Josef Xaver Schnyder von Wartensee und Franz Josef Stalder in ihrenlandesgeschichtlichen Monographien auf eigentümliche Relikte alter Brauchtümer- zum Teil singulären Charakters - hingewiesen. - In der lokalen Geschichtsforschungbeliebten Einzelthemen, welche - vom Mythos des obngkeitsfeindlichen,unabhängigen Hirten und Bauern genährt - leicht zu Uberbetonungund Akzentverschiebung Anlass gaben. So fehlt bis heute eine übergreifendeGeschichte der Landschaft Entlebuch.In der vorliegenden Arbeit soll nun eine Darstellung einer ausgewähltenPeriode entlebucherischer Geschichte vorgelegt werden; neben dem Versuch,unterschiedliche Problemstellungen einem Gesamtbild zu integrieren, mochtenoch ein anderer, wesentlicher Aspekt hervorgehoben werden: die Bedeutungund der Aussagewert einer Regionalstudie für eine differenzierende Geschichtedes schweizerischen Ancien Régime.Im ersten Teil dieser Arbeit wird die neuere Bevölkerungsgeschichte des AmtesEntlebuch dargestellt: die langfristige Entwicklung der vitalstatistischen Komponenten,der Gewichtsveränderung und Beeinflussungsmöglichkeiten auf dieStruktur der Bevölkerung im Zeitraum von 1650 bis 1850. Im Mittelpunkt stehtdie Démographie des 18. Jahrhunderts, die aus verschiedenen Beobachtungsständenins Auge gefasst wird. Hauptsache wird die Darstellung der demographischenVerhaltensweisen einer ländlichen Bevölkerung sein.Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bis um 1840 hatte sich die Bevölkerung desAmtes mehr als verdreifacht. Die veränderten Ansprüche für die Bereitstellungder lebensnotwendigen Bedürfnisse werden im zweiten Teil, in welchem dieAnpassungsfähigkeit und die Ertragsbreite der land- und alpwirtschafthchenBetriebsführung untersucht werden, beschrieben. Dabei interessieren vor allemdie sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse.Im dritten - eher komplementären - Teil wird die Bedeutung des einheimischenHandels und Gewerbes und die Wertstellung der Heimindustrie gewürdigt.Abschliessend sollen die ländliche Gesellschaft dargestellt und einige Aspekteder Mentalität erwähnt werden. In einer Synopse der erarbeiteten Grundlagenkönnen dann die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Problemeder Entwicklungsmöglichkeiten eines ländlichen Gebietes zusammengefasst1


werden, welches, bei gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen, einer ausserordentlichenBevölkerungsprogression ausgesetzt wurde.Diese spezifische Problemstellung war dank neuer Forschungsprioritäten möglich;sie erforderten die Erschliessung von bisher kaum ausgewerteten Quellenmaterialien.Wegweisend dazu waren die Arbeiten der «VI e section» der «ÉcolePratique des Hautes Études» in Paris: Die Forschungsmethoden und Untersuchungenaus dem «Institut national d'Études démographiques» (I.N.E.D.)waren für die demographischen Problemstellungen vorbildlich; die Publikationender sog. «Annales-Schule» regten zu weiteren Problemstellungen an.Diesen anerkannten Vorarbeiten möchte sich die vorliegende Untersuchunganschliessen. Im Vordergrund steht denn auch hier nicht mehr allein dieGeschichte der politischen Institutionen, ihrer Repräsentanten und andere,auserwählte Persönlichkeiten, sondern die historische Schubkraft einer Gesamtbevölkerung.Die Darstellung des Lebens einer Bergbauernbevölkerung könntedeshalb auch als Beitrag für eine umfassende Darstellung der WirtschaftsundSozialgeschichte der Schweiz im 18. Jahrhundert dienlich sein.2. Das Untersuchungsgebiet2.1 Zur Geographie des Landes Entlebuch 1Das Land Entlebuch, ohne Werthenstein 392 km 2 gross, im Südwesten desKantons Luzern gelegen, gehört in das Voralpengebiet zwischen dem Napfund den Alpen. Es liegt im Einzugsgebiet der Kleinen Emme, die in der Talrinnenordwärts fliesst, und der Ilfis, die das Land in westlicher Richtung insEmmental verlässt.Die geographische Lage war der Bildung eines politisch und wirtschaftlicheinheitlichen Gemeinwesens förderlich. Die Handelsbeziehungen sowohl insbernische Emmental wie auch in die nähere Umgebung des luzernischenMittellandes und der Stadt wurden langsam ausgebaut. Der Selbstversorgungscharakterder Region ist auch im 18. Jh. noch deutlich zu erkennen.Klimatisch gesehen liegt das Entlebuch in einer Mischzone, in die das Mittelland-Klima,aber auch die alpinen Verhältnisse hineinragen. «Die Beschaffenheitdes Landes betreffend», schreibt Schnyder, «so ist es vollends ein Bergland.Seine Gebirge aber sind weder von den höchsten helvetischen, noch irgendswo1 Das Folgende nach: Bühler 11 ff.; Gutersohn, Geographie der Schweiz, Bd. 3. Die in denFussnoten verwendeten Kurztitel können im Literaturverzeichnis identifiziert werden. Landeskarteder Schweiz 1 :100000 Blatt 32 «Beromünster», Blatt 37 «Brünig». Eidg. Landestopographie,Wabern-Bern.


mit beständigem Schnee und Eis bedeckt.» 2 - Das Entlebuch ist ein Gebiet mitrelativ grossen Niederschlagsmengen. Die Höhenzüge wirken eher als Regenfangerdenn als Klimascheiden. In den Sommermonaten fallen die Niederschlägemeist als Gewitter- und Hagelschläge; sie machen das Land zu einer der«frequentiertesten Gegenden» der gesamten voralpinen Gewitterstrasse. 3 -Im Sommer sei man «nie vor Ungewitter sicher», so Schnyder, «welche in diesemLande einstweilen entstehen, und grausam wüthen können [. . .] SolcheGewitter sind ungemein oft mit Hagel begleitet, und verursachen den Einwohnerndes Thals empfindlichen Schaden [...] Kaum wird man es binnenetlichen und zwanzig Jahren einmal erleben, dass es nicht alle Sommer mitSchlössen regne.» 4 - Da die Niederschläge konzentriert in die Erntemonatefallen, waren sie den Entlebuchern eine ständige Bedrohung für die unmittelbarenLebensgrundlagen. Die Bedeutung der Witterungsbedingungen für dieLebensbedürfnisse wird bei der Darstellung der Bevölkerungsentwicklung, derenRhythmus durch die Abfolge guter oder schlechter Erntejahre entscheidendmitgeprägt wurde, ersichtlich werden.Die unterschiedliche Höhenlage und das bewegte Relief bewirken starkeklimatische Verschiedenheiten. Der Boden des Haupttales liegt zwischen 520und 860 m ü.M. Die Gelände steigen dann aber relativ rasch an, so dassdie Höhenlage «in wachsendem Masse als retardierender Klimafaktor» 5 auftritt.Ausserdem werden die durchschnittlichen Temperaturen durch denMangel eines ausgeprägten Föhnkanals gesenkt; sie liegen im Entlebuch tieferals im benachbarten Obwalden. Die Vegetationszeit erhält dadurch im Vergleichzum luzernischen Mittelland eine Verspätung von 4 bis 6 Wochen. Selbstinnerhalb des Amtes sind durch die wechselnden Expositionen Verschiebungendes Vegetationsstandes bis zu 2 Wochen möglich. - Bergschatten, starke Zerklüftung,häufige Bewölkungsfelder, die aus dem Mittelland hineinreichen,vermindern die Sonnentage und wirken auf die landwirtschaftliche Produktionskapazitätunmittelbar ein.Diese Beobachtungen beruhen aber auf neuesten Erkenntnissen. Sie bedürfeneiner wichtigen Einschränkung, denn die Klimatologie selbst ist zu einemGegenstand intensiver historischer Forschung geworden, und langfristige Veränderungendes Klimaverhaltens müssen besonders bei der Darstellung agrarwirtschaftlicherEntwicklungen berücksichtigt werden.Vor allem E. Le Roy Ladurie hat die Geschichte des Klimas in einzigartigerWeise in seine historischen Forschungen integriert. 6 Wir entnehmen seinen2 Schnyder, Geschichte II, 9.3 Jährliche Niederschlagsmengen in den Haupttälern: 160-170 cm Buhler 27; vgl. auch.Klimatologie der Schweiz (E) Niederschlag, v. H. Uttinger, hrsg. Schweizerische MeteorologischeZentralanstalt, Zürich 1965; Karte der Gewässer bei Buhler 30.4 Schnyder, Geschichte II, 13, 15.5 Gutersohn 14. , ,. x , „ ..e Le Roy Ladurie E., Les paysans de Langu<strong>edoc</strong>, Histoire du climat depuis 1 an mil.


Untersuchungen eine Zusammenstellung der wichtigsten Jahre mit auffallendenWitterungsverhältnissen 7 :Jahre mit trockenem, heissem Sommer: Kalte Sommer oder Winter:1704-1710 1711-1717 (max. 1716)1718-1719 1740-1757 (max. 1740-1743)1726-1728 die Jahre um 1770.1757-17621778-1785Ein Vergleich mit den wirtschaftlichen Notjahren des 18. Jahrhunderts wirdergeben, dass diese meist durch meteorologisch ungünstige Bedingungenverursacht worden waren. Allein aus der Aufstellung der klimatisch bedingtenMisserate-Jahre kann ersehen werden, dass ein Mensch, welcher im 18. Jahrhundertgeboren und mindestens 40 Jahre alt wurde, in seinem Leben wenigstenseinmal eine Zeit bedrohlichen und lebensgefährlichen Elends oder gareine Hungersnot durchzustehen hatte.2.2 Politische und kirchliche Verhältnisse im 18. Jahrhundert*Das Entlebuch war im 18. Jahrhundert eine der 14 Vogteien, die den StandLuzern bildeten.Verantwortlich für den Ablauf geordneter Beziehungen in die Stadt war derLandvogt mit zweijähriger Amtsdauer, welcher dem Kleinen oder Inneren Ratzugehörte. Der Vogt residierte in der Stadt und hielt sich lediglich bei einzelnenGeschäften im Lande auf. Dazu gehörte die «Huldigung» oder der Schwörtag,an welchem alle Amtsgenossen in Wehr und Waffen den Eid ablegten. BeimAusfallen des kostspieligen Anlasses beschwor die junge Mannschaft (alleüber 14jährigen) den Eid vor dem Bussengericht. Dieses Gericht, welches inden drei Hauptorten der drei Ämter, in die das Entlebuch unterteilt war, abgehaltenwurde, erledigte zugleich auch die anfallenden Gerichts- und Bussenentscheide.Bei diesen Geschäften leisteten die einheimischen 14 und 40 Beistand.Grundlage der Rechtssprechung war das 1491 aufgezeichnete und bis ans Endedes 18. Jahrhunderts mit nur wenigen Veränderungen modifizierte EntlebucherLandrecht 9 . - Die 38 Geschworenen, zu denen der Landesweibel und derLandschreiber hinzugezählt und die 40 oder Vierziger genannt wurden, wurdenvon den Gemeinden gewählt. Innerhalb der 40er standen die EhrenämterPannermeister, Landeshauptmann und Landesfähnrich in besonderem An-7 Le Roy Ladurie E., Histoire du climat 52, 230; vgl. auch Bielmann 67ff.8 Nach : Schnyder, Geschichte II, 180ff. ; Segesser, passim ; Studer O., Schicksale der TalschaftEntlebuch; Stalder, Fragmente II, 115-126 (Huldigung); die wichtigsten Daten vor 1700:Kap. Der Wald, 4.2.9 Bitzi A., Das Entlebucher Landrecht von 1491, BHK 21/22 (1948/49).


sehen. Der Landshorner, der Landstrommler, der Landpfeifer und der Landesbotewaren alte Landesdienste, die bei den öffentlichen Anlässen in den Landesfarbenassistierten.Die wichtigste Verpflichtung der Geschworenen bestand in der Ausübung derGerichtsbarkeit. Diese hielten «so alle Jahre einigemale ordentlich, auf Begehrenauch ausserordentlich» Gericht. Der Appellationsweg bei Prozesssachenüber 100 Gl führte über die beiden Landvögte (den neuen und alten)an den täglichen Rat und endete bei den Hundert. Rechtshandel wegen Grundund Boden, Ehre und gutem Namen waren (nach Schnyder) stets mit derAppellation verbunden. - Die 40 besorgten neben dem Gericht die Organisationder an Strassen, Wuhren usw. notwendigen Frondienste, das Bevormundungswesenund die Finanzgeschäfte. Wichtig war ihre Beteiligung beiden Schätzungen und Würdigungen von Gütern bei Gülterrichtungen.Organisatorisch zerfiel das Land in das obere (oder Escholzmatter-) Amt, indas mittlere (Schüpfer-) und untere (Entlebucher-) Amt. Die verwaltungsmässigenFunktionen lagen bei den Geschworenen, dem Weibel und demSchreiber.Die Burgerschaft wurde unterschieden nach den vollberechtigten Landleuten,den Beisassen, die lediglich die Niederlassungsfreiheit in einem der drei Ämterbesassen, den Hintersassen mit beschränkter Freizügigkeit in einem Amt, indem sie sich eingekauft hatten und den Gästen, die, meist als Lehensleute, lediglichgeduldet waren.Diese einfachen, überblickbaren politischen Verhältnisse, die starke Autonomiedes Landes in gerichtlichen und die Organisationsbefugnisse in den internen,wirtschaftlichen Bereichen, könnten leicht dazu führen, den Freiheitsgrad derEntlebucher, der sich von dem der anderen Vogteien, die stärker an Luzern gebundenwaren, abhob, als dem Land in jeder Hinsicht förderlich zu interpretieren.Es wird sich zeigen, dass die rechtlich und sozial unterschiedlicheStellung einzelner Bevölkerungsgruppen beim Prozess der Entscheidungsgewaltüber wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten eine grosse Rollespielte. Besonders bei der Nutzungsberechtigung im Gemeingut kam es regelmassigzu harten Auseinandersetzungen. Das Problem der Neueinbürgerungenwird die Machtposition der führenden, oberen Angehörigen der alteingesessenenLandgeschlechter unterstreichen.Das Land Entlebuch - der Diözese Konstanz und dem Kapitel Sursee zugehörig- zählte bis zur Abtrennung der Pfarrei Flühli von Schupf heim (1782)7 Pfarrgemeinden 10 :- Entlebuch- Schupf heim10 Nach: Schnyder, Geschichte II, 177ff.; zur Funktion des Kirchenrichters und die niedereGerichtsbarkeit im Entlebuch, die Gerichtsorganisation vgl. Bitzi, Landrecht, BHK 21 (1948)88 ff.


- Escholzmatt- Marbach- Hasle- Romoos- DoppleschwandEinzelne nördlich gelegene Teile des Landes waren nach Malters und Wolhusenpfarrgenössig. Obwohl einige kleinere Güter durch althergebrachteAbgabeleistungen an benachbarte Gemeinden zehnteten, bildeten die Kirchgemeindenim 18. Jahrhundert weitgehend auch die politischen Gemeindebanne.Den Pfarrherren waren der Kirchenrichter und der Kirchmeier bei der Verwaltungund Abrechnung der Pfarreigeschäfte behilflich. - Die Geistlichen nahmenin der Wirtschaft des Landes eine ausserordentlich wichtige Stellung ein :Als Zehntherren konnten sie mit der Abgabe verbilligter Saatgutlieferungenund Getreideverkäufen auf die Preisentwicklung massgeblichen Einflussnehmen. Besonders in Krisenzeiten unterliessen sie es nicht, die von denBauern geforderten Preise zu unterbieten. 11 Sie leiteten tatkräftig die Organisationdes Armenwesens, obwohl dafür im Laufe des Jahrhunderts die weltlicheObrigkeit vermehrt herangezogen wurde. - Die Stellung des Klerus im Volkist wohl kaum zu überschätzen. Die Bestellung der Pfarrstellen wurde von derObrigkeit sorgfältig überwacht. Missliebige Pfarrherren hatten Versetzungoder gar Landesverweis zu gewärtigen. 12 Die Geistlichen waren der verlängerteArm der Obrigkeit, deren Rufe und Mandate von den Kirchenkanzeln verlesenwurden. - Mitten im Entlebuch, in hervorragender Lage auf dem Bühl inSchüpfheim, errichtete der Rat nach dem Bauernkrieg den Kapuzinern einKloster. 13 - Im Laufe des 18. Jahrhunderts standen im Entlebuch einige hervorragendePfarrerpersönlichkeiten ihren Gemeinden vor; sie richteten ihreAufmerksamkeit vor allem auf die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellenBereiche. Ein kurzer biographischer Hinweis auf die beiden bedeutendsten,Pfarrer Schnyder von Wartensee und Pfarrer Stalder, muss an dieser Stelle eingefügtwerden, denn ohne die schriftstellerische Tätigkeit der beiden hätte dieserRegionaluntersuchung wertvolles Material gefehlt.Josef Xaver Schnyder von Wartensee 1 *, 1750 in Luzern geboren, Jesuitenschüler,kam 1774 als Vikar nach Escholzmatt und 1776 als Pfarrer nach Schüpfheim.Er starb, erst 34jährig, in Strassburg, wo er sich einer Operation unterzogen11 Vgl. Zehntenbuch, Entlebuch.12 1763/64 Landesverweis für Pfr. Schobinger, Marbach: «[...] dass er als ein aufrührerischerPriester und unwürdiger Bürger auf ewig des Landes verwiesen sein soll zum Heile und zurSicherheit des gesammten Vaterlandes, aber auch zum Schrecken und Beispiele anderer übelgesinnter Priester.» Pfyffer 503; RP 30. Mai 1764, 200 r.13 Dazu: Steimer 75ff.; Pfyffer 397; Jann; Boog; Weiteres im «Schrifttum» 285ff.14 Biographisches: Schweiz. Museum 2 (1784/85), 225-256; Kürner; Portmann H., Pfr.Schnyder v. W. und seine Karte des Entlebuch ; Unveröffentlichte Arbeiten von Pfr. Schnyderv. W., BHK 1 (1928) 91-165; Manuskripte von Schnyder, hauptsächlich in der ZB LU.


hatte. Die mannigfaltigen Interessen sind aus dem reichen Spektrum seinerSchriften ersichtlich; als Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich,mit Beziehungen zur Berner Ökonomischen Gesellschaft und Korrespondentmit zahlreichen Freunden, verschaffte er sich in einem weiten Feld verschiedensterFachbereiche Wissen und Kompetenz. Als Naturkundler, Pflanzensammler,Geologe, Biologe, Geograph und Historiker sammelte er Materialien.Schnyder setzte sich unermüdlich für landwirtschaftliche Reformen ein; erschrieb in der exzentrischen und pathetischen Weise eines Aufklärers seine«Landwirtschaftlichen Schriften» (1784), regte die Gründung einer landwirtschaftlichenGesellschaft in Luzern an und bemühte sich tatkräftig um dieBeseitigung des kulturellen Elends unter seinen Pfarrkindern. Er entwarf Plänefür Schulhäuser, Bauernhäuser und Ställe. In seiner «Geschichte der Entlibucher»(1781/82) zeichnete er den politischen Werdegang des Amtes bis anseine Zeit heran auf, wobei er zahlreiches Material aus Chroniken und älterenAufzeichnungen zusammentrug. Die Bedeutung des Werkes liegt für uns in derDarstellung der zeitgenössischen Umstände, wo er Klima, Wirtschaft, Bevölkerungund Institutionen des Landes ausführlich beschreibt. - Seine Leistungenauf dem statistischen Gebiet müssen hier besonders hervorgehoben werden.Er fertigte eine geschlossene, detaillierte Liste der Bevölkerung von Schüpfheimim Jahre 1782 an, zeichnete auf seinen Wanderungen eine Statistik derLiegenschaften auf und erstellte mit seiner untrüglichen Beobachtungsgabe eineKarte des Entlebuch, die ob ihrer Genauigkeit und Ausführlichkeit Aufsehenerregte. Sein Freund Josef Anton Felix Balthasar unterstützte Schnyder unermüdlich,verschaffte ihm Bücher, Korrespondenten und Beziehungen mit denwichtigsten aufklärerischen Persönlichkeiten der Zeit.«Der wohl bedeutendste <strong>Luzerner</strong> Aufklärer aus dem 18. Jahrhundert» 15 ,Bernhard Ludwig Göldlin, war von 1754 bis 1763 Pfarrer in Romoos gewesen.Er hatte vor allem Beziehungen zu reformierten Aufklärern (Bodmer) und littunter der Abgeschiedenheit der Berggemeinde. Er las den Bauern aus HansCaspar Hirzels «Wirtschaft eines philosophischen Bauers» vor, sammelte Stofffür eine Naturgeschichte des Entlebuch und versuchte, die Landwirtschaft zureformieren, da er bedauernd zusah, wie die Bauern den Ackerbau «nach deralten Übung» betrieben und sich «fremde Entdeckungen» kaum zunutzemachten.Franz Josef Stalder wurde 1757 in Luzern geboren und kam 1780 als Vikar zuSchnyder von Wartensee nach Schupf heim. 16 Nachdem er 1785 Pfarrer inRomoos geworden war, bezog er 1792 die gleiche Stellung in Escholzmatt,wo er bis 1822 blieb. Stalder starb 1833 im Chorherrenstift in Beromünster. -1797/98 veröffentlichte er seine «Fragmente über Entlebuch», in welchen ermit grosser Eloquenz entlebucherisches Leben schildert. Neben einem «Versucheiner Charakteristik der Entlebucher» wurden vor allem seine Aus-16 Laube, Balthasar 48; Biographisches: Laube 48ff.; Wicki, Bernhard Ludwig Göldlin.16 Franz Josef Stalder (1757-1833), Gedenkschrift; Studer E.; Trümpy.


führungen über die Bevölkerungsgeschichte, die «Beschäftigung» der Entlebucher,den landwirtschaftlichen Zustand der Region für die vorliegende Arbeitbedeutungsvoll; er überliefert eine ganze Reihe qualitativ hervorragender Viehzählungenund berichtet ausführlich über das landwirtschaftliche Gewerbe. -Im zweiten Teil der «Fragmente» wendet er sich der Beschreibung entlebucherischerVerhaltensweisen und Eigentümlichkeiten zu, beschreibt den Kiltgang,die «Gymnastik» (Schwingen, Rutzen) und die grossen Volksfeste (Schwingfeste,Hirsmontag, Huldigung). Er war «der erste Schweizer, der ein ganzesBuch ausschliessüch dem Charakter und den Sitten einer kleinen Gemeinschaftwidmete» 17 . Bei der Beschäftigung mit den Volksbräuchen fasste Stalderden Entschluss, den «Fragmenten» ein «kleines entlebucherisches Lexikon»mit den wichtigsten Mundartausdrücken beizugeben. Aus diesem wurdeschliesslich der ausführliche «Versuch eines Schweizerischen Idiotikon mitetymologischen Bemerkungen untermischt. Samt einer Skizze einer SchweizerischenDialektologie» (1. Teil: 1806; 2. Teil: 1812). 1819 erschien «Die Landessprachender Schweiz oder Schweizerische Dialektologie, mit kritischenSprachbemerkungen beleuchtet. Nebst der Gleichnisrede von dem verlorenenSohne in allen Schweizermundarten.» - Als Schulinspektor des DistriktsEntlebuch verfocht Stalder mit unermüdlichem Einsatz die Förderung desSchulwesens und legte in seinen Berichten eine hervorragende Darstellung derRezeption der Volksschulbildung bei der bäuerlichen Einwohnerschaft vor.3. Bevölkerung3.1 Die Quellen zur BevölkerungsgeschichteUntersuchungen über demographische Entwicklungen im 17. und 18. Jahrhundertleiden meist unter der schwer abzuschätzenden Qualität früherer Volkszählungen.Diese unterscheiden sich von den in modernen Volkszählungen angelegtenstatistischen Auswertungsmöglichkeiten und ermöglichen daher einebefriedigende Interpretation des Zustandes und der Entwicklung der Gesamtbevölkerungzu verschiedenen Zeitpunkten nur in eingeschränktem Masse. 1Englischen und französischen Demographen sind Erschliessung und vor allemneue methodische Anweisungen zur Bearbeitung der wichtigsten Quellenbeständezu verdanken, deren Qualität den Nachweis einer Bevölkerungsentwicklungin weitgespanntem Rahmen und einer Fülle von erarbeitungsfähigenProblemstellungen erlaubt: die Registrierung der Geburten, Eheschliessungen17 Studer 168.1 Vgl. Kap. Die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundert, 3.5.8


und Sterbefalle durch die Pfarrer in den Tauf-, Ehe- und Sterbebüchern. 2 Siesind die reichhaltigsten Quellen für die Geschichte einer Bevölkerung in vorstatistischerZeit und ersetzen die bis anhin gebräuchlichen Methoden der Erfassungeiner Bevölkerung durch Feuerstellenzählungen, Steuerrodel, Mannschaftslistenusw. Der gesamte Volkskörper kann nun in den vielfältigen Erscheinungenund wechselvollen Entwicklungen unmittelbar und sorgfältigbetrachtet werden.Die Einführung der Pfarrbücher erfolgte in den katholischen Gebieten nachBeschlüssen des Konzils von Trient. 3 1567 verkündete der Bischof von Konstanzin einem Mandat die tridentinischen Dekrete in seiner Diözese und 1570beschlossen die fünf katholischen Orte der Innerschweiz die Publikation insämtlichen Pfarreien auszuführen. Der <strong>Luzerner</strong> Rat folgte dieser Abmachungerst 1578 und Hess in einem vom Stadtpfarrer ausgearbeiteten Formular dieEhereform, welche die Einführung von Pfarrbüchern nötig machte, in der Stadtund auf der Landschaft verlesen.In der folgenden Tabelle ist der Beginn von Eintragungen in die Tauf-, EheundSterbebücher im Amt Entlebuch dargestellt:Tabelle 1 Einführung der Tauf-, Ehe- und Sterbebücher in den Gemeinden des Amtes EntlebuchEscholzmattSchüpfheimEntlebuchHasleMarbachDoppleschwandRomoosFlühliTaufbücher Ehebücher Totenbücher1597 1597 15971598 1598 15981601 1601 16231625 1691 16911640 1646 16461661 1709 17091709 1733 17191782 1782 1782Die Tauf- und Ehebücher standen am Anfang. Dass aber selbst bei diesen dieersten geschlossenen Aufzeichnungen in einzelnen Pfarreien bis zu 50 Jahrenauseinander liegen, lässt auf eine nachlässige Befolgung der obrigkeitlichen Erlasseschliessen. Einzig für Romoos ist der Verlust älterer Bücher überliefert. 4 -2 Die wichtigsten Werke: Henry L., Fleury M., Nouveau Manuel; Henry L., Manuel;Guillaume P., Poussou J.-P., Démographie historique 77ff.; Goubert P., Une richessehistorique en cours d'exploitation: Les registres paroissiaux; Wrigley E. A., u. a., An Introductionto English Historical Demography; id., Bevölkerungsstruktur im Wandel. Methodenund Ergebnisse der Démographie.3 Bickel 28; Die Totenregister wurden nach einem Rituale Romanum von 1615 eingeführt.Segesser IV, 20, Fn 1 ; Dommann F. : zur Reform der Sakramente, v. a. des Ehesakramentes,vgl. 321 ff., 351 ff.4 «Um das Jahr 1709 ist allhiesiger Pfahrhoff samt dem Speicher durch Feürsbrunst auf gezehretworden; zur Herbstzeit haben des Hrn. Huwilers / Pfahrer allhier / seine Mägd Flachszum hecklen auf den Ofen gelegt, welcher uom bachen ganz erhizet, den Flachs in Flammengesezet [...] Mit grosser Noth wurde die Kirch und Scheur errettet [...] So gahr das Taufbuchmusste zur Asch werden.» Anniversaria Ecclesiae, Pfarrarchiv Romoos.


Die Qualität der Aufzeichnungen war in den Pfarreien unterschiedlich und beeinflusstdeshalb die Zuverlässigkeit und den Wert der Resultate. 5Genauere Vorschriften für die Buchführung wurden erst wieder am Ende des18. Jahrhunderts erlassen. 1784 forderte der Rat, in den Ehe- und Sterbe-5 Für die aus Taufbüchern vorgelegten Daten sind folgende Punkte zu beachten:- Die Taufzahlen wurden wie Geburtenzahlen behandelt.- Zeitweilig waren die zu Hause notgetauften Kinder nur mehr im Sterbebuch aufgeführt;sie mussten daher in der Zählung der Geburten nachgeführt werden. - Zum Problem derNottaufen vgl. Vasella. - Die Constitutiones synodi schrieben vor: «[...] quando scilicetpropter mortis periculum infans ad Ecclesiam deferri non potest, quo casu & domi &privatima quolibet nomine Christiano Baptismus licite administrai! & conferri potent.» 13 f.Die Notgetauften fehlen vermutlich in den Sterbebüchern (18. Jh.): In Marbach 1700-1730;Escholzmatt 1700-1773; Schüpfheim 1740-1780; Hasle 1720-1760.- Da infolge schlechter Witterungsverhältnisse oder zeitweiliger Abwesenheit (Sommeraufenthaltauf der Alp) nicht in der eigenen Pfarrkirche getauft werden konnte, musstensolche Kindertaufen dorthin transferiert werden. In den meisten Fällen konnte eine doppelteAufzeichnung festgestellt werden. Im ganzen Amt wurden etwa 300 Kinder in ihre Pfarreizurückgeschrieben und eine zweifache Zählung ausgeschlossen.- Taufen von Erwachsenen, die konvertiert hatten, wurden nicht gezählt.- Illegitime Kinder ortsfremder Eltern schieden nicht aus, sondern wurden den Pfarrkinderndes Ortes zugerechnet. Im allgemeinen belasten sie dadurch die Zahl der illegitimen Geburteneines Dorfes erheblich.- Aus Vergleichen der Taufdaten mit den Geburtstagen im frühen 19. Jahrhundert ergab sich,dass die Säuglinge meist gleich nach der Geburt oder spätestens am nächsten Tag getauftwurden. Die Taufbücher kommen damit einem Geburtsregister sehr nahe. «[...] infantesrecenter nati sine aliqua mora& quam citissime fieri potest, ad Ecclesiam parochialemdeferantur.» Constitutiones synodi 12.Die Ehebücher weisen folgende Lücken auf: Marbach 1706,1707; Escholzmatt: März 1708 bisOkt. 1723, Mai 1731 bis Mai 1737; Schüpfheim: März 1735 bis Okt. 1738, Jan. 1751 bis Okt.1751; Hasle: 1710, 1723; Entlebuch: 1731-1734.- Zivilstandsangaben fehlen: Doppleschwand bis 1767, 1787-1790, 1790-1799 (nur eineeinzige Witwe verzeichnet); Romoos: bis 1769; Escholzmatt: 1700-1762; Marbach:1700-1709, 1728-1729; Entlebuch: 1700-1709, 1731-1735; Schüpfheim: 1700-1706,1725-1751; Hasle: 1720-1729.- Herkunftsangaben für die Brautleute fehlen: In Schüpfheim: 1700-1706, 1720-1727, 1735(März) bis 1738 (Sept.), 1740-1800; Escholzmatt: 1700-1723,1731-1779; Romoos: 1733 bis1797; Doppleschwand: 1730-1767, 1787-1790; Hasle: 1760-1800; Entlebuch: 1700-1710,1730-1763; Marbach: 1700-1720.- Keine Angabe des Verwandtschaftsverhältnisses: Escholzmatt: bis 1780; Entlebuch: bis1710,1730-1764,1782-1799; Hasle: bis 1725,1759-1799; Schüpfheim: bis 1779; Romoos:bis 1779.Am gravierendsten erwiesen sich die Mängel der Sterbebücher. Weil hier die Kinder in einzelnenPfarreien bis ins späte 18. Jahrhundert nicht aufgezeichnet wurden, konnten dieseRegister nicht ausgewertet werden.- Lücken in den Sterbebüchern: Schüpfheim: Juni 1734 bis März 1739, März 1749 bis Sept.1751; Escholzmatt: Mai 1709 bis März 1723; die Kinder fehlen in Marbach: 1700-1729;Escholzmatt: 1700 bis April 1709, 1724-1773; Schüpfheim: 1700-1710, 1733 bis Juni 1734,März 1739 bis Febr. 1749, Sept. 1751 bis 1759; Hasle: 1701,1702,1703,1706,1720,1728 bis1761; Entlebuch: 1707-1734. Bei den Altersberechnungen wurde das Datum des Begräbnisses- ausser bei genauen Angaben - auch als Todestag betrachtet.10


üchern seien nun auch die Eltern aufzuführen. 6 Solchen obrigkeitlichenBeschlüssen waren glücklicherweise einige Pfarrherren aus eigener Initiativezuvorgekommen und erweiterten damit die Auswertungsmöglichkeiten für dievorliegende Arbeit.a) GrobauszählungDie einfachste Art der Datenerarbeitung besteht in der Auszählung der dreiEreignisse Taufe, Heirat und Tod nach Monaten und Jahren über längerePerioden. Nach den Methoden von Henry/Fleury, auf deren Regeln der Auswertungvon Pfarrbüchern dieser Kapitelabschnitt hauptsächlich ruht, wurdenauch die einzelnen Pfarreien im Entlebuch erforscht.Obwohl die andersartige Qualität unserer Quellen unterschiedliche Auswertungenzulässt, wurde an den Methoden dieser französischen Demographenso weit als möglich festgehalten. «La démographie n'échappe pas non plus à lanécessité de faire ses observations suivant certaines règles ; les très nombreusesmonographies dont nous avons besoin ne conduiront donc au résultat cherché,la connaissance de la démographie du passé, que si leurs auteurs acceptent d'appliquerdes méthodes qu'ils n'ont pas inventées et de donner les résultats brutsde leurs observations dans les formes auxquelles un emploi courant a donnévaleur de normes [...] C'est ainsi que les historiens qui sont amenés à observerdes phénomènes proprement démographiques sont parfois tentés de le faireavec des méthodes personelles assez éloignées de celles que les démographesutilisent couramment, attitude qui peut compliquer sinon compromettre la sinécessaire collaboration des uns et des autres.» 7Der hervorragende Wert der methodischen Anleitungen Henry's - die Vergleichbarkeitdemographischer Ereignisse zwischen Regionen, ja sogar Staaten -bleibt daher auch für das Entlebuch gewahrt.Allein die Berechnung der jährlichen Summen der Taufen, Eheschliessungenund Sterbefälle erlaubt bereits allgemeine Feststellungen zur Entwicklung derdrei Komponenten über längere Zeitabschnitte, aber auch deren Zustand innerhalbPerioden von kurzer Dauer.Schüpfheim 8Schupf heim hatte im 17. Jahrhundert eine Epidemie auszustehen, welche diedemographische Struktur eines Dorfes, ja einer ganzen Landschaft, zerstörenkonnte: die Pest. 96 StA LU Seh 1002. Man beklagt den schlechten Zustand der Pfarrbücher. Durch «dise Saumseligkeitkönnte dem gemeinen Wesen über kurz oder lang ein nicht geringer Nachtheil verursachetwerden». Der Wert der Bücher bestehe darin, dass sie rechtskräftige Urkunden darstellten.19. Okt. 1784.7 Ganiage, Vorwort.8 Graphik 1.9 Schnyder F.; TotReg Schüpfheim 1629 «pestilentia».11


absolut150140 +130 ■•382 Graphik 1Jährliche Zahl der Taufen, Heiraten und Sterbefallevon 1600 bis 1820 in Schüpfheim120"HO-100-90-BOTaufenHeiratenSterbefälle (..


182 0


Tabelle 2 Jährliche Zahl der Taufen (T), Eheschliessungen (E) und Sterbefälle (S) (* ohneKinder ; .. Lücke)SchüpfheimT E S T E S1610 18 4 10* 1625 55 9 10*1611 20 4 29* 1626 54 7 11*1612 38 9 17* 1627 54 10 13*1613 34 1628 55 7 32**} 19*}1614 55 1629 40 2 3821615 34 12 16* 1630 49 25 12*1616 49 13 9* 1631 38 18 13*1617 43 11 9* 1632 55 17 14*1618 50 17 19* 1633 55 12 11*1619 57 15 8* 1634 53 10 9*1620 50 9 6* 1635 59 16 17*1621 46 6 6* 1636 46 13 23*1622 53 15 12* 1637 71 17 8*1623 53 18 15* 1638 64 11 18*1624 56 7 9* 1639 53 11 13*SchüpfheimE S1640 68 19 16*1641 65 13 15*1642 58 9 15*1643 57 7 11*1644 65 15*1645 50 11 271646 67 5 71647 39 11 191648 53 341649 47 6 171650 48 8 301651 46 13 121652 60 13 1316531654 12 15*1655 9 4*1656 71657 59 4 151658 53 10 15EntlebuchTES42 17*47 11*41 7*45 13*34 13*3749 1229 1847 2940 1029 5 1133 5 1234 7 1544 8 1829 8 1440 2 1436 4 1144 1841 1214


Schüpfheim Entlebuch Hasle EscholzmattT E S T E S T E S T E S1659 • • 10 24 39 281660 • • .. 8* 391661 45 11 6* 321662 66 10 5* 161663 67 8 10* ..1664 68 14 12*1665 69 5 5* 261666 60 9 10* 301667 74 2 9* 341668 56 2 351669 82 7 10*1670 64 4 19* ,.1671 53 2 21* 431672 75 12 63 351673 74 12 7* 381674 47 4 13* 311675 55 10 57 331676 72 3 39* 261677 69 10 21* 361678 76 9 18*1679 82 24* 45 2' 11680 80 13 11* 35 16 U i1681 66 24* 40 26 1(1682 71 14 13* 35 23 2 l1683 84 14 15* 62 11 2< )1684 90 14 14* 40 18 2«1685 63 11 37* 41 14 2( )1686 71 11 13* 50 9 25 $1687 70 12 22* 47 7 IX $1688 73 30 37* 42*} 4( )1689 89 17 25* 47 2 l1690 61 9 23* 32 11 3 5 21 411691 49 9 26* 34 18 5« 5 22 4 15* 301692 72 15 38* 39 13 44 ) 34 3 7* 491693 54 9 49* 22 18 4! ) 23 5 15* 471694 55 7 33* 38 15 3' l 20 7 13* 351695 66 14 26* 44 21 2 l 32 7 16* 451696 73 16 22* 47 5 4' 1 31 4 10* 431697 57 10 31* 38 19 3" 1 31 9 11* 591698 72 10 24* 44 8 V. 5 29 5 5* 561699 59 13 20* 33 17 4< > 19 5 13* 401700 55 7 28* 42 4 u i 28 3 13* 29 10 12*1701 53 7 20* 36 12 4: l 24 2 7* 48 7 11*1702 58 7 31* 36 17 li ) 22 5 17 48 8 31*1703 48 10 18* 47 7 2( i 24 5 8* 41 8 12*1704 77 9 26* 44 16 2" 1 32 8 12 59 15 12*1705 55 15 25* 46 7 2( > 25 6 11 45 10 11*15


Schüpfheim Entlebuch Hasle EscholzmattT E S T E S T E S T E S1706 66 15 26* 46 4 16 24 7 8* 54 15 5*1707 62 20 24* 50 7 8* 29 5 12 57 10 14*1708 71 11 27* 33 6 18* 25 10 18 60 .. 13*1709 50 12 36* 39 9 19* 18 7 21 471710 58 19 73 32 2 23* 23 # # 25 441711 70 23 32 35 13 14* 14 6 15 461712 58 6 45 39 11 12* 17 2 16 361713 60 8 60 45 14 23* 20 11 13 511714 62 13 75 36 3 15* 14 5 20 41 .. ,.1716 .1717 37 14 41 26 7 26* 16 2 10 41 .1715 50501314443136476712*15*20154516105144,.,.1718 64 10 64 47 6 30* 21 7 26 401719 69 12 33 45 6 16* 22 2 15 441720 51 3 32 32 8 17* 20 3 10* 411721 36 7 29 37 3 14* 10 6 13 351722 48 4 45 50 7 15* 24 7 6 411723 59 9 34 32 14 14* 24 - 11 411724 51 20 67 44 14 14* 19 9 34 37 5 J 4*1725 50 15 30 43 2 22* 33 3 14 48 9 1 9*1726 52 15 43 43 8 14* 27 5 12 37 11 1 1*1727 53 20 42 40 13 18* 28 13 13 47 18 1 8*1728 69 15 45 46 14 20* 33 5 11* 45 21 1 6*1729 60 13 30 47 9 22* 26 2 9* 58 13 22*1730 58 21 40 52 9 19* 33 1 13* 50 23 20*1731 76 17 43 56 16* 34 4 5* 63 10 19*1732 60 14 111 50 13* 21 2 11* 56 7 17*1733 63 20 56* 53 44* 26 9 14* 52 .. 26*1734 67 20 57 23* 35 5 8* 59 .. 23*1735 79 56 8 33 32 8 12* 73 .. 10*1736 69 56 18 23 24 7 7* 72 17*1737 70 59 13 41 40 4 10* 62 .. 28*1738 83 64 11 74 25 6 25* 75 10 21*1739 64 11 51 14 26 24 5 9* 67 12 19*1740 80 16 44 53 13 33 23 5 12* 64 10 42*1741 79 14 39 53 10 62 27 9 20* 67 .12 17*1742 76 17 25 53 13 55 32 6 24* 72 11 13*1743 80 27 30 70 23 39 33 7 11* 59 19 20*1744 92 25 25 56 8 43 34 12 6* 60 19 28*1745 86 9 31 65 11 47 48 9 11* 61 9 22*1746 88 15 41 53 12 59 35 9 11* 67 7 12*1747 67 31 41 48 8 26 33 3 12* 55 9 26*1748 90 10 60 76 16 34 36 7 17* 62 20 31*1749 78 22 61 15 44 34 8 12* 59 9 20*1750 90 10 59 14 38 26 5 15* 60 10 27*1751 93 60 9 37 32 12 7* 66 17 29*1752 78 11 54* 68 14 70 33 9 15* 55 8 19*16


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SchüpfheimTESEntlebuchTESHasleTESEscholzmattTES1800 93 10 55 66 16 38 47 8 10 109 30 531801 90 14 59 64 17 55 46 3 36 90 15 751802 110 16 49 89 15 97 52 10 27 126 26 701803 87 10 39 86 15 31 34 5 30 122 21 481804 99 15 51 76 7 35 46 3 22 106 16 1221805 84 16 90 95 16 34 58 5 30 124 21 961806 89 15 42 74 15 48 51 14 33 113 22 661807 73 29 53 84 14 48 57 8 38 112 22 781808 109 16 51 98 25 32 57 9 16 134 20 571809 83 30 58 90 49 48 4 20 91 25 581810 105 30 42 75 14 61 44 14 41 99 18 611811 115 26 94 86 18 56 67 13 49 119 19 1001812 107 21 58 89 14 49 69 16 41 119 22 721813 121 24 50 76 16 48 48 7 24 116 18 511814 90 16 56 76 13 74 44 6 30 75 28 861815 112 18 70 85 20 47 45 7 31 119 18 721816 120 8 64 82 18 38 54 8 29 95 10 731817 62 10 97 68 6 96 34 10 56 76 6 1071818 83 11 88 55 10 38 36 1 32 72 4 1041819 129 12 72 99 11 78 51 7 56 106 19 811820 106 20 83 95 18 74 59 9 58 100 25 541821 96 15 47 91 19 51 44 11 26 106 20 521822 100 19 56 94 10 43 59 9 22 102 29 701823 92 22 48 115 14 66 62 15 29 128 24 631824 121 19 53 70 10 33 53 9 20 115 24 501825 95 21 50 91 8 36 45 11 36 124 18 481826 114 17 56 87 10 48 111 18 601827 107 12 59 73 11 53 105 18 491828 86 19 51 78 14 52 16 461829 107 22 41 99 16 43 22 78MarbachTES1700 33 2 3*1701 27 5 12*1702 21 7 15*1703 22 1 5*1704 27 1 5*1705 30 3 7*1706 23 4*1707 26 12*1708 21 7 2*1709 28 4 13*1710 27 3 16*1711 18 9 6*RomoosTES1223DoppleschwandTES1076171714171918112118


Marbach Romoos DoppleschwandT E S T E S T E S1712 24 1 8* 18 12 1 121713 23 3 12* 23 9 _ 61714 25 7 15* 13 12 4 191715 20 1 7* 20 9 1 41716 25 6 6* 13 13 2 61717 24 5 7* 5 8 111718 28 4 4* 25 28 2 221719 29 4 5* 20 17 2 141720 23 4 7* 19 13 3 181721 19 2 8* 13 14 4 151722 19 2 8* 14 16 3 91723 16 5 5* 9 11 4 101724 21 4 8* 18 20 5 101725 28 7 - 19 11 1 131726 25 4 2* 28 21 2 171727 17 5 6* 29 14 2 101728 25 11 8* 17 11 1 101729 20 4 11* 22 14 3 121730 22 10 17* 35 14 3 71731 28 14 25 23 18 4 101732 24 11 20 21 21 6 111733 29 8 21 25 $ 2* 17 5 81734 29 15 15 17 < S 6* 22 3 121735 44 12 22 31 ) 5* 24 2 81736 32 11 27 30 < ) 7* 10 2 151737 36 5 22 27 4 8* 18 5 71738 36 10 39 26 6 18 16 1 91739 42 10 19 31 J I 17 17 2 101740 38 4 20 32 J 14 17 _ 141741 42 9 23 19 < 5 24 2 181742 43 4 35 29 1 25 16 3 191743 35 8 28 34 < 5 15 16 2 161744 39 3 22 37 i: I 20 14 4 101745 37 4 15 33 < 5 12 16 4 81746 29 5 14 32 $ 10 15 5 191747 27 8 24 30 ) 30 14 5 31748 41 8 24 33 5 18 18 4 101749 32 11 22 32 5 32 20 5 141750 35 8 43 29 9 11 21 2 171751 41 11 20 36 1( ) 20 18 10 91752 31 8 9 36 5 15 25 5 91753 34 5 20 36 1( ) 19 14 3 101754 46 12 27 41 1( ) 25 32 4 121755 38 8 27 40 9 47 16 1 401756 43 8 33 29 9 22 18 5 121757 22 5 26 34 6 41 .19 6 161758 36 8 21 32 9 40 16 1 241759 29 6 23 35 8 20 16 8 1019


Marbach Romoos DoppleschwandT E S T E S T E S1760 39 8 13 37 8 31 22 7 171761 32 6 29 41 14 44 22 .. 131762 39 9 16 37 5 38 22 2 41763 36 10 13 50 7 24 20 7 151764 42 7 40 25 7 25 23 9 91765 45 13 44 44 5 16 20 2 81766 44 6 22 33 7 27 19 3 171767 45 8 26 32 13 47 21 4 261768 36 12 39 34 5 40 18 7 231769 49 10 24 . 39 10 17 26 8 111770 32 4 20 36 11 15 15 3 161771 32 9 68 23 3 58 19 6 241772 42 9 29 48 11 34 16 5 91773 40 9 16 49 8 18 20 2 141774 60 10 27 53 4 15 21 2 111775 47 5 28 33 6 14 32 4 211776 49 8 21 45 7 12 22 2 61777 52 6 27 38 5 31 19 4 101778 53 9 24 36 9 24 20 4 81779 49 7 25 42 9 27 24 3 101780 53 13 35 52 16 16 25 4 131781 49 6 28 52 10 25 4 131782 47 9 18 40 8 38 32 4 271783 41 12 39 57 9 18 22 3 181784 64 10 52 46 12 26 27 2 191785 61 10 24 46 6 17 29 3 61786 60 7 46 48 11 22 18 4 131787 59 13 26 44 12 23 14 5 71788 47 10 41 44 10 34 17 2 121789 62 8 27 47 8 33 15 5 161790 53 7 20 56 8 26 19 5 121791 45 10 31 47 10 25 19 2 101792 59 9 28 54 13 25 15 3 191793 60 9 50 52 14 31 23 7 231794 44 10 42 47 6 41 22 3 151795 51 14 43 59 6 40 25 5 181796 62 15 51 58 14 38 33 6 111797 61 20 33 58 11 30 25 4 151798 55 15 54 73 16 43 26 3 121799 81 18 89 59 18 45 26 3 201800 73 15 44 51 6 301801 47 8 32 50 8 361802 65 8 33 58 8 661803 55 16 27 61 5 201804 74 6 68 55 16 451805 70 22 47 58 12 261806 78 10 44 72 13 3020


Marbach RomoosTES TES1807 77 11 26 58 14 441808 65 13 31 66 16 151809 74 10 40 54 4 311810 82 18 39 50 5 351811 77 12 57 52 8 561812 68 7 46 52 10 261813 76 8 35 48 5 251814 56 11 39 36 5 271815 75 12 45 35 5 331816 63 9 34 46 14 271817 34 4 63 32 4 651818 39 8 58 23 8 301819 68 8 47 51 7 171820 68 14 43 451821 73 13 31 401822 66 13 39 401823 67 8 42 441824 68 17 391825 65 8 24Der tödlichen Maschinerie dieses grauenvollen Ereignisses kann dank derguten Quellenverhältnisse etwas genauer nachgespürt werden. - Die Epidemievon 1629, die weit über 300 Menschenleben forderte, setzte plötzlich im Spätsommerein : Im Juli waren fünf Verstorbene (vermutlich ohne Kinder) zu verzeichnen,im August kündigte sich die Seuche mit 29 Toten an, sie steigerte dieZahl im September auf 86 und erreichte den Zenit mit 140 Opfern im Oktober,sank im November auf 60 Tote und auf 14 im Dezember. Im Januar 1630 konstatierenwir wieder die niedrigen Zahlen wie im Frühjahr und Herbst 1628.Innerhalb weniger Monate hatte die Seuche wie in einem mittelalterlichenTotentanz mehr als ein Viertel der Dorfbewohner auf den Friedhof gebracht. -Noch gravierender war die Zerrüttung der demographischen Struktur desDorfes. Zwei Drittel der Toten waren Erwachsene gewesen, die Bevölkerungdamit eines wesentlichen Teils ihres reproduktionsfahigen Potentials beraubt.Wasenmeister, Dorfmüller, «chirurgus», Steinhauer und Waagmeister warennicht verschont geblieben. 10 Keine andere Gemeinde des Amtes erfuhr denTodeszug in diesem Ausmass. Lediglich aus Escholzmatt sind etwas höhereSterbezahlen als in Normalzeiten überliefert. - Möglicherweise hatten Bettelbubendas Seuchenfeld vergrössert. 11 Im benachbarten Langnau starben 1628/io TotReg Schüpfheim 1629.11 TotReg Schüpfheim 1629: «pueri mendicantes», ein Bettelbub «ex Ruswil».21


29 ungefähr 620 Personen an der gleichen Krankheit 12 , in Samen starben 430Leute, in Stans 900 13 . In Sursee verloren 400 Menschen das Leben. 14 - DasKapitel der Pestzüge nahm mit dieser Epidemie von 1629 im Entlebuch einEnde. 15Dem ungeheuren Verlust an Menschenleben folgte eine Geburtenwelle. 1637erreichte die Zahl der Taufen eines Jahres in Schüpfheim erstmals die 70erGrenze, fiel dann aber wieder zurück. Nach dem Bauernkrieg von 1653, der sichim Pfarrbuch in fehlenden Aufzeichnungen niederschlägt, begann eine neuePeriode hoher Geburtenzahlen. Von 1669 bis 1689 betrug die jährliche Geburtenzahlim Durchschnitt 75. 1684 zeichnete der Pfarrer 90 Getaufte ins Buchauf, 1689 waren es 89; solche Zahlen werden erst 60 Jahre später wieder erreichtwerden.1735 setzte in Schüpfheim - nach einer Stagnation während des letzten Jahrzehntsim 17. und dem ersten im 18. Jahrhundert -jener Geburtenstoss ein, dendie Pfarrherren 50 Jahre später in ihren lokalhistorischen Werken und denRandbemerkungen in den Büchern als erstaunlichstes Phänomen zur Kenntnisnahmen. - Verglichen mit dem frühen 17. Jahrhundert, hatte sich nämlich nach1730 die Zahl der jährlichen Taufen kontinuierlich bis zur Verdoppelung gesteigert.Die Entwicklung der Sterbezahlen kann in Anbetracht des Fehlens der Kinderin den Totenbüchern nicht deutlich verfolgt werden. Aufgrund der anormalgrossen Sterblichkeit bei den Erwachsenen, deren Registrierung zuverlässigsein dürfte, können im 17. Jahrhundert folgende Jahre mit hohen Sterbezahlenvermerkt werden: 1647/48, 1650, 1659, 1672, 1675, 1685, 1688 und 1692 bis1694. - In den Krisenjahren des 18. Jahrhunderts begann die Reihe mit demJahr 1710. Dass bald wieder Sterbeüberschüsse vorkamen, so in den Jahren1713, 1714 und 1718, unterstreicht die Hartnäckigkeit der demographisch undwirtschaftlich ungünstigen Zustände während der ersten 20 Jahre des Jahrhunderts.Die niederen Geburtenzahlen waren eine Folge dieser andauerndenKrisen. Nach 1720 zeigten die Jahre 1724, 1732, 1740/41, 1748, 1752, 1755,1766/67 erhöhte Sterbezahlen. Die Totenzahlen von 1771 erinnern dagegen analte Zeiten. - Nach den fruchtbaren 80er Jahren übertrafen die Jahre 1794und 1798 mit ihren Sterbezahlen noch einmal die Zahl der Geburten (Taufen),deren Durchschnitt pro Jahr sich jetzt um die 90 bewegte.In den letzten 20 Jahren des 17. Jahrhunderts hatten im Durchschnitt 13 Brautpaarepro Jahr geheiratet, diese Zahl sank bis etwa 1720 leicht auf 12, nach1750 stieg sie auf 20." Schwab 188f. TT „ » ., T» Kleiner Versuch einer besonderen Geschichte des Freystaates Unterwaiden, 2. Teil, Luzern1791, 294.14 Pfyffer 305; Schnyder F., 117.15 TotReg Schüpfheim: Okt. 1635 «peste obierunt» (nur wenige Personen); zur Pestpro-phylaxe vgl. Schnyder F., 152ff.22


Entlebuch 16Die demographischen Komponenten in der Gemeinde Entlebuch lassen einenauffallenden Rhythmus erkennen. Zeiten starker Sterblichkeit (1691-1701,1750-1771) stehen solche der Rekuperation gegenüber (1702-1737, 1772-1798).- Keine andere Gemeinde weist im 18. Jahrhundert nachweisbar so zahlreicheJahre ohne Geburtenüberschüsse auf wie Entlebuch. Das Dorf ist eher durchKrisenperioden charakterisierbar als durch einzelne Krisenjahre. Mit besondererSchärfe wurden die Bewohner in den 90er Jahren des 17. Jahrhundertsbetroffen, während die Pfarrei, im Gegensatz zu Schupf heim, sowohl 1710 wiein den nachfolgenden Jahren - ausgenommen 1718 - ohne grosse Sterbezahlendasteht. 1738, 1741, 1746, 1794, 1802 waren einzelne Krisenjahre. Dem Jahr1771, auch in Entlebuch eine Zeit mit hoher Sterblichkeit, war die Reihe der katastrophalenspäten 60er Jahre vorausgegangen.Nach 1720 nahmen die Taufen gegenüber der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundertsum ein Drittel zu. Die Eheschliessungen verdoppelten sich von 8 bis 9 proJahr (1700-1719) auf 15 oder 16 (1780-1819).Escholzmatt 11Die Gemeinde erweckt in der graphischen Darstellung den Eindruck einer durchdas ganze Jahrhundert ständig prosperierenden, demographisch glücklichenEntwicklung. Nur einmal übersteigt die jährliche Totenzahl diejenige der Taufen(1771). Die Geburtenzahlen steigen in Höhen, die in keiner andern Gemeindedes Amtes erreicht werden.Der Grund für diese scheinbar so positive äussere Erscheinung ist das Fehlender Kinder in den Sterbebüchern während des grössten Teils des Jahrhunderts.Deswegen klaffen die beiden Linien von Geburten und Toten so weit auseinander.Aber auch hier ist der Verlauf der Geburtenkurve eindrücklich.Betrug die Zahl der Taufen im ersten Drittel des Jahrhunderts durchschnittlich45 pro Jahr, so nahmen diese von 1730 bis 1809 auf 70 zu. - Die durchschnittlicheZahl der Eheschliessungen blieb in der Gemeinde durch das 18. Jahrhundertziemlich unverändert. - 1740,1748,1754,1758,1767 waren Jahre mit hoherErwachsenensterblichkeit.HasleDie kleinen Gemeinden bestätigen die allgemeine Entwicklung: Im 18. Jahrhundertwurde die Bevölkerung selten von Krisen grossen Ausmasses heimgesucht,wie sie frühere Gesellschaften unter der Pestbedrohung hatten erlebenmüssen.16 Graphik 2." Graphik 3.18 Graphik 4.23


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Überdurchschnittlich viele Erwachsene starben in Hasle anno 1710 bis 1718,1724, 1738, 1742, 1755, 1758. - Das grösste Verlustjahr des Jahrhunderts warauch hier 1771, nachdem von 1766 bis 1768 ein Bevölkerungsrückgang vorausgegangenwar. - Seit 1725 stiegen die Geburten stark an. In der zweiten Jahrhunderthälftezählt man - mit Zehnjahresdurchschnitten - fast doppelt so vieleTaufen wie in der ersten. Die gleiche Tendenzkurve ist für die Eheschliessungenzu verzeichnen.Marbach 19Marbachs grösstes demographisches Krisenjahr fiel zugleich mit dem Untergangder alten Eidgenossenschaft zusammen. Auch 1771 zählt man ausserordentlichviele Tote; kleinere Verluste sind in den Jahren 1710, 1731, 1738,1750, 1765, 1768, 1783, 1793 festzustellen. Die geographische Lage brachteder Bevölkerung häufige Bedrohung, da Hagelschäden und Überschwemmungenzu befürchten waren. - Die Entwicklungstendenz der Taufen lässt sichin Marbach in drei Perioden einteilen: Die Zahl von 24 Geburten pro Jahrvon 1700 bis 1729 stieg von 1730 bis 1779 auf 38 und verdreifachte sich beinahevon 1780 bis 1809 (61 Taufen). - Die Zahl der jährlichen Eheschliessungenverdoppelte sich innerhalb des Jahrhunderts.Romoos 20Die abgelegene Berggemeinde wurde zwischen 1755 und 1771 von regelmässigen,ausserordentlich hohen Sterblichkeitsstössen heimgesucht. - Danach begannendie Geburtenzahlen aber mehr anzusteigen. Sie hatten sich in der zweitenJahrhunderthälfte im Vergleich zur ersten verdoppelt. - Die Heiraten nahmendagegen nicht auffallend zu.Doppleschwand 21Die kleinste Gemeinde des Amtes ist mit ihren Tauf- und Sterbezahlen nichtleicht interpretierbar. - Ihr grösstes Krisenjahr scheint sie 1755 durchgemachtzu haben.b) Das ErntejahrSeuchen, Epidemien, Missernten und kriegerische Handlungen schlugen sichunmittelbar in den Geburten- und Sterbezahlen nieder. Abgesehen von Be-19 Graphik 5.20 Graphik 6.21 Graphik 7.27


völkerungsverlusten durch Emigration, waren es vor allem diese Komponenten,welche den Verlauf einer Bevölkerungsentwicklung auf kürzere oder längereZeit direkt beeinflussen konnten.Isolierte Vorgänge waren im Entlebuch wohl ziemlich selten. Epidemien tratenregelmässig im Gefolge von Jahren mit harten klimatischen Bedingungen,andauerndem Schlechtwetter und misslichen Ernteerträgen auf. Diese schwankendenErnteerträge mussten «von vorindustriellen Bevölkerungen als Teil derbestehenden Ordnung» 22 akzeptiert werden.Der Begriff des Erntejahres umschreibt diese Gegebenheit genauer. Es ist jeneZeitdauer, in welcher der Ertrag einer Ernte für das Auskommen genügenmusste, bis eine neue Ernte wiederum den Nahrungsmittelbedarf für ein Jahrsicherte. - Der Versuch, mit Zehnjahresdurchschnitten der Tauf- und Sterbezahlendie Bevölkerungsbewegung innerhalb des Erntejahres zu berechnen,erwies sich als geeignetes Mittel, die eigentlichen demographischen Krisenjahreherauszuarbeiten. Bei einem negativen Überschuss von mehr als 60 Prozentmüssen folgende Daten festgehalten werden :Tabelle 3 Ausgeprägte Krisenjahre im 18. JahrhundertSchüpfheim: 1732,1771, 1798/99Hasle: 1724,7770/77Entlebuch: 1740/41, 1757/58Marbach: 1771/72, 1798/99Romoos: 1771/72Doppleschwand: 77554 von 6 Gemeinden hatten während der Jahre 1770 bis 1772 die schwersteKrise des Jahrhunderts zu ertragen. 23 Dann verbleiben nur noch 7 Jahre, inwelchen die Pfarrbücher eine hohe Sterblichkeit nachweisen lassen.c) Die Verteilung der Geburten, Eheschliessungen und Sterbefälle auf das JahrNach der Betrachtung der Geburten, Ehen und Sterbefälle über grössereZeiträume und für einzelne Jahre, in denen auffallende Unregelmässigkeiten derEntwicklung dieser drei Vorgänge angedeutet wurden, können nun ihre Erscheinungsformenin noch kleineren Zeitspannen untersucht werden : In welchenMonaten wurden die meisten Kinder geboren? Wann heiratete man währenddes Jahres am liebsten? In welcher Jahreszeit waren die Menschen am stärkstendem Tod ausgesetzt?Die Beantwortung der Fragen gibt nicht nur Einblick in die traditionellen Verhaltensweisenund deren Veränderungen im Laufe der Zeit, sondern lässt auchSchlüsse zu auf die Arbeitsbedingungen, die wirtschaftlichen Verhältnisse undreligiösen Einflüsse.22 Wrigley, Bevölkerungsstruktur im Wandel 63.23 Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).30


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Graphik 8Monatliche Verteilung der Taufenin 5 Gemeinden von 1750 bis 1760Taufmonat jEmpfängnis- 3 n ArnohatF M A M J J A S 0 N D JM J J A S 0 N D J F M A32


Es ist naheliegend, dass wir bei der Untersuchung der Verteilung der Taufenauf den Anlass zu diesem Ereignis zurückgreifen müssen : Die Zeit der Konzeption.«Les naissances sont beaucoup moins intéressantes que les conceptions»,schreibt Ruwet. 24 Und Moheau: «Le temps de la naissance est moinsintéressant à rechercher que celui de la conception, principe de fécondité dontl'accouchement n'est que la suite nécessaire.» 25Die graphische Darstellung der Verteilung der Konzeptionen ergibt für5 Entlebucher Gemeinden, deren Taufen für die Zeit von 1700 bis 1760 zusammengefasstwurden, eine deutliche Übereinstimmung der Hausse und Baisseder Tauf- bzw. Konzeptionsmonate. 26 - Die Linien ergeben das Bild einerWannenform; die Taufen verteilen sich eindrücklich auf den Jahresanfangund das Jahresende. - Ihnen entspricht das Maximum der Konzeptionen inden Monaten April bis Juni und Dezember, Januar und Februar, während indie Zeit von Juli bis November eine viel geringere Zahl von Konzeptionen fiel.Die Lebensumstände und die wirtschaftlichen Gegebenheiten bestimmten diesesVerhalten wesentlich : der Sommer bedeutete für beide Teile, Frau und Mann,intensive physische und psychische Belastung. Das angespannte Abwarten desgünstigsten Erntemoments, in welchem eine physische Maximalleistung gefordertwurde und die seelische Belastung, die mit der Hoffnung auf ergiebigeErträge verbunden war, absorbierten die Kräfte beider Eheleute für die Bewältigungdieser Existenzgrundlagen.In der übrigen Zeit des Jahres konnte sich die Frau auf ihre mütterliche Aufgabebesser und ruhiger vorbereiten. Auch die Grundlage der Nahrungsmittelversorgungwar im Frühherbst sicherer. Unter dem Eindruck der geleistetenSommerarbeit, eines gesunden, kräftigen Allgemeinzustandes und der Aussichtauf leichtere Winterarbeit (Spinnen, Weben usw.) entschlossen sich die Elternmeist im Herbst, ihren Familienbestand durch ein weiteres Kind zu vergrössern.Im Frühling dagegen, vornehmlich im April und Mai, erwachte mit dem Zuendegehender kalten, harten Winterszeit und dem Aufbrechen neuen Lebensin der Natur, den Vorbereitungen auf eine neue Alpzeit ein hoffnungsvollesAufgehen des eigenen Lebensgefühls, das sich in vielen Familien mit der Aussichtauf eine baldige Neutaufe mitteilte. Man darf also für die Verteilung derKonzeptionen im Entlebuch eine tatsächliche, temporär gültige Geburtenkontrolleannehmen.Bei der Verteilung der Eheschliessungen treten soziale, religiöse und wirtschaftlicheVoraussetzungen deutlich hervor.Den religiösen Vorschriften gehorsam, heiratete man während der Fasten- undAdventszeit äusserst selten. Die meisten Eheschliessungen fielen in die Monatevor oder nach dem März und in den November, wobei die Frühjahrsmonate26 Tabelle 4; Graphik 8.24 Ruwet, Crises démographiques 459.25 Moheau 148.33


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Graphik 9Monatliche Verteilung der Heiratenin 4 Gemeinden von 1750 bis 1799


(Februar, April, Mai) dem Oktober oder November vorgezogen wurden. 27Während der Alpzeit vom Juni bis September vermählte man sich dagegenkaum. - Noch aufschlussreicher als die monatlichen Eheschliessungen wäre eineUntersuchung der bevorzugtesten Wochentage.«Plus encore que les actes de baptêmes ou des décès, l'acte de mariage a unevaleur autre que simplement démographique et constitue une source essentiellede l'histoire sociale.» 28Der Tod trat in den klimatisch wechselhaften Vorfrühlingsmonaten häufigeran die Entlebucher heran. 29 Eine Rangliste der Monate mit den höchstenund niedersten Sterbezahlen ergibt für 5 Gemeinden (Beobachtungsdauer:1780 bis 1799):1 2 3 10 11 12Escholzmatt April Jan. Febr. Juni Juli AugustSchüpfheim April Nov. Mai Juni Juli AugustHasle Febr. März April Nov. Juni AugustMarbach Febr. Nov. Jan. Juli Juni AugustEntlebuch März Febr. April Juni Sept. OktoberWie in zahlreichen anderen, vor allem französischen ländlichen Untersuchungsgebieten,kann auch für das Entlebuch die zutreffende Feststellung gemachtwerden : «L'ensemble de la mortalité obéit aux saisons.» 30 Nur sind für unserGebiet die Rangfolgen der saisonalen Sterblichkeit charakteristischerweisevertauscht. Sind in Frankreich vor allem die Monate September, Oktober undNovember die sterblichkeits-intensivsten, stehen im voralpinen Entlebuch dieFrühjahrsmonate Januar, Februar, April und Mai an der Spitze. ÄhnlicheErgebnisse konnte J. Bielmann im Urnerland feststellen. 31Die Frühjahrssterblichkeit ist leichter zu erklären als diejenige des Spätherbstes.- Vor allem Erkältungen und Grippeepidemien forderten auch bei den Erwachsenenzahlreiche Opfer und die Kinder erlagen oft den tückischen Infektionskrankheiten.- Möglicherweise machten sich auch bereits zu dieser ZeitMängel in den Nahrungsmittelgrundlagen bemerkbar. Schlechte, ungenügendkonservierte Nahrung förderte Krankheiten des Verdauungstraktes. - SolcheUrsachen dürfen vielleicht auch für den Spätherbst und den Frühwinter vermutetwerden. Schlechte Ernte, zu früh eingebrachte, unreife Frucht 32 und die27 Tabelle 5; Graphik 9.28 Guillaume, Poussou 185.29 Tabelle 6; Graphik 10.30 Guillaume, Poussou 142.31 Bielmann 36 f.32 Die Mandatenbücher enthalten zahlreiche, periodisch wiederholte Verbote, die Frucht inunreifem Zustand zu schneiden.36


Graphik 10Monatliche Verteilung der Sterbefälle in5 Gemeinden von 17B0 bis 1799


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wegen der angestiegenen Lebensmittelpreise verunmöglichte Beschaffung desAllernotwendigsten schlugen sich schnell auf die gesundheitliche Verfassungder Bevölkerung nieder. 33 - Von diesen Vorgängen wurden die ärmerenBevölkerungsteile am härtesten betroffen. 34d) ZusammenfassungDie Primärquellen für die Erforschung der Bevölkerungsentwicklung warendie Tauf-, Ehe- und Sterbebücher, die in katholischen Gebieten nach Beschlüssendes Trienter Konzils eingeführt wurden.Im Entlebuch setzte die Buchführung in einzelnen Gemeinden am Ende des16. Jahrhunderts ein; in der Mitte des 17. Jahrhunderts war sie in allen Pfarreienheimisch.Die Qualität der Bücher war unterschiedlich und bestimmte die Auswertungsmöglichkeiten.Besonders die fehlenden Angaben über Kinder in den Sterbebüchern,der Eltern in den Ehebüchern und einzelne Lücken setzten engeGrenzen.In einem ersten Verfahren wurden die Taufen, Heiraten und Sterbefälle überlängere Zeiträume hinweg ausgezählt und die Entwicklung der drei demographischenKomponenten verfolgt. In der Übersicht lassen sich die Ergebnissewie folgt zusammenfassen :Eine erste Welle der Geburtenzunahme in der untersuchten Periode fand im17. Jahrhundert von etwa 1660 bis 1690 statt. Von diesem Zeitpunkt an bisum 1720 sanken die Geburten wieder auf die zu Beginn des 17. Jahrhundertskonstatierte durchschnittliche Zahl. Nach 1720 setzte eine neue Geburten welleein, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ziemlich regelmässig anstieg underst ab 1810/20 langsam zurückging. Die Zunahme der Taufen setzte in Haslezwischen 1710 und 1720 ein, in Schüpfheim, Entlebuch, Escholzmatt undRomoos um 1720 und nach 1730 in Marbach. Leicht stagnierend war dieTendenz der Geburtenzahlen nur in Jahrzehnten mit grossen Notjahren. DieEntwicklung der Heiratszahlen war wegen der Lücken der Ehebücher in denwichtigen dreissiger Jahren nicht interpretierbar. Ihre allgemeine Entwicklungaber zeigte an, dass die Zunahme der Geburten nicht allein auf vermehrte Eheschliessungenzurückgeführt werden kann.Die Sterbezahlen lagen bis 1720 durch zahlreiche Krisen bedingt, eher über denTaufzahlen. Von 1720 bis 1740 nahmen sie im Verhältnis zu den steigendenGeburtenzahlen leicht ab. Die Periode zwischen 1740 und 1771 war durchUnausgeglichenheit gekennzeichnet. Hingegen sanken von 1772 bis 1780 die33 Vgl. Kap. Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert, 5.3.34 Über das Ausmass der allgemeinen Armut vgl. Kap. Das Armenwesen, 3.5 d).39


Sterbezahlen im Verhältnis zu den Taufen sehr stark ab. Nach 1783 bis nach1800 störten nur noch einzelne Krisenjahre die weiter abnehmende Tendenz.Die Krisenjahre wurden dann bei der Untersuchung des Erntejahres alsmassgebliche Einflusskräfte auf die demographische Einwicklung erkannt. Diehohen Sterbeziffern dieser Jahre bremsten die Bevölkerungsentwicklung. Dasgrösste Notjahr im 18. Jahrhundert war das Erntejahr 1770/71 gewesen, danebenbrachten - auf die Gemeinden verteilt - die Jahre 1724, 1732, 1740/41,1755 bis 1758 und 1798/99 ausgeprägte Bevölkerungsverluste.Die Untersuchung der Verteilung der Taufen, Ehen und Sterbefalle auf dasJahr ergab eine regionale Übereinstimmung. In den 5 untersuchten Gemeindenfiel die grösste Zahl der Konzeptionen in die Monate April bis Juni und Dezemberbis Februar. Während der arbeitsintensivsten Sommerszeit war einstarker Rückgang der Konzeptionen zu verzeichnen. Dieses Verhalten darf alssaisonale Geburtenkontrolle bezeichnet werden. - Die Heiraten blieben in derFasten- und Adventszeit gänzlich aus und man benützte hauptsächlich die Zeitvor oder nach diesen Perioden, um sich trauen zu lassen. - Die meisten Todesfälleereigneten sich in den klimatisch wechselhaften, ungesunden Vorfrühlingsmonaten.3.2 Die Entlebucher FamilieBei der Erarbeitung der «grossen Zahlen» wurden bereits einige Entwicklungstendenzenim Ablauf der Geburten, Heirats- und Sterbezahlen erkennbar.Diese Ereignisse sind j<strong>edoc</strong>h nicht Ausflüsse isolierter Bedingungen, sondernstehen in einem weiten Kontext sozialer und wirtschaftlicher Beziehungen. Deranonymen Betrachtung der reinen Zahlen wird daher ein Verfahren entgegengesetzt,an dessen Entfaltung die französische Démographie den eindrücklichstenBeitrag leistete. Henrys «reconstitution des familles» erlaubt, den Pfarrbücherneine ungeahnte Vielfalt von Erkenntnissen zu entnehmen, mit welchenPopulationen der vorstatistischen Zeit eine historisch erfassbare Gewichtungerhalten, die für eine Darstellung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte vonunschätzbarem Wert ist.Im Amt Entlebuch macht allerdings die ungenügende Qualität der Pfarrbücherin einzelnen Gemeinden eine Rekonstitution der Familien für das frühe 18. Jahrhundertleider unmöglich.Für die Berechnung der durchschnittlichen Kinderzahl, die die Fruchtbarkeitder Familien widerspiegelt, müssen daher vorläufig als Hilfsmittel die Quotientenaus Taufen und Heiraten dienen; aus ihnen erhält man einen ungefährenEindruck des Zustands und der Entwicklung der Familiengrössen. Dieses Vorgehen,das nur im Idealfall einer Bevölkerung ohne Migrationen dem tatsächlichenZustand entspricht, ist der Grosse dieser unberechenbaren Kompo-40


nente entsprechend ungenau. Dennoch konnte Goubert mit dieser Berechnungsmethodenachweisen, dass sie einer gewissen Realität nicht ferne steht. 1Tabelle 7 Quotient Taufen/Heiraten in den einzelnen GemeindenPeriode1615-1644 1661-1680 1682- 1700 1691- -1723Schüpfheim 4,32 8,58 5,22Hasle 4,221700-1719 1740-1759 1760-1779 1780-1799 1740-1799Schüpfheim 4,79 5,46 4,36Marbach 5,02 5,23 4,95 5,06Entlebuch 4,93 4,85 5,13 4,67 4,86Escholzmatt 4,90 4,52 5,28 4,92Hasle 4,26 5,02 4,20 4,47Romoos 4,61 5,00 4,77 4,79Doppleschwand 5,945 Gemeinden (ohne Schüpfheim und Doppleschwand) 4,84 2Der Betrachtung der (kurzfristigen) Quotienten kann entnommen werden, dassdie durchschnittliche Entlebucher Familie am Ende des 17. Jahrhunderts überauskinderreich war. - Die zahlreichen Auswanderungen nach dem Bauernkriegschufen im Entlebuch ein Vakuum. 3 Eheschliessungen zwischen jungenLeuten mit beträchtlicher Fertilitätskapazität füllten die Lücken auf. - Eine zusätzlicheTriebkraft war die erhebliche Sterblichkeit, welche die hohe Fruchtbarkeitförderte und regulierte.Der Religionskrieg zu Beginn des 18. Jahrhunderts, das gesamteuropäischeKrisenjahr von 1710 und die Folge der heimtückischen Missernten bis 1720blieben auf die Entwicklung der Bevölkerung nicht ohne Auswirkung. DieFamilien wuchsen wegen dieser Krisen, die den Rhythmus der Geburtenfolgehemmten, nicht im gewohnten Gleichmass. - Erst seit 1750 glichen sich dieEntlebucher Gemeinden einander augenfällig an und die Quotienten lagennahe beieinander. Man kann daher die Entlebucher Familie des 18. Jahrhundertsals eine Familie durchschnittlicher Grosse bezeichnen : Mit 4 oder 5 Kinderntendierte sie weder zur Klein- noch zur Grossfamilie. - Die Ähnlichkeit1 Goubert, Beauvais 37; Henry kritisiert: «On a cependant coutume de faire le rapport desnaissances aux mariages. Calculé sur une période, cet indice peut, à la rigeur, servir à descomparaisons dans l'espace et dans le temps; il est par exemple, utile dans une description àgrands traits de l'évolution de la fécondité depuis le XVIIe ou le XVIIIe siècle. Mais il esttrop grossier pour être utilisé dans l'étude des variations à court terme.» Henry, NouveauManuel 96.2 Die Quotienten für die Zeit von 1800 bis 1819:Hasle Marbach Escholzmatt Schüpfheim Mittel6,25 6,09 5,59 5,65 5,633 Vgl. Kap. Wanderungen, 3.5 c).41


über die geographischen Bedingungen hinweg ist überraschend; mit dem vorliegendenMaterial kann ein für alle Gebiete zutreffender «Typus der EntlebucherFamilie im 18. Jahrhundert» postuliert werden.a) Aussereheliche GeburtenMehr als 32000 Menschen kamen im Amt Entlebuch während des 18. Jahrhundertszur Welt, Ausdruck und Ergebnis einer Fruchtbarkeit, deren Erscheinungenim folgenden zu untersuchen sind; denn «l'histoire humaine, c'estessentiellement l'histoire de la fécondité». 4Legitime Geburt war die Regel. Nur wenige Kinder wuchsen ausserhalb derelterlichen Ehegemeinschaft auf. - Vaganten, Bettler, Durchreisende, die nichtüber die nötigen Ausweispapiere verfügten 5 , waren nicht selten auch die Elternvon in Entlebucher Pfarrbüchern aufgezeichneten, ausserehelich geborenenKindern. - Oft wichen die Eltern dem Gericht der öffentlichen Meinung ausund liessen das Kind insgeheim in einer andern Pfarrei taufen. So kamen am29. Juli 1791 eine Haslerin und ein Schüpfer nach Flühli, um hier ihre ausserehelichgeborene Tochter auf den Namen Maria Anna Barbara Katharinataufen zu lassen. 6 Am 18. Juni 1794 waren es zwei Leute aus Grossdietwil, dieihren Peter taufen lassen wollten. 7 Im Schutz der Dunkelheit brachten diefremden Sebastian Wunderli und Magdalena Haas ihren Johann Georg vorden Pfarrer. 8 Aber auch Einheimische brachten ihre Kinder in der Fremde zurWelt. 9 - Im Amt selber trugen die Pfarrer Sorge, dass Unbefugten die Kenntnisvon Eltern ausserehelicher Kinder erschwert wurde. So fehlt hie und da in denTaufbüchern die Erwähnung eines Elternteils. Für die Väter legte der Pfarrerin Entlebuch ein eigenes Buch an und verwahrte es sorgfältig. 10 - Die Kinderwaren von der Hochwaldnutzung und den öffentlichen Ämtern ausgeschlossen11 ; doch die Erwähnung im Taufbuch sicherte ihnen wenigstens Heimatund Unterstützung in der Not. 124 Chevalier L., Problèmes d'histoire humaine 388.5 «De legitimatione dubitatur ob defectum litterarum matrimonialium», Marbach TaReg. -Viduus Ch. Aregger et vidua V. Schüz voluêre invicem matrimonium inire, sed ob defectumauthentici testimony de morte prions manti Josephi Heftiger hucusque licentiam non obtinuêre,Romoos TaReg. Strebi.6 Flühli TaReg.7Flühli TaReg.8 Flühli TaReg 2. April 1794 «nocte».9 Burri: Zu Beginn des 19. Jh. gebaren etwa 20 Frauen aus dem Entlebuch ihr ausserehelichesKind in Luzern.10 TaReg 1756 «[. ..] vide in arcanis parochiae. Claves ambo sunt in meo cubili inclusi etcistula est in camera depicta.»11 Bitzi, Landrecht (1948), Von den Rechtsverhältnissen der unehelichen Kinder 37ff.;vgl. Kap. Armenwesen, 3.5 d).12 «Alle von mittellosen Landleuten im Entlebuch erzeugten unehelichen Kinder fallen demganzen Lande anheim», Urbarkopie II (1758), BHK 1 (1928).42


316 von 32064 in 7 Gemeinden zwischen 1700 und 1799 geborene Kinderwaren ausserehelicher Herkunft. Das sind nur 0,98 Prozent. 13Tabelle 8 Prozentuale Häufigkeit ausserehelicher Geburten auf alle Getauften nach Gemeinden(1700-1799)Mar- Escholz- Schüpf- Hasle Entle- Romoos Dopplebachmatt heim buch schwand1700-1719 0,79 0,97 1,02 0,92 0,99 0,59 1,141720-1739 0,37 0,75 0,98 1,30 0,82 0,44 1,241740-1759 0,97 0,82 0,41 1,29 1,20 0,91 0,851760-1779 0,46 0,85 0,72 1,36 1,79 0,77 0,711780-1799 0,98 1,44 1,21 1,72 1,89 0,57 1,531700-1799 0,75 1,02 0,84 1,43 1,15 0,67 1,10Durch eine spätere Heirat der Eltern wurden von den 316 ausserehelichGeborenen lediglich 5 Prozent legitimiert; freilich könnten ortsfremde Männerdie Mütter mit sich genommen und andernorts geheiratet haben. Vielfachaber dürfte eine Legitimierung nicht mehr notwendig geworden sein, da dieSterblichkeitsziffer bei den illegitimen Kindern ihrer sozialen Vernachlässigungwegen erschreckend hoch war.Für die geringe Zahl ausserehelicher Geburten war aber die Häufigkeit vorehelicherGeschlechtsbeziehungen von grosser Bedeutung. 14Mehrlingsgeburten waren im allgemeinen selten. 1593 soll Hans Antalervon der Obrigkeit mit einer Gabe beehrt worden sein, «weil er von seiner Ehefrauenbinnen 13 Jahren 19 Kinder und zwar 3mal jedesmal 3 und 5mal jedesmal2 bekommen hatte». 15 Solcher Kindersegen in einer einzigen Familie fandsich im 18. Jahrhundert nicht. Claus Koch von Romoos war zwar bis zuseinem Tode Vater von 33 Kindern geworden; eine solche Kinderschar warwohl nur durch mehrmalige Verheiratung möglich gewesen. 16 - Eine von16000 Geburten war eine Drillingsgeburt, 5 von 1000 waren Zwillingsgeburten,eine Zahl, die für beide Hälften des Jahrhunderts gilt. Die starke Zunahme derGeburten seit 1730 war also nicht gefolgt von einer grösseren Zahl von Mehrlingsgeburten.Diese sind Ausnahmeerscheinungen individueller Fruchtbarkeit.13 In Schüpfheim machten die ausserehelichen Geburten in den Jahren 1625 bis 1648 4,1 Prozentaller Taufen aus. Vgl. zu diesem Phänomen Ruwet, Crises démographiques 464.1 4 Vgl. Kap. Die Geburtenfolge, 3.3 c).15 Schnyder, Berge, Anhang.16 Romoos TotReg, 4. Mai 1761: Alt Kirchmeyer Claus Koch senior parochiae pater 33filiorum quos inter superstites solum septem reliquit.43


) Die LedigenBevor wir uns der Untersuchung einiger Detailfragen bei der Eheschliessungzuwenden, müssen wir zu eruieren versuchen, wie viele Entlebucher Männerund Frauen sich überhaupt verheirateten. Für die Bestimmung des Anteils derLedigen an der Gesamtbevölkerung sind indessen wegen des Fehlens ausführlicherVolkszählungen enge Grenzen gesetzt. - Überdies verlangte dieses Problem,warum junge, heiratsfähige Männer oder Frauen ledig blieben, nichtnur Wissen über die persönlichen Beweggründe, sondern noch in viel entscheidenderemAusmass Einblick in die Möglichkeiten, die ihnen - vor allemdem männlichen Teil - aufgrund ihrer wirtschaftlichen Grundlagen gegebenwaren. Konnte eine ungünstige Position in der Erbfolge die Aussicht aufeine Eheschliessung verhindern? - Waren die wirtschaftlichen Grundlagendurch bereits geschlossene Ehen älterer Brüder unter Umständen schon erschöpft?- Oder fehlte es an heiratsfähigen Töchtern im Dorf? - Erschwertedie geographische Lage des Hofes oder des Dorfes Bekanntschaften? - «Beieiner bäuerlichen Eheschliessung ist der Wirtschaftsbetrieb mit seinen menschlichenund dinglichen Voraussetzungen dominant.» 17Die Heiratsaussichten verringerten sich mit zunehmendem Alter, vor allemfür die Frauen, da Eheschliessung primär zum Zwecke der Familiengründunggedacht war. Da ihre Gebärfahigkeit mit 50 Jahren im allgemeinen erschöpftwar, dürfte ihr Ledigenstatus in diesem Alter mit grösster Wahrscheinlichkeitdefinitiv gewesen sein. - Deshalb wurden alle Frauen über 50 Jahre in denSterbebüchern ausgezählt und mit diesen Angaben der Anteil der Ledigen zubestimmen versucht. 18 Von 1787 bis 1822 starben in Marbach 235 Frauen.35 von ihnen starben als Jungfrauen; 98 waren Ehefrauen und 93 Witwen.Nur 9 waren nicht näher beschrieben. Diese vermögen aber den Prozentsatzder Ledigen kaum zu verändern. Danach ergab sich mit dieser Berechnungsmethodeein Ledigenanteil von 15 Prozent. - Die verstorbenen Ledigen warenam häufigsten zwischen 50 und 70 Jahre alt gewesen. Sie repräsentieren damitdie Generation 1740 bis 1760. - Eine gleiche Berechnung der Ledigenziffer derFrauen ergab für Entlebuch (Generation 1750 bis 1770) knapp 20 Prozent. Indiesen Zahlen sind aber alle jene nicht enthalten, die es vorzogen, auszuwandernund als Hausangestellte andernorts ihren Lebensunterhalt zu verdienen. - Ausdem gleichen Grund ist die Berechnung der männlichen Ledigenziffer sehrschwierig, da der Anteil der Männer, die in der Fremde weilten, in vorhandenenZählungen immer höher war als derjenige der Frauen.Der Anteil der ledigen Frauen war mit 15 bis 20 Prozent recht hoch. Es darfsogar ein Mädchenüberschuss vermutet werden, da die Sterblichkeit der Bubenimmer grosser war. 19 Das Angebot an Hausständen war in den Gemeinden17 Braun 60.18 Henry, Manuel 62; Nouveau Manuel 109-111.19 Vgl. Kap. Die Entwicklung der Kindersterblichkeit, 3.4 b).44


unterschiedlich und so fand ein reger Austausch zwischen den einzelnen Dörfernstatt. 20 Möglicherweise verminderte dann die Bevölkerungszunahme dieHeiratschancen zahlreicher Mädchen erheblich, da die landwirtschaftlichenBetriebe im Laufe des Jahrhunderts einer gefährlichen Aufsplitterung ausgesetztwurden. Aus verschiedenen Hinweisen kann man entnehmen, dass dieerbberechtigten Mädchen bei der Realteilung zunehmend ausgeschlossen wurden.Die schwindenden Möglichkeiten zur Gründung eigener wirtschaftlicherUnternehmen beeinträchtigten die Eheschliessung. Damit wurde der Ledigenstatusauch in ländlichen Gebieten über die persönlichen Erlebnisse der Betroffenenhinaus ein allgemeines soziales Problem, welches wohl zu den bewegendstensozialgeschichtlichen Betrachtungen führen könnte, wenn es ausführlichuntersucht würde.c) Das Alter bei der HeiratWann, wo, ja wie oft heiratete man im Entlebuch? - Bei der Bearbeitung diesesFragenkomplexes treten wir nun in jene Bereiche ein, in denen durch die schonangezeigten Mängel der Pfarrbücher die Möglichkeiten der Auswertung begrenztsind. Die Rekonstitution von Familien ist nur da möglich, wo errechneteResultate auf ihre Genauigkeit überprüfbar sind. - Erst in den letzten 20 Jahrendes 18. Jahrhunderts bieten einzelne Register diese Gewähr. Die Angabe derElternnamen, die bekanntlich 1784 verlangt wurde, ist wegen der Dichte derNamen und Vornamen von unbedingter Notwendigkeit.Da in den Ehebüchern die Heiratsalter nicht aufgezeichnet sind, mussten dieserekonstruiert werden. Aus den qualitativ befriedigenden Pfarrbüchern vonMarbach konnte das Heiratsalter für 134 Frauen und 102 Männer identifiziertwerden 21 :Tabelle 9 Aufteilung der Heiratsalter in Marbach nach Altersgruppen (pro 100 Männer undFrauen)MännerFrauenunter 20 2 1920-24 30 3625-29 36 2630-34 18 1535-39 11 2über 40 3 2alle Alter 100 10020 Vgl. Kap. Die Herkunft der Eheleute, 3.2 d).21 Es handelt sich ausschliesslich um Erstehen. Graphik 11.45


Die Männer verheirateten sich selten unter 20 und über 40 Jahren. Ihre Heiratfiel zwischen das 20. und 30. Lebensjahr, aber eher erst gegen 30 als in demAlter, das die Mädchen am meisten bevorzugten: zwischen 20 und 24. DieBräute waren bei ihrer Heirat eher unter 20 als über 30, wie aus der ausführlicherenZusammenstellung ersichtlich ist:Tabelle 11 Heiratsalter in Marbach am Ende des 18. Jahrhunderts (absolute Zahlen)MännerFrauenAlter Anzahl Anzahl17 _ 518 1 319 1 620 1 1121 5 922 2 1323 6 1324 17 1325 4 1026 8 1327 9 528 7 529 9 230 7 631 2 532 2 233 3 434 4 335 1 136 4 137 3 138 3 -39 - -41 1 -42 1 -43 - 144 1 -45 - 149 - 1102 134Die Männer heirateten im allgemeinen ziemlich spät, im Durchschnitt mit28 Jahren. Das mittlere Heiratsalter der Frauen lag bei genau 25 Jahren.53 Prozent der Männer verehelichten sich zwischen ihrem 24. und 29. Lebensjahr,fast die Hälfte der Frauen zwischen dem 22. und 24. (46%).46


Dieses unerwartet hohe durchschnittliche Heiratsalter in Marbach lässt sichmit anderen Gebieten vergleichen und ergibt mit diesen eine erstaunliche Übereinstimmung:Tabelle 10 Vergleich mittlerer Heiratsalter in verschiedenen GebietenMännerFrauenmittleres median mittleres medianMarbach 28 27,6 25 24,9Entlebuch «Väter» 22 30 27 27 «Mütter» 26Entlebuch «Söhne» 28 26 «Töchter» 24Entlebuch zusammen 29 27 26 25Silenen (Uri) 23 26,5 24Appenzell 24 26,5 25,5Crulai 25 27 26 24,5 24Auneuil 26 27 25Trois villages 27 26 25,5Marbach (1830-1840) 30 30 28 29Hasle (1823-1835) 30 27 28 25Gemeinsam ist diesen Vergleichszahlen ein hohes Heiratsalter beider Ehepartner,das sich im Laufe des ersten Viertels des 19. Jahrhunderts im Amt Entlebuchnicht veränderte. In Entlebuch konnte mit der Trennung nach Generationenbei den rekonstituierten Familien eine Verschiebung des Alters nach untenfestgestellt werden. Die jüngere Generation heiratete früher als ihre Eltern.Diese Entwicklung müsste allerdings durch zahlreicheres Material noch differenziertwerden können. Das Heiratsalter in Marbach beispielsweise hatte sichin der zweiten Vergleichsperiode noch erhöht.Im Landrecht wurde bestimmt, dass «Töchter unter 15 Jahren und Söhne unter18 Jahren, welche heimlich oder öffentlich ohne ihres Vaters, Freunden oderVogtes Wissen und Willen heiraten und verklagt werden», mit 10 Pfund Bussezu bestrafen seien. Waren sie Landleute, hatten sie gar einen Landesverweis von5 Jahren zu gewärtigen, ihr Erbe den Nächstberechtigten abzutreten. 28 - Wieschon bemerkt, waren die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Eheschliessungvon ausserordentlicher Bedeutung. Die Entlebucher Wirtschaftkann als ausgeprägte Erb-Wirtschaft charakterisiert werden, in welcher dieVäter die Betriebsführung ihres Hofes nur zögernd aus der Hand gaben, jadiese bis zur Testamentseröffnung aufschoben. Daraus resultierte das hohe22 Daten aus einer Proberekonstitution (Ende 18. Jh.).23 Bielmann 42f.24 Schürmann.25 Gautier, Henry 84.26 Houdaille 99.27 Ganiage56.47


Graphik 11y . Verteilung der Heiratsalter in Marbachabsolut am Ende des 1Q^ j anr h U nderts15 X10 J.MännerFrauen5 1HeiratsalterHeiratsalter der Männer, die bis zur Gründung eines Haushalts die wirtschaftlichenNutzungsmöglichkeiten abwarten mussten. Auch die zunehmendeLebenserwartung im 18. Jahrhundert verzögerte eine frühe Eheschliessung.Daraus könnte die These abgeleitet werden, der Rückgang der Taufen nach1800/10 stünde mit der Entwicklung der Heiratsalter in ursächlichem Zusammenhangund die Auswanderungswelle im frühen 19. Jahrhundert sei durch diebeschränkten Möglichkeiten einer frühzeitigen Eheschliessung und die unbegrenztereFreizügigkeit mit ausgelöst worden.Für 88 Marbacher Ehepaare kann das Alter beider Partner bei ihrer Eheschliessungbelegt werden :28 Bitzi, Landrecht (1949), 18 (Art. 41).48


Tabelle 12 Alter der Mar bâcher Brautleute bei der EheschliessungAlter desAlter der BrautBräutigams 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 Alle Alter15-19 1 _ _ _ 120-24 6 18 4 2 1 3125-29 4 11 8 4 - 2730-34 - 10 6 3 - 1935-39 1 4 2 1 - 840-44 - - 1 1 - 2Alle Alter 12 43 21 11 1 88Danach vermählten sich am liebsten Leute, die der gleichen Altersgruppe(20 bis 24) angehörten. Die 20- bis 24jährigen Mädchen heirateten aber auchMänner, die zwischen 25 und 29 oder sogar 30 und 34 Jahre alt waren. - Bei den88 Ehepaaren war der Ehemann in 15 Fällen jünger als seine Braut; drei warenmehr als 5 Jahre jünger. Gleich alt waren nur 6 Brautpaare. Mehr als zweiDrittel der Ehemänner waren älter als die Braut (69%), bei fast einem Dritteldavon betrug die Altersdifferenz mehr als 5 Jahre. 13 Ehefrauen waren mehr als10 Jahre jünger als ihr Ehepartner, was bei den Männern nur zweimal vorkam.Darunter der 21jährige Josef Zihlmann, der die 32jährige Maria Glanzmannheiratete und gleichwohl noch Vater von 10 Kindern wurde.d) Die Herkunft der EheleuteAus einer Analyse der Herkunftsorte der Vermählten können wir Hinweiseauf die Mobilität der Bevölkerung, die Beziehungen innerhalb der EntlebucherBevölkerung, die individuellen Verhaltensweisen, das Heiratsverhalten, auchdie Intensität des Austausches inner- und ausserhalb der Pfarreien und desAmtes im ganzen erhalten. Es ist der Versuch einer «géographie des mariages»29 .In den 175 in der Zeit von 1707 bis 1719 in Schupf heim geschlossenen Ehenstammten 15 Bräute aus dem Nachbardorf Escholzmatt, 10 aus dem NachbardorfHasle, gleich viele von Marbach; 4 kamen von Entlebuch, 3 von Romoos,2 von Doppleschwand nach Schüpfheim. Lediglich ein Escholzmatter und einRomooser schlössen in Schüpfheim den Ehebund. Neben diesen amtsinternenVerehelichungen traten jene Gebiete in den Vordergrund, in denen Schüpfersaisonhalber arbeiteten und von wo sie gelegentlich ihre Frauen heimzubringenpflegten: von Solothurn, Pfaffnau, Hergiswil, Malters, Rüti, Buchrain, Kriensund Luzern. 3029 Goubert, Beauvais 55.30 Vgl. Kap. Die Wanderungen, 3.5 c).49


Eschohmatt nahm am meisten religiöse Konvertiten auf. Fast alle der Einheiratendenkamen aus dem Bernbiet.Ausserordentlich gut informiert werden wir durch die Ehebücher der PfarreiHash. Die Aufzeichnungen des Herkunftsortes für die ganze erste Hälfte des18. Jahrhunderts geben einen Einblick in die Wanderungen und Wechselbeziehungenim Haupttal. Die Zahlen weisen auf die beliebten Migrationen hin, diemit Hilfe der Ehebücher eindrücklich belegt werden können :Tabelle 13 Herkunft der Brautleute in HaslePeriode Total Bräutigam Braut AuswärtigeHeiraten von auswärts von auswärts pro 100 Vermählteabsolut p. 100 absolut p. 100 beide Geschlechter1700-1719 102 17 17 66 65 411720-1739 104 5 5 50 48 261740-1759 163 - - 49 30 151700-1759 369 22 6 165 45 25(exkl. 1710/23)Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts hatten Hasler Ehemänner ihre Frauenhäufiger auswärts als in Hasle selber gesucht. Mehr als zwei Drittel der Ehefrauenwaren nicht ortsansässig gewesen und bei fast der Hälfte der Brautpaarewar ein Teil Nicht-Hasler. - Von 1720 bis 1739 war nur noch knapp dieHälfte der Bräute ortsfremd, von 1740 bis 1759 war es aber immer noch mehrals ein Viertel.Die meisten Bräute in Hasle wanderten aus den Nachbardörfern ein. Ein Drittelkam von Schupf heim, 40 zogen von Entlebuch, 20 von Romoos, 19 vonEscholzmatt und je 6 von Doppleschwand und dem weit entfernten Marbachnach Hasle um. Mit Ausnahme dieser zwei Gemeinden unterhielt Hasle intensiveHeiratsbeziehungen, zu denen es dank der günstigen Lage bevorzugt war.Wie ein Vergleich mit anderen Gemeinden zeigt, hatten die Hasler nicht überzu wenig heiratsfähige, einheimische Frauen zu klagen, denn von 1707 bis 1719kamen 15 Bräute von Schupf heim und in dergleichen Zeit zogen 10 Haslerinnennach Schupf heim; von 1710 bis 1730 wanderten 12 Haslerinnen nach Entlebuchund 15 von Entlebuch nach Hasle ein. Damit entfaltete sich ein dichtesNetz von Verwandtschaftsbeziehungen über das ganze Amt. Bei den Herkunftsortender amtsfremden Bräute dominierten erneut die saisonalen Arbeitsplätzeder jungen, ledigen Männer.In Entlebuch stammte fast ein Drittel aller auswärtigen, weiblichen Heiratspartnernicht aus dem Entlebuch. Im untern Amt knüpfte man Beziehungenzu den nahe gelegenen Nachbardörfern Wolhusen, Ruswil, Malters, Kriens,wogegen sich zwei Wolhuser, ein Kernser und ein Ruswiler ihre Frauen vonEntlebuch holten.50


In Marbach beschränkte die geographische Lage die Heiratsbeziehungen nachaussen sehr, denn mit der Entfernung nahm auch die Zahl der eingewandertenBräute ab: von Schupf heim kamen 8 Ehefrauen, von Hasle und Entlebuchnoch je 2, während Doppleschwand und Romoos überhaupt nicht vertretenwaren. Alle diese Ortsfremden waren j<strong>edoc</strong>h nur ein kleiner Teil an der Zahlder geschlossenen Ehen und sie fielen kaum auf. Marbach wird für die Eheschliessungenin ganz anderer Weise und in einer für das ganze Amt einmaligenErscheinung charakterisiert. - Es ist die hohe Zahl der mit Dispenserlaubniseingegangenen Ehen.Ein Viertel aller Heiraten von 1710 bis 1799 konnte nur mit kirchlicher Dispensgeschlossen werden. 31Tabelle 14 Marbacher Ehen mit DispensPeriodeTotalHeiratenZahl derDispensenDispensenpro 100 Heiraten1710-17191720-17271730-17391740-17491750-17591760-17691770-17791780-17891790-17991720-17591760-179943 10 2334 5 15106 32 3064 24 3879 25 3289 16 1876 25 3398 22 22127 14 11283 89 31390 77 20Ein Vergleich mit den anderen Gemeinden weist auf die Besonderheit dieserErscheinung hin:Tabelle 15 Dispens-Ehen in den Entlebucher GemeindenPeriode Ort Total Zahl der DispensenHeiraten Dispensen pro 100 Heiraten1710-1729 Entlebuch 167 6 41765-1781 Entlebuch 211 24 111725-1759 Hasle 242 5 21780-1799 Schüpfheim 414 34 81780-1799 Escholzmatt 368 26 71780-1799 Romoos 218 11 531 Zum Dispenswesen: Henggeler 152ff.; Stalder, Fragmente II, 93.51


\Die Aufteilung der Dispensehen in Marbach nach Verwandtschaftsgradenzeigt die folgende Zusammenstellung:Tabelle 16 Marbacher Dispensehen nach VerwandtschaftsgradenPeriode Total Verwandtschaftsgrad unbe-Heiraten 2. Grad 3. Grad 4. Grad 2./3. Grad 3./4. Grad kannt1720-1759 283 - 32 37 2 12 61760-1799 390 1 25 35 4 11 11720-1799 673 1 57 72 6 23 7In 43 Prozent aller Fälle war der vierte Verwandtschaftsgrad als Ehehindernisangegeben, während 34 Prozent der mit Dispens heiratenden Paare miteinanderim dritten Grad verwandt waren. 32So hohe Ziffern lassen eine typisch marbacherische Mentalität vermuten : dasFortbestehen eines engen und intensiven Verwandtschaftsbewusstseins 33 , welchesauch über die strengeren Eherechtsverordnungen des Trienter Konzilshinweg erhalten blieb und erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts als Folgeder Bevölkerungszunahme und der grösseren Auswahlmöglichkeiten gelockertwurde.e) Die WiederverheiratungenDie Ehen des 18. Jahrhunderts waren in vielerlei Hinsicht gefährdet. - DieEhemänner waren den Gefahren ihrer bäuerlichen Arbeit ausgesetzt. Die Holzfällereiwar mit grossem Unfallrisiko verbunden; die Totenregister überliefernmehrmals Waldunfälle. 34 - Vor allem die Krisen, besonders diejenigen imfrühen 18. Jahrhundert, bedrohten die Existenz der Familien auf das heftigste.35 - Die Frauen hatten vor allem den Geburten mit Besorgnis entgegen-32 Definition der zulässigen und der Bewilligung unterworfenen Ehebande in: Constitutionessynodi, 64, 62, 214 (Formula vulgaris Decretorum matrimonialium a parochis et curatis).Das Verwandtschaftsgefüge lässt sich nach Blumer so darstellen:A ist mit der D im 2. und 3., mit der E im 2. und 4., B mit der D im 3.,mit der E im 3. und 4., C mit der E im 4. Grade verwandt.Blumer 161.33 Vgl. Kap. Die bäuerliche Gesellschaft. Mentalität. 6.34 Vgl. Kap. Die Zeit nach 1770, 3.4 e).35 Vgl. Kap. Die Sterblichkeit in Krisenzeiten, 3.4 c); Das Jahr 1770/71, 3.4 d).52


zusehen. Die mangelhaften Kenntnisse der Chirurgen und Hebammen, die ungenügendeHygiene und die im Gefolge der Geburt häufig auftretenden Infektionskrankheitenliessen die Gebärenden vor der Erstgeburt bangen. 36 Mankann aus den Angaben der Sterbealter und den Notizen der Pfarrer im Sterbebuchschliessen, dass auch bei späteren Geburten oft Kind und Mutter nochim Wochenbett starben.Aus den Wiederverheiratungen erhält man daher nicht nur Hinweise auf dieMöglichkeiten einer Neuehe für Witwe und Witwer, sondern auch Indizienfür die Häufigkeit abgebrochener Ehen.Tabelle 17 Zivilstand der Heiratenden in Mar bach (1760-1799)FrauMannledig Witwer Totalledig 303 46 349Witwe 21 20 41Total 324 66 390in Prozent:ledig 77 12 89Witwe 6 5 11Total 83 17 100In mehr als drei Viertel der Ehen von 1760 bis 1799 heirateten beide Eheleutezum erstenmal : 83 Prozent bei den Männern, fast 90 Prozent bei den Frauen.In den Trois Villages lagen die Verhältnisse ähnlich. 37 - Die vielen Witwer, dienur mit ledigen, jungen Mädchen erneut heiraten wollten, waren offenbar gewillt,ihre Familie mit einer Neuheirat noch weiter zu vergrössern, während denWitwen, die es schwerer hatten und sich auch weniger häufig als die Männerüberhaupt noch einmal vermählen mochten, die Wahl zwischen einem Witweroder einem ledigen Mann ziemlich gleichgültig war.Die anderen Entlebucher Gemeinden unterscheiden sich kaum von Marbach,was wiederum auf ein einheitliches demographisches Verhalten hinweist :36 Bucher S., Medizin und Bevölkerungsentwicklung des Entlebuchs im 18. Jahrhundert, in:Kantonales Kreisspital Wolhusen 1972, 59-65.37 Ganiage 56:Frau Mannledig Witwer Totalledig 74,7% 17,5% 92,2%Witwe 3,7% 3,9% 7,7%Total 78,4% 21,5% 100 %53


Tabelle 18 Häufigkeit von Wiederverheiratungen in einzelnen Entlebucher GemeindenPeriodeOrtNeuheirat proTotal davon 100 EhepaareEhepaare Witwer Witwen Männer Frauen1762-1799 Escholzmatt 654 110 57 17 91760-1799 Schüpfheim 770 128 67 17 91760-1799 Hasle 367 83 38 23 101760-1799 Entlebuch 549 103 49 19 91760-1799 Marbach 390 66 41 17 10Marbach kann also die anderen Gemeinden in durchaus zuverlässiger Weisevertreten.f) ZusammenfassungIn diesem Abschnitt wurde die Behandlung einiger Einzelfragen versucht, dieohne Familienrekonstitutionen beantwortet werden mussten: die Häufigkeitausserehelicher Geburten, das Schicksal dauernder Ehelosigkeit und die mitden Eheschliessungen verbundenen Fragen nach dem Heiratsalter, der Herkunftder Eheleute und dem Problem der Wiederverheiratungen. - AusserehelicheGeburten waren im 18. Jahrhundert auffallend selten. Kaum 1 Prozent allerGeburten geschah ausserhalb der ehelichen Gemeinschaft.Die Männer heirateten ziemlich spät. Das Durchschnittsalter lag zwischen 28und 30 Jahren; ihre Braut war zwischen 23- und 26jährig. Die Heiratschancender Mädchen scheinen sich im Verlaufe des Jahrhunderts verringert zu haben,da die wirtschaftlichen Unternehmen durch das Bevölkerungswachstum intensivausgeschöpft worden waren. Fast ein Fünftel der heiratsfähigen Mädchenblieb vermutlich ledig oder suchte sich durch Auswanderung in fremde Haushalteeinzuheiraten. - Die Bräute des Entlebuchs aber pflegten auch im Amtrege Bekanntschaften zu schliessen. Mit Ausnahme der Gemeinden Doppleschwand,Romoos und Marbach, welche nur wenigen Leuten attraktiv erschienen,waren es vor allem die im Haupttal gelegenen Gemeinden, in denenein reger Austausch stattfand. - Die Männer blieben sesshaft. Selten gab einBauer seine Heimatgemeinde auf, und dies vermutlich nur dann, wenn er amneuen Standort mit seiner Frau zugleich auch die Bewirtschaftung eines neuenHeimets übernehmen konnte. Dies mag in Fällen geschehen sein, wo die Brautihre Geschwister als einzige überlebt hatte und Alleinerbin war. - Das Hauptkontingentder auswärtigen Ehefrauen wanderte aus den jeweiligen Nachbardörfernein. Die übrigen Ortschaften traten nach der Weite ihrer Entfernung54


zurück. 38 - Nicht unwesentlich blieb immer der Anteil der Bräute, die sich entschlossen,ihren Ehemännern, die sie bei deren Saisonaufenthalt kennengelernthatten, ins Entlebuch zu folgen. - Marbach war an diesen Wanderungsbewegungenkaum beteiligt. Ein Viertel aller hier geschlossenen Ehen musste mitkirchlicher Dispens eingegangen werden.Die jungen Ehen wurden vor allem durch die Geburten gefährdet. Bei unterbrochenenEhen fiel dann den Männern eine Wiederverheiratung leichter alsden Frauen.3.3 134 Marbacher FamilienDie bisher vorgelegten Zahlen und die daraus errechneten Resultate warenErgebnisse grober, anonymer Zählungen und einfacher Rekonstitutionen undkonnten nur zu allgemeinen Feststellungen dienen.Aus der nach Henry praktizierten Methode der Familien-Rekonstitution wirdnun aber ein reichhaltiges Material zur Verfügung gestellt, welches erlaubt, diekleinste und interessanteste Einheit einer Bevölkerung - die Familie - sehr nahekennenzulernen. Gegenstand dieser Untersuchung werden für unser Gebietaber nicht einzelne bekannte Geschlechter sein, etwa die Emmenegger, Duss,Felder, Studer, Wicki und schon gar nicht die Bucher, sondern die Summe alljener Familien, die die Struktur der Bevölkerung ausmachten und zusammenhielten.Eine Genealogie bevorzugter Familien wird kein Bild der Bevölkerungund ihres Verhaltens liefern können, noch wird eine einzelne Familie in ihrerIndividualität stellvertretend für die übrigen aussagen. «Tirer d'un ensembled'histoires individuelles une histoire collective est un des objectifs de la démographie.»1Familienrekonstitutionen haben wir in mehreren Gemeinden versucht (Entlebuch,Schüpfheim). Dass schliesslich Marbach intensiver und ausführlicherbehandelt werden kann, ist der guten Qualität der Pfarrbücher zuzuschreiben.Die Gemeinde ist auch nicht allzu gross und deshalb noch übersichtlich. -Allerdings war auch in Marbach eine Rekonstitution bis ins späte 18. Jahrhundertunmöglich. Erst als die Erwähnung der Eltern in den Ehe- und Sterbebüchernvorgefunden wurde, konnte damit begonnen werden. - Der Versuch,schon zu früheren Zeitpunkten zu rekonstituieren, musste wegen der oft unmöglichenIdentifikation der Personen aufgegeben werden. 2 - Aber auch nach38 Es bleiben noch jene Ehen zu erwähnen, die ausserhalb der Pfarrei geschlossen wurden.Nicht wenige Brautpaare verehelichten sich gerne in bekannten und volkstümlichen Kirchen:im Kapuzinerkloster Schüpfheim, auf dem Hl. Kreuz, in Einsiedeln, auf dem Schwendelbergob Escholzmatt, in Werthenstein, beim Jost in Blatten, beim Bruder Klaus in Sachsein. -Von 1610 bis 1833 heirateten 123 Entlebucher Paare in Sachsein. Wocher-Wey; Stichprobenergaben, dass die auswärts geschlossenen Ehen in den Pfarrbüchern nachgeführt wurden.1 Gautier, Henry 91.2 Vgl. Kap. Die Quellen zur Bevölkerungsgeschichte, 3.1.55


1780 musste die Arbeit noch beschränkt werden. Es kamen nur jene Familienin Betracht, in denen beide Eheleute zum erstenmal heirateten. Ausserdemwurden nur Marbacher Familien berücksichtigt.So blieben 134 Marbacher Familien:112 vollständige und22 unvollständige. 3Diese repräsentieren 70 Prozent der auswertbaren Erstehen.a) Die FruchtbarkeitAlle innerhalb der ehelichen Gemeinschaft geborenen Kinder wurden nach demAlter der Mutter bei der Geburt ausgezählt.Die Zahl der Geburten wurde durch die Zahl der Jahre, in denen die Frauender entsprechenden Altersgruppe Kinder bekommen konnten 4 dividiert unddann die Fruchtbarkeit pro 1000 Frauen errechnet. In der folgenden Zusammenstellungdie Ergebnisse :Tabelle 19 Altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffern in Marbach15-19 20-24Alter der Frauen25-29 30-34 35-39 40-44 45^9Geburten(absolute Zahlen) 8 94 206 219 179 115 23Frauen-Jahre 21 209,5 474 569,5 600,5 568,5 544Geburten pro 1000verheiratete Frauen 381 449 435 385 298 202 42Tabelle 20 Ehedauer und Kinderzahl nach Familien, nach Altersgruppen und Alter derFrauen bei der Eheschliessung in Marbach (nach 1784)Vollständige FamilienKin- Altersgruppen der Frauender- 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49zahl A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G.verheiratete Frauen unter 2011 15 1 50 50 1 50 50 50 50 013 15 0 50 3 50 3 50 2 50 3 50 2 50 0'11 25 1 50 3 50 2 50 3 50 1 50 1 50 09 25 0 50 2 50 2 50 2 50 2 50 1 50 011 25 2 50 2 50 2 50 1 50 3 50 1 50 06 05 1 50 2 50 2 50 0 50 1 50 0 50 0'4 05 0 50 0 50 2 50 2 50 0 50 0 50 04 05 0 50 2 50 1 50 1 50 0 50 0 50 0'3 05 0 50 1 50 2 50 0 50 0 50 0 50 03 15 0 50 2 50 1 50 0 50 0 50 0 50 0Total 140 5 500 20 500 18 500 13 500 12 500 7 500 03 Tod eines Partners vor dem Erreichen des 50. Altersjahres der Ehefrau.4 Henry, Manuel 80.56


20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G.verheiratete Frauen 20-2412 25 1 50 3 50 3 50 2 50 1 50 214 45 3 50 3 50 3 50 2 50 2 5012 25 1 50 3 50 2 50 2 50 3 5010 15 1 50 3 50 2 50 2 50 1 5010 35 1 50 3 50 1 50 2 50 2 5010 15 1 50 2 50 2 50 3 50 1 50 i*10 45 2 50 2 50 2 50 2 50 1 509 15 1 50 1 50 2 50 2 50 2 508 15 0 50 4 50 2 50 1 50 0 508 05 0 50 2 50 2 50 2 50 1 507 05 0 50 1 50 1 50 2 50 2 507 05 0 50 3 50 1 50 1 50 1 5015 45 3 50 4 50 3 50 3 50 2 50 0*12 25 2 50 3 50 3 50 3 50 1 50 012 05 0 50 5 50 3 50 2 50 2 50 011 35 2 50 2 50 4 50 2 50 1 50 011 45 3 50 2 50 3 50 2 50 1 50 010 35 1 50 3 50 2 50 2 50 2 50 010 35 1 50 3 50 2 50 2 50 2 50 010 45 3 50 2 50 2 50 2 50 1 50 010 45 2 50 2 50 2 50 2 50 2 50 09 15 1 50 2 50 2 50 2 50 2 50 09 15 0 50 3 50 3 50 2 50 1 50 09 15 1 50 3 50 1 50 2 50 2 50 08 05 0 50 3 50 2 50 1 50 2 50 0*8 15 1 50 0 50 3 50 2 50 2 50 0*8 05 1 50 3 50 3 50 0 50 1 50 08 15 1 50 2 50 2 50 1 50 2 50 07 25 1 50 2 50 2 50 1 50 1 50 07 25 0 50 1 50 3 50 1 50 2 50 07 45 1 50 2 50 1 50 1 50 2 50 07 05 1 50 2 50 2 50 1 50 1 50 06 25 0 50 2 50 2 50 1 50 1 50 06 05 0 50 2 50 2 50 1 50 1 50 06 15 1 50 2 50 2 50 0 50 1 50 0*9 45 2 50 3 50 2 50 2 50 0 50 08 45 1 50 2 50 3 50 2 50 0 50 08 35 2 50 2 50 2 50 2 50 0 50 08 35 2 50 2 50 3 50 1 50 0 50 07 15 1 50 2 50 2 50 2 50 0 50 0*5 15 1 50 2 50 1 50 1 50 0 50 04 45 1 50 1 50 1 50 1 50 0 50 01 05 0 50 0 50 0 50 1 50 0 50 07 25 1 50 3 50 3 50 0 50 0 50 06 35 3 50 2 50 1 50 0 50 0 50 04 05 0 50 2 50 2 50 0 50 0 50 03 45 2 50 1 50 0 50 0 50 0 50 00 15 0 50 0 50 0 50 0 50 0 50 0Total 1160 53 2400 107 2400 97 2400 71 2400 52 2400 1357


verheiratete Frauen 25-2925-29 30-34 35-39 40-44 45-49A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G.1145 3 50 3 50 3 50 3 50 1825 1 50 2 50 2 50 2 50 1735 0 50 2 50 2 50 1 50 2745 3 50 1 50 1 50 1 50 1605 0 50 2 50 2 50 1 50 11145 3 50 3 50 4 50 1 50 0945 3 50 1 50 3 50 2 50 0915 1 50 3 50 2 50 3 50 0835 1 50 3 50 2 50 2 50 0835 2 50 3 50 2 50 1 50 0845 1 50 3 50 2 50 2 50 0805 1 50 3 50 3 50 1 50 0


30-34 35-39 40-44 45-49A.F. G. A.F. G. A.F. G. A.F. G.05 0 5035 2 5035 1 5015 0 50505050501 50 11 50 01 50 00 50 0Total 385 15 750 29 750 20 750 3543verheiratete Frauen 35-39Total 105 7 150 4 150 1verheiratete Frauen 40-440 15 0 50 035452532250505012150505010*0verheiratete Frauen 45-4900050500Unvollständige Familien15-19A.F. G.8 15 07 05 16 25 14 25 120-24A.F. G.50505050verheiratete Frauen unter 2025-29 30-34 35-39A.F. G. A.F. G. A.F. G.505050502 50 22 15 12 15 10 50 040-44A.F. G.50 1 15 1Total 70 3 200 10 200 130 50 1 15 145^19A.F. G.verheiratete Frauen 20-24102550505035 1123550505025 1102550505005 183550505035 08255050256055050257255035525502532525005505050 0 35 0005505050 0 35 0Total 235 11 525 24 460 22 350 10 170 359


25-29A.F. G.30-34A.F. G.35-39A.F. G.40-44A.F. G.45^9A.F. G.42verheiratete Frauen 25-2935 135 150 235 150 1 05 0Total 70 2 85 3 50 1 05 0verheiratete Frauen 30-3435 1 50 0 50 045 3 50 2 15 125 2 50 2 15 135 2 50 1 25 045 1 50 0 25 035 0Total 185 250 130 35 0A. F. : Zeitdauer, die der Frau im entsprechenden Zeitraum für eine Empfängnis zur Verfügungstand (05 = '/ 2 Jahr, 50 = 5 Jahre). - G. : Anzahl Geburten.Tabelle 21 Altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffern in anderen Regionen (Ziffernpro 1000 Frauen) 5Alter der Frauen15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49Marbach(Ende 18. Jh.)Silenen 6(Ende 18. Jh.)Crulai 71674-1742Tamerville 81711-1792Tunis 91847-1854Trois villages 101740-1799Kanada 111700-1729381 449 435 385 298 202 42— 397 382 368 296 261 83320 419 429 355 292 142 10358 463 478 387 260 145 25408 468 434 380 303 169 11452 524 487 422 329 135 17493 509 496 484 410 231 305 Graphik 12.6 Bielmann 52.7 Ganiage 83.8 Wiel 152.9 Ganiage, Tunis.19 Ganiage 82.11 Henripin J., La Population canadienne; Ganiage 83.60


Die Altersgruppe der 20- bis 24jährigen vertritt die höchste Fruchtbarkeitsziffer,die in den folgenden Gruppen kontinuierlich fällt, bei der Gruppe der45- bis 49jährigen Frauen erreicht sie den Tiefststand; dieser entspricht der zudiesem Zeitpunkt natürlicherweise geringen und an die Grenze dauernderSterilität anstossenden Fruchtbarkeit. (Tabelle 20)Der ausserordentliche Aussagewert dieser Fruchtbarkeitsziffern besteht in derMöglichkeit, diese über alle Grenzen hinweg mit anderen Regionen zu vergleichenund damit ein eindrückliches Bild des Fruchtbarkeitsverhaltens historischgewordener Populationen zu erhalten. (Tabelle 21)Die Fruchtbarkeitsziffern von Marbach ergeben mit den Angaben aus derNormandie (Crulai, Tamerville), der Île-de-France (Les trois villages) und demUrnerland ein ziemlich einheitliches Bild.Am nächsten bei Marbach liegt Tunis. Nur gerade die beiden letzten Altersgruppentrennen die Entlebucher Pfarrei mit mehr als 19 bzw. 25 Prozent vomnordafrikanischen Gebiet. Die übrigen Daten liegen nie mehr als 7 Prozentauseinander. (Graphik 12)Die in den französischen Untersuchungen so intensiv erforschte Frage derGeburtenbeschränkung konnte in verschiedenen Regionen mit Ziffern ausfrüheren Perioden verglichen werden. Ganiage setzte den vor 1780 in denTrois villages geschlossenen Ehen die nach diesem Zeitpunkt eingegangenenNeuehen gegenüber und wies ein starkes Gefälle der Fruchtbarkeitsverhältnissenach 12 ; Henry konnte diese Erscheinung in der Genfer Oberschicht schonfür den Beginn des 18. Jahrhunderts nachweisen und konstatierte ein Übergreifenauf ländliche Gesellschaften nach dem Ausbruch der FranzösischenRevolution 13 .Eine solche Entwicklung kann in Marbach nicht festgestellt werden, denn freiwilligeGeburtenbeschränkung als allgemein gehandhabte Verhaltensweisezur Regulierung der Familiengrösse schlägt sich in einem starken Unterschiedder Fruchtbarkeitsgrössen nieder. Die Konzentration der wenigen geplantenGeburten in die ersten Ehejahre springt besonders in der graphischen Darstellungder altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern in die Augen: Malthusianische(geburtenbeschränkte) Ziffern ergeben eine sichtbar konkav verlaufendeKurve. 14 Die Marbacher Fruchtbarkeitskurve aber verläuft durchaus konvex,und das hohe durchschnittliche Alter der Frauen bei ihrer letzten Geburt 15lässt eine allgemein praktizierte freiwillige Geburtenbeschränkung als ausgeschlossenerscheinen.12 Ganiage 85f.13 Zum Stand der Forschung über die Geburtenbeschränkung: Guillaume, Poussou 177ff.14 Gautier, Henry 106; Henry, Manuel 89.15 Vgl. Tabelle 23.61


pro 1000Frauen600 TGraphik 12Altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffernin.Marbach, Silenen, Tunis, Crulai und Kanada500 i400 |300 1200 i100 4Eine Zusammenstellung der Fruchtbarkeit nach dem Heiratsalter und denAltersgruppen ergibt folgende Werte 16 :Tabelle 22 Eheliche Fruchtbarkeitsziffern nach Heiratsalter in MarbachAlter beiHeirat15-1920-2425-2930-3435-3940-4445^915-19 20-24381Alter der Frauen25-29 30-34 35-39 40-44 45-49429 343 270 236 155 0459 448 416 295 214 5465 357 265 163 36421 340 250 38666 2670670016 Graphik 13.62


Unter dem Vorbehalt der in verschiedener Stärke vertretenen Heiratsgruppen 17ergibt sich für die verschiedenen Alter eine Differenzierung : Die Fruchtbarkeitist in allen Altersgruppen (Ausnahme 15-19) gleich zu Beginn am grössten undsinkt in den jüngeren Altersgruppen (15-19, 20-24) weniger schnell als in dendrei Gruppen 25 bis 29, 30 bis 34 und 35 bis 39. Sehr hoch war die Fruchtbarkeitder drei zwischen 35- und 39jährigen, noch heiratenden Frauen. Eine davonbrachte ihr letztes und fünftes Kind noch im Alter von 47 Jahren zur Welt;die andern hatten ihre letzte Geburt mit 43 (4. Kind) bzw. 41 Jahren (3. Kind).pro 1000Frauen500 TGraphik 13Eheliche Fruchtbarkeitsziffern in Marbach(nach Altersgruppen und Heiratsalter)400 4-300 4-200 +15-1920-2425-29. . 30-34100 +15 20 25 35 50Von 87 Frauen, die vom 35. bis 39. Altersjahr noch 1 bis 3 Kinder geboren hatten,schenkten deren 70 vom 40. bis 44. Lebensjahr noch einmal einem Kinddas Leben, ja sogar eher zweien als nur einem, und 13 Frauen brachten im gleichenZeitraum in diesem hohen Alter sogar noch 3 Kinder zur Welt. Aus diesemallgemeinen Verhalten erklärt sich das hohe Alter bei der Letztgeburt :17 Die Heiraten verteilen sich auf die Altersgruppen wie folgt :15-19: 10 20-24: 48 25-29: 29 30-34: 14 35-39: 3 40-49:2Aussereheliche Geburten wurden bei den rekonstituierten Familien keine registriert.63


Tabelle 23 Alter der Marbacher Mütter bei ihrer LetztgeburtAlter Anzahl Geburten Alter Anzahl Geburten31 332 -33 434 -35 236 537 -38 539 540 1241 1142 1443 644 1145 946 447 548 2Das Durchschnittsalter bei der Letztgeburt liegt in den 98 Fällen bei 41,3 Jahren.64 Prozent dieser Geburten fielen in die Jahre zwischen 40 und 45.b) Die FamiliengrössenDer Quotient Taufen/Heiraten betrug in der Gemeinde Marbach von 1790bis 1810 5,07 Kinder pro Familie. 18 Entspricht diese unter Vorbehalt errechneteGrosse den tatsächlichen Gegebenheiten? - Die Rekonstitution der Familiengewährt eine Kontrollmöglichkeit und erlaubt weitere Differenzierungen.19Die durchschnittliche Kinderzahl in allen Familien ergab 6 Kinder, Mittelwertzwischen den vollständigen Familien mit 7 und den unvollständigen mit5 Kindern (vgl. Tab. 24). 6, 7, 8 Kinder waren die konstante Grosse einerMarbacher Familie am Ende des 18. Jahrhunderts. Extreme Familiengrössenwaren selten: 1 Familie zählte 15 Kinder, 7 Familien keine.Diese hohen Kinderzahlen waren eine Folge des frühen Heiratsalters zahlreicherMädchen, die für die Ausschöpfung ihres Fruchtbarkeitsvermögens einelangfristige Periode vor sich sahen. Dies geht aus der Tabelle, in welcher dieAnzahl der Geburten nach dem Heiratsalter (in den vollständigen Familien)zusammengestellt sind, noch deutlicher hervor (vgl. Tab. 25).18 Vgl. Kap. Die Entlebucher Familie, 3.2.19 Die zwei Familien, in welchen die Ehefrauen bei der Heirat über 45jährig waren (undkinderlos blieben), werden im folgenden nicht mehr berücksichtigt.64


Tabelle 24 Familiengrössen in Marbach am Ende des 18. Jahrhundertsvollständige Familien unvollständige FamilienGeburten Anzahl Anzahl Anzahl Anzahlpro Familie Familien Geburten Familien Geburten0123456789101112131415724108611161489751110283032306611211272907760131415FamilienTotalTotal 110 733 22 108 132 841mittlereGeburtenzahl 6,7 4,9 6,402261215121416920Geburten041036444578126128811107760131415Familiengrösse:0-4 Kinder5-9 Kinder10-15 Kindervollständige Familienin Prozent der Familien / der Kinder28,2 9,850,0 53,421,8 36,8alle FamilienFamilien Kinder31,049,219,8IM54,434,5Jene Ehefrauen, die zwischen 20 und 24 geheiratet hatten, gebaren im Durchschnittmehr Kinder als die der jüngeren Altersgruppe (15-19). Hier waren13 Kinder in einer einzigen Familie die höchste Zahl, während in der Gruppeder 20- bis 24jährigen nicht nur die Familien mit 14 und 15 Kindern anzutreffensind, sondern auch der grösste Anteil der 7, 8, 9 und 10 Kinder zählenden Familien.- Für die Frauen, die nach ihrem 25. Geburtstag heirateten, sank dieErwartung auf eine grössere Kinderschar. Für die 25- bis 29jährigen waren 7oder 8 Kinder bereits die obere Grenze, für die 30- bis 34jährigen gar nur 5,während jene, die sich nach ihrem 35. Lebensjahr vermählten, kaum mehrKinder gebaren und dies zu einem Zeitpunkt, da die in früheren Jahren Verehelichtennoch nicht daran dachten, zum letzten Male niederzukommen.Fertilität bedeutet nicht, Kinder gebären zu können, sondern die tatsächlicheNutzung dieser Möglichkeit, und wir wissen, dass die physiologische und psychischeBereitschaft, Mutter zu werden, mit steigendem Alter abnimmt.65


Tabelle 25 Familiengrössen in Marbach nach dem Heiratsalter der Frauen (vollständigeFamilien)Alter bei der HeiratAnzahl Kinder 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40- Total0 --41-271 1 1 - - - 22 __22--43 2 1 2 3 2 - 104 2 2 3 1 - - 85 1 1 3 1 - 66 1 4 5 1 - - 117 -862--168 -95---149 1 5 2 - - - 810 8 - 1 - - 911 322---712 _5____513 i _____ 1141511—"■ - — 11Anzahl Familien 10 48 33 14 3 2 110mittlere Kinderzahl 7,5 8,4 5,5 4,4 3,7 0Die Ehedauer wirkte auf die Familiengrössen nachhaltig ein. Die geringeAnzahl Ehen von kurzer und mittelmässiger Beständigkeit (bis 10 Jahre: 1%,bis 20 Jahre: 12%) Hessen die Marbacher Familien so kinderreich werden.Über 85 Prozent der Eheleute lebten länger als 20 Jahre miteinander.Die Geburtenfolge wurde dadurch in ihrem Ablauf ausserordentlich gesichert.Die Marbacherinnen brachten ihre Kinder vor allem zwischen dem 24. und41. Lebensjahr zur Welt. 20Die meisten Geburten fielen in das 31. Lebensjahr. Zwischen 27 und 34 wurdendie Frauen fast alle 2 Jahre schwanger. In dieser Zeit erhielten die Familienihren Hauptzuwachs.c) Die GeburtenfolgeEine Untersuchung der Abstände der einzelnen Geburten voneinander - mannennt sie die intergenetischen Intervalle - gibt uns die Möglichkeit, die weitverbreiteteMeinung, in früheren Bevölkerungen sei mit orthodoxer Regelmässigkeit«alle Jahre wieder» eine Kindsgeburt fällig gewesen, genauer zu verfolgen.Die Geburtenfolge konnte aber von einer Reihe wichtiger Faktorenbeeinflusst werden. Ausfallende Empfängnisse in Krisenzeiten, gesundheitlich20 Tabelle 20 und Graphik 14.66


Graphik 14. , . Alter der Marbacher Mütter bei der Niederkunftabsolut6017 20 25 30 35Alter der MütterGraphik 15Häufigkeit und Verteilung der Intervalle zwischenabsolut Eheschliessung und Erstgeburt in Marbach10 ..5 ..H—h-H—I—|—I—t—1—1- | 1—I ! »—H—l5 10 15Intervalle in Monatenbedingte Unpässlichkeiten und auch die hohe Säuglingssterblichkeit skandiertendie Intervallbereiche erheblich. 21Den Quellen des 18. Jahrhunderts kann man nirgends entnehmen, ob sich eineGeburt zu früh einstellte. Eine nach der Hochzeit zu früh erfolgte Erstgeburtmuss nicht auf eine voreheliche Empfängnis hinweisen. Aber ebenso unsicherist, ob es sich bei den Geburten, die vom normalen Geburtenintervall nach derHeirat abwichen, jeweils um Frühgeburten handelte. Um eine solche feststellen21 Tabelle 27; vgl. Kap. Die Säuglingssterblichkeit, 3.4 a).67


Tabelle 26 Alter der Mütter bei den GeburtenAlter1718192021222324252627282930313233343536373839404142434445464748vollständige unvollständige TotalFamilien Familien Geburten_ _ _2 1 33 2 57 4 1111 - 1118 3 2119 6 2521 6 2737 5 4232 7 3936 8 4437 2 3938 4 4232 7 3952 7 5933 6 3933 8 4135 6 4130 - 3040 6 4630 3 3335 3 3827 3 3032 2 3426 3 2925 1 2611 1 1212 - 1210 - 105 - 56 - 62 - 2zu können, müssten - nach aktuellen medizinischen Anforderungen - dasGewicht und die Körperlänge des Säuglings bei der Geburt bekannt sein.Angaben, die natürlich in den Pfarrbüchern nirgends zu erwarten sind. 22Die Geburt hing wesentlich von der Konstitution der Mutter ab. Eine gesunde,über dem Durchschnitt widerstandsfähige Frau konnte ihr Kind vor demneunten Monat ohne Komplikationen zur Welt bringen. Zur Eruierung einervorehelichen Empfängnis muss der neunte Monat deshalb aus der Betrachtungausgeschlossen werden.22 Weitere Möglichkeiten siehe Molz G., Der Wandel der Kindersterblichkeit, NZZ, 21. Sept.1969, Nr. 579 (260). Im Entlebuch war man zudem des Glaubens, wenn eine Frau zumerstenmal gebäre, schenke ihr die Muttergottes vierzehn Tage und lasse sie um so viel früherniederkommen. Müller 209.68


Tabelle 27 Intervalle zwischen Heirat und Erstgeburt und den späteren Geburten in MarbachIntervall-1 -2 -3-4-5-6 -7Ehefrauen unter 20-8 -9 -10 -11 -12 -13 -14 -15Alter der Frau EndeErst- derHeirat geb. Ehe4 21 21 20 21 32 22 27 20' 13 28 25 2910 24 26 23 23 22 20 19 22 36 5810 20 20 29 40 41 24 31 17 21 3215 15 23 23 28 51 29 41 29 12' 3533 26 37 34 32 33 37 29 59*20 38 37 35 26 19' 40 47*10 12 19 30 20 24 264 27 17 23 40' 94*17 18 34 34 16 487 24 51 66*27 19 19 2273 25' 30 16'39 24 2525 47 4419 20 182417 18 182618 19 184717 18 183917 20 185118 20 182019 19 181919 19 181717 18 181019 20 184517 19 181319 25 184018 21 183319 21 1847Ehefrauen 20-244 20 19 12 16 16 24 19 19' 12' 13 30 18 17 21 20 20 181812 17 11' 21 21 17 22' 31 17 15' 32 19 34 38 20 21 18479 14 18 13 12' 26 26 12' 23 29 26' 28 22 23 183010 15' 18 13 14' 23 26 31 36 20' 11' 31' 21 22 182210 29 20 20 28 21 29 26 28 17 26 25 22 23 182411 27 19 22' 22 18 22 43 17 32 39 11 22 23 183418 12' 10 15 12' 17 21 17 41 22 24 19 24 25 18209 13' 11' 23 48 24 25 18' 30 22 21 20 21 183731 12 12 30 18 20 18 16 19 25 33 21 23 18257 28' 18 29 11' 31 19 38 21' 40 23 24 1827* 8 12 22 23 23 29 27 41 21 19 22 23 18209 13 18 17 23 34 21 52 31 60 20 21 184010 34 30 28 35 31 21' 34 27 42 21 22 181711 15 17 31 31 21 19 32 38 86 23 24 183411 19 27 32 25 28 32 30 35 35 20 21 184813 14 20 22' 14' 17' 20' 41 17 61 21 22 183418 23 29 24 29 20 48 33 29' 43 20 22 185118 29 17 41 16' 12' 38 36 40 25 21 22 1817*48 9 5 15 24 15' 17 50 24 46 22 26 18179 27 24 27 41 28 31 40 22' 23 23 18179 28 30 28 22 26 32 29 48 20 20 184014 38 20 20 18 21 26 19 30 23 25 182915 22 18 24 39 22' 35 43' 29 23 24 182615 54 30 38 28 12' 33 11 44 23 24 183469


Intervall Alter der Frau EndeErst- derHeirat geb. Ehe-1 -2 -3-4-5-6 -7 -8 -9 -10 -11 -12 -13 -14 -153 12' 22 14 27 14 18 967 18 26 38 37 39 45 29'9 18 33 27 28 29 28 369 33 23 42 32 34 47 3611 15 25 19 34 23 21 63•15 25 12' 13 39 25 11 39 2517 17 25 23 23 44 41 5523 71 22 20 19' 43 21 3524 17 18 12' 21 30 53 80*27 20 16 18 19 22 25 2034 23 42 23 25 25 23 215 29 19' 49 28 26 2010 30 21 34 13' 40 44*12 14 19 23 24 23 1114 17 21 26 19' 18 2614 24 13' 33 45 60 82'18 33 31 16 37 35 4420 48 54 35' 21' 30' 3048 41' 18 30 58 48 2053 29 22 38 43 60 445 26 32 32 30 8314 18 13' 23 22 28*14 23 25 20 17 1815 28 30 42 33 4129 29 38 40 46 53* 9 19 26 37 3621 34 23' 36 5510 17 48 2912 94 27 539 16 36*13 19 3013024 24 185023 23 183521 22 182024 25 184421 22 183921 22 181824 25 184623 24 182723 25 183322 24 185020 23 184623 24 183124 24 185022 23 181122 23 185024 25 184222 24 184024 26 185222 26 184120 24 183423 24 182621 22 183424 26 180224 25 183722 25 183022 23 180723 24 182624 25 183420 21 182620 21 185022 23 179624 35 1828*24 1819*24 1834-1 -2 -3-4-5-6-7-8 -9 -10 -11Ehefrauen 25-2911 20 18 20' 25 14 22 21 18 22 5312 18 17 26 26 16 14 16 12' 13' 339 17 31 32 34 40 7 33' 3111 15 20 25 22 32 17 23 266 14 11' 31 15 12 13 269 30 17 55 33 13' 28' 4214 17 23 25 26 25 35 3723 37 19 12' 29 29 29 4027 18' 13' 22 21' 32 29 227025 26 183225 26 183525 25 183128 29 183129 29 183227 28 183426 27 183525 27 184826 28 1832


Intervall-1 -2 -3-4-5-6 -77 29 14 30 32 71 439 16 13 19 19 9 249 17' 25 21 21 19' 4310 19 40 26 52 55' 6225 21 31 25 22' 33 3048 36 29 35 36 46 1410 31 32 16' 50 7211 26 27 38 35 3713 27 28 23 34 27'17 16 20 16 87 3723 33 25' 16' 40 3212 14 30 61' 350 21 20 216 29 46 268 40 77 48*20 46 38 4611 93 3315 22 2015 1720 15'*34 522Alter der Frau EndeErst- derHeirat geb. Ehe25 25 185327 27 184526 27 185125 25 185425 27 182226 31 181629 30 182726 26 183626 27 183025 27 183726 28 182627 28 184325 25 182926 26 184026 26 181526 27 181227 28 182828 29 183725 26 181726 28 184226 29 179726 26 183423 182327 183528 183428 183928 1829-1 -2 -3-4-5-6 -7 -8 -9 -10Ehefrauen 30-341 12 12 11 12 21 14 24 19 1811 13 33 12 22 14 2033 45 18' 15' 12' 43 12* 8 24 26' 29 29 2716 20 27 25 23 25* 8 16 35 20 19* 8 22' 15' 41 1712 45 29 29 3114 24 26 23 4629 22 14' 24 2245 20 30 16* 9 37 5312 19 3412 25 5532 32 181031 32 181833 36 182530 30 180030 32 183432 32 181034 34 182431 32 183530 31 181533 35 183633 37 182431 31 180730 31 181334 35 183171


Intervall-1 -2 -3 -4 -518 71 4622 5643 52" 9'36Alter der Frau EndeErst- derHeirat geb. Ehe34 35 180831 34 181830 33 184230 31 181031 34 181433 1831Ehefrauen 35-3912 15 16 58 355 42 40'8 21 17'36 37 183435 35 181037 37 1833Ehefrauen 40-4443 1824Ehefrauen 45-49' = Intervall nach Hinschied des Säuglings innerhalb des ersten Lebensjahres.45 182149 1815Von 122 Erstgeburten traten in Marbach deren 16 vor Ablauf von neun Monatennach der Eheschliessung ein (13%). Drei Viertel von ihnen geschahen zwischendem vierten und siebten Monat nach der Heirat. In der gleichen Zeitkamen in Entlebuch auf 70 Erstgeburten 10 Prozent voreheliche Empfängnisse,in Schupf heim von 1700 bis 1719 auf 50 untersuchte Ehen 11 Prozent. Nachder geringen Zahl der ausserehelichen Geburten muss daher das relativ hoheAusmass vorehelicher Geschlechtsbeziehungen auffallen. Dabei dürfte dasSexualverhalten beim landesüblichen Kiltgang, den Pfarrer Stalder beschreibt,einige ausführlichere Erklärungen erübrigen. Der Brauch sei «in jedem freyenGebürge unsrer Schweiz», wo «das Volk noch leidenschaftlich nach jedemGebilde von Freyheit hascht» lebendig. Es geschehe selten, «dass nicht einpaarmal in der Woche, gewöhnlich am Donnerstag und Sonntag, das Mädcheneinen Gesellschafter bey sich hat, mit dem es die langen Nachtstunden mitund ohne Lampe in Liebe und freundlichen Gesprächen wegtändelt [...]Gefährlich um die Unschuld mögen immer derley Besuche seyn; nichts destoweniger hört man doch hie seltener von gröbern Unsittlichkeiten, wie im72


enachbarten Emmenthale, obwohl auch hier vor den Heurathen vieles erlaubtscheint, was nachgehends für ein Verrath an sich und der ehelichen Glückseligkeitgehalten würde.» 23Aussereheliche Kontakte bedeuteten nach alter Gewohnheit die Bereitschaftzur Eheschliessung. Das Eheversprechen hatte Rechtskraft 24 ; einer ausserehelichenEmpfängnis, die durch die Heirat legitimiert wurde, haftete deshalbwenig Anrüchiges an. So sagte ein 21jähriges Mädchen aus Schüpfheim vordem Verhörrichter aus, «der Josef (das Gschlecht wisse es nit, man sage ihmder Blunschi) hab gseit, seye minder Sund, wan man einander die Ehe verspreche».25Frühe Konzeptionen dürften im Verlaufe des 18. Jahrhunderts aber auch ausder Bevölkerungszunahme, dem Mangel an Heiratsmöglichkeiten für zahlreicheMädchen gefördert worden sein. Die Güterzersplitterung hatte ein bedrohlichesAusmass erreicht und bald die Zahl der Haushalte beschränkt. Bei derInterpretation der Ledigenziffer musste bereits auf das beschränkte Reservoiran Freistellen hingewiesen werden. Die Bereitschaft zu einer ausserehelichenEmpfängnis konnte daher eine Eheschliessung befördern. Aus den Gerichtsprotokollenerhält man dazu von enttäuschten Mädchen genügend Auskünfte.Zahlreiche erklärten vor Gericht, ihre Bereitschaft zu vorehelichem Geschlechtsverkehrhabe auf dem damit fest verbundenen Eheversprechen desPartners beruht. Ein Mädchen von Entlebuch verkehrte mit einem Ortsansässigen«aus Hoffnung Ihn zuo hürathen». 26Das Intervall zwischen Eheschliessung und Erstgeburt betrug im Durchschnitt16 Monate, auch unter Weglassung der Intervalle unter 8 und über 40 Monaten.27 Der neunte Monat steht erwartungsgemäss an erster Stelle, gefolgt vonden Monaten 10, 11 und 12.Unter Ausschluss der vorehelichen Empfängnisse geschahen 42 Prozent allerGeburten in den genannten Monaten. Fast die Hälfte aller Geburten fiel in daserste Ehejahr, und drei Viertel aller erstgeborenen Kinder kamen innerhalbder ersten 2 Jahre auf die Welt. - In Schüpfheim wurden von 1700 bis 1719in 50 Ehen 58 Prozent aller Kinder zwischen dem 9. und 18. Monat nach derHeirat geboren; in Entlebuch kamen am Ende des 18. Jahrhunderts in 70 Ehen54 Prozent der Erstgeburten zwischen dem 9. und 12. Monat zu Welt. - Hattedas allgemeine Mittel aller Erstintervalle in Entlebuch am Anfang des 18. Jahr-23 Stalder, Fragmente II, 4f.; I, 91 f.; Schnyder, Geschichte II, 165.Dem in obrigkeitlichen Mandaten geäusserten Vorwurf unsittlichen Verhaltens hielt dasVolk entgegen : «Die Herren verstehen das nicht : sie halten den Kiltgang nur deshalb für böse,weil sie nicht im Stande wären, auf ehrliche Weise bei einem Mädchen zu liegen.» Idiotikon 3,244; StA LU Seh 737, 4. Aug. 1766.24 Segesser II, 436f.25 StA LU Turmbuch, cod. 4725, 67 v; 29. März 1745.26 StA LU Turmbuch, cod. 4740, 183; 8. Juni 1747.27 Tabelle 28 (S. 74) und Graphik 15 (S. 67).73


Tabelle 28 Intervalle zwischen Eheschliessung und Erstgeburt in MarbachIntervall (Mte.) Anzahl Taufen Intervall (Mte.) Anzahl Taufen0 11 12 13 14 35 36 27 48 69 1510 1011 912 913 314 715 716 117 318 520 421 122 123 324 125 227 329 231 133 234 236 139 1über 40 : je lmal43, 45, 53, 73, 130; 48 (3mal)hunderts noch bei 18,5 Monaten gelegen, so betrug es 80 Jahre später nur noch13 Monate.Die jüngsten Ehefrauen brachten ihr erstes Kind nur selten vor dem ersten Ehejahrzur Welt, wie die folgende Aufstellung zeigt:Tabelle 29 Intervallabstand zwischen Eheschliessung und Erstgeburt nach Heiratsaltersgruppenin MarbachIntervall Ehe-Erstgeburt unter 208-11 Monatemehr als 12 Monate38Alter bei der Eheschliessung20-29 über 30 TotalTotal 11 75 20 106Die Erstgeburt fiel zwar auch für die andern Altersgruppen eher ins zweiteEhejahr, aber die Differenz zur ersten Geburt war geringer als für die jüngerenEhefrauen unter 20. Diese als «stérilité des adolescentes» andernorts beobachteteSonderheit trifft also auch für Marbach zu. 28Der Intervallabstand nahm zwischen der ersten und zweiten Geburt erheblichzu. Von 18 Monaten beim Erstintervall wuchs der Abstand auf 27 Monatefür das Zweitintervall, Entwicklungstendenzen, die französischen Regionendurchaus adäquat sind. J. Bielmann berechnete in Silenen für die gleichenIntervalle Abstände von 17 bzw. 27 Vi Monaten. 2928 Gautier, Henry 137.29 Bielmann 54; Ganiage 93; Gautier, Henry 139.7430457134066


Die Geburtsfolge wird durch eine Reihe wichtiger Faktoren unmittelbar beeinflussederen Bedeutung für ältere Bevölkerungen schwer abzuschätzen ist. -Nach der Geburt des Kindes wird eine neue Ovulation und Befruchtung vorerstdurch die Periode der Amenorrhoe verhindert. Wrigley nimmt an, dassdiese Dauer durch eine lange Stillzeit noch beträchtlich ausgedehnt werdenkann. In grossen Bevölkerungen variiere sie zwischen den Extremen von 4 und16 Monaten. Ein Monat sei das Minimum. 30 Das Wiedereinsetzen der Ovulationhängt von der Intensität der Fruchtbarkeit ab. Ob eine Frau während desersten Ovulationszyklus wieder empfangen wird, wird von der Häufigkeit desGeschlechtsverkehrs abhangen, Verhaltensweisen der Intimsphäre, über die wirnichts auszusagen vermögen. - Nicht nachweisbar im Ablauf der Geburtenfolgebleiben die Frühgeburten und Fötaltode. Nur in einem Fall von über800 Geburten konnte in Marbach ein Intervall von 5 Monaten gefunden werden,das eine offensichtliche Frühgeburt anzeigte. Ebensowenig können spontaneAborte belegt werden. Erst im 19. Jahrhundert tauchen in den Sterbebücherngelegentlich die Indikationen «foetus» oder «embryo» auf. Für frühereZeiten muss diese nicht geringe Zahl unterbrochener Schwangerschaften unberücksichtigtbleiben, obwohl nach Wrigley ungefähr ein Drittel aller Befruchtungendavon betroffen wurde. Fötaltode sind besonders in Zeiten von gestörtemLebensmittelangebot und den damit verbundenen Erkrankungen derMagen-Darm-Gegend anzunehmen. Der Rückgang der Konzeptionen könntedann möglicherweise auch auf eine Zunahme der Fötaltode zurückzuführensein. 31 Eine nicht ausgetragene Leibesfrucht, variierbare Stillzeit und andere,nicht näher belegbare Faktoren und Unpässlichkeiten im allgemeinen Gesundheitszustandeiner werdenden Mutter konnten deshalb auf die Intervallgrössenausserordentlich stark einwirken. - Für diese Berechnungen wurdennur jene Familien berücksichtigt, die sechs und mehr Kinder zählten. Ausserdemkamen nur vollständige Familien - insgesamt 73 - in Betracht, in denensich die Intervalle wie folgt verteilten :Tabelle 30 Verteilung der Geburtsintervalle in Marbach (mit Beispielen aus anderenRegionen)dritt- zweit- letzte1-2 2-3 3-4 4-5 letzte letzte GeburtTrois villages 32 19,8 23,4 23,3 25,9 27,0 29,1 35,2Crulai 33 24,1 26,9 27,7 31,3 32,0 31,9 39,7Sainghin-en-Mélantois 34 21,1 21,8 25,0 26,8 30,0 38,0Sotteville-les-Rouen 35 19,2 21,9 23,7 27,3 30,0Marbach 22,8 22,9 26,6 27,5 27,9 31,8 39,330 Wrigley, Bevölkerungsstruktur im Wandel 93.31 Vgl. Kap. Die Sterblichkeit in Krisenzeiten, 3.4 c); Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).32 Ganiage94.33 Gautier, Henry 141; Das Intervall Eheschliessung-Erstgeburt beträgt für Crulai 18,9,für Marbach 15 Monate. Die Kommastellen sind immer Zehntel.34 Deniel, Henry 285 (vollständige Familien).35 Girard 495.75


Die allen Regionen gemeinsame Steigerung der Abstände gegen Ende derFruchtbarkeitsperiode lässt den Schluss zu, dass die Fruchtbarkeit ausserdemnicht nur eine Funktion des Alters der Ehefrau ist; die Geburtenzahl selberkonnte durch eine Reihe wichtiger Faktoren beeinflusst werden. So hatte diehohe Säuglingssterblichkeit auf den Geburtenrhythmus erhebliche Auswirkungen.- In 54 Familien starben einzelne Kinder bereits während ihresersten Lebensjahres. Es ergab sich daraus, dass solche durchschnittlicheIntervallabstände nach einem Hinschied eines Kindes in allen Familien kürzerwaren als die normalen Intervalle. Je kürzer die Lebensdauer des erstenKindes, um so kürzer auch das intergenetische Intervall bis zur Geburt desnächsten Kindes.Dies ist auf das Wegfallen der Stillzeit zurückzuführen. Die Möglichkeit einerbaldigen neuen Schwangerschaft wurde dadurch begünstigt. - Die Reaktionsfähigkeitder betroffenen Frauen war dabei von grösster Wichtigkeit. Henrykonstatierte, dass die Zeitdauer des Wiederauftretens einer neuen Ovulationwesentlich die Fruchtbarkeit bestimmt und schloss daraus: «Ce sont lesfemmes à court délai de réapparition de l'ovulation plutôt que les femmes àforte fécondabilité, qui sont exposées à avoir beaucoup d'enfants.» 36 - DerOvulationsrhythmus verlangsamt sich mit dem Alter der Frauen; die letztenGeburtsintervalle nahmen daher zu.d) ZusammenfassungDie Fruchtbarkeit der Marbacher Ehefrauen in 134 rekonstituierten Familienkonnte wegen schlechter Qualität der Bücher in den anderen Gemeinden nurmit Ziffern aus fremden Regionen verglichen werden. Sie entsprach im allgemeinender in französischen Gebieten vor dem Aufkommen der Geburtenbeschränkungfestgestellten Fruchtbarkeit. In Marbach wurde am Ende des18. Jahrhunderts eine Geburtenbeschränkung allgemein nicht praktiziert. Indiziendafür sind sowohl die relativ hohen Fruchtbarkeitsziffern als auch dashohe Durchschnittsalter bei der Letztgeburt, welches mehr als 40 Jahre betrug.Die Fruchtbarkeit der Frauen unter 20 war auch in Marbach geringer als dieder 5 oder 10 Jahre älteren. - Diese sank natürlicherweise mit dem Alter derFrauen. Doch in Marbach machte eine grosse Zahl von ihrem Fruchtbarkeitsvermögenbis kurz vor der endgültigen Sterilität Gebrauch. - Im Alter von 20bis 30 Jahren brachten die Marbacherinnen innert 5 Ehejahren 2 oder 3 Kinder36 Gautier, Henry 153; Henripin hat die Abhängigkeiten zwischen Stillzeit und temporärerSterilität untersucht und für Kanada einen Prozentsatz von 40% Frauen erhalten, die währendihrer Stillzeit fruchtbar blieben. Henripin J., La fécondité des ménages canadiens, 85ff.76


zur Welt, von 30 bis 34 noch 2 und von 35 bis 39 zwischen einem und zwei,während es von 40 bis 44 noch eines war; zwischen 45 und 49 Jahren gebarennoch wenige Frauen ein letztes Mal.Die durchschnittliche Kinderzahl betrug 6 Kinder pro Familie und lag leichtüber dem errechneten Quotienten Taufen/Heiraten für die gleiche Zeit. Berücksichtigtman, dass nur Neuehen und keine Wiederverheiratungen in dieBerechnungen einbezogen wurden, so trifft der Quotient die durchschnittlicheKinderzahl ziemlich genau (5 Kinder).Bei den vollständigen Familien lag der Durchschnitt bei fast 7 Kindern, bei denunvollständigen bei 5. Fast die Hälfte aller Familien zählte zwischen 5 und9 Kindern. Die Ehefrauen, die zwischen 20 und 24 geheiratet hatten, gebarenam meisten Kinder (8 im Durchschnitt), während die jüngsten Frauen aufgrundihrer «stérilité des adolescentes» zwischen 7 und 8 Kinder zur Welt brachten.Mit zunehmendem Alter sank die Kindererwartung.Den Hauptzuwachs erhielten die Familien, wenn die Frauen zwischen 27 und34 Jahre alt waren. In dieser Zeit wurden sie fast alle zwei Jahre schwanger;nachher sanken die Geburtenzahlen ab. Aber noch fast ein Drittel der Frauen(vollständiger Familien) brachte trotz des verlangsamten Geburtenrhythmus dieletzten Kinder zwischen 40 und 45 zur Welt; viele Frauen nützten so ihr Fruchtbarkeitspotentialbis zur endgültigen Unfruchtbarkeit aus.Die 13 Prozent ausserehelich empfangenen Kinder ausgenommen, kamen dieersten in allen Familien vor dem Ende des zweiten Ehejahres auf die Welt.Dabei dominierten die Geburtsmonate 9, 10, 11 und 12 nach der Eheschliessung,in denen fast die Hälfte aller Erstgeburten vorkamen. Das Intervall zwischenHeirat und Erstgeburt betrug im Durchschnitt 16 Monate, dasjenigezwischen Heirat und erster Konzeption 7 Monate. - Das mittlere Intervallzwischen erster und zweiter Geburt war dann bedeutend höher als dasjenigefür die Erstgeburt. Im Mittel betrug es fast 27 Monate. Die physiologischenFolgen der Erstgeburt begannen einzuwirken : die Amenorrhoe, das Stillen unddie dadurch in der Regel auftretende zeitweilige Unfruchtbarkeit. - Bei denfolgenden Geburten vergrösserten sich die durchschnittlichen Intervallabständemit jeder Geburt, vor allem von der vorletzten zur letzten. Mit dem Alter derFrau und ihrer Beanspruchung durch die bereits geborenen Kinder neigte sichihre psychische und physische Verfassung immer mehr der endgültigen Kinderlosigkeitzu. - Die normalen Intervalle erfuhren in den Fällen eines vorzeitigenHinschiedes des Letztgeborenen eine bedeutsame Veränderung. Die Intervalleverkürzten sich. Durch das Ausbleiben des Stillens waren die Frauen für eineneue Schwangerschaft schneller bereit. - Bei der starken Kindersterblichkeitwar diese Reaktion nicht selten. Die Fruchtbarkeit hing dann wesentlich vomRhythmus der Ovulation ab, der bei den Frauen mit grösserer Kinderschareine wichtige Rolle gespielt haben muss.77


3.4 Die SterblichkeitDie Bedeutung der Mortalität für die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundertkonnte bereits in kurzen Zügen charakterisiert werden. Der Rückgangder Sterblichkeitsziffern wurde nur mehr in einzelnen, unterschiedlich verlaufendenKrisenjahren aufgehalten. 1 Diese Feststellung kann im folgenden näherbelegt werden, wobei allerdings die Qualität der Sterbebücher 2 den Umfangder Resultate bestimmt. - In der ersten Hälfte des Jahrhunderts fehlen die notwendigenVolkszählungen und auch diejenigen der zweiten Hälfte verunmöglichendie genaue Feststellung der allgemeinen Mortalitätsziffern, obwohl sienach Goubert die eigentliche Schlüsselfrage ist, «et comme le secret des structuresdémographiques de type ancien» 3 . - Verhältnismässig leicht war dagegendie Berechnung der Säuglingssterblichkeit; obwohl damit nur ein Teilsektor derallgemeinen Mortalität erfasst wird, kann dennoch Grundlegendes ausgesagtwerden. Denn die jüngste Altersgruppe musste unter gewandelten Bedingungenauf die Bevölkerungsstruktur nachhaltige Wirkungen ausüben.a) Die SäuglingssterblichkeitFür die Berechnung der Säuglingssterblichkeit musste wiederum auf Einzelverfahrenzurückgegriffen werden. - Mit Hilfe der Sterbebücher wurde dasAlter aller verstorbenen Kinder bei ihrem Tod rekonstruiert. Weil die Elterndes verstorbenen Kindes lange Zeit nicht mitaufgezeichnet wurden, war diegenaue Identifikation oft unmöglich. In der Auswertung des erarbeitetenMaterials musste daher die Bestimmung der Sterblichkeitsziffer nach Minimaund Maxima abgegrenzt werden: Einem verstorbenen Kind im Sterbebuchhatte die Geburt eines Kindes gleichen Namens im Zeitraum eines Jahres vorseinem Hinschied zu entsprechen. Sämtliche Auswertungen, welche dieserForderung genügten, konnten als Minima angesehen werden. Das Geburtsregisterenthielt aber hie und da mehrere Kinder gleichen Namens, was bei derDichte der Namen nicht erstaunt. Diese konnten keinen bestimmbaren Elternzugewiesen werden; die Identifikation des Alters beim Tod musste daher ausfallen.Daraus resultierte die Maxima-Ziffer. Nach der Einführung der Elternangabefielen die doppelten Angaben weg.In Marbach konnte die Säuglingssterblichkeit für den Zeitraum von 1730 bis1850, teils mit Hilfe der rekonstituierten Familien, teils durch die Rekonstitutiondes Alters nach den Sterbebüchern, berechnet werden. Danach verteiltensich die unter einem Altersjahr Verstorbenen auf die Geburtenzahl der betreffendenGeneration wie folgt 4 :1 Vgl. Kap. Das Erntejahr, 3.1 b).2 Vgl. Kap. Die Quellen zur Bevölkerungsgeschichte, 3.1.3 Goubert, Beauvais 38.4 Methode nach Henry, Manuel 122. - Graphik 16.78


250 ...Graphik 16Die Entwicklung der Säuglingssterblichkeitin Marbach von 1730 bis 1850200 1MaximaMinimaTendenz150 X130-4-1730 1750 1800 1850Tabelle 31 Säuglingssterblichkeitsziffern in Marbach (1730-1850)Generation Anzahl Geburten Anzahl Tote unter 1 Jahr pro 1000 Geburten1729-1738 3071739-1748 3731749-1758 3581759-1768 3731769-1778 4561779-1788 5301789-1798 5521799-1808 6851809-1818 6441819-1828 6611829-1838 5691839-1848 68169/7267/7857/6552/6366/6884/9610310910010398104225-235180-209159-182 5139-169145-149158-1811871591551561721535 Für die zu Hause Getauften musste hier infolge mangelhafter Angaben ein Mittelwertinterpoliert werden.79


Starben von 1730 bis 1789 von 1000 Neugeborenen 184 innerhalb des erstenLebensjahres, so waren es von 1790 bis 1848 noch 164 pro 1000. Diese sinkendeTendenz zeigt sich auch in kürzeren Perioden: Von 1730 bis 1769 starben imDurchschnitt 20 Prozent aller Säuglinge vor dem Beginn des zweiten Geburtsjahres,von 1770 bis 1809 noch 17 und von 1810 bis 1849 immer noch 16 Prozent.Von 1730/39 sank die durchschnittliche Sterblichkeitsziffer um fast 5 Einheitenauf den Tiefststand im Jahrzehnt 1760/69, stieg dann bis zum Ende des Jahrhundertswieder an, ohne aber die 20-Prozent-Grenze noch einmal zu überschreiten.- Nach 1800 wurde die Zahl von 16 Säuglingstoten pro 100 Geborenenur noch im Jahrzehnt 1830/39 übertroffen; in den übrigen Perioden lag dieZiffer zwischen 156 und 153 Promille.Die rückläufige Säuglingssterblichkeit ist nicht auf eine veränderte Verteilungder Mortalität innerhalb des ersten Lebensjahres zurückzuführen. Die Sterbefallefielen während der 120 Jahre immer einseitig in den ersten Lebensmonat,wie die folgende Zusammenstellung zeigt:Tabelle 32 Kumulierte Hinschiede innerhalb des ersten Lebensjahres in Marbach (1790-1850)PeriodeAlter beim Hinschied (Monate)0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 111790-1799 53 60 69 71 77 80 86 86 88 96 98 1031800-1809 67 74 77 80 87 90 95 102 103 106 107 1091810-1819 56 61 73 78 81 82 94 96 97 100 100 1001820-1829 53 57 68 76 81 83 94 95 96 102 103 1031830-1839 52 56 60 64 68 71 77 81 84 88 91 981840-1849 59 66 71 74 80 87 91 93 96 98 101 104Zwischen 50 und 61 Prozent der Todesfälle geschahen in den 6 Jahrzehnten imersten Monat, und innerhalb der ersten 30 Lebenstage dominierte der Geburtstagals häufigster Sterbetag:Tabelle 33 Kumulierte Hinschiede innerhalb des ersten Monats nach der Geburt in Marbach(1730-1850)PeriodeAlter beim Hinschied (Tage)0 1-6 7-13 14-20 21-291730-1739 27 32 32 33 351740-1749 16 19 20 24 281750-1759 17 23 25 28 281760-1769 13 15 21 25 261770-1779 25 29 30 32 341780-1789 25 31 35 35 361790-1799 31 39 45 50 531800-1809 45 55 59 63 671810-1819 41 46 52 55 561820-1829 30 33 38 44 531830-1839 26 33 39 48 521840-1849 36 46 55 56 5980


Mehr als die Hälfte der Säuglinge starb bereits am Geburtstag. Dieser Umstandwirft somit ein Licht auf die medizinischen Fortschritte im ausgehenden 18.und selbst noch in den ersten 50 Jahren des 19. Jahrhunderts. Noch in derMitte des vorigen Jahrhunderts konnte von Medizin und Hygiene, der Therapiegegen innere und äussere Todesursachen bei der Geburt wenig Hilfe erwartetwerden.Mit dem von Bourgeois-Pichat vorgeschlagenen Verfahren für die Bestimmungendogener und exogener Sterblichkeit kann die entlebucherische Situationverdeutlicht werden. 6 - Zu den endogenen Todesursachen sind Erbkrankheiten,Anomalien der Anatomie, Erkrankungen der Atmungswege, allgemeineSchwäche, Geburtsschwierigkeiten usw. zu zählen; unter die exogenen fallendie äusseren Umstände bei der Geburt (Geburtshilfe, Hygiene), Unpässlichkeitenin der Nahrungsversorgung des Kleinen, auftretende Infektionskrankheitenusf. - Bei endogen verursachten Hinschieden war die Medizin des 18.und 19. Jahrhunderts weitgehend machtlos; bei den exogenen konnten dagegender Geburtshelfer und ungenügend ausgebildeter ärztlicher Nachwuchs denTod herbeiführen. 7Die Verteilung der Hinschiede innerhalb des ersten Lebensjahres in den zweiPerioden von 1730 bis 1790 und 1790 bis 1849 ist aus der folgenden Tabelleersichtlich.Tabelle 34 Verteilung der Säuglingstoten auf das erste Lebensjahr in MarbachPeriode A 1730-1789Periode B 1790-1849Alter beim Anzahl der genaues Alter kumulierteHinschied Hinschiede (in Monaten) Hinschiede(in Monaten) A B A B0 187 340 1 187 3401 17 34 2 204 3742 27 44 3 231 4183 31 23 4 262 4414 20 33 5 282 4745 17 19 6 299 4936 10 44 7 309 5377 14 16 8 323 5538 26 11 9 349 5649 13 26 10 362 59010 17 10 11 379 60011 16 17 12 395 6176 Bourgeois-Pichat 53ff.; Henry, Manuel 134-137.7 «L'ignorance est plus meurtrière que la pauvreté.» Sauvy 84.81


Die Graphik 8 zeigt, dass die Zahl der vor dem ersten Lebensmonat Verstorbenenalle weiteren Daten überragt. - Die dem ersten Monat folgenden Sterbezahlenweisen nur noch geringe Schwankungen auf. Vielleicht ist die Zunahmeder Sterbefalle bis zum dritten (1730-1789) bzw. zweiten Monat (1790-1849)ein Indiz für den Übergang vom Stillen zu neuer Nahrungsgrundlage, von derdas Kleinkind nachteilig betroffen werden konnte. Das zweite Ansteigen derKurve in den Monaten 6 und 8 mag auf eine soziale Vernachlässigung zurückzuführensein, die der Säugling in dieser Zeit normalerweise erleidet und die aufeiner Überschätzung seiner Selbständigkeit beruht haben mag. - Auf der nachder Methode von Bourgeois-Pichat angefertigten Graphik 9 schneidet die verlängerteGerade die linke Achse in den Punkten 229 für 1790 bis 1849 und 100für 1730 bis 1798. Sie deutet damit die ungefähre Zahl der endogenen Todesfallean. 25 Prozent aller Säuglinge waren in der letztern Periode davon betroffen,im frühen 19. Jahrhundert waren es 37 Prozent.200 _150 ,.Graphik 17Verteilung der Hinschiede während demersten Lebensjahr in Marbach32,9=100 (Mittel aller Monate)Periode A100 ,.Periode B20>:ort—t—a "o" fe 7 fe y ill l'j. Monat8 Vgl. Graphik 17.9 Vgl. Graphik 18.82


Sterbefällekumuliert700 TGraphik 18Kumulierte Sterbefälle innerhalb des ersten Lebensjahresin Marbach zur Berechnung der endogenenTodesfälle600 ..500 ..1790-1849400300 ..200 .1006 7 8 9 2D R 12 MonatIm Laufe der 120 Jahre aber sank der Anteil der an exogenen Ursachen Verstorbenenvon 138 der ersten Periode auf 103 in der zweiten. Wie andernortsfestgestellt, blieb auch in Marbach die endogene Sterblichkeit unter der exogenen.Als Beispiele für das Verhältnis der beiden Sterblichkeiten seien angeführt:83


Tabelle 35 Endogene und exogene Säuglingssterblichkeitsziffern (Vergleichsbeispiele)endogene exogene Säuglings-Sterblichkeit Sterblichkeit sterblichkeitBretagne/Anjou 10 1790-1829 68 125 1931740-1829 85 143 228Sotteville-les-Rouen 85 160 245Région parisienne 1750-1789 96 134 230Marbach 1730-1789 46 138 184Marbach 11 1790-1849 61 103 164Der starke Rückgang der exogenen Sterblichkeit förderte den generellenNiedergang der Säuglingssterblichkeit, die in den anderen Gemeinden desAmtes - infolge schlechter Quellenlage - nur phasenweise nachgewiesenwerden kann.Tabelle 36 Säuglingssterblichkeitsziffern in verschiedenen Gemeinden des Amtes Entlebuchim 18. und zu Beginn des 19. JahrhundertsOrt Periode Zahl der Zahl der Ziffer proGeburten Säuglingstoten 1000 GeboreneEntlebuch 1750-1759 642 147/150 229-234Entlebuch 1760-1769 648 136/147 210-227Entlebuch 1770-1779 594 103/105 173-177Doppleschwand 1770-1779 210 32 152Escholzmatt 1784-1799 1553 294 189Escholzmatt 1790-1799 964 193 200Doppleschwand 1790-1799 222 31 140Romoos 1790-1799 551 90 163Entlebuch 1810-1819 782 139 178Entlebuch 1820-1829 893 147 165In der Pfarrei Entlebuch ist die Entwicklung besonders eindrücklich. Zwischen1750 und 1780 sank die Sterblichkeitsziffer um ganze 6 Einheiten von 23 auf17 Prozent Säuglingstote. Die anderen Gemeinden, in denen die Untersuchungauf lange Sicht leider nicht verfolgt werden konnte, fügen sich durch die Einzelergebnissebrauchbar in das Gesamtbild ein.10 Angaben bei Lachiver 199.11 Nach Henry sollten die Totgeborenen von der Berechnung der endogenen Sterblichkeitausgeschlossen werden, da diese die Zahl unter Umständen zu stark erhöhen. Die SterbebücherMarbachs verzeichnen aber sehr selten eine Geburt als Totgeburt, so dass eine diesbezüglichegenaue Feststellung der Sterblichkeit auf Lebendgeborene nicht durchgeführt werdenkonnte. Henry, Manuel 137.84


Tabelle 37 Säuglingssterblichkeitsziffern im Amt Entlebuch im 18. und zu Beginn des19. Jahrhunderts 12Periode Ziffer (pro 1000)1730-1760 2171760-1790 1821790-1820 1781820-1850 165Die Entwicklung der Mortalität, wie sie aus der Betrachtung der Säuglingssterblichkeitersichtlich ist, beeinflusste das Bevölkerungsverhalten im 18. Jahrhundertwesentlich. 13 Da medizinische Einflüsse an der Entwicklung der Mortalitätkaum beteiligt waren, müssen wir nach anderen Ursachen suchen, welchedie positive Entwicklung begünstigten.Ziemlich sicher spielte die allgemein veränderte, gesündere und damit widerstandsfähigeKonstitution der Mütter eine Rolle, da die Nahrungsmittelgrundlagenim 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts generell gesichert waren. 14Schwere Krisenjahre mit ungenügendem Nahrungsmittelangebot traten ja -vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte - nur mehr selten auf. 15 Das Vorkommeneinzelner Krisenjahre unterstreicht deren Einwirkungskraft auf dieMütter: Bei solcher Gelegenheit stieg neben der Zahl der sterbenden Kinderauch die der Säuglinge an. Auch die Zunahme der Notgetauften erklärt denwichtigen Zusammenhang zwischen Nahrungsgrundlage und Lebenschancedes Neugeborenen. 16 Man weiss, dass in Zeiten der Not die Empfängnisse zu-12 Immer unter Berücksichtigung aller möglichen vorhandenen Daten. Für die Berechnungder Säuglingssterblichkeit wurden demnach insgesamt 13248 Geburten untersucht und 2387Hinschiede während des ersten Lebensjahres identifiziert.13 Vgl. dazu auch das Kap. Zur Entwicklung der allgemeinen Sterblichkeit, Lebenserwartung,3.4 f).14 Vgl. Kap. Die Einführung der Kartoffel, 4.4 e).15 Vgl. Kap. Das Erntejahr, 3.1 b); Die Sterblichkeit in Krisenzeiten, 3.4 c).16 Zu Hause getaufte Kinder in Krisenzeiten:Marbach: 1730 1 1772 4 Romoos: 1795 1 Escholzmatt: 1790 11731 4 1782 0 1796 5 1791 61732 2 1783 5 1797 6 1792 41770 2 1784 4 1798 6 1793 91771 5 1794 1Säuglingssterblichkeit in Escholzmatt (pro 1000 Neugeborene):1784 184 1787 90 1791 190 1795 172 1798 2381785 130 1788 201 1793 219 1796 163 1799 2651786 68 1789 309 1794 180 1797 258Berechnungsmethode nach Henry, Manuel 119.85


ückgingen. 17 Wurden die schon schwangeren Frauen zusätzlich von einer Ernährungsnotlageüberrascht, so wirkte sich diese auf die kommende Geburt aus,und wenn auch das Kind ohne Komplikationen zur Welt gekommen war, soverringerten die momentanen Umstände seine Lebenserwartung beträchtlich.Die unglückliche Zeit der ersten Lebenstage und Monate konnte immer nocheinen frühen Kindertod befördern, vor allem dann, wenn das Kleinkind balddie Wirkung weiterer Krisenjahre ein neues Mal zu spüren bekommen sollte.Trotz der verbesserten Lebensgrundlagen war die Säuglingssterblichkeit aucham Ende des 18. Jahrhunderts noch hoch und man darf annehmen, dass die verschiedenenBevölkerungsschichten unterschiedlich hart betroffen wurden. Diesoziale Ungleichheit hatte auch eine Ungleichheit der Lebenserwartung zurFolge; und die existenziellen Verhältnisse in Nahrung, Wohnung und Kleidungeinschliesslich der psychischen Bedingungen steigerten die Mortalität in denärmeren Teilen der Bevölkerung beträchtlich. 18b) Die Entwicklung der KindersterblichkeitÜber die Entwicklung der Kindersterblichkeit während des 18. Jahrhundertssind lediglich sehr allgemeine und vorsichtige Aussagen möglich. - Das Alterder Kinder bei ihrem Hinschied ist in den Sterbebüchern nur in den letzten20 Jahren des Jahrhunderts verzeichnet; davor wird nur mit der Indikation«infans» auf die Altersgruppenzugehörigkeit des Verstorbenen hingewiesen.Dem Kindesalter wurde zugerechnet, wer die Kommunion noch nie empfangenhatte. Die Kindersterblichkeitsziffern beziehen sich also auf Kinder, die sicherlichjünger als fünfzehnjährig waren. Wegen der mangelhaften Methode derMortalitätsberechnung können die Zahlen allerdings kaum als Vergleichsgrössendienen. Die Berechnung versucht lediglich, die allgemeine Entwicklunganzuzeigen.Eine Untersuchung der Sterblichkeit nach Geschlechtern ergab für 1096 inMarbach von 1730 bis 1799 verstorbene Kinder einen Anteil der männlichenToten von 55 Prozent. Die höhere Mortalität der Buben ist eine allgemeineErscheinung; damit wurde die Sexualproportion, die nach unseren Erhebungenzwischen 103 bis 105 Knaben- auf 100 Mädchengeburten ergab, wieder ziemlichausgeglichen.Die Entwicklung der Kindersterblichkeit kann in der Gemeinde Entlebuch gutverfolgt werden :17 Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).18 Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).86


Tabelle 38 Kindersterblichkeitsziffern in verschiedenen Gemeinden des Entlebuchs (18. Jahrhundert)1690- 1740- 1750- 1760- 1770- 1780- 1790-1699 1749 1759 1769 1779 1789 1799Entlebuchmittlere Geburtenzahl 385 581 644 644 595verstorbene Kinder (0-15) 166 236 223 255 183Sterblichkeit (in Prozent) 43 41 35 40 31Schüpfheimmittlere Geburtenzahl 990 946 927 888verstorbene Kinder (0-15) 216 301 188 353Sterblichkeit (in Prozent) 22 32 20 40Haslemittlere Geburtenzahl 350 377 399 450verstorbene Kinder (0-15) 108 122 104 169Sterblichkeit (in Prozent) 31 32 26 38Romoosmittlere Geburtenzahl 545verstorbene Kinder (0-15) 193Sterblichkeit (in Prozent) 35Von 100 Geborenen überlebten von 1690 bis 1699 nur 57 den 15. Geburtstag.Fast die Hälfte der Kinder starb, ohne erwachsen geworden zu sein. GoubertsBemerkung zu dieser charakteristischen Bevölkerungsweise des 17. Jahrhundertsgilt für das Entlebuch ohne Einschränkung: «Two births were necessaryto produce an adult.» 19 - Fünfzig Jahre später stieg der Anteil der Überlebendenvon 59 (1740-1749) auf 65 (1750-1759) und 69 (1770-1779). - In Schüpfheimerreichten zwischen 1780 und 1789 von 100 Kindern 80 das 15. Altersjahr,in Hasle 74.Das bedeutete eine sprunghafte Zunahme der Lebenserwartung. Ein Vergleichzwischen den beiden Sterblichkeitsgrössen (Säuglings- und Kindersterblichkeit)macht klar, dass besonders das erste Lebensjahr die schwierigste Hürdedarstellte, während die älteren Kinder vor allem in Krisenjahren durch epidemischeInfektionskrankheiten gefährdet waren. Blieben Krisenjahre für grössereZeiträume aus, zeigt sich sofort eine sinkende Tendenz der Kinder- wieauch der Säuglingssterblichkeit. - Sichere Nahrungsmittelgrundlage machtedie Kinder resistenter und lieferte ihnen eher immunisierende Abwehrkörper.19 Goubert, Recent theories and research in French Population between 1500 and 1700,468.87


c) Die Sterblichkeit in KrisenzeitenDie demographischen Krisen, von denen bisher so oft andeutungsweise dieRede war, nehmen im Kapitel der Mortalitätsgeschichte eine zentrale Stellungein. - Die Frage der Häufigkeit und der Intensität der Notzeiten und ihre Auswirkungenauf die demographischen Komponenten ist einer der Angelpunktedieses Bevölkerungskapitels.Jean Meuvret sind Hinweise auf die Zusammenhänge, die demographischeKrisen bedingen, zu verdanken. 20 Er hat die Relationen zwischen Ernteerträgenund allgemeiner Preissituation untersucht und interpretierte ihre Auswirkungenauf die Bevölkerungsentwicklung. - Anhand der genannten Komponentenlässt sich die Mechanik einer demographischen Krise bis in ihre Einzelheitenund Abhängigkeiten verfolgen. Die wesentlichen Erscheinungsformen einerKrise seien vereinfachend vorgestellt :a) Hohe Sterblichkeit, unauffälliges Absinken oder Stagnation der GeburtenundHeiratszahlen, normale Preissituation (vor allem der Kornpreise)lassen die Krise als eine epidemische definieren.b) Hohe Sterblichkeit, absinkende Heirats- und Geburtenzahlen während derKrise und sprunghaftes Ansteigen der Preise für kürzere oder längere Zeitergeben das Bild einer eigentlichen demographischen Krise, die sich alleinschon durch eine auffallige Baisse der Konzeptionen anzeigen kann undgefolgt ist von einer temporär heftigen Gegenbewegung der drei Komponentenunmittelbar nach der Krise: äusserst geringe Sterblichkeit, mehrEheschliessungen und Geburten.Selten erscheinen die demographischen Ereignisse in dieser vereinfachtenForm; die epidemischen und demographischen Krisen können sich gegenseitigdurchaus bedingen. - Selbst die Pestepidemien, die wie Blitze in das Bevölkerungsgefügeeinschlugen, wurden oft durch wirtschaftliche Voraussetzungenbegünstigt. Schlechte oder ungenügende Nahrung schwächte die Resistenzweiter Bevölkerungskreise, und unter diesen Umständen setzte ein ganzesKarussell von Reaktionen ein, welches die Schlagkraft der Epidemie noch weitersteigerte : Von Hunger und Panik getrieben, bewegte sich ein Zug verstörterund notleidender Menschen in andere, unverseuchte Gebiete, um dort Schutz,Brot und Arbeit zu finden. Auf ihrer Wanderung steckten sie weitere Leute anund brachten auch diese ins Grab. 21Die Modelle solcher Bevölkerungskrisen enthalten als wichtigen Indikatordie Preise, welche in diesen Notjahren vor allem für Korn, Weizen und anderewichtige Lebensmittel bezahlt werden mussten.Für die Feststellung der Relationen zwischen den Preislagen und der demogra-20 Meuvret, Les crises de subsistances et la démographie de la France d'ancien régime;vgl. auch Ruwet, Crises de mortalité et mortalités de crise.21 Vgl. Kap. Grobauszählung, 3.1 a); Piuz A.-M., La Disette de 1693/94 à Genève; eadem,Alimentation populaire et sous-alimentation au XVIIe siècle. Le cas de Genève.88


phischen Situation sollen daher einige kurze Bemerkungen über dieses Problemeingefügt werden. 22In der Skala der Preise der wichtigsten Lebensmittel ist eine ebenso lebendigeund ausserhalb einer gesetzesmässigen Korrelation stehende Bewegung wie inder Entwicklung der demographischen Komponenten festzustellen. - AlsBarometer für die Preisentwicklung eignen sich Korn/Weizen besonders gut,da sie - als eines der Hauptnahrungsmittel der Zeit - krisenanfällig undseismographisch empfindlich, von Missernten und anderen Ereignissen, die dieMarktlage verunsicherten, gestört werden konnten. Ein nervöses Auf und Ab,skandiert von extrem hohen und tiefen Punkten, kennzeichnet die Ausbildungder Korn- und Haferpreise im 18. Jahrhundert. 23Je nach dem Grad der Abhängigkeit vom Ertrag ihrer Beschäftigung ist eineBevölkerung den Veränderungen dieses Ertrages unterschiedlich stark unterworfen.- Da die Landwirtschaft die Hauptquelle für die Beschaffung derlebensnotwendigen Mittel bildete und die Selbstversorgung noch eine hervorragendeBedeutung hatte, wurde im Entlebuch die Bevölkerungsweise durcheine «latente Spannung des generativen Verhaltens gegen den ökonomischenNahrungsspielraum» geprägt. 24Wie oft und wie stark die Bevölkerung von kurzfristigen und extrem hohenGetreidepreisen betroffen wurde, zeigt Graphik 23. Vergleichen wir sie mit derListe der demographischen Krisenjahre, dürfen mit grosser Wahrscheinlichkeitetliche Versorgungskrisen genauer datiert werden. 25 Am Beispiel einigerlokaler Krisen soll der Wandel ihres Charakters beschrieben werden.In Entlebuch hatten die Missernten in den 90er Jahren des 17. Jahrhundertsauf die Bevölkerungsentwicklung nachhaltige Auswirkungen. 26 Das natürlicheBevölkerungsdefizit der Jahre 1690 bis 1694 betrug in der Pfarrei 61 Einwohner.In den vier Jahren vor 1690 hatte der natürliche Bevölkerungszuwachs110, den vier Jahren nach der Krise 51 Einwohner mehr gebracht. Der Bevölkerungsverlustvon 1690/93 war aber erst 8 Jahre später wieder aufgeholt.In Entlebuch, Hasle und Romoos mussten zu Beginn der 40er Jahre ausgeprägteKonzeptionsverluste konstatiert werden. Die hohen Todeszahlen in denMonaten Oktober 1741 und Dezember 1742 in Entlebuch waren die Folge desauch in andern europäischen Regionen festgestellten harten Winters und diedaraus entstandenen Krankheiten und Epidemien. 27 - Im Januar 1740 hattedie Kältewelle ein solches Ausmass angenommen, «dass sie jene von 1709 übertraf.Das Therme fiel in Deutschland auf 16, zu Danzig auf 18, zu Upsal auf20/4, zu Petersburg auf 25 Grad. Die lange Dauer dieses kalten Winters ver-22 Ausführlicher im Kap. Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert, 5.3.23 Graphik 21.24 Mackenroth, Bevölkerungslehre 120. - Vgl. Kap. Der Ackerbau, 4.4, für die Bedeutung derSelbstversorgung.25 Vgl. Kap. Das Erntejahr, 3.1 b).26 Vgl. auch die Arbeiten von A.-M. Piuz (Fn 21).27 Bielmann 34ff.; Helleiner 85; Habakkuk 279.89


doppelte den Schaden. Den 1. März waren noch alle Flüsse gefroren [...]Erst der 25. April öffnete endlich die 3 Ellen tief gefrorene Erde.» Die Bäumebegannen erst Ende Mai zu blühen. Der August war massig warm und es fielhäufig Regen. Man befürchtete schon «allgemein eine fürchterliche Theurung.Hernach aber ward die Witterung sehr fruchtbar.» 28 Im Entlebuch hatte man1742 «keinen Frühling», schreibt Schnyder; «das Blust kam erst ausgehendesMay hervor und ward den 7ten Junii durch einen Hagel noch halb abgeschlagen».29In Eschohmatt, wo 1743 ein Bericht über Wasserschäden aufgenommen wurde,damit die Möglichkeit des Erlasses der Zinsgelder für die besonders hart Betroffenengeprüft werden konnte, hatten zahlreiche Einwohner die Auswirkungeneines Unwetters für das laufende und das nächste Jahr erfahren müssen. -Einige Auszüge aus diesem Bericht veranschaulichen die Brutalität eines Ungewittersfür die Versorgungslage der betroffenen Bauern 30 :«Das grosse Wiggenguth hat es von oben bis an die Ilfis zimlich starck versarret, der obersteTheil, so des Hans Portmanns sei. Erben weniger [...], den dritten aber zum grösseren Theilgar starck, doch aber weilen es wenig grosse Stein übertragen hat und alles nur Sand undSchlamm, so ist es mit mühesamer Arbeit bis über ein Jahr alles widerumb in vorigen Standzu setzen. In disem Land, sonderbahr aber in dem ander niedersten Theil, hat es das Heütheils in Grund gelegt, theils auch das schon gemachte verschwempt und ohngefahr halbeFrucht verherget. Obenhero hat es denen Früchten geringen Schaden zugefüögt. Hingegenaber im gar understen, dessen Besitzer Jos. Stadelmann, hat es vast alles nebst allen Wuohrenan der Ilfis verherget, so dass er aussert grosser Müöhe über Jahr nichts zu hoffen hätte undnichts vermag [...]In dem Wiggermülliguth hat es alles mit Schlam und Sand überschwemmt, so dass man keinHeü noch Embd nuzen kan, und von zwey Jucharten nit mehr als etwan den Saamen bekommenwird [...]Im Dorenbachgut under Cröschenbrunnen hat die Ilfis etwan vier Jucharten so hoch mit Sandund Morast überleget, das ein paar Jahr kein Nutzen darvon zu beziechen ist [...]Im Buffig gegen Marbach ob dem Rämisbach hat die Ilfis von oben bis an das End alles mitSand und Morast überschwemmt, dergestalten, dass aussert der Frucht / j<strong>edoc</strong>h annoch geschädiget/ für dis Jahr wenig Nutzbarkeit zu beziehen. An dem End hat sich der Rämisbachdarzugeschlagen und in der Vereinigung der Ilfis ein grosses Stuck Land mit Grien überschüttet,an welchem Orth zugleich ein Acker von 2 Tag Garsten und Weitzen völlig überdeckt undohngefahr % Land aus dem Grund hinaus gestossen worden [...]In dem oberen Theil Obacker ist der Rothbach, so von den Alpen Rothenfluh herabfallet,eingebrochen und hat im obersten Theil ein grosse Jucharten mit Steinen dergestalten überfüllet,das der Besitzer in villen Jahren nit mehr imstand sein wird, solches widerumb fruchtbarzu machen, das Heü hinweggeschwemmt und die Frucht von einem halben Viertel Saamen ligtunder den Steinen [...]Im Schächli unden an denen Rottgüttern ist die Ilfis mit allem Gewalt, grossen und kleinenSteinen, Grien und Morast eingebrochen, hat durch die gantze Matten hinab breite undtieffe Gräben aufgebrochen, den guten Herd vertragen, und das Land mit Steinen, Grien undUnrath überfüllet, wordurch Heu 2/3 und die Frucht vast gantz in Grund verherget [...], dasHaus, welches in Mitte des Durchbruchs gelegen und in eüsserster Gefahr der Wegschwemmunggestanden, mit Morast angefüllt, die Tillenen eingesenckt, den Offen eingeschlagen, unddie vorräthige Speis sambt dem Brönholtz, Bettgewand und einigen Kleidern vertragen [...]»28 Witterungsannalen vom Jahr 1729 bis 1759 inclusive (von Dr. Segesser), ZBL Ms 443/40.29 Schnyder, Geschichte I, 141.30 StA LU Seh 489.90


Die Missernte in Entlebuch hatte aber nur eine geringfügige, kurzfristignegative Auswirkung auf den natürlichen Bevölkerungszuwachs. In den Jahren1741 bis 1742 war die Bevölkerungszunahme wohl defizitär (minus 11, Erntejahr1741/42 bis 1742/43 : minus 25), aber in den folgenden vier Jahren (1744 bis1747) nahm die Bevölkerung um 47 Personen zu: Fast ein halbes Jahrhundertfrüher hatte die Krise von 1690/93 erst nach 8 Jahren ausgeglichen werdenkönnen. Die seit den späten 30er Jahren hohe Fruchtbarkeit und die Entwicklungder allgemeinen Sterblichkeit verringerten die im Vergleich zu früherenKrisenjahren langdauernden Auswirkungen beträchtlich.Die hohen Totenzahlen von 1756 bis 1758 in Entlebuch waren die Folge einerallgemeinen Grippeepidemie. Dr. Lang, vom Sanitätskollegium beauftragt, dieUrsachen der Krankheit festzustellen und ihr Auftreten zu diagnostizieren,berichtete: «Er habe vernommen, dass in diesem Kilchgang seither demMonath December über 65 Persohnen seyen verwahret worden, von welchen28 gestorben seyen. Die Kranckheit seye bestanden in hitzigen Fieberen mit -und ohne - stich, auch hitzigen Gallenfieberen, welchen das Aderlassen undkühlende Mittel zum besten gethan hätten: die meiste Krancken seyen von demMr. Matthias Mengis 31 mit bestem Erfolg tractiert worden.» - Gleichzeitigseien in Marbach Fälle von Lungenentzündung aufgetreten, von denen alleAlter und Geschlechter angegriffen worden seien. Zuerst habe man Fröste,dann Hitze und Husten feststellen müssen; «bey villen verlohre sich das Gehör»,diese seien dann auch meist gestorben. «Seit St. Johann Baptisten Dagseien 116 Persohnen kranck gewesen, von welchen 26 gestorben; gleichvieleseien noch kranck, davon würden auch noch einige sterben.» Schüppach inLangnau 32 habe die Krankheit als Fleckfieber diagnostiziert. - Ausserdemhabe er - Lang - die Marbacher Josef und Franz Stadelmann, die nicht demKollegium der Mediziner angehörten, nach deren Medikamenten befragt.Diese hätten schweisstreibende Mittel und aufweichende Getränke verschrieben.Er selber führe die Krankheit auf die grossen Temperaturschwankungenzurück, und habe als Rezepte Aderlassen, Fleisch, Gerstenbrühen und dünngesottene Eier zur Anwendung empfohlen. Allerdings bestehe die Gefahr, dassdie Patienten, wenn sie innerhalb weniger Tage keine Besserung verspürten, einfachden Arzt wechselten. 33 In anderen Rezepten wiesen die Ärzte auf unzureichendeNahrung hin und verschrieben grünes Gartengewächse, Obst,Frischfleisch und frisches Brot, dies im anbrechenden Frühling, als die Vorräteder letzten Ernte zur Neige gingen und die ungenügenden Konservierungspraktikenden Nährwert und die Essbarkeit wichtiger Nahrungsmittel verminderten.Besonders die armen Bewohner verfügten über das von den Ärztenund Dorfchirurgen verschriebene Quantum Lebensmittel zu dieser Zeit kaummehr: «Das Fieber greift gern diejenigen an, die durch ihre schwächliche31 Michel 273, 277.38 Fetscherin.33 StA LU Seh 742.91


Leibesbeschaffenheit jenem ausgesetzt sind», heisst es in den geläufigen Rezeptbüchern.34Das Ende der 60er Jahre und die beiden ersten Jahre des siebenten Dezenniumswurden nun die schwerste Krisenzeit, die die Entlebucher während des 18.Jahrhunderts durchzumachen hatten. An der Krise von 1770/71, ihren Ursachenund Auswirkungen auf die Bevölkerung, soll nun, beispielhaft für die einzelnenlokalen Krisen während des Jahrhunderts, der Einfluss einer Nahrungsversorgungskriseauf die demographischen Ereignisse verdeutlicht werden.d) Das Jahr 1770/71Die Krise von 1770 bedeutete die Kulmination einer Reihe äusserst schlechterErnten. Bereits seit 1765 gingen die Erträge zusehends zurück; die Pfrund inEntlebuch habe nur 1400 Gl eingebracht, klagte der Pfarrer 35 , «weil den 15.Brachmonat ein grosser Hagel vom Schüpferberg an über dass Rothmooss,Kriens und weiter alles erschlagen, dass die Gersten von neuem zweyen 36müssen und dass lange Regenwetter, welches am 14. dito durch einen Wolkenbruchalle Stege fortschwemmte, auch die Feldfrüchten aller Orthen dünne undschlecht gemacht». Bereits diese Ernte hatte einen starken Anstieg der Getreidepreiseim Frühjahr 1766 zur Folge. - 1768 hatte Mitte August ein Hagelwettererneut die Ernte schwer getroffen. Am 28. August, «nachts vor 3 Uhr, fielHagel von Hassle, Eck, Lipperen, Homberg bis an die Riseten Alp; ehe einLiecht angezündet ware, waren im Hauss für 5 Gl Scheiben eingeschlagen»;der Pfarrer «litte im Zehnden über 100 Gl, da sonst die Gersten sehr wohlgerathen». 1769, «da fiell am hl. Rochustag (16. August) ein Hagel vor 2 UhrNachmittag von Reherzen und von Romoos und ganz Doplischwand [...],der im Embd und Feldfrüchten grossen Schaden verursachte [...] Ist auch anübrigen Orthen wegen villem Regenwetter und noch häuffigerm Hagel inBerner- und Freiburgergebiet ein Misswachs und Theürung gewesen.» - Währendder Pfarrer seine Erdäpfelzehnten nach dem Neujahr 1770 für 10 Schillingverkaufte, forderten die Bauern für das Halbviertel bereits 18. - Die Verhältnissenahmen während des Erntejahres 1770 katastrophale Ausmasse an. Diemeteorologischen Bedingungen im Frühjahr Hessen das Schlimmste erwarten :«Fiell die drey ersten Monat Jenner, Horner und Merz oft sehr häufigerSchnee [...], so dass [...] den 24ten Merz, halb Ellen hoch in der Pfrundmattenund im Alpetli und hinterm Hohwald alle Zäun bedeckt [. ..] Mit Anfangdes Brachmonats bezogen die meisten Sennen erst ihre Alpen. Das erste undlezte Heuw ward gut gemacht, das Meiste aber und Mittlere blieb 20 und mehr34 Die Heilungsart der herrschenden Faulfieber, Bern 1785, StA LU Seh 742.35 Zehntenbuch Entlebuch. Die folgenden Wetterberichte wurden ebenfalls dem Zehntenbuchentnommen.36 zweyen: neuer Ausschlag.92


Tag im Regen ligen.» Das Winterkorn habe dagegen gute, schwere Kernen bekommen,wenn auch die Garben weniger dicht stünden. «Mittlerweile warendie Sommerfrüchten zum Erstaunen vortrefflich, als den vierten TagHerbstm(onat), 2 Tag vor dem Vollmonde, um 3 Uhr Nachmittag, von demNapf her und von Steinhusen der Hagel wie Baumnuss daher stürmte, dieBäum zerriss und im untern ganzen Amt Embd und Früchten zerstückte. Um6 Uhr abends hagelte es nochmahl in denen Bergen ennet dem Entsi undWillisau. Nachts nach 9 Uhr, nach einem langen Donnerwetter, brache vonMarbach her ein dritter Hagel, so starck und lang, dass noch alles zugrundegieng, was bei Tag über geblieben, im ganzen Thal.» Selbst was man in dieScheunen gerettet habe, sei zugrunde gegangen, weil die ungeheure Wucht desHagelschlags die Dächer zerschmettert habe. - Die Zehnteinkünfte sanken unteralle bisher aufgezeichneten Werte; an «Flachs, Reben, Rübli, Erbs, Bonen»ging «fast nichts in Natura» ein; «auss dem Hohwald nichts als wenige böseErdapfel». Vorsichtshalber kaufte der Entlebucher Pfarrer in Luzern sofort100 Halbviertel Hafer als Saatgut ein und verkaufte das Halbviertel für 10 Sehan die Bauern.Auf Ersuchen der Viktualienkammer gingen aus dem Entlebuch die erstenBerichte über das Ausmass der Unwetterkatastrophe ein. 37 Aus Escholzmattmeldete man, die ganze Frucht «als Garste, Roggen und Haber, auch Härdöpfleund anderes Gewächs, (sei) gantz schön und mächtig gestanden, so beyetlichen Jahren nie so gewäsen. 38 - Der Totalschaden belaufe sich auf ungefähr36000 Gulden.In Entlebuch waren «an Früchten erschlagen und abgangen,zuosamen gerechnet nammlichen 20 200 Glan dem überigen, alss Alpen, Dächer, Gemächer, auch Aemptund anderem Erdengewächs für 20 300 Glnoch enter mer ...In dem Kilchgang Hassly an Früchten 6 600 Glauch an dem Ueberigen 7 400 GlIn dem Kilchgang Romoss an Früchten 12 000 Glan dem Ueberigen ender mer alss auch 12 000 GlIm Kilchgang Dobleschwant an Früchten 4 300 Glund an dem Ueberigen 5 000 Glsumma das an Früchten zuo grund ist gangen an Galt 43 100 Glwie auch an allem Ueberigen zuosamen 44 700 GlDuot an beiden Suma zuosamen 87 800 GlBesonders die armen Leute, die selbst in guten Jahren kaum genügendes Einkommenhatten 39 , denen das Geld für das Anlegen von Vorräten jetzt schon37 Victualien-Kammer-Protocoll, StA LU cod. 5650, 43.38 StA LU Seh 489, 16. Sept. 1770 (Escholzmatt), 18. Sept. (Entlebuch).39 Vgl. Kap. Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften im 18. Jahrhundert, 4.6.93


fehlte und für die der Anstieg der Lebensmittelpreise schon Ende September«mechanisch» einsetzte, kamen in eine schon längere Zeit nicht mehr erlebte,ausserordentlich bedrohliche Lage. Da die schlechte Witterung noch besondersjene Lebensmittel geschädigt hatte, die normalerweise in genügendgrosser Menge zur Verfügung standen (Gartengemüse, Kartoffeln) und dienun durch das anhaltend nasse Wetter auch betroffen wurden, blieb den Bauernwenig mehr übrig, als auch noch den Viehbestand auf das äusserste Minimumzu reduzieren, da auch die Futtermittel wegen der Nässe karg, schlecht undteuer geworden waren. 40Die Verhörprotokolle geben ein tristes Bild von den Verhältnissen, in welchensich zahlreiche Leute zurechtfinden mussten. Fast ausschliesslich Entlebucherbeanspruchten in dieser Zeit den Verhörrichter, der Eigentumsdelikte zu ahndenhatte. 41 Josef Ernis Sohn beispielsweise hatte «zu Hustagen (1770) Herdöpfellund Garn entwendet». 42 - Man stiehlt Kleider, Geld, Käse, Brot, Mehl, Kartoffeln,Viehfutter, Brennholz, Josef Stadelmann «ein einziges Schäflein, ausHunger und Noth» 43 . Hans Baumeler von Entlebuch gab zu Protokoll, «esseye eine böse theüre Zeit, so ihne hierzu (zum Stehlen) gebracht habe [...]Er habe ein sehr starkes und theüres Lehen, worab er fern 44 keinen Nuzenbezogen ; es seye eine grüsli bösi Zeit, er habe müssen gelebt haben.» 45Die Bevölkerung sah sich einer schweren Lebensmittelversorgungskrise gegenüber,die auf die Entwicklung der demographischen Ereignisse, die im folgendeneinzeln untersucht werden, einen massgeblichen Einfluss nahm.Eine demographische Krise wird - wie wir sahen - durch einen auffallendenRückgang der Konzeptionen charakterisiert. Diese Erscheinung hat schon zahlreicheDeutungen erfahren 46 , ohne dem komplexen Problem eine einsichtigeDeutung geben zu können. Da aus den Quellen kaum Hinweise erarbeitetwerden konnten, bleibt auch hier nicht viel mehr übrig, als diesen «grève mystérieusedes ventres» 47 zur Kenntnis zu nehmen. - Als wesentlicher Faktor wurdein der Literatur die in Krisenzeiten stark rückläufige Zahl der Eheschliessungenbezeichnet, die sich auf die Geburtenzahlen negativ auswirke, und der Anstiegder Taufen nach der Krise wurde mit der Zunahme der durch die Krise verzögertenEheschliessungen erklärt. Intensivere demographische Forschungenhaben gezeigt, dass diese Annahmen oberflächlich sind. Allein schon konkreteZahlen vergleiche mit Taufen und Neuehen zeigten, dass die Zunahme derTaufen nach der Krise die der Neuehen weit übertraf: Die Nahrungsmittelkrisewirkte sich ebensosehr auf das Verhalten der älteren Ehepaare aus, und ihre40 Weitere Wetterberichte: StA LU Akten 12/224.41 StA LU Turmbuch, cod. 4830, passim.42 StA LU Turmbuch, cod. 4825, 127r.43 StA LU Turmbuch, cod. 4830, 4r, 116v, 122v, 126r, 128r, 131v, 154v, 135v, 149v.44 Im vergangenen Jahr.45 StA LU Turmbuch, cod. 4830, 155v.46 Ruwet, Crises démographiques, 461ff.47 Le Roy Ladurie E., L'aménorrhée de famine.94


Folgen auf das psychische und physische Verhalten waren für eine Abnahmeder Konzeptionen entscheidend, die mit dem Beginn der Krise ansetzte undsich erst mit dem langsamen Abnehmen der Sterbezahlen wieder auffing.Die Verteilung der Konzeptionen in 4 Gemeinden in den Jahren 1768 bis 1774zeigt die Reaktion auf die Krise 48 :Tabelle 39 Verteilung der Konzeptionen in vier Entlebucher Gemeinden (1768-1774)MarbachEntlebuchJan./Juli Aug./Dez. Total Jan./Juli Aug./Dez. Total1768 20 21 51 35 23 571769 30 10 28 34 25 571770 18 17 25 32 16 471771 8 18 48 31 20 591772 30 16 52 39 29 691773 36 21 49 40 26 611774 28 35SchüpfheimHosteJan./Juli Aug./Dez. Total Jan./Juli Aug./Dez. Total1768 57 50 123 29 19 451769 73 28 94 26 15 351770 66 23 59 20 4 221771 36 46 110 18 13 411772 64 45 98 28 15 401773 53 41 98 25 16 341774 57 18Jährliche Zahl der Konzepti ionen in vier Entlebucher Gemeinden (1768-1773)Index: Mittlere Zahl der Konzeptionen 1760-1769 = 100 (62,3 = 100)1768 110 1770 60 1772 1041769 86 1771 104 1773 97Im Vergleich zu 1768 waren die Empfängnisse von 1770/71 um fast die Hälftezurückgegangen. Der grosse Ausfall betraf vor allem die Monate August 1770bis Juli 1771 (das Erntejahr!), aber doch eher den Beginn der Krise währenddes August bis Dezember. Dabei ist in diesen Zahlen zu berücksichtigen, dasswir nur die Taufzahlen besitzen und annehmen müssen, eine nicht feststellbareAnzahl von Schwangerschaften sei durch die ungenügende Nahrungsmittelgrundlagegar nicht bis zur Geburt fortgeschritten. Die misslichen Bedingungenstörten den normalen Verlauf der Schwangerschaft. - Geschwächte Konstitution,moralische Niedergeschlagenheit, die Sorge um die eigenen gefährdeten Familienangehörigenbeanspruchten die Mütter allzu stark und erlaubten ihnennicht, sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Das ungeborene Kind bekam schon48 Graphiken 19a, b, c.95


loqarith.3Û TGraphik 19 aDie Entwicklung der Empfängnis- und Sterbezahlenin der Krise von 1770/72 in Hasle25 ..20 ..15 ..1098765Sterbefällef Empfängnisse43 11770 1771 1772jetzt die ungünstige Lage zu spüren. Wurde es auch ausgetragen, so waren seineersten Lebenstage noch voller Gefahren : War die Mutter imstande, ihr Kindzu stillen? Wurde das Kind in eine Welt ansteckender Infektionen und zuGeschwistern, die bereits krank und gefährdet waren, hinzu geboren? Empfinges die notwendige Pflege?Die in den Taufbüchern aufgeschriebenen Taufen können daher nur Minimasein, und die Zahl der vorzeitig unterbrochenen Schwangerschaften durch spontaneAborte und Foetaltode muss als eine in Krisenzeiten nicht zu unterschätzendeGrosse angesehen werden. 49 - Eine ebenso bedeutende Rolle spieltendie überhaupt ausgebliebenen Konzeptionen, die durch die Enthaltsamkeitder Eheleute oder eine durch die Umstände geschwächte Allgemeinkonstitutionbedingt waren. Möglicherweise setzte sich auch ein ganzer Apparat psychischerAbwehrmechanismen in Bewegung; die allgemeinen Verhaltensweisen konntendiese Einstellung fördern. 50 Wäre nicht auch die Annahme berechtigt, bei den49 Wrigley, Bevölkerungsstruktur im Wandel 94.50 So berichtet Ueli Bräker, seine Frau habe sich «vor allen Wänden» geschämt, «dass siebei diesen betrübten Zeitläufen ein Kind haben sollte»; vgl. auch seine Beschreibung derZustände von 1770 bis 1772 im Toggenburg, 158-166.96


Graphik 19 bDie Entwicklung der Empfängnis- und Sterbezahlenlogarith. in der Krise von 1770/72 in Marbach30 TEmpfängnisse1770 1771 1772SterbefälleBewohnern des Entlebuch, die die Präsenz des Todes als ständige Bedrohungempfinden mussten, sei in solchen Krisenzeiten ein Ausbruch äussersterTodesangst zu vermuten? - Der Verzicht auf eine Schwangerschaft bedeutetso nicht nur eine Massnahme gegen ein zum vorneherein schon gefährdetesLeben des Neugeborenen, sondern ebensosehr eine Sicherung der eigenenExistenz.Die individuelle und wirtschaftliche Notlage musste auch auf die Leute imheiratsfähigen Alter wirken und die unmittelbare Zukunftsgestaltung beeinträchtigen.- Die Intensität der Einordnung in das gesellschaftliche Milieu unddie temporäre Not konnten die Entscheidung für eine Eheschliessung hinauszögern.In den einzelnen Gemeinden war aber die Zahl der jährlich geschlossenenEhen für die Zeit der 70er Jahre zu klein, um einen sichtbaren Ausfallder Heiraten nachweisen zu können. Bei der Zusammenfassung von 5 Gemeinden(Marbach, Entlebuch, Schüpfheim, Hasle, Romoos) wird aber dieTendenz zu verminderter Eheschliessung deutlich. Auf das Erntejahr berechnet,ergeben sich für die 6 Jahre die folgenden Grossen :97


logarith. Graphik 19 c3D ,. Die Entwicklung der Empfängnis- und Sterbezahlenin der Krise von 1770/72 in Entlebuch/ SterbefälleEmpfängnisse1770 1771 1772Tabelle 40 Jährliche Zahl der Heiraten in fünf Entlebucher Gemeinden (1768-1774)Index: Mittlere Zahl der Heiraten von 1760-176S = 100 (59,3 = = 100)1768 119 1770 79 1772 771769 96 1771 71 1773 94Verglichen mit 1769 gingen die Eheschliessungen im Jahr 1771 um 26 Prozentzurück und nahmen in der Gegenbewegung von 1771 auf das Jahr 1773 ineinem ähnlichen Verhältnis wieder zu.Bei der relativ geringen Abnahme der Eheschliessungen ist hier auf eine grundlegendeVeränderung des Charakters der Krisen hinzuweisen. Hatten dieKrisen alten Stils wie Pest und Hungersnöte des 17. und frühen 18. Jahrhundertsdie Bevölkerung in ihrer Gesamtheit angegriffen, so wurden 1770/71vor allem die Kinder betroffen.Die Ehen waren demnach in älterer Zeit in hohem Masse bedroht gewesen,während ihr Weiterbestehen am Ende des 18. Jahrhunderts nur mehr in Einzelfällengefährdet war. In der Pest von 1629 in Schupf heim hatten zwei Drittelder Verstorbenen zu den Erwachsenen gezählt; 1770 waren die Kinder mitannähernd diesem Anteil unter den Verstorbenen zu finden. Die reproduktions-98


fähigen Bevölkerungsschichten blieben also eindrücklich verschont. Die Bedeutunglangdauernder ehelicher Partnerschaften ist bereits dargestelltworden. 51Die durch schlechte Witterung bedingte Missernte des Jahres 1770/71 traf dieBevölkerung an ihrer empfindlichsten Stelle: dem Nahrungsbedarf. «Der Anfangder siebenten Dekas dieses Sekuli oder schon der Ausgang der sechsten,liess sich vor viele Leute hart an, indem eine grosse Theure und wirklicherHunger inn- und ausserhalb der Eidsgenossenschaft einzureissen begann»,berichtet Pfarrer Schnyder in seiner Entlebuchergeschichte. 52 Diese Folgeschlechter Erntejahre, die die Bevölkerung in eine längere Periode mangelhafterund ungesicherter Nahrungsgrundlage versetzte, brachte mit dem Jahr 1771 denHöhepunkt der Bedrängnis. Die Sterbezahlen in diesem Jahr heben sich eindrücklichaus der Reihe der Nachbarjahre hervor, wie die folgende Zusammenstellungzeigt:Tabelle 41 Jährliche Zahl der Sterbefâlle in fünf Entlebucher Gemeinden (1769-1774)Index: Mittlere Zahl der Sterbefälle von 1760-1769 = 100Schüpfheim Hasle Marbach Entlebuch Romoos60,9 = 100 33 = 100 26,6 = 100 57,4 = 100 30,9 = 100Zivil-/ Zivil-/ Zivil-/Erntejahr Erntejahr Erntejahr1769 49 90/ 75 64/ 60 55/ 451770 78 103 75/139 71/104 48/ 671771 367 163 255/221 135/116 187/2231772 105 63 109/ 56 83/ 59 110/ 671773 31 45 60/ 86 52/ 66 58/ 48Die Pfarrei zähle ungefähr 1800 Seelen, schrieb der Pfarrer von Entlebuchnach Luzern, «von dieser Anzahl kan sich die Hälfte ernähren und noch kleineAllmosen bisweilen thun; die andere Hälfte hat wenig oder gar nichts im Vorrathund folgsam an allem Mangel. Derowegen sich von dieser Hälfte wiederumder halbe Teil durch arbeiten, spinnen, flechten, holzen zu ernähren trachtet;ihre Arbeit aber giltet weniger [...] Die übrige seynd alte Leüt, unbrauchbareKind und unnütze Faulenzer, Mägd und Knecht» 53 ; und der Pfarrer vonRomoos bat «unterthänigst, wegen der Erhaltung der Armen, deren über 70Haushaltungen in ausserster Armuth, nur wenigest bis zu Herbstzeit, gnadsvätterliche Versorgung zu thun» 54 . Man ernähre sich hauptsächlich von denKartoffeln, «aber auch diese haben in denen Bergen fehlgeschlagen, wo selbespäth haben können in den Boden gelegt werden» 55 .81 Vgl. Kap. Die Familiengrössen, 3.3 b).52 Schnyder, Geschichte I, 143.63 StA LU Seh 489, undatierter Brief.54 StA LU Seh 489, 15. April 1771; Romoos zählte 1780 160 Haushaltungen.55 StA LU Seh 489, undatiert.99


Die Reaktion auf solche Not blieb nicht aus. Die Leute wurden krank. Manberichtet nach Luzern: «Einige habe es mit starckhem Erbrechen, andere mitGeschwulst des Kopfs angegriffen. Andere waren am gantzen Leib geschwollen.Grosse Leuth seien 16 gestorben, aber an verschiedenen andern Kranckheiten; die Kinder seien von 1 Jahr bis 9 Jahr alt gewesen, dermahl seien nochganz ville Kinder davon kranck. Der Doctor zu Langnauw sage, wenn es underdie grosse Leüth käme, wie zu besorgen seie, so würde sie incurabel sein» 56 ;bald gab die grosse Zahl der Toten dem September einen neuen Monatsnamen :«Dissentericus mensis» 57 . - Die Ruhrepidemie forderte auch in Entlebuch ihreOpfer; medizinische Hilfe aber verringerte hier die Zahl der Sterbenden. 58Die Krise betraf wohl alle, aber nicht alle gleich. Weder kirchliche noch weltlicheHilfeleistung vermochte den Fortgang der Krise zu lindern. Im Frühling1770 hatte die Victualienkammer die Geschworenen nach Luzern zitiert, da dieAnkenlieferungen aus dem Entlebuch ausgeblieben waren. Der Schüpfer erklärte,man stelle wenig Butter her, «es seye eine schlechte Gust in dem Heüund Emd, so vor einem Jahr allzeit nass gwesen» und der Entlebucher Geschworenetrug vor, «das vorige Jahr habe ihnen das Wetter alles geschändet,können also keinen Anken machen» 59 . Ihre Kühe gäben dieses Jahr wegen derschlechten Gust nur halb so viel Milch als vor einem Jahr. Bereits Mitte Septembererliess der Rat ein Mandat «wegen allzugrosser, überhandnehmendenTheüre in allerhand Lebens-Mittlen, besonders aber des Brods» 60 . Die Räteführten die Teuerung auf den «allzugrossen Frucht-Aufkauff» der Müllermeisterund der Bäcker zurück, die das Brot auswärts verkauften. - JeglicheAusfuhr von Früchten, Mehl und Brot wurde verboten, im Mai 1770 derFürkauf von Vieh, im August die Viehausfuhr gesperrt. 61 Zu Beginn desJahres 1771 untersagte auch der Stand Bern die Ausfuhr von Getreide undBrot. 62 Um den Lebensmittelverkauf unter Kontrolle zu bringen, ordnete die<strong>Luzerner</strong> Regierung eine Früchten-Visitation an. 63 Anfangs April 1771 hattendie Preise bereits ein Niveau erreicht, welches die Obrigkeit zwang, die Getreidepreisezu fixieren, da diese «von Wochen zu Wochen ohnerträglich» anstiegen,und «sehr viele sich vorfinden, welche von unchristlicher wucherischerGewinnsucht verblendet, mit ihrem bedörftigen Nebend-Menschen nicht das56 StA LU Seh 489.57 TotReg Entlebuch.58 «Numerus mortuorum praeterito anno (1771) 78, quos inter communicantes 50. quamvisetiam in hac Parochia et pago plurimi Dissenteria vexabantur, rari tarnen decumbebant etpauci mortui sunt respective; prout in Schuphen et Ruswil plurimi oeeubuerunt.» TotRegEntlebuch 1771.59 Victualien-Kammer-Protocoll, StA LU cod. 5650, 9. März 1770.60 StA LU MB 19. Sept. 1770 (44), 5. April 1771 (60), 5. Juli 1771 (70).61 StA LU MB 5. Mai 1770 (40), 6. Aug. 1770 (42), 5. Jan. 1771 (55), 25. März 1771 (58).Zürich, Bern und Unterwaiden erliessen gleiche Verordnungen: MB 10. Mai (64), 12. Juni1771 (67).62 StA LU MB 5. Jan. 1771 (54).63 StA LU MB 19. April 1771 (62), 5. Juli 1771 (70).100


wenigste Mitleiden tragen» und versuchten, «ihnen ihren Vorrath der Lebens-Mittlen, welchen sie in diesem wucherischen Absehen hinterhalten, in ohnleidentlichemPreis abzuhandeln». 64 - Auch der Preis für Kartoffeln wurde festgesetzt,da diese «besonders dem Landtmann in seiner harten Arbeit sehr gedeihlich»seien. - Der Rat beauftragte Unterhändler, eine Importsteigerung vonReis aus Italien zu veranlassen, welches eine gute Ernte hinter sich hatte. DieHerbeischaffung gestaltete sich aber schwierig, da die Landsgemeinde in Urieinengende Transportbestimmungen erlassen hatte : «Die von Bellenz (müssen)die Reis-säk und andere Mercanzien naher Eriels 65 , die von Eriels auf denSt. Gotthardsberg, die vom Gotthard naher Urseren, die Urserer naherGöschenen, die Göschener an den Steeg, die Steegr naher Altdorf lieferen.Und keine eine Fuhr weiter.» Dazu komme, «dass die Säumer und Factorenselbst Handels-Leüt seyen, und zuerst ihre eigene Waaren säumen, bevor siefremde führen wurden», berichtete ein Verantwortlicher. 66 - Trotz der Bemühungender Regierung scheint vor allem die Stadt von den Massnahmenprofitiert zu haben, denn aus der Landschaft sind nachweisbare Unterstützungshilfenim Lebensmittelsektor nicht beizubringen. 67Im Entlebuch nahm man sogar ausdrücklich auf das Ungenügen der luzernischenPolitik Bezug. - In einer Bittschrift an den Stand Luzern hatten dieGeschworenen um Zulassung zum gesperrten Markt in Langnau gebeten, da«die hiesige Obrigkeit ihnen nit mehr zu helffen im Stand seye» 68 . Die Bernerallein könnten «ihrem auf das äusserste, von Hungersnot beträngten Land mitLebensmitteln an die Hand gehen» 69 .Dazu schilderten die Pfarrer der Regierung in Luzern die prekäre Lage. DerGeistliche von Entlebuch trug vor, «was der Kirchgang Entlibuoch zumAnblüömen für das Jahr 1771 unumgänglich nöthig hat und denen Leutenfast nit zu bekommen möglich ist» 70 : Er bat um 3 Malter Haber, 1 MalterSommerroggen; Gerste sei genug vorhanden. Der äusserste Mangel könnebehoben werden, wenn noch «6 Malter Erdäpfel zum Pflanzen und 6 MalterErdäpfel zur Nahrung bey (der) Feldarbeit könten angeschafft werden».Ausserdem ersuchte er um «monatlich eine Mütt Mehl unter die Armen undKinder» und «monatlich 2 Sack Reis für die Arbeiter in geringerm Preis». -Der Pfarrer von Romoos begehrte von der Regierung 2 bis 3 Malter Sommer-64 StA LU MB 26. April 1771 (63, 65).65 Eriels : Airolo.66 StA LU cod. 5650, Victualien-Kammer-Protocoll, 19. Okt. 1770 (44); einem Gesuch umAnkauf von 1500 Säcken Kernen aus dem Elsass konnte der französische Ambassador nichtentsprechen (Seh 910).67 Meyer; Die Geschworenen des oberen Amtes baten den Rat um ein Darlehen von 1000 Gl«gegen Erlegung eines beliebigen Zinses zu ankauffung der nöthigen Sommerfrüchten». DerRat bewilligte das Gesuch zum üblichen Zinssatz von 5 Prozent. RP 10. Nov. 1770, 5v.68 StA LU Seh 489.69 StA LU Seh 489.70 StA LU Seh 489.101


gerste, und «etwan für 200 Gl von UGGH. um ein billichen Preis taxirrteErdbirnen, für welche alle der ganze Kirchgang mit mir zu erstatten versprichet».Die Geistlichen klagten offen über die mangelnde Privatinitiative der vermögenderenPfarreigenossen: Wohlhabende Bauern hatten vorsorglich umdas eigene Wohlergehen beim Ausbruch der allgemeinen Not ihre Mägdeund Knechte entlassen. 71 - Der Marbacher Pfarrer versuchte die Kinderarmer Familien vorübergehend an reichere zu verteilen. Es gebe allerdingsnicht mehr als 33 wohlhabliche Haushaltungen, denen man Kinder zuteilenkönne. Dann gebe es aber noch minderbemittelte, denen die Pflege eines Kindesgut zugemutet werden könne, und so wäre es möglich, die meisten Kinder unterzubringen:«[...] Hochdieselbe könne sich aber nit einbilden, wie einige geitzige,niederträchtige Leuth, ohneracht der lebhaftigsten Vorstellungen vondem zu folgenden Nutzen, wieder dieses heilsame Vorhaben murren, ja selbstentrotzen.» 72Die Sterbezahlen stiegen an, als erste die der Kinder: Im März 1771 verschiedJosef Widbrächtiger, ein «puerulus pauper», in Romoos wurde Anton Roosverhungert und erfroren aufgefunden; Anna Maria Schütz, ein armes Kind,das Bettelkind Catharina Meyer, der junge, arme Caspar Heini, Hans GeorgGriner «pauperrimus», Anna Maria Custer, «diu aegra et pauper» wurden miteintönigen Aufzeichnungen in die Sterbebücher eingetragen. 73 Anna MariaHäfliger starb nach 20tägiger Hungerszeit. 74 Noch 1775 starb in Entlebuchdas Kind der Maria Giger, «mater pessimae famae adhuc extra Patriam Vagaturcum adultero». 75 - Am 11. April 1770 hatte sich Josef Limacher vonSchupf heim auf den Weg gemacht, um etwas Heu für seine 4 Geissen zusammenzubetteln,die für die grosse Familie - Eltern, 2 Buben und 3 Mädchen -die notwendigste Nahrung zur Verfügung stellten. - Anderntags musste dieMutter den ältesten Buben, anstatt auf den Bettel, auf die Suche nach demVater ausschicken, der über Nacht nicht nach Hause zurückgekehrt war. Erfand ihn im Schnee erfroren auf. - Er sei «aus Armseiligkeit und Abgang derNahrung, auch wegen Kälte abgelebet», stellte der herbeigerufene Doctorfest. Und die Frau berichtete, ihr Mann habe jeweils gesagt, «aus Blödi undFasten komme ihm oftmahlen alles schwarz for die Augen». Sie habe nun «garkeine Mittel und habe noch Vattern und Mutter im Leben ; man habe aber einkleines Heimetli, so etwan 2 Klafter Heu austrage, und darauf müsse er (ihr71 StA LU Seh 489, undatierter Brief.72 StA LU Seh 489,18. April 1771 (Marbach); in Marbach zählte man um 1780 150 bewohnteHäuser; nach den Angaben des Pfarrers konnte daher lediglich ein Fünftel der Haushaltungender Krisenzeit ohne Bangen begegnen.73 TotReg Romoos.74 «[...] mulier pauper ac viginti dies sine eibo et potu decumbens», TotReg Romoos,10. Okt. 1772.75 TotReg Entlebuch, 19. Juni 1775.102


Mann) jährlich von 145 Gl den Zins entrichten und aus Noth die Kinder zuAllmuosen ausschicken.» 76Die Krisenzeit um 1770/71 kostete die 6 Gemeinden des Amtes (ohne Escholzmatt)506 Einwohner; der natürliche Bevölkerungszuwachs verminderte denVerlust auf immer noch 284 Personen. - Doch dieser war bereits 1773 wiederaufgeholt. Den 284 Toten von 1771 entsprach ein in den Jahren 1772 und 1773genau gleich grosser natürlicher Geburtenüberschuss, und diesem Ausgleichvon 1773 folgte eine neue Bevölkerungszunahme von 165 Seelen im Jahre 1774.Die Bevölkerung hatte sich also wieder schnell erholt. Aber trotz allem war einganzes Jahr mit ausfallenden Empfängnissen verlorengegangen, die Frauenein Jahr älter geworden und wertvolle Zeit durch die widrigen und von kaumeiner Seite erleichterten Umstände vertan. «Sous le régime de la démographieà peu près «naturelle», il n'y a pas de naissance «retardée», et toute absence deconception est définitive.» 77e) Die Zeit nach 1770Früher waren die Krisen alten Stils regelmässig wiedergekehrt und von derBevölkerung mit dumpfer Ergebenheit hingenommen worden. - So hatte einum 1680 geborener Entlebucher, der bis 1720 lebte, in seinem kurzen Lebenmehrere lebensgefährliche Krisenjahre durchzustehen: die harten 1690er Jahre,den extrem kalten Winter von 1709 und 1710 und die Reihe der misslichenJahre zwischen 1712 und 1718.Während des 18. Jahrhunderts wurden solche Krisenperioden seltener. Nachder letzten regionalen Krise von 1770/71 traten neue Missjahre eher lokal undunterschiedlich stark hervor.So kann das Ausbleiben eigentlicher Regionalkrisen für die Bevölkerungszunahmein der zweiten Jahrhunderthälfte in besonderem Masse verantwortlichgemacht werden: die weniger intensiv und seltener gefährdeten jungenLeute erreichten das reproduktionsfähige Alter eher, und der Geburtenrhythmuswurde durch die ausbleibenden Konzeptionsbaissen in Krisenjahren wenigerhäufig gestört. Der Ausfall grosser Sterbejahre und die hohe Natalitätbeschleunigten die Bevölkerungsprogression. 78Die Teuerungswelle nach 1790 79 hatte erstaunlicherweise auf die demographischeEntwicklung nicht mehr den gravierenden Einfluss, den sie zu früherenZeiten hätte ausüben müssen. Sie scheint eine autarke Stellung gefunden zuhaben.So traf die ohne (nachweisbare) Beziehung zu einer Lebensmittelkrise auftre-76 StA LU Seh 755.77 Goubert, Beauvais 51.78 «Indeed, it can be shown that, when mortality is high (as it still was in the eighteenthcentury), a decline in the death rate is inherently a more powerful causative factor of populationgrowth than a rise in the birth rate.» Helleiner 85.79 Vgl. Kap. Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert, 5.3.103


tende Pockenepidemie von 1798 die verschiedenen Gemeinden unterschiedlichstark, aber alle an der gleichen Stelle : Viele Familien verloren Kinder.Über das Ausmass der Pockenepidemie sind wir durch eine Umfrage bei denEntlebucher Ärzten informiert. 80 - Die Krankheit sei im ganzen Amt wahrzunehmen,berichteten die Chirurgen; genaue Berichte seien aber nicht möglich,da «in den meisten Gemeinden keine Ärzte vorhanden sind, die sich mitFührung eines Registers abgeben können». - Bei Pockenbefall werde äusserstselten ein Arzt gerufen, berichtete der Chirurgus Thalmann aus Schupf heim;man suche eher Heilung mit den eigenen «Hausmittelchen». Die Erwachsenenwürden an den Pocken überhaupt nicht mehr erkranken, die Seuche sei starkrückläufig und trete nur mehr selten auf. Die am stärksten Betroffenen, dieKinder, fänden hauptsächlich durch «Rachitis» oder «Atrophia infantium»den Tod.Über 800 Kinder waren von der Epidemie befallen worden. Gegen 500 genasenaber wieder; zwei Kinder wurden blind, die übrigen erlagen der Krankheit.In Escholzmatt starben 48 Kinder, in Doppleschwand und Romoos 12, inSchüpfheim 85, in Entlebuch 62 und in Marbach 92. Hier konnte bei 76 Totendas Alter beim Hinschied identifiziert werden 81 :Tabelle 42 Alter der an Pocken verstorbenen Kinder in Marbach (1798/99)Alter beim Hinschied Anzahl Toteunter 1 Jahr 131 bis 3 Jahre 234 bis 6 Jahre 277 bis 9 Jahre 8über 10 Jahre 5Total 76Fast die Hälfte der verstorbenen Kinder war weniger als 4 Jahre alt, mehr als3 A aller Kinder waren beim Tod nicht älter als 6jährig gewesen.Den Hinweis Thalmanns, die Pockenepidemien seien im Laufe des Jahrhundertsweniger häufig und mit geringerer Sterblichkeit ausgebrochen, dürfenwir ebenfalls als wichtigen Faktor für den Rückgang der Säuglings- undKindersterblichkeit betrachten. Diese Entwicklung konnte auch in anderenRegionen verfolgt werden. «The fall in the death-rate during the eighteenthand nineteenth centuries was not the result of medical treatment», schreibenT. McKeown und R. G. Brown 82 ; «the decline in mortality from diseases80 Graphik 20. - StA LU Akten 24/36 A, Berichte aus den Gemeinden vom Januar bis Mai1799.81 «Dise oben gestorbene Kinder sind die meisten an der Blatter gestorben», TotReg Marbach1799.82 Me Keown T., Brown R. G., 139.104


other than smallpox was due to improvment in living conditions, and tochanges in virulence and resistance upon which human effort had no influence».Die Bedeutung der allgemeinen Immunisierung gegenüber Infektionskrankheitenist von Frank Macfarlane Burnet eindrücklich gewürdigt worden. 83absolut30 ^20 .,10 ..0 ..Graphik 20Blatternepidemie in Marbach 1798/99: Verteilung derSterbefälle nach Alterszugehörigkeit und dem Zeitpunktdes HinschiedsErwachseneKinder1 I 1 I 1 I I I I 1 1 I I I » I I I 1 I 1 I 1 I1798 1799JFMAMJJASONDJFMAMJJASONDDie sinkende Tendenz der Sterbewahrscheinlichkeit in jungen Jahren war eineTabelle 43 Sterbetafel der Gemeinde Entlebuch von 1810 bis 1824Alter Tote Tote pre 1000 ÜberlebendeMänner/Frauen Männer/Frauen Männer/Frauen0 127 89 304 212 696 7881 51 58 122 138 574 6505 19 7 46 17 528 63310 8 12 19 29 509 60415 11 7 26 17 483 58720 10 19 24 45 459 54225 6 9 14 21 445 52130 6 13 14 31 431 49035 6 14 14 33 417 45740 6 16 14 38 403 41945 8 10 19 24 384 39550 16 20 38 48 346 34755 11 20 27 48 319 29960 28 33 67 79 252 22065 30 27 72 64 180 15670 28 33 67 79 113 7775 24 10 58 24 55 5380 10 12 24 29 31 2485 11 6 26 14 5 1090 2 4 5 10 0 0Männer eo = 40,6 Frauen: e 0 = 39,2 Beide Geschlechter: eo = 38,9ex = 48,2 ej = 46,4 ei = 47,2e 5= 48,2 e 5= 43,6 e 5= 45,6e2o = 39,3 e2o = 34,4 e 2 o = 36,683 Burnet: Zur Immunisierung vgl. 104ff.; der Altersverteilung bei Infektionskrankheiten265ff.; zur Diphtérie 265ff.105


Garantie für eine zunehmende Lebenserwartung. Die in den Sterbebüchernaufgezeichneten Altersangaben am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhundertslassen eine annähernde Bestimmung zu. 84 Als Beispiel sei Entlebuchangeführt. Hier hatte ein Kind bei der Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartungvon knapp 40 Jahren zu erhoffen; hatte es seinen ersten Geburtstagerleben können, sprang sie um fast 10 auf 47 Jahre. - Krisenzeiten dagegenverminderten die Erwartung überaus heftig. So betrug sie für Romoos (aufDaten von 1790 bis 1799 berechnet) nach dem ersten Altersjahr lediglich30 Jahre.f ) ZusammenfassungDie Sterblichkeit nahm im 18. Jahrhundert für die Bevölkerungsentwicklungeine Schlüsselstellung ein. Anhand der Säuglingssterblichkeit konnte diesinkende Tendenz nachgewiesen werden. Starben zwischen 1730 und 1789in Marbach von 1000 Neugeborenen 184 innerhalb des ersten Lebensjahres,so waren es von 1790 bis 1848 noch 164. Die Sterblichkeit der Säuglinge bliebaber in der gesamten Untersuchungsperiode fast unverändert auf das Jahrverteilt:Die Hinschiede fielen zu mehr als der Hälfte in den ersten Lebensmonat; indiesem wiederum starb ein ähnlicher Anteil Säuglinge noch am Tage derGeburt. Von grosser Bedeutung war der Rückgang der exogenen Sterblichkeit.Wir dürfen annehmen, dass verbesserte Nahrungsgrundlagen die Allgemeinkonstitutionstärkten.In der Krise von 1770/71 konnten die krisenbedingten, demographischen Reaktionen(Rückgang der Konzeptionen, hohe Sterblichkeit, extreme GetreideundLebensmittelpreise) aufgezeigt werden. - Die städtische Obrigkeit vermochtemit ihren Gegenmassnahmen die Krisenerscheinungen nicht zu dämpfen.Hauptsächlich die ländliche Bevölkerung wurde von der wirtschaftlichenNotlage betroffen, da notdürftig ausgebaute Verkehrswege und gestörte Handelsbeziehungendie Versorgung erschwerten. - Am heftigsten litten die ärmerenFamilien, die infolge des Profitstrebens einzelner Bevölkerungsschichten undungenügenden Vorrats an Geld und Lebensmitteln in nicht seltenen Fällen zuDiebstahl, Betrug und anderen Delikten Zuflucht nahmen. Solche Kriminalitätwar eine verzweifelte Äusserung von Not.Die Krise von 1770 war ein letztes Aufflackern jener Sterbewellen, welche dieBevölkerung früher noch häufiger heimgesucht hatten und die Entwicklung derTauf- und Sterbeziffern in einem «natürlichen» Balanceakt gegenseitig ausge-84 Tabelle 43 ; Berechnung nach Henry, Manuel 134; die (e) beigegebenen Zahlen bezeichnendie Lebenserwartung bei Erreichen des betreffenden Alters. e 0 bedeutet die Lebenserwartungbei der Geburt. Zur gesamtschweizerischen Entwicklung der Lebenserwartung vgl. SchweizerischeVolkssterbetafeln (1876-1932), Eidgen. Statistisches Amt, Beiträge zur schweizerischenStatistik, Heft 4, Bern 1935, Heft 10, Bern 1942.106


glichen hatten. Vom Rückgang der Krisen konnten die Kleinkinder profitieren.- Die steigende Lebenserwartung bei der Geburt sicherte dennoch den meisteneine Lebensdauer bis zum Erwachsensein noch nicht. Sie waren durch dieauftretenden Infektionskrankheiten im Kindesalter andauernd gefährdet; imletzten Jahrzehnt des Jahrhunderts erreichte in einzelnen Gemeinden mehr alsein Drittel aller Geborenen das heiratsfähige Alter nicht.Und dennoch nahm die allgemeine Lebenserwartung zu. - Die Bevölkerunghatte sich dem Gefahrenbereich regelmässiger Krisen mit Hilfe eines breiteren,weniger anfälligen Nahrungsmittelsortiments entzogen und war in der zweitenJahrhunderthälfte dank den Bemühungen im wirtschaftlichen Bereich (vorallem durch die Einführung der Heimarbeit) gegen unerwartete Versorgungsschwierigkeitenbesser abgesichert als in früheren Zeiten.3.5 Die Bevölkerungsentwicklung im 18. JahrhundertSo konnten gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Pfarrherren und verantwortlichenGemeindevorsteher mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass die Zahlder Landesbewohner in noch nie erlebtem Ausmasse ständig zugenommenhatte.1753 mussten auf dem Heiligkreuz neue Beichtstühle eingerichtet werden, daselbst in den umliegenden Ställen der Platz zum Beichten zu eng geworden war,und mit wenigen Ausnahmen wurden die Kirchen im Amte neu erbaut oder vergrößert: Escholzmatt baute 1754 neu; in Schupf heim bestand 1782 ein Bauakordfür eine Vergrösserung der Pfarrkirche; Flühli erhielt 1781/82 eine neueKirche; Hasle hatte 1763 die Erlaubnis erhalten, 6 Jahre lang eine Steuer für dieErweiterung der Kirche aufzunehmen 1 . Entlebuch bat 1776, eine geräumigereKirche bauen zu dürfen; der Neubau wurde 1780 geweiht 2 ; aus Romoos bekamder Rat in Luzern zu hören, hier sei die Zahl der «Pfarrkinder dermaassen angewachsen,dass selbe nit genuogsammen Platz mehr» in der Kirche findenkönnten. Zwischen 1773 und 1790 wurde das Gebäude deshalb auch hier denneuen Bedürfnissen angepasst. 3Die Bevölkerung wurde Gegenstand intensiverer Betrachtung. Die beidenPfarrherren Stalder und Schnyder versuchten in ihren Monographien, auf dieHintergründe dieses Bevölkerungsschubes einzugehen und Erklärungsversuchezu liefern. Stalder erfasste in seinen «Fragmenten» die Entwicklung seit derMitte des 17. Jahrhunderts. Seit 1650 sei die Bevölkerung «in einer UngeheuernGrosse angewachsen, «und sie musste auch so wachsen», schreibt er. 4 Das sei1StA LU RP 30. Mai 1763, 52r.2 StA LU RP 14. Febr. 1776, 2r, 3r; 22. Jan. 1780, 161 r; 3. März 1781, 217r.3 StA LU RP 22. März 1773, 305 r; i. a. : Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Bd. 1 : Heiligkreuz119, Escholzmatt 87, Schüpfheim 141, Flühli 101, Entlebuch 72, Romoos 134.4 Stalder, Fragmente I, 187 f.107


darauf zurückzuführen, dass die Fehden der Schweizer aufgehört hätten, indenen Luzern dem Wohl des Vaterlandes mehr Volk aufgeopfert habe als je einanderer Kanton. An die Stelle der Reisläuferei sei eifrige landwirtschaftlicheBeschäftigung getreten. Viele fremde Geschlechter seien zu Beisassen und auchzu Landleuten aufgenommen worden, die eine gesunde, zahlreiche Nachkommenschafthinterlassen hätten. «Es gab also mehr arbeitende Hände, ödeBezirke wurden mehr urbar gemacht, und es verschwand jeder Anlass, seineZuflucht zum Reislaufen und zu Kriegsdiensten nehmen zu müssen, weil manitzt selbst durch Fleiss und Arbeit genug Unterhalt zu Hause fand.»Eine weitere Ursache für die günstige Entwicklung liege «in einem gewissenWohlstand auch für die ärmere Klasse, wenigstens in Hinsicht ihrer Nahrung»5 . Die Sterblichkeit sei niedrig, und «so wenig der jährlichen Ehen esgibt, so gross hingegen ist die Fruchtbarkeit, so dass ich auf 3 Ehen 19 Kinderrechnen kann» 6 .Stalders Erklärung der Bevölkerungsentwicklung lässt sich auf ein vereinfachtesModell reduzieren: Verminderte Auswanderung, niedrigere Sterblichkeitund hohe Fruchtbarkeit waren die Ursachen der Bevölkerungsprogression, diedurch Veränderungen der Umwelt gefördert wurde : Urbarmachung des Hochwalds,Rückkauf und Teilung der Herrengüter, Intensivierung der landwirtschaftlichenErträge, die durch Heimarbeit bei Spinnen und Weben verdientenGeldmittel.Das Fehlen zuverlässiger Volkszählungen bis ins späte 18. Jahrhundert erschwerteden zeitgenössischen Darstellern der Bevölkerungsentwicklung dieInterpretation der demographischen Ereignisse.Die allgemein übliche Erfassung der Bevölkerungsgrösse beruhte im 18. Jahrhundertauf Auszügen aus den Tauf- und Sterbebüchern. So forderte dieRegierung in Luzern gegen Ende des Jahrhunderts jährliche Berichte und beurteiltedie Bevölkerungszunahme aufgrund der natürlichen Bevölkerungsbewegung.Dazu mussten die Pfarrherren die Anzahl der in der Fremde Weilendenangeben. 7Vor diesen regelmässigen Zählungen gab es einzelne, von den Bischöfen organisierteinterdiözesale Bestandesaufnahmen. Differenziert wurde diese Bevölkerungnach dem Status, den sie innerhalb der Religionsgemeinschafteinnahm. Auch Stalder und Schnyder folgten dieser einfachen Darstellung derBevölkerungsstruktur: der Aufteilung in Kommunikanten und Nichtkommunikanten.Die älteste Zählung, die beide Pfarrer anführen, ist die Liste der Kommunikantenvon 1650, «die, wenn sie richtig seyn soll, einen Aufschluss über die da-5 Stalder, Fragmente I, 196.6 Stalder, Fragmente 1,195; vgl. den annähernd gleichen Wert der Familiengrösse im Kapitelder rekonstituierten Familien, 3.3 b).7StA LU RP 23. Nov. 1767, 325.108


malige Volksmenge giebt» 8 . Die Zählung, welche von Cysat überliefert wurde,ergab eine Kommunikantenzahl von 3650 für das ganze Amt. 9 Sie wurde vonStalder noch um ein Drittel erhöht, «weil man Kindern von zwölf Jahren dasH. Abendmahl austheilt». Aber auch unter Einbezug der jüngsten Bevölkerungsschichtkäme man «aufs höchste» auf 5000 Personen. - Die erste offizielleVolkszählung im Amt Entlebuch organisierte der Bischof des Bistums Konstanzim Jahr 1745. Stalder gab ihr nicht viel Kredit; doch «obwohl nun dieses Zeugniswenig historische Glaubwürdigkeit für sich hat, so deutet es nichts destowenigerauf eine grosse progressive Bevölkerung für ein Alpländchen, in einemZeitraum von 96 Jahren» 10 .1754 liess der Bischof erneut zählen 11 ; seit 1767 erwartete die Obrigkeit jährlicheBerichte über die «ermangelnde und abgehende Mannschaft». - Nach demKrisenjahr 1771 erfolgte eine Bevölkerungsaufnahme, um die Versorgung inkünftigen Krisenzeiten zu erleichtern. Im Dezember 1773 musste die Regierungden Pfarrherren eine vom Stadtschreiber ausgearbeitete Vorlage zusenden,nach welcher künftig die Zählung vorgenommen werden sollte, da die Herrender Aufforderung von 1772 wiederum «sehr saumselig» nachgekommenseien. 12Eine Reihe ausführlicher und zuverlässiger Bevölkerungstabellen liegt nach diesenVorschriften für das Amt seit 1780 (bis 1788) vor. 13 Die Geschworenen dereinzelnen Orte unterstützten die Pfarrer bei ihrer Arbeit. - 1798 fand die helvetischeZählung statt, und diese eröffnete nun die Reihe der statistisch eher auswertbarenListen für die Bevölkerungsentwicklung seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts.14Tabelle 44 Einwohnerzahlen der Entlebucher Gemeinden nach einzelnen Zählungen1650 1745 1780 1796 1798 1816 1837 1850Entlebuch 1200 1954 1748 1749 1830 2314 2741 3085Hasle 520 1007 1252 1210 1239 1467 1626 1567Schüpfheim 1350 2870 2838 2615 2600 3430 3333 3125Flühli 1172 1222 1215 1507 16918 Stalder, Fragmente I, 186ff.; Schnyder, Geschichte I, 92.9 Stalder, Fragmente I, 187.10 Stalder, Fragmente I, 189; Gubler gibt als Zähljahr 1743 an, Bühler das Jahr 1744.11 StA LU Seh 165. Vorhanden sind nur die Mandate: MB 1767 (234).12 StA LU Seh 165. Wiederholung der Mahnungen: MB 1784 (225, 234).13 ZB LU, Ms. 95 fol.14 Eine Liste der Volkszählungen im 18. Jahrhundert unter Berücksichtigung vorhandenerSchätzungen bei Bühler 96f., Gubler 35 ff. - Protokoll der Verwaltungskammer des KantonsLuzern, 26. April 1798,10. - Eine neue Zählung wurde bereits 1799 durchgeführt; hier fehleneinige Angaben, und die Zahlen wurden allgemein in Zweifel gezogen. Liste auf der ZB LU,Ms. 534 fol.: «General-Tabelle der Bevölkerung des Kantons Luzern 1799»; StA LU Akten24/63 A, Volkszählungen; Gubler 93.109


1650 1745 1780 1796 1798 1816 1837 1850MarbachEscholzmattRomoosDoppleschwandAmt Entlebuch5209604504505450 15 114117857714489976 16 10852163113552810749 17 1456 15242372 25501289 1395694 53612557 18 12896 19 187232981451534155812004368116106811718318503348162966816963Bei einem Indexwert von 100 für die einzelnen Bevölkerungsgrössen kann dieBevölkerungsentwicklung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wie folgt charakterisiertwerden:Tabelle 45 ] Bevölkerungsentwicklung des Amtes Entlebuch in verschiedenen Zeiträumen((nach Indexwerten)1650 1001745 1831780 1971796 2301798 2371816 2861837 3151850 3111745 100108126129 1798 100156 121172 133170 132Von 1650 bis 1780 hatte sich die Einwohnerzahl beinahe verdoppelt, bis 1837gar verdreifacht.Für die Pfarrei Marbach konnten im Taufbuch einige Angaben über dieKommunikantenzahl in den ersten zwei Jahrzehnten gefunden werden. Siekönnen uns Einblick in die Bevölkerungsentwicklung der ersten, schlechtdokumentierten Jahrhunderthälfte liefern.Tabelle 46 Entwicklung der Kommunikantenzahl in der Pfarrei Marbach (1712-1729)1712 4571713 5131714 4921715 4881716 5021717 5161718 4981719 5121720 5351721 5481722 5451723 5381726 5601729 566Die für die Bevölkerungsentwicklung des 18. Jahrhunderts entscheidendenAnsätze werden hier sichtbar. Nach 1713 war die Zahl der Kommunikantennur noch in den Jahren 1715 und 1718 rückläufig. Doch innerhalb der 17 Jahre15 Merz, Alpwirtschaft 12.16 «Extractus Catalogi Personarum et Locorum Diocesis Constantiensis in Cantone Lucernede 1745», StA LU Seh 972.17 ZB LU, Ms. 95 fol.18 Stalder, Fragmente I, 191 ; Flühli wurde 1782 von Schüpfheim abgetrennt.19 Gubler, Anhang Tabelle 1.110


zwischen 1712 und 1729 nahmen die Kommunikanten um 24 Prozent zu. 1745bedeuten die 690 Kommunikanten eine Steigerung von 51 Prozent (gegenüber1712), jene von 1766 (810 Kommunikanten) eine solche um 77 Prozent!Die zunehmende Geburtenhäufigkeit gegen Ende der ersten Jahrhunderthälfteund niedrigere Sterblichkeitsziffern 20 Hessen die allgemeine Lebenserwartungansteigen. Deshalb erreichten mehr Leute als früher das Kommunikantenalter.Die grössere Zahl der Eheschliessungen in den späten dreissiger und vierzigerJahren trug zur Zunahme der Bevölkerung nach diesem Zeitpunkt ebenfalls bei.Die Zeit zwischen 1720 und 1740 erscheint somit für diese Bevölkerungsentwicklungals «période de départ».Die Bevölkerungszunahme kann mit den offiziellen Zählungsergebnissen nachgewiesenwerden; deren lokale Zuverlässigkeit ist aber nicht immer gewährleistet,wie das ständige Bemühen der Obrigkeit, die Pfarrherren zu grössererExaktheit anzuhalten, zeigt.Eine Berechnung der Bevölkerungsgrösse bei überhaupt fehlenden Zählungenwurde andernorts schon versucht. Diese Methode geht von der Annahme einergleichbleibenden Geburtenziffer aus (40%o); in ländlichen Gebieten darf dieseGrosse als gerechtfertigt erscheinen. Durch die Multiplikation der durchschnittlichenjährlichen Taufzahlen einer bestimmten Periode (Multiplikator25) erhält man die mittlere Bevölkerungsgrösse innerhalb der in Betracht gezogenenZeit 21 :Tabelle 47 Bevölkerungsgrössen in den Entlebucher Gemeinden (berechnet nach Zehnjahresdurchschnittender Taufen)Flühli/Marbach Escholz- Schüpf- Hasle Entle- Romoos Dopple- Totalmatt heim buch schwand1705 645 1220 1487 627 10471715 607 1095 1445 455 970 462 343 5 3771725 535 1075 1322 610 1035 470 363 5 4101735 822 1573 1722 735 665 4431745 907 , 1565 2040 837 1470 778 390 7 9871755 887 1470 2215 900 1645 870 488 8 4751765 1017 1620 2540 1100 1602 930 533 9 3421775 1140 1905 2322 907 1460 1008 520 9 2621785 1357 2430 3114 1 1022 1805 1190 560 114781795 1427 2430 3367 2 1150 1817 1408 583 121821805 1670 2818 2293 1240 2055 1458Abweichung der offiziellen Zählung von 1796 von der mittleren Bevölkerungsgrösse ao 1795+2% -2% +12% +5% -4% -9% +19% +3%1plus Flühli 799 Einwohner (1784).2 plus Flühli 1172 Einwohner (1796).20 Vgl. Kap. Grobauszählung, 3.1 a); Die Säuglingssterblichkeit, 3.4 a).21 Henry, Manuel 54. Die schmale und zum Teil unsichere Basis überlieferter Bevölkerungsgrössenbildet das Haupthindernis für die Darstellung der Entwicklung der Tauf-, Ehe- undSterbeziffern im 18. Jahrhundert.111


Prozentuale Zunahme der Bevölkerung/pro Jahr1715/1745 49/1,65 43/1,43 41/1,37 84/2,80 52/1,72 68/2,28 14/0,46 48,5/1,621745/1795 57/1,15 55/1,11 65/1,30 37/0,75 24/0,47 81/1,62 49/0,99 52,5/1,051715/1795 135/1,69 122/1,52 133/1,70 153/1,91 87/1,09 205/2,56 70/0,87 126,6/1,58Von 1715 bis 1745 ist in den Gemeinden Entlebuch, Marbach, Escholzmatt undSchupf heim eine dem ganzen Amt ähnliche Bevölkerungszunahme festzustellen,lediglich Doppleschwand lag unter dem allgemeinen Durchschnitt, währendin Hasle und Romoos eine ausserordentlich starke Expansion vor sich ging. -Von 1745 bis 1795 zeichnete sich eine prozentual etwas verstärkte Zunahmerateab: ausgeglichen in Schupf heim, Marbach, Escholzmatt und Doppleschwand,verlangsamter Rhythmus in Entlebuch und Hasle; in Romoosnahm in diesen 50 Jahren die Einwohnerschaft - vielleicht dank der eingewandertenGlaser aus dem Schwarzwald - noch einmal stark zu.Innerhalb von 100 Jahren (1705-1805) hatte die Einwohnerzahl in Doppleschwandum die Hälfte zugenommen; in Schupfheim/Flühli und Entlebuchwohnten nun doppelt so viele Leute, in Escholzmatt, Hasle und Marbachnahezu dreimal mehr; in Romoos hatte sich nach der verwendeten Berechnungsmethodedie Bevölkerung mehr als verdreifacht. Am Ende des 18. Jahrhundertszählte das Amt Entlebuch zweimal so viele Einwohner wie um1700. 22Bickel nimmt für den Alpenraum während des 18. Jahrhunderts eine Bevölkerungszunahmevon 10 bis 20 Prozent an, für den Kanton Luzern von 1743 bis1798 lediglich 12 Prozent. 23 Die Bevölkerungsentwicklung im Amt Entlebuchliegt also weit ausserhalb dieser Zahlen. Die jährliche Bevölkerungszunahmewar in der ersten Jahrhunderthälfte sogar noch grosser als in der zweiten. -Das Entlebuch war den übrigen Ämtern des Kantons in seiner Bevölkerungsentwicklungum einige Jahrzehnte voraus. Untersuchungen in anderen Kantonenwerden vielleicht bestätigen, dass gesamtkantonale Studien die Entwicklungsphaseneinzelner Regionen verschleiern. Die Bedeutung von Regionalstudienkonnte somit durch die Darstellung der entlebucherischen Bevölkerungsentwicklungdeutlich herausgehoben werden.22 Von 1715 bis 1816 nahm die Amtsbevölkerung um 189% zu, von 1715 bis 1838 um 219%,von 1715 bis 1850 um 215%. Nach 1850 nimmt die Bevölkerung bis zur Zählung von 1888 ab,ab 1910 verhält sie sich wieder progressiv. Vgl. Gubler, Anhang. Bei der Volkszählung von1798 gab es im Kt. Luzern nur 6 Gemeinden, die über 2000 Einwohner zählten. Zwei davonwaren Entlebucher Orte: Escholzmatt und Schüpfheim. Ebenfalls nur 6 Gemeinden hattenüber 1500 Einwohner: Marbach und Entlebuch fielen in diese Gruppe. Von den restlichenGemeinden hatte nur Doppleschwand weniger als 1000 Einwohner. Bis 1837 war das Amt mit15% an der Kantonsbevölkerung beteiligt; dieser Anteil sank bis um 1900 auf 10%, 1950 auf7%, 1970 auf 6,2%.23 Bickel 52, 279.112


a) Die BevölkerungsstrukturEine Bevölkerung mit allgemein niedriger Lebenserwartung, mit hohen Fruchtbarkeits-und Sterblichkeitsziffern muss diese Faktoren auch in ihrer Gliederungspiegeln.1745 war die Bevölkerung der Entlebucher Gemeinden durch den grossenAnteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung charakterisiert :Tabelle 48 Prozentualer Anteil der Kommunikanten und Nichtkommunikanten an derGesamtbevölkerung im Jahr 1745MarbachMarbach (1766)SchüpfheimHasleEscholzmattNichtkommunikanten Kommunikanten40 6029 7129 7127 7319 81In Schüpfheim und Hasle war mehr als ein Viertel der Einwohner weniger alsfünfzehnjährig, in Escholzmatt knapp ein Fünftel, während Marbach mit seinenzwei Fünfteln Nichtkommunikanten die jugendlichste Gemeinde war.Tabelle 49 Prozentualer Anteil der 1- bis 16jährigen an der Gesamtbevölkerung in denZählungen von 1745, 1780 und 17961745 1780 1796HasleMarbachDoppleschwandRomoosEscholzmattSchüpfheimEntlebuchFlühli27 37 3140 37 4135 4334 4319 33 4029 30 3428 4242Von 1780 bis 1796 erhöhte sich der Prozentsatz der unter 16 Jahre alten Leuteauf durchschnittlich 40 Prozent. Neben Hasle und Schüpfheim, die leicht unterdieser Zahl lagen, zeichneten sich die übrigen 5 Gemeinden durch eine grosseHomogenität in der Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppenaus. Die Bevölkerungsstruktur war trotz der verschiedenen geographischenund ökonomischen Grundlagen in ihrer Gesamterscheinung einheitlich. Allewiderspiegeln in ihrer Jugend hohe Geburtenziffern.Dies zeigt sich auch in einer Zusammenstellung der Altersgruppenverteilunganhand der Zählung von 1780 (vgl. Tab. 50).113


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Der Anteil der über 60 Jahre alten Männer war in allen Gemeinden verschwindendklein. Dagegen war die Gruppe der zwischen 16 und 60 Jahre altenam stärksten vertreten. Etwa ein Drittel beider Geschlechter gehörte zu denJugendlichen, die jünger als 16 waren. - Bei den Frauen zählte man etwa gleichviel Ehefrauen wie Kinder. Ausserordentlich stark war der Anteil der Ledigenund Witwen, wobei allerdings die Zahl der Ledigen noch abgenommen habendürfte, da ja die Mädchen zwischen dem 16. und 24. Lebensjahr (häufigstesHeiratsalter) noch durchaus in die Gruppe der Ehefrauen wechseln konnten.Dennoch dürfte eine ziemlich grosse Zahl von Witwen und Ledigen übrigbleiben.b) Die VolksdichteDie Siedlungs- und Bevölkerungsverteilung des Entlebuchs ist nach BühlerAusdruck seines typisch landwirtschaftlichen Charakters. Ein wesentlicherFaktor für die Volksdichte ist die Höhenlage. Dies tritt besonders bei der GemeindeFlühli deutlich in Erscheinung, von deren Bodenfläche 93 Prozentüber 1000 m ü. M. lagen. «Es zeigt sich eine allgemeine Höhenflucht. Die Bevölkerungverdichtet sich auf den tieferen Lagen.» 24Auf der Grundlage der mittels der Taufzahlen berechneten Volksgrössenergibt sich für die Volksdichte am Beginn des 18. Jahrhunderts (1715) nochein einheitliches Bild:Tabelle 51 Bevölkerungsstand, Nutzfläche und Volksdichte in den Entlebucher Gemeinden1715, 1745, 1784 und 17981715 Bevölkerung Nutzfläche ha Einwohner/km 2Schüpfheim/Flühli 1445 13 151 11,0Hasle 455 3 575 12,7Romoos 462 3 187 14,5Marbach 607 4090 14,8Entlebuch 970 5 398 18,0Escholzmatt 1095 5 758 19,0Doppleschwand 343 661 51,9Amt Entlebuch 5 377 35 820 15,01745Schüpfheim/Flühli 2040 13 151 15,5Marbach 907 4 090 22,2Hasle 837 3 575 23,4Romoos 778 3 187 24,4Entlebuch 1470 5 398 27,2Escholzmatt 1565 5 758 27,2Doppleschwand 390 661 59,0Amt Entlebuch 7 987 35 820 22,324 Bühler 94. Grundlage für die Dichteberechnungen waren: für 1715 und 1745 die mittlereBevölkerungsgrösse, für 1780 und 1798 die offiziellen Zählungen. Produktivareal nach:Schweizerische Alpstatistik (1905).115


Bevölkerung Nutzfläche ha Einwohner/km 21784Flühli 799 9 463 8,4Hasle 1043 3 575 29,2Entlebuch 1580 5 398 29,3Marbach 1279 4 090 31,3Romoos 1073 3 187 33,7Escholzmatt 2 350 5 758 40,8Schüpfheim 2 212 3 688 60,0Doppleschwand 552 661 83,5Amt Entlebuch 10 888 35 820 30,41798Flühli 1 222 9 463 12,9Entlebuch 1830 5 398 33,9Hasle 1239 3 575 34,7Marbach 1524 4090 37,3Romoos 1395 3 187 43,8Escholzmatt 2 550 5 758 44,3Schüpfheim 2600 3 688 70,5Doppleschwand 536 661 81,1Amt Entlebuch 12 896 35 820 36,0Nur Doppleschwand, welches auch in allen weiteren Berechnungen immer diegrösste Dichte aufweist, zeigt eine relativ dichte Besiedlung, die Bühler auf denMangel an alpwirtschaftlichem Gelände zurückführt. 25Um 1745 hatte sich die Verteilung der Bevölkerung bereits differenziert. Schüpfheimund Flühli blieben deutlich zurück, wobei die grosse Nutzfläche von Flühliund Sörenberg stark einwirkte. In den übrigen Gemeinden schlug sich dieBevölkerungszunahme gleichmässig nieder. Es ist aber zu berücksichtigen,dass die alpwirtschaftliche Betätigung die Volksdichte stark beeinflussen kann.Pfarrer Schnyder gab für Marbach um 1780 eine Einwohnerzahl von 1200Seelen an und bemerkte dazu: «Versteht sich vor im Winter: denn im Sommerkann eine Pfarrey mehr oder weniger bewohnt sein, darnach sie mehr oderweniger Alpen, oder dann auf solchen Sennen, die anderswoher auf die Alpentreiben, zählet; oder auch hingegen andere hat, die anderswo fahren.» 26Escholzmatt mit 41 E/km 2 und Schüpfheim mit 60 E/km 2 waren infolge geringerunproduktiver Fläche um 1784 relativ dicht besiedelt. Aber auch Marbachund Romoos wiesen eine um fast 10 E/km 2 dichtere Bevölkerung auf als30 Jahre früher. Das dürfte vor allem auf eine intensivere Nutzung und dieErb- und Güterteilungen zurückzuführen sein. So berichtete Schnyder vonRomoos : «In allen Krachen, Abhängen und den entlegensten Orten haben die25 Bühler 94.26 Schnyder, Geschichte II, 214f. ; vor im Winter = für den Winter.116


Graphik 21Entwicklung der Bevölkerungsdichte im 18. Jahrhundert17151 Entlebuch2 Hasle3 Schüpfheim4 Flühli5 Marbach6 Escholzmatt7 Romoos8 Doppleschwand17451784VZLZ!•10 21-30 41-50 61-7011-20 31-40 51-6081-90117


Leute angebauet [...] Binnen 40 Jahren sollen die Winterheimathe um dieHälfte angewachsen seyn. Die Anzahl der Einwohner wenigstens hat sich ungemeinvermehrt.» 27 - Entlebuch und Hasle zeigen - verglichen mit 1745 - eineziemlich stationäre Volksdichte. Das zur Verfügung stehende Areal konnte hieram Ende des Jahrhunderts durch natürliche Intensivierung kaum mehr vergrößertwerden, während in den Randgebieten (Marbach, Romoos, Waldemmental)der Rodung und Verbesserung des Produktivareals noch Möglichkeitenoffenstanden, ein Prozess, der durch den zunehmenden Bevölkerungsdruckverstärkt wurde.Die Volksdichte im ganzen Amt entwickelte sich - wiederum nur auf die Nutzflächebezogen - von 15 E/km 2 im Jahre 1715 auf 22 (1745), 30 (1784) und36 E/km 2 im Jahre 1798. Dies bedeutete mehr als eine Verdoppelung derDichte innerhalb von 100 Jahren. Aus der Betrachtung der Entwicklung derVolksdichte lassen sich daher die Anforderungen an die entlebucherischeWirtschaft, die gesteigerten Bedürfnisse und die unterschiedlichen lokalenMöglichkeiten diese zu bewältigen, eindrücklich ablesen.c) Die WanderungenBevölkerungszunahme, Überangebot an Arbeitskräften, Verletzlichkeit derunmittelbaren Lebensgrundlagen zwangen viele Entlebucher immer wieder,den Lebensunterhalt kurzfristig oder dauernd auf der Wanderschaft zu suchen.-Die Alpwirtschaft belegte ja nur wenige arbeitsintensive Monate; in der Zwischensaisonkonnten sich viele Leute nach anderen, ergänzenden Beschäftigungenumsehen.Gezwungen dazu waren jene, die eine zu schmale Basis für die Lebensmittelbeschaffungbesassen oder die als Lehensleute den Unterhalt nur für die Sommerszeitgesichert sahen. - Den Unvermögenden und Armen blieb aus Mangelan landesinternen Arbeitsplätzen oft keine andere Wahl als Gegenden aufzusuchen,wo ihnen in anderen Betätigungen die dringende Lohnbeschaffungmöglich war.Das System der Alpwirtschaft kann als sehr wanderungsfreudig angesehenwerden; die Trennung in Winter- und Sommergüter bezeichnet diese Formdes wechselnden Standorts. Erst die zunehmende Besiedlung auch über dieRandgebiete der möglichen Winterheimate hinaus und die intensivierte RodungswirtschaftHessen die Siedlungsgrenze für ungeteilte Standorte höhersteigen. Ursache der Siedlungsverdichtung und Erweiterung des Lebensraumeswar die Bevölkerungszunahme. 28Die interne Freizügigkeit war unterschiedlich geregelt. - Nur die Landleutekonnten sich frei bewegen; die Bei- und Hintersassen waren an die Wohnorte27 Schnyder, Geschichte II, 262.28 Vgl. Kap. Die Gestaltung der Umwelt, 6. b).118


gebunden, wo sie sich eingekauft hatten. 29 Im Verlaufe des 18. Jahrhundertswurden die Bestimmungen für die Reicheren gemildert. Bei- oder Hintersassendurften bei Kauf oder Lehen in ein anderes Amt ziehen, wenn sie vom ganzenLand angenommen und im Besitz von 200 Gl waren. Ein Beisäss sollte über600 Gl verfügen und bei Käufen % der Kaufsumme in bar vorweisen können;bei Lehensantritt hatte der Lehensmann 200 Gl für den Pächter zu bezahlen. 30 -Von einem dauernden Wohnortswechsel innerhalb des Amtes konnten dieFrauen leichter Gebrauch machen; deren Mobilität wurde im Kapitel derHeiratsbeziehungen skizziert. 31 Höchst selten hatten Männer in andere Gemeindenund Gerichte eingeheiratet. Ihr rechtlicher Status beeinträchtigte ihreFreizügigkeit.Die Einbürgerungspraxis war seit der Verteilung der Hochwälder unter dieAmter und der Intensivierung des Armenwesens immer schärfer geworden.Ohne die Begleichung der Einkaufssumme besass niemand ein Niederlassungsrecht.32 - «Seit mehr als 100 Jahren wurde das Lantrecht niemanden gegeben»,hiess es in der Antwort an die helvetische Regierung, die sich 1799 über dieVerhältnisse im Gemeindeeigentum orientieren liess. 33 - Für das 18. Jahrhundertkönnen nur wenige Namen und Familien beigebracht werden, welche umNiederlassungsbewilligung ersucht hatten und denen sie auch gewährt wurde.Der Rechtssetzung entsprechend konnten nur vermögende Leute mit der Bewilligungihrer Gesuche rechnen. Die Teilhabe am Gemeinnutzen als vollberechtigterLandmann wurde zur raren Ausnahme. Auch nur schon die MöglichkeitBei- oder Hintersasse zu werden, war schwer geworden, entsprach dochdie normale Einkaufssumme zeitweise dem Wert einer guten Kuh. - JohannLandacher von Unterwaiden erhielt 1722 das Landsässenrecht. 34 - Schupf heimverrechnete 1757 «wägen Inkouffs für ein Bysäss» 60 Gl; die Familie Steffenzahlte 30 Gl. 35 1759 wird ein Beisässgeld von 45 Gl erwähnt. Josef Kaufmannkaufte sich 1763 um einen «bilichen Breys» (12 Gl 20 b) ein. 36 1765 erhieltFranz Brand und seine Nachkommen Anerkennung als «Lantkinder». 37 Imgleichen Jahr gingen 64 Gl 20 b Beisässengelder ein; 1767 zahlte Jakob Bucher29 «Jedes Amt solle seine Hintersasse ohne des andern Nachtheil halten.» (1669) Schnyder,Geschichte I, 128.Die Beisassen haben «nur das Recht, sich in einem der drey Ämter nach Beheben zu setzen»;die Hintersassen haben «dadurch ein Recht, sich im Lande haushäblich niederzulassenerhalten, weil sie in einem der drey Ämter eine Heimath erkaufet haben, aber dann auch nurin selbigem Amte Hintersassen sind». Schnyder, Geschichte II, 192.30 StA LU Seh 468, 4. Febr. 1760; RP 20. Aug. 1762, 444.31 Vgl. Kap. Die Herkunft der Eheleute, 3.3 d).32 LR Art. 117, 115; vgl. Kap. Das Hochwaldwesen, 4.3.33 Zur Einbürgerungspraxis vgl. Bickel 105; Bättig Iff., 70ff.; Stalder, Fragmente II, 122;Studer O., Von den Bürgerrechten im Entlebuch.34 StA LU Seh 468.35 Studer O., Von den Bürgerrechten im Entlebuch, 7ff.36 Id., 11 f.; Landrechnungsprotokolle, Amtsarchiv Schüpfheim.37 StA LU Seh 468, 20. März 1765; vgl. auch die Bestimmungen im RP 25. Juni, 229 r;22. Febr. 1796, 13; 12. Mai 1797, 16. Dez. 1797, 15r.119


ein «Bysass Inkouffgelt» von 12 Gl; 1781 hatte man «wegen denen BüntnerBysässen Kosten gehabt». Anton Bucher von Entlebuch zahlte in Schüpfheim1783 36 Gl; Franz, Jost und Klaus Zurkillen gaben 42 Gl Beisassengeld aus.In die Abkapselung des Amtes nach aussen wurden auch die Eigentumsverhältnisseeinbezogen. Besonders seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurden dieLandinsassen durch Verleihung von Alpen an Auswärtige in vermehrtem Massebetroffen. Das Entlebucher Landrecht bestimmte zwar ursprünglich, dass alleAlpen eigentümlich den Einheimischen gehören sollten und forderte in Artikel201, fremde Alpbesitzer sollten ihr Gut wieder an das Land zurückgehen lassen.38 Den Landleuten wurde für liegendes Gut und Grundstücke ausserdemdas Vorkauf recht eingeräumt. 39Trotzdem wurden häufig Alpen an Auswärtige, vor allem Berner, entlehnt, sodass der Rat 1661 in einem Mandat die landrechtlichen Bestimmungen in Erinnerungrufen musste. 40 - Vermutlich seit der Reformation war den Bauernausserdem verboten, mit ihren Familien auf die Alpen zu fahren; so beklagtesich 1694 der Vogt von Trachselwald, weil die Berner Älpler ihre Frauen undKinder nicht auf die Alpen mitnehmen dürften. 41 1745 wurde den Frauenerlaubt, bei der Auf- und Abfahrt drei Tage lang mitzuhelfen. 42 Die Alpensollten aber nicht länger als sechs Jahre verliehen, während des Winters nichtbewohnt und «auf denen Berner Alpen keine neue Häuser» aufgeführt werden.43Bei den externen Wanderungen der Entlebucher nahmen Saisonarbeit und fremdeSolddienste den ersten Platz ein. - Die landrechtlichen Bestimmungen behindertendiese kurzfristigen Wanderungen nicht, beschränkten aber die Möglichkeitenlängerer Abwesenheit beträchtlich.War ein Landmann mit Frau, Kindern und seiner Haushaltung länger als einJahr ausser Landes, verlor er das Landrecht. 44 Dazu wurde später verschärfendergänzt, dass die Gemeinden jene, die «mit Wyb und Kinderen ab und uss derGemeind» zögen, nicht wieder aufnehmen mussten. 45 Und, «welcher mit seinerHaabschafTt uss dem Land züchet, dem wird man Wyb und Kind sambt demMannrecht nachschickhen, und solchen nit mehr für den Unseren erkhennen». 46Die landrechtlichen Vorschriften Hessen daher nur die Saisonarbeiten als rechtlicherlaubte Wanderung zu; die Solddienste waren von zeitlichen Beschränkungenverständlicherweise ausgenommen. - «Einige Schwaden von Jünglingenund Mädchen in verschiedenen Haufen, die unter sich einen Meister und Auf-3 8 LR Art. 201 ; Bitzi, Landrecht (1949) 70; Merz, Alpwirtschaft 9f.3» LR Art. 135; Bitzi, Landrecht (1949) 49.4 ° Schnyder, Geschichte I, 127; StA LU Seh 468; Wiederholung: 1675, 1696; RP 5. März1738, 197r; MB 25. Nov. 1780 (192).« StA LU Seh 468.42 StA LU Seh 469; RP 29. Okt. 1745, 74 v.43 StA LU Seh 469; RP 19. Mai 1759, 72r; MB 29. Jan. 1759 (108).44 Studer O., Von den Bürgerrechten im Entlebuch 62.« Bitzi, Landrecht (1949) 101 (13).« Bitzi, Landrecht (1949) 101 (14).120


seher gestellt haben, ziehen zur Dinkelernte in's Gäu und in die Freiämter,machen mit dem Gutsbesitzer einen Vertrag um die Juchart und kehren dannmit schwerem Gepäck von Brod, womit sie oft stolz thun, und mit ihrem sauererrungenen Geldchen zurück. Andere Schwaden in geringerer Anzahl ziehennach dem Solothuraer- und Freiburgergebiet, und bisweilen bis in's Pays deVaud und Neuenburgische, um in jenem dem Heuet, und in diesem demWeinleset beizuwohnen», schreibt Stalder. 47 Und der Zürcher LandschreiberOrelli beschreibt die Arbeitsweise : «Die Bewohner dieses Landes verdienen vielmit der Kornernde im <strong>Luzerner</strong>gäu [...] Es ziehen jährlich wohl 500 in dieserAbsicht aus, und jeder bringt seine 9-10 Fl., mit 20 Pfund Brod, die er vermoketund dörrt, ins Land zurück, so dass durch diesen Erwerb wenigstens S 5000eingehen. Es wird ihm von der Juchart verdungen; in 2 Tagen schneidt er eineJuchert (ohne aufbinden), und des Tags verdient ein Schnitter, wenn er nichtträge ist, 10 Batzen. Er bleibt 4-5 Wochen fort; zum Schneiden kniet er, hatüber die Knie Filz und Leinwand gefüetert, damit es ihn weniger schmerze;die Fleissige arbeiten vom Morgen um drey Uhr bis nachts um 10 Uhr; sieschlafen miteinander in einer Scheur auf Stroh; des Sonntags tanzen sie nacheiner Schallmey. Der Schnittermeister, der den Vertrag mit dem Bauer nachJucharten macht, hat ein Bett. Zum Heuwen gehen sie ins Urselerthal, ins Bernische,und Sollothurnische, heuwen bücklings und schneiden auf dieseWeise grössere Maden.» 48In Listen der Ortsabwesenden, die aus den Jahren 1768 und 1784 erhalten sind,tritt die Bedeutung der zeitweiligen Abwesenheit hervor. 49Nach Aufenthaltsorten ergab sich folgendes Bild:Militär ElsassSolothurnWallisFreiburgandereunbekanntTotal1768:1784:5157283546632126123514224688218326Franz Lauber von Marbach beispielsweise war 1768 «zu Paris bei einem Urenmacher»,Jakob Vogel von Entlebuch «vor einem Jahr in das Elsass kommen inein Kloster», Josef Haas von Escholzmatt bei einem Krämer in Freiburg; KlausKaufmann «handlet umb Käs bej Lucern» und Klaus Josef Studer «küöieretzu Bärn». Zu Ortsabwesenden wurden auch die Verbannten gezählt: JosefUnternährer von Hasle war 1784 ausser Landes, weil er, wie Xaver Schütz vonDoppleschwand, «wägen frembden Diensten verwissen» worden war. Diemeisten aber standen «in Burendiensten». - Hans Studer von Schupf heim war47 Stalder, Fragmente I, 206, 77; Schnyder, Geschichte II, 171, 172.48 Orell, Kurze Beschreibung des Endtlibuchs aus dem Jahre 1791, 74.49 StA LU Seh 468; gedruckt: Aregger J., 2 alte Verzeichnisse über ausgewanderte Entle-bucher.121


in «Neüw Burg in Holtzarbeit», N. Marbacher in Solothurn «bej einem Mstr.Hutmacher», Josef Lauber diente in Solothurn, «Im Schlos Wartenfels», AnnaMaria Lauber «in der Statt Basel, bei einem Herrn». Hans Bieri, 15jährig,hielt sich in London auf. - Diese Listen, die Anfang April abgeliefert wurden,dürfen wohl kaum als Saisonarbeiterverzeichnisse angesehen werden, da dieErnte im Mittelland später einsetzte. Die Aufteilung nach Orten lässt aber dieAnziehungspunkte für auswärtige Beschäftigung klar hervortreten.Bei der Betrachtung des Soldwesens wird der Leser nach dem bisherigen Verlaufder Darstellung der entlebucherischen Verhältnisse konsequenterweiseerwarten, dass nicht so sehr die politischen Bedingungen der fremden Dienstebehandelt werden können; ebenso liegt eine Darstellung des Soldwesens unterder Maxime «Treue und Ehre» weitab. Auch die in älteren Untersuchungenbis jetzt - mit wenigen Ausnahmen - oft in den Mittelpunkt des Interesses versetztenoberen Heeresränge liegen an der Peripherie des hier versuchten Geschichtsverständnisses.Der Entlebucher war einfacher Soldat; demnach wird jetzt die Mannschaft deruntersten Solddienstklasse ins Zentrum rücken. - Aufgrund der wirtschaftlichenBedingungen kann man mit grosser Sicherheit annehmen, dass es nichtso sehr der Ehrenkodex des Schweizers, der für Gott und Vaterland sein Lebeneinsetzte, war, welcher die Leute unter die Fahnen zog, sondern meist seine existentielleNot. Arbeitslosigkeit, Geldknappheit, Armut dürften die hauptsächlichstenMotive gewesen sein, sich für ausländische Militärdienste anwerbenzu lassen. - Gerne hätte daher die Geschichte der Entlebucher Söldner in diesemKapitel der Wanderungen eine wichtige Stellung einnehmen sollen, und dieArchivarbeiten zogen sich lange hin, da die Soldaten aus einer grossen Zahlerhaltener Rodel und Mannschaftslisten ausgesondert werden mussten. Leiderentsprach die Quellenlage nicht den Erwartungen. 50 - Dies ist um so mehr zubedauern, weil das Solddienstwesen für das Amt Entlebuch auch im 18. Jahrhundertnoch von ausserordentlicher Bedeutung war, da sich bekanntlich dieRekrutierung von Söldnern immer stärker in die agrar bewirtschafteten Gebieteverschob, während die Aushebungsquoten in industrialisierten Regionenständig sanken. Für das Amt Entlebuch, dessen Bevölkerung sich im 18. Jahrhundertverdoppelte und dessen Bodenkapazitäten dieser Entwicklung nichtgewachsen waren, musste - neben den soeben behandelten Saisonbeschäftigungen- das Söldnerwesen einen Faktor ersten Ranges bedeuten. Wie in früherenJahrhunderten war hier der Bevölkerungsdruck der wesentliche Anlass,die auftretenden wirtschaftlichen Härten durch Emigration in fremde Dienstezu lindern. 5150 A.-L. Head-König konnte darauf hinweisen, dass das Material im StA LU lediglich einDrittel aller auswertbaren Materialien darstellt. Die Hauptbestände liegen in französischenArchiven.51 Bickel 94f.; die neueste Untersuchung über Solddienste bestätigt den Vorrang sozialerMotivation : «Diejenigen, die den fremden Diensten weiterhin zustrebten, taten dies wenigeraus Freude am Kriegshandwerk, sondern vielmehr ihrer materiellen Notlage wegen.» Suter 37.122


Trotz der unglücklichen Quellenlage seien hier Materialien aus dem StaatsarchivLuzern vorgestellt. 52 Sie mögen einen ersten Eindruck von der Mentalitätdes Soldaten und den Verlauf seines militärischen Engagements vermitteln ;ausführlichere Studien werden die Darstellung korrigieren oder bestätigen.In den Verzeichnissen waren 271 Entlebucher Soldaten aufzufinden, die fastausschliesslich in französischen Diensten standen. Von 182 ausreichend dokumentiertenSöldnern absolvierte ein Viertel die Dienstverpflichtungen undwurde ordnungsgemäss entlassen; mehr als 20 Prozent aber ergriffen die Fluchtund desertierten. 16 Prozent der Soldaten kehrten nicht nach Hause zurück,weil sie den Schlachtentod fanden oder den Epidemien zum Opfer fielen.4 Prozent wurden wegen verschiedener Delikte von der Truppe verjagt.Von 78 Soldaten sind die Berufe bekannt. Drei Fünftel von ihnen gaben«laboureur» (Landwirt) an; der Rest übte vor allem handwerkliche Berufe aus:4 Strumpfmacher, 4 Schuhmacher, 2 Strumpfwarenhändler, 3 Maurer, 3 Musiker,2 Metzger, 2 Zimmerleute, 2 Leinenweber, je 1 Käser, Hutmacher, Seiler,Drogist, Glaser, Gerber, Goldschmied und Glasbläser.Für drei Viertel der 271 Soldaten konnte das Alter beim Dienstantritt nach denin den Rodeln verzeichneten Altersangaben berechnet werden :Tabelle 52 Alter der Entlebucher Söldner beim DienstantrittAlter beim Dienstantritt1516171819202122232425262728293031323334+ 35, 39 (2), 40, 41, 43, 44 (2), 45Anzahl Soldatenvor 1750 nach 1750312202521239981182683511+ 36, 43, 44, 46Total 31 17952 Rodel und Listen im StA LU, Akten 13/500ff., Fremde Dienste.123


Ergab das durch die geringe Anzahl verwertbarer Daten wohl kaum repräsentativeEintrittsalter für die vor 1750 Eingerückten den hohen Wert von durchschnittlichknapp 30 Jahren, sank dieses für die zweite Gruppe auf 21 Jahre;die Hälfte davon war zwischen dem 17. und 20. Lebensjahr unter die Warfengezogen, wovon wieder die 18- und 19jährigen ein Viertel ausmachten.In 177 Fällen (65%) konnte die Dauer des Dienstverhältnisses oder die bei derRekrutierung angegebene Absicht der Dauer des Verbleibs bei der Truppeberücksichtigt werden. Betrug vor 1750 die Dienstzeit im Durchschnitt 15 Jahre,sank sie nach 1750 auf nur noch 5 Jahre. 70 Prozent dieser zweiten Gruppewollten nicht länger als 4 Jahre unter den Waffen dienen. - Die erste Hälftedes Jahrhunderts war demnach die Zeit der «alten Soldaten» gewesen, die diefremden Dienste meist als Lebensaufgabe antraten und erst mit 45 Jahren wiederin die Heimat zurückkehrten. Nach 1750 schienen die Dienste den Leutenvor dem 20. Altersjahr attraktiv. Sie verpflichteten sich aber nur sehr kurzfristigund kamen meist vor dem 25. Geburtstag nach Hause.Historiker des schweizerischen Söldnertums haben den Mentalitätswandel dereidgenössischen Söldner dargestellt, der seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundertsdie Rekrutierung vor grosse Probleme stellte. Die veränderte Einstellungzum Militärdienst hatte ihre Ursache sowohl in militärinternen Verhältnissenals auch in der Entwicklung der wirtschaftlichen Bedingungen. 53Suter betont vor allem die üblen Rekrutierungsmethoden, die Anwerbungkrimineller und dubioser Elemente, den unbefriedigenden Dienstbetrieb, dienicht mehr verführerisch-attraktiven Handgelder und Beuteaussichten, welchedas Interesse am Handwerk erlahmen Hessen. Die zunehmende Industrialisierung,die grossen Bevölkerungsteilen eine sichere Lebensbasis verschaffte undsie dauernd beschäftigen konnte, Hess die fremden Dienste immer weniger anziehendund notwendig erscheinen. Die Verdienstmöglichkeiten in der Heimatförderten die Dienstunwilligkeit. Auch die Antwort der Entlebucher auf dieVeränderungen war eine nur mehr kurzfristige Kriegsdienstverpflichtung. -Dazu kamen die Bemühungen der landwirtschaftlichen Gesellschaften, die dieAgrarreformen mit mehr und für mehr Leute propagierten. Die Verbesserungder Landwirtschaft schien ihnen die Soldauswanderung überflüssig zu machen.-Die Obrigkeit von Luzern hatte deshalb immer grössere Mühe, den Kapitulationsverpflichtungennachzukommen und stellte fest, dass «mehrere Verleumdersich nit scheuen, die zum Kriegsdienst Lust bezeugende, durch allerGattung unbegründter, denen Herren Hauptleuten aufbürdender Verschwärtzungen,reufallig und abwendig zu machen» 54 . Die «frechen Aufwickler undVerläumder» wurden mit harten Strafen bedroht, die Kriegsdienstleistendenmit Ehrengeschenken ausgestattet. Wer den Dienst treu vollendete, erhielt dasVersprechen, «dass ein solch in Kriegsdiensten gestandener, ehrHcher Mann,53 Feller, Kriegsgeschichte 36. - Gagliardi 913f. - Allemann 123ff., 216f.; Suter IX, 50f.,125f., 134ff, 39f.54 StA LU MB 6. März 1762 (156).124


einem der nit gedienet, in Vergebung einer militärischen Ehren- und anderenStellen jederweilen vorgezogen, und wann er mit einem ehrlichen Abscheidbey seiner Rückkunft versehen, an gemeinen Trüll-Tägen nit zum Trüllen gehaltenwerden solle».Dass nach den vorliegenden Daten trotzdem ein Fünftel aller EntlebucherSoldaten desertierte, wirft ein Licht auf die Zustände in den Regimentern. -Der Soldat, der zunehmend in die Maschinerie des militärischen Betriebs eingezwängtwurde, und dem die Anonymität dieses allmächtigen Befehlsapparateszuwider war, zog es vor, unter Verlust aller heimatlichen Rechte, vom Dienstauszureissen. 55Johann Zemp von Schupf heim wurde 1764 «wegen sträflicher Aufführung,Incorrigibilitet [...], gemacht Komplot, Gehorsamsverweigerung und Subordinationgegen die Unteroffiziere» von der Truppe gewiesen. 56 - Peter Bieri,Josef Bühler und Johann Schütz desertierten, weil sie von den Offizieren versprochenesGeld, Brot und Schnaps nicht erhalten und «oft 1 Vi auf 2 Tag keinMoken Brod empfangen» hätten; sie «seien fast verhungert und hätten vonKastanien leben müssen»; trotzdem habe keiner gewagt, sich zu beklagen, denn«wan einer von ihnen das Maul aufgethan, seye er in Prison kommen, habeSchlag gekriegt und Rebell heissen müssen». 57 - Nikiaus Zihlmann, der knapp12 Jahre beim Regiment gedient hatte, 40 Jahre alt, ledig und mittellos war undsich sonst nur «durch seine Handarbeit ernähret», rückte nicht mehr ein,«weil ihne seine alte Mutter nit mehr habe gehen lassen wollen». 58Da den Deserteuren von der Obrigkeit mit dem Entzug von Hab und Gutgedroht wurde und sie im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte mit Landesverweisrechnen mussten, benützten sie in den meisten Fällen die Gelegenheit,sich im fremden Land niederzulassen und an andere Orte auszuwandern. 59Einige emigrierten auch nach ihrer Dienstbefreiung. - Franz Lötscher undJosef Portmann gingen nach ihrem Dienstaustritt «in die keyserliche Dienstenals Melkher». 60 Hans Bucher wanderte als «Melkher oder Senn mit einemHerren von hier [Wien] nach Bolisch Littau, auf Nissewitz». 61 - HeinrichKriegel, 1764 bei Kardinal Lanti, 1768 beim Fürsten Sermoneta, blieb 1792 alsPortensteher in Rom. 62 - Ludwig Banz Hess sich 1752 in Wien im «keyserlichenLustgarten, so Belvedere genant wird, als Portenschweytzer» anstellen. 6355 Auch Schnyder weist auf die neuen Verhältnisse hin ; es komme neuerdings «in den Kriegenfast aller Orten mehr auf die Kunst und den Unterricht, als die Stärke und Herzhaftigkeit» an.Geschichte I, 96; zu den Desertionspraktiken vgl. Suter 47 f.se StA LU Akten 13/1668.57 StA LU Akten 13/774.ss StA LU Akten 13/772.59 Zu den Massnahmen vgl. MB passim, dsgl. die Listen der verbotenen Kompagnien.60 StA LU Akten 13/1670.61 StA LU Akten 13/1681 ; Nissewitz = Nieswiez' (Nesviz), 26,7 nördl. Br. / 53,1 östl. Länge.62 StA LU Akten 13/1002.63 StA LU Akten 13/1672.125


Die ersten ausführlichen Informationen über dauernde Emigrationen sind seitdem Ende des 17. Jahrhunderts überliefert. Nach dem Bauernkrieg musstenzahlreiche Entlebucher wegen unerträglich gewordener Verschuldung oderpolitischer Verfolgung das Land verlassen. Von 1649 bis 1715 wanderten mehrals 200 Personen nach dem Elsass aus. 64 Die günstigen Ansiedlungsbedingungenförderten die Auswanderungsbewegung. - Die Quote ist zahlenmässig allerdingsschwer zu erfassen, da keine Auswanderungslisten aufzufinden waren.Aber sie tendierte zu einer während des Jahrhunderts doch abnehmendenGrosse. 65 Anhaltspunkte für Emigration liefern Verschollenheitserklärungen,Gesuche um Geld- und Gutausfuhrbewilligungen in den Protokollen der Viktualienkammer.Aber hier wurden natürlicherweise nur jene Leute berücksichtigt,die Ansprüche auf Erbschaften oder Vermögen besassen. Die Dunkelzifferderer, die verarmt oder ohne die Auszugsgelder zu bezahlen, aus demLand verschwanden, ist nicht zu unterschätzen. Der Zusammenzug aller Angabenaus den Protokollen 66 und den Abrechnungslisten der Landvögte 67 ,in denen unter den Einnahmen Auszugsgebühren vermerkt wurden, ergab -nach Auswanderungszielen aufgeteilt - folgende Zahlen :Tabelle 53 Auswanderungsziele von Entlebuchern in verschiedenen ZeiträumenZeitraumElsassSchwabenlandAuswanderungszieleLoth- Wallis andere Totalringen1689-1720 145 29 23 9 12 2181720-1740 79 2 16 14 8 119 681749-1770 44 1 - 6 21 721771-1788 8 - - 8 9 25Ein Anziehungspunkt erster Grosse bildete immer das Elsass. Die durch dieAuswanderung nach dem Bauernkrieg intensivierten persönlichen Beziehungenrissen nicht mehr ab. - 1706 musste die Kanzlei in Luzern vermerken, dass vieleEinheimische ins Elsass und anderswohin «zu arbeiten» auswandern. Manhabe aber die Leute in diesen Kriegszeiten nötig und sie sollten zu Hause bleiben.69 Die Notjahre um 1709 förderten die Abwanderung sichtlich. Ein Viertel64 Zur Auswanderung ins Elsass vgl. Kintz; Stintzi 132, 134; Bonnaud-Delamare R., Notessur la Descendance d'un émigré lucernois: Hans Krummenacker 289ff.; id., L'Immigrationhelvétique dans les Principautés de Murbach et de Lure après la guerre de Trente Ans;Bonnaud erwähnt für diese Zeit 429 Auswanderer aus luzernischem Gebiet, davon über 200aus dem Entlebuch.65 Stalder beschreibt um 1790 die Auswanderung als «überaus seltene Erscheinung». FragmenteI, 75.66 StA LU Staatsökonomieprotokolle, Civilratsprotokolle.« StA LU Seh 492.68 Mit Lücken.es StA LU Seh 766, 12. März 1706.126


aller Auszüger von 1689 bis 1720 ging in den Jahren 1708 bis 1711 weg. - Auchim Krisenjahr 1770/71 musste die <strong>Luzerner</strong> Regierung vom Stand Zürich benachrichtigtwerden, «was massen in dero Landen ein gefährliche Emigrationnach Preussisch Pommern sich ausbreite». Die Geschworenen des Entlebuchmussten aufgefordert werden, allfallige Bewegungen auf der Landschaft zumelden. 70Gesamthaft können aus dem Entlebuch für das 18. Jahrhundert keine langdauerndenEmigrationswellen nachgewiesen werden. Aussereuropäische Auswanderungszielewurden hier erst im 19. Jahrhundert populär. - Dagegen sinddie saisonalen Migrationen als äusserst wichtig anzusehen. Sie waren einBestandteil der Entlebucher Wirtschaft. Ohne ihre Berücksichtigung wäre diewirtschaftliche Betätigung weiter Bevölkerungskreise eines wesentlichenAspekts entblösst.d) Das ArmenwesenSeit der Zuteilung des Hochwaldareals an die einheimischen Ämter war dieEinbürgerungspraxis zunehmend verschärft worden. 71 Sie wurde durch dieArmenordnung von 1590, in welcher die einzelnen Orte mit der Organisationdes Armenwesens betraut wurden, noch gefördert. Dies hatte zur Folge, dasszahlreiche recht- und besitzlose Vaganten die Landschaft durchfluteten; dieBettelzüge wurden zu einer unangenehmen Landplage.Von den einzelnen Ständen wurden daher regelmässig breit angelegte «Landjäginen»organisiert, in denen eine grosse Zahl aufgebotener «Landjäger» derBettlerscharen habhaft zu werden versuchte. Zeitweise versuchte man sogar,die Aktionen in mehreren Ständen zu koordinieren. 72 Diese Unternehmungenbenötigten viel Personal und Geld, und an ihrer Wirksamkeit darf gezweifeltwerden, drängte es sich doch einer besseren Kontrolle wegen auf, den BettlernPässe auszuhändigen, «damit sie nicht ringsweis im Land herumblaufen». 73Am Beispiel der «General-Landjägi» von 1750 74 , die wie ein Fangnetz über dieflüchtenden und sich überall versteckenden armen Leute ausgelegt wurde,kann der Organisationsaufwand und Personalbedarf aufgezeigt werden, derauf die Vaganten wohl eine kurzfristige Wirkung zeitigte, das eigentliche Problemihrer Armut aber nicht lösen konnte. Denn die Herumhetzerei machte dieSesshaftigkeit, in welcher dauernder Arbeitseinsatz und Einkommen erleichtertworden wären, unmöglich.70 StA LU MB 1. Dez. 1770 (49).71 Vgl. Kap. Das Hochwaldwesen, 4.3; Grüter S., 469ff.; Denzler.72 Vgl. dazu die Beschlüsse der Tagsatzung in den Abschieden. <strong>Luzerner</strong> Betteljagden fandenz.B. statt in den Jahren 1687, 1691, 1700, 1714, 1718, 1734, 1735, 1737 (mit Bern), 1738(Schwyz), 1739, 1740 (Bern), 1741, 1742, 1744, 1748, 1750, 1763 (Bern), 1768, 1769, 1771,1773, MB passim; StA LU Seh 736.73 StA LU Seh 737, Almosenordnung von 1707.74 StA LU Seh 738, Ordnung der General-Bättel Jägi 1750.127


Das Entlebuch - Fluchtweg vom Kanton Bern in das <strong>Luzerner</strong> Mittellandund in die Stadt - nahm in der Organisation der Jagd eine wichtige Stellung ein.Der Einsatz von Truppen, die aus Ohmgeldeinnahmen bezahlt werden sollten,dauerte insgesamt drei Tage. Am ersten Tag sollten die Stadt und Teile desMittellandes, am zweiten die Vororte von Luzern und das Ruswileramt undam dritten Tag das Willisaueramt und das Land Entlebuch systematisch durchgekämmtwerden. - Patrouillen hatten «das Bettel- und Strollchengesind allerohrten,das ist, nit nur auff denen Landtstrassen, sondern auff denen Abwegen,in denen Wällderen, Thäleren, Töblen und Bachthalen, auch in denen Häusernund S.V. Stählen» aufzustöbern. Wer zum erstenmal - ob Mann oder Frau -erwischt wurde, wurde geschoren; beim zweitenmal drohte den Männern dieGaleerenstrafe, den Frauen die Züchtigung «mit dem Staubbäsen». Die aufgefundenenBettler wurden, mit Pässen versehen, über die Grenze gestellt. Damitdie Passzettel entziffert werden konnten, sollte die benötigte Truppe allerdings«dess Schribens und Lesens und dess Militärischen ein wenig kundig seyn».Das Entlebucher Aufgebot umfasste insgesamt 381 Mann, wovon 185 die Landschaftabsuchten; der Rest besetzte die Wachtposten.Die Jagd wurde am 11. März eröffnet. Über ihren Ausgang sind wir leider nichtunterrichtet.Die wichtigste Folge dieser regelmässigen Bettlerjagden war der Ausbau eineramtseigenen Polizei, die von der Stadt aus mit «Ordnung- und Verhalts-Puncten»instruiert wurde. 75 - So galt auch für die zwei 1771 in Marbach (LandjägerKöchli) und in Entlebuch (Zemp) stationierten Polizisten die Ordnungvon 1753, in welcher für die Erfassung von Vaganten vorgesehen wurde:«Die so aussert der Land-Strass / in denen Wälderen / oder Weyden / beydenen Häuseren / oder Stählen angetroffen werden / so sollen sowohl Mann /und Weib / und grosse Kinder geschohren / dass änderte mahl auf betretten hinin Bescheidenheit mit 12 Streichen abzubrüglen / dem Kopff aber / und denenWeiberen mit Schlägen zu verschonen anbefohlen wird / sonderen anstatt dieWeiber abzubrüglen / sollen das änderte mahl geschohren / die schon Geschohrneund Abgebrüglete / fahls selbe widerum angetroffen wurden / in dieStadt geführt / der Ehren-Commission vorgestellet / und von selber nachBewandtnuss der Sachen mit Ohren schlitzen gestrafft werden / das vierte mahlaber Unser Gnädig gebiethenden Herrn und Oberen zur Bestraffung eingebenwerden [...] Denen welche in denen Wälderen kochen / darin Niderlag machen/ (soll man) das Koch-Geschirr durchlöcheren / und zerschlagen.»Aus einer 1742 durchgeführten Fahndungsjagd kann man die fast völligeAbkapselung des Landes gegenüber Leuten, die nicht im Besitz des Land- oder75 StA LU Seh 736: Landjäger-Ordnung 1735, Landjägerinstruktion 1774; «Ordnung undVerhalts-Puncten so von Unseren gnädig-gebietenden Herren und Oberen Räth und Hundertdenen aufgestellten Landjägeren zugestellt worden» (1753); Segesser III, 13. Buch, 195, 200,205, 207-210, 213, 217; MB 1619, 1665, 1682, 1693, 1695, 1700, 1718, 1784, 1786, 1789,1797.128


eines Niederlassungsrechts waren, erkennen. 76 Von 20 Fremden, die vor allemals Handwerker und Gewerbeleute tätig waren, und die im Land so sehr benötigtwurden 77 , durfte lediglich ein Ehepaar bleiben; die übrigen wurdenrücksichtslos weitergewiesen. Mathe Jakob Heinrich, gebürtig von Einsiedeln,ledig und «ein Sibmacher», hatte mit seinen zwei Brüdern innert Monatsfristaus Schupf heim wegzuziehen. - Josef Köberle, von Wasserburg am Bodensee,der vom Pfarrer in Wangen die Gerbe in Schüpfheim schon seit 7 Jahren inLehen hatte und (mit Frau und drei Kindern)nur einen Taufschein besass,musste erst einen Heimatschein beibringen und dann nach Ablauf der Lehensjahrewegziehen. - Johann Baptist Graf, ein Bündner und schon 22 Jahre inEntlebuch, wurde mit Frau und Sohn weggewiesen, desgleichen der TirolerMaurer Mathe Senn und sein Lehrjunge, die beide seit 7 Jahren ihre Dienste inEscholzmatt angeboten hatten. - Jakob Lischine, Glaser und schon 10 Jahre inMarbach, mittellos, konnte wie seine Frau und die beiden Kinder keinen Heimatscheinvorweisen; sie wurden, nachdem sie bereits aus Unterwaiden undSchwyz verjagt worden waren, nun auch im Entlebuch nicht mehr geduldet.Hans Melcher Bucher, Spengler, seit 17 Jahren in Entlebuch, Witwer, kehrtemit seiner Tochter nach Kerns zurück. - Lediglich Martin Müllimann durftemit seiner Frau Magdalena Richolin, einer Konvertitin aus dem Bernbiet, beide24 Jahre lang in Escholzmatt, verbleiben; allerdings nur, solange man keinenAnlass zu Klagen fand.Die Beschränkung der Freizügigkeit wurde mit dem gleichen Verhalten derandern Orte begründet.Die Schilderung der Armenverhältnisse im Lande selber ist durch die ungünstigeQuellenlage sehr erschwert. Wohl existieren eine ganze Reihe von Mandatenund Verordnungen; deren Befolgung und Auswirkungen waren aber nur ineinzelnen, weit auseinander liegenden Aufzeichnungen fassbar.Die Armenverordnung von 1590 regelte das Armenwesen auf der Landschaft. 78Mit der Erstellung von örtlichen Armenverzeichnissen sollten die wirklichUnterstützungsbedürftigen erfasst werden. Allgemeine Spenden aus Kirchenopfern,Armengaben und Vergabungen sollten als Almosengelder Verwendungfinden, Betteln nur mehr innerhalb der eigenen, rechtmässigen Wohnortegestattet sein und den landesweiten Bettelzügen damit ein Riegel geschobenwerden.Im Entlebuch schloss man sich dieser Verfügung nicht an. Noch 1711 hatten diedrei Ämter, «hiermit alle 7 Pfarreyen, ihres Landtss Ahrme durch und durchpassieren zue lassen sich entschlossen; doch die Spenden betreffend, befindensich die 4 Pfarreyen des underen Ambtes vast nachtheillig, weilen underes76 StA LU Seh 766 : «Verzeichnuss der Convertiten, und Frömden Bettleren, welche sich inUGGH und Oberen Pottmässigkeit lauth Undersuchung von ao 1742 aufhalten»; MB 1742(178, 186, 188). Im ganzen Gebiet des Standes Luzern wurden nur 197 Fremde gezählt.77 Vgl. Kap. Das einheimische Gewerbe, 5.2.78 Denzler 168ff.; Segesser III, 13. Buch, 202ff.129


Amts Ahrme von den oberen Embteren wenig oder gahr keine zue gemessen». -Der Ansatz zur gemeindeinternen Betreuung der Armen war aber auch hiervorgezeichnet und fand seine Ausbildung im 18. Jahrhundert.Die Armenpflege dieser Zeit war eine Fortsetzung der Verordnungen frühererZeiten und wurde nur in wenigen Punkten spezifiziert. Wie früher blieb dieerste Unterstützungspflicht bei den Familien und dann der näheren Verwandtschaft.79 Bei den Kindern erlosch sie, wenn diese volljährig gewordenwaren. Halbwaisen sollten bis zum Alter von drei Jahren «ihren Mütteren umbein billiches Kostgeldt gelassen», dann zu Verwandten verdingt und zurArbeit erzogen, «und nit etwan in Bettel gleich verschickt werden». Nach dem10. Lebensjahr konnten die Verwandten die Waisen als Mägde und Knechte inihren Dienst nehmen. Verfügten die Verwandten nicht über die nötigen Hilfsmittel,hatten die Kirchgänge die armen Kinder zu unterhalten.Die Armenverordnung von 1718 führte eine allgemeine persönliche Steuerfür die Armen ein, die nach Segesser nahe an die Vermögenssteuer heranreicht.80 Man hoffte, «es werde sich niemand weigern, 1 oder 2 Batzen jedeFronfasten willig zu geben». - Die behördliche Organisation des Armenwesens,welche die Unterstützungspflicht auf die einzelnen Vogteien und Gemeindenabzuwälzen suchte, wurde aber von diesen mit flauem Interesse aufgenommen.Die 40er antworteten auf solche Erlasse, man werde tun, was man für möglicherachte. 81Aus dem unteren Amt klagte man in Luzern, die Gemeinde Schupf heim weigeresich, an der Almosenordnung mitzumachen, und man lasse die Armen in dieanderen Kirchgänge laufen. Die Obrigkeit habe zwar auf frühere Klagen geantwortet,fremden Bettlern sollte einfach nichts gegeben werden. Es sei nunaber «gemeincklich, dass sich die Arme, klein und allte, für die Hüser der Buren,tags, abents und nachts setzen, klagen und weinen und nit abweisen lassen,bis dass Allmuosen oder die Herbarig ihnen ertheillt wird». Würden dieBauern die Bettler abweisen, sei ihr Gut vor Schaden und Feuer nicht mehrsicher. 82Aus Verzeichnissen der armen, unterstützungsbedürftigen Bevölkerung, welchedie Obrigkeit nach den seit 1709 andauernden Notjahren angefordert hatte,lässt sich der Anteil der Armengenössigen ersehen. Auf die Bevölkerungsgrössevon 1715 bezogen 83 , verteilten sich in den Gemeinden die Armen zahlenmässigwie folgt 84 :79 Segesser III, 13. Buch, 196f., 212, 213f.; Denzler 209ff.80 Segesser III, 13. Buch, 217f.; MB 15. Dez. 1718.81 StA LU Seh 489, 10. Febr. 1722.82 wie 80 . Für die hüser: vor die Häuser.83 Vgl. Kap. Die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundert, 3.5.84 StA LU Seh 489; «Nota deren von allen Embteren ingegebenen Widerandtwordt, anUGGH Allmuosen Rhat der Statt Lucern» (1711), dieses in Seh 888.130


Tabelle 54 Prozentualer Anteil der Armen an der Bevölkerung in den einzelnen Gemeindenund im Amt Entlebuch (1718)in Prozent derEinwohner Arme 1711 Arme 1718 Bevölkerung(1718)Marbach 607 69 129 21,3Escholzmatt 1095 147 241 22,0Schüpfheim 1445 208 14,4Entlebuch 970 176 160 16,5Hasle 455 141 112 24,6Romoos 462 31 102 22,1Doppleschwand 343 56 66 19,2Total 5377 620 1018 18,9Davon waren Landleute und Hintersassen :Tabelle 55 Prozentuale Verteilung der Armen nach dem Status Landleute und HintersassenHintersassen Landleute TotalMarbach 14 115 129Escholzmatt 79 162 241Schüpfheim 30 178 208Entlebuch 19 141 160Hasle 21 91 112Romoos 40 62 102Doppleschwand 43 23 66Total 246 772 1018in Prozent 24 76 100Mehr als drei Viertel aller aufgezeichneten armen Leute gehörten der Gruppeder Landleute an. Lediglich in Doppleschwand waren die Hintersässen-Armenin der Überzahl; in Romoos und Escholzmatt dagegen waren ungefähr zweiDrittel aller Armen Landleute; in Hasle, Schüpfheim und Marbach stieg derenAnteil sogar auf vier Fünftel.Hauptleidende an ihrer Bedürftigkeit waren vor allem die Kinder. Fast dieHälfte aller Armen (48%) sind ihnen zuzuzählen. In Schüpfheim mussten dereineinhalbjährige Hans Duss, die dreijährigen Josef Furrer und Maria Dussunterhalten werden. Und dann «sind wohl noch etwelche Kinder in Orth,dass unss nicht bekannt sind und gar ab hand die mier nit kennen». Diemeisten armen Kinder waren immerhin in einer Familie aufgehoben. Sowurden in Escholzmatt in 38 bedürftigen Familien 131 Kinder gezählt, die mitihren Eltern oder auch als Halbwaisen 80 Prozent aller in Escholzmatt überhauptregistrierten Armen ausmachten.131


Die Zahl der armen Familien war bedeutend grosser als der Anteil unterstützungsbedürftigerEinzelpersonen. Josef Stalder «sambt Weib und 10Kinder, dervon 6 under 10 Jahren», lebten nur von der Bettelei; bei Klaus Hug«sambt Weib und 7 Kindern» gingen die ältesten «dem Almuosen nach». - Inmehr als der Hälfte aller Escholzmatter Familien zählte man zwischen 3 und4 Kindern, die neben den Eltern des Unterhalts bedurften.Die Wohnungsnot und der Mangel an Boden, aus dem das Notwendigste anLebensmitteln hätte beschafft werden können, schienen die Armseligkeit desDaseins in besonderem Masse zu befördern : «Jacob Bitz, seines Alters 50 Jar,mit sambt 2 Kinder, Anna Bitzi ist alt 18 Jar und Bäbi Bitz 18 Jar und sey habenein halb Huss und ein Stuck Garten; Josef Zylmann sambt seiner Frauwen undsieben Kinder, sie haben ein Heimwäseli; Melchior Guot und sein Frauw Anahaben ein böss Huss; Barbra Wissig, ihress Alters 60 Jar, mit sambt 2 Kinder,Magtalena Studer, seines Alters 16 Jar, und Maria Studer, seiness Alter 12 Jar,sey hab ein halb Hauss und etwass Härtss; des Hans Lipen sei. Kinder habenHus und Bunten und Garten und etwas Lants, mit Namen Hans Heinerich,Luntzi, Martina, Anna Barbara, Catharina Maria Barbara, Anna Maria,Thrüthly.» - Bei vielen armen Familien war das Haus der einzige Besitz:«Catharina Krügel hat ein Heimwäseli; Hans Uollerich Büöller und sein Frauw,alte Leüt, haben Huss und Heim; Maria Niffelleri hat Huss und Heim; dasGrotzen Anni hat Hus und Heimb.»Als unterstützungswürdig wurden im allgemeinen jene Leute angesehen,welche sich die nötigen Mittel zur Erhaltung ihres Lebens allein nicht verschaffenkonnten und die so an der Grenze des physischen Existenzminimumsdahinlebten.Die älteren Leute litten daher am stärksten an ihrer Armut. KörperlicheGebrechen und Altersbeschwerden machten ihnen das Almosenbetteln zurunerträglichen Last. Judith Reck war «brästhafft undt lam», Peter Portmannund sein Schwager «sind Jahr und Tag Bethliger», Maria Blass, Maria Marbacherund Klaus Portmann waren blind. - Das Durchschnittsalter von 105unterstützten alten Personen betrug in Schupf heim kaum 45 Jahre. Die Geschworenenhatten auch von Leuten zu berichten, die «eines starckern Leibs»,sich aber «nit zur Arbeit keren wollen». Unter diesen fiel die Zahl der Jugendlichenauf, die, einmal zum Betteln gezwungen und erzogen, vom Beruf nichtmehr lassen wollten. Catherina Gräni mit 14, Barbara 12, Barbara Yelly 14,Catarina Büölleri 16, Baschy 14, Barbara SchrufTenegger 26, Maria 18, Luntzi15 Jahren: sie alle waren nicht zu bewegen, einer geregelten Arbeit nachzugehen.- Die Unzulänglichkeit der Verwandtenunterstützung wurde offenbeklagt : «Es ist mit diesem zu wüssen, dass vill der unerzogenen Kindern under10 Jahren in obvermälter Liste begriffen sind, welche Erziechens mangelbahrsind; aber wir könne fast keinen Verwandtschafft finden, dass man Anlagkönne uflegen.»Im Entlebuch, wo Geld ohnehin rar war und die Einwohner nach Aussagender Pfarrer damit eher vorsichtig umzugehen pflegten, bürgerte sich der132


Brauch ein, arme Leute zeitweilig in den Haushalt aufzunehmen. Die Familienwurden aufgeteilt, die armen Kinder bei den Vermögenderen verdingt. DieseVerteilung organisierte der Pfarrer und verlas die Unterstützungsbedürftigenwährend des Sonntagsgottesdienstes von der Kanzel und gab die Zuteilungbekannt 85 :«Landsfähnderich Peter Rengli solle Martelé Wicki haben und ferneres gestürtsein, dass er geben solle 2 Gl; Sigler Lude Portmann solle der MelchiorUndernärer haben und gestürt sein umb 2 Gl; alt Weibell Melch Hoffstettersolle die Johana Jegeri haben und auch das kleiner Fögelle Meitsche, undsolle Peter Pitze und MithafFte dass Meitsche kleiden; Margret Biere solleBarbara Biere haben; Adern Buocher soll des Hans Bieris sei. Buoble haben[...].» Gegen 50 arme Leute wurden auf diese Weise unter die Pfarreiangehörigenverteilt.Unter der Uneinigkeit und dem Ungenügen der lokalen Armenverordnungenlitten die ihres Status wegen rechtlich benachteiligten ausserehelich Geborenen,die Findel- und Waisenkinder. - Erst 1760 vereinbarten die drei Ämter,Findelkinder unbekannter Eltern jenem Amte zuzuweisen, in dem sie aufgefundenworden waren. Kinder eines Landmanns oder eines Hintersassensollten von der Verwandtschaft unterhalten werden, ansonsten dem Amt zufallen,in welchem die Eltern ansässig waren. Uneheliche Kinder mit fremdenVätern sollten mit einem Heimatschein versehen werden, der sie zum Bettelhandwerkberechtigte. Konnte der Vater eines illegitimen Kindes nicht mehrerreicht werden, war das Amt mit dem Wohnsitz der Mutter um Unterstützunganzugehen. 86 1783 fiel die Erziehung der Kinder endgültig den Gemeinden zu,und die allzu umständliche und kostspielige Besteuerung der Verwandten wurdereduziert. 87 Arbeitsfähige Arme konnten nur mehr von Fall zu Fall mit einemAnspruch auf Almosen rechnen.Nachdem in der Krise von 1770 die labile Situation zahlreicher Leute in erschreckenderWeise deutlich geworden war, entschloss man sich, die Almosenordnungmit der Errichtung einer Pflegschaft zu verbessern. 88 Geld und Naturalienwurden fortan nicht mehr nur in der Kirche ausgeteilt. Die Geschworenen,vor allem der Pfleger, waren für eine gerechte Verteilung der Gelder zuständig.So wurde nun auch jenen vermehrt Hilfe versprochen, die «ihr Brodnicht verdienen können, auch wenn sie Eigentum besitzen, aber so vill darausschuldig sturen, dass sie ohngeacht ihrer gutten HauswirthschafTt und emsigenArbeit sich nicht durchbringen möchten» 89 .Dem Mangel an eigenem Grund und Boden und der damit verbundenen Verunsicherungdes Lebensmittelangebots wurde mit der Möglichkeit der Nutzung85 StA LU Seh 489; Almosenordnung, 28. April 1721. Verteilung in der Pfarrei Entlebuch.86 StA LU Seh 489; RP 13. März, 19. April 1758, 301, 330; RP 20. Aug. 1762, 444.87 StA LU Seh 888, Armenordnung 1783.88 Stalder, Fragmente I, 29.89 StA LU Seh 489.133


des Gemeinguts zu begegnen versucht. 90 «Ärmeren Leuten, die kein StückVieh aufzutreiben haben, giebt man da, dort ein Stückchen zum Anpflanzen»,schreibt Schnyder 91 ; davon profitierten aber nicht alle, da das Areal desverfügbaren Hochwaldes in den drei Ämtern verschieden gross war. - Demunermüdlichen Drängen der Hintersassen auf Beteiligungsrecht am Gemeinlandwurde nicht stattgegeben. Selbst die ärmeren Landleute, die von ihremRechtsstatus her nutzungsberechtigt gewesen wären, gingen ihrer Hochwaldrechteverlustig, da sie oft kein Vieh besassen, das sie in den Hochwald hättenauftreiben können. Wie mühevoll die ärmeren Landleute im Verlaufe des18. Jahrhunderts um ihre Anteile am Hochwald ringen mussten, sei am Beispielder Armen des unteren Gerichts Entlebuch dargestellt.Die Hochwaldgemeinde hatte 1736 die Nutzungsbestimmungen zu ungunstender Armen ausgelegt 92 , worauf sich diese weigerten, die Beschlüsse anzuerkennen,«dan wan sie ihre Hochwaldrechte nur denen Landleuthen Viehaufzutreiben verlihen könten, wurden sie an ihren besseren Nutzen gehemetund die Landleuth ihnen nur geben, wass sie wollten». Die Vertreter der Landleuteentgegneten, die Armen würden gleich behandelt: «Dass denjenigen, sonit aufftreiben und nur zum Säen rüsten, 1 l A Jucharth für 2 Jahr zu geniessenund nutzen angeordnet, seye die Ursach, weilen der Hochwald durch dasSchinden und Ausstockhen schon grossen Abgang und Schaden gelitten undweiters noch mehr zu erleiden haben werde.» Von jedem Stück gedingtenViehs wurde nun eine ordentliche Taxe erhoben und die Armen an die Möglichkeitder Verleihung ihrer Rechte an die reicheren Landleute erinnert. Imübrigen stünden noch 300 oder mehr Jucharten ödes, ungenutztes Land zurVerfügung. Davon «solle einem Armen jährlich anderthalbe Jucharthen altesund so vil neues auf etliche Jahr, umb sich der Kosten wider erholen zukönnen», ausgegeben werden. - Doch acht Jahre später erschien erneut eineAbordnung der armen Landleute vor Gericht, da die Abmachung von 1737von den Reichen nicht eingehalten werde. Diese entgegneten, die Haushaltungennähmen mehr und mehr zu, und die Armen hätten das Land nicht pflichtgemässgenutzt. - Der Rat von Luzern entschied nun, die Armen - worunter erLeute zählte, die nur Haus und kein eigenes Land besassen, und solche, die nureine Kuh überwinterten - könnten jährlich vom Hochwaldvogt 2 Gl 20 b beziehenoder 2 Jucharten Land (je eine gute und eine schlechte) 4 Jahre langnutzen. Nach Ablauf dieser Zeit solle ihnen neues, anderes Land gleicherQualität angezeigt werden. Den ärmeren Landleuten mit zwei Kühen Winterung,aber ohne Sommerung wurde eine Jucharte zugesprochen. Ledige Landleuteerhielten die Nutzungsrechte nur im Falle einer eigenen ganzjährig geführtenHaushaltung. Witwen, die mit einem Landmann verheiratet gewesenwaren, durften ein halbes, mit Kindern ein ganzes Recht erwarten.90 Vgl. auch Kap. Das Hochwaldwesen, 4.3.91 Schnyder, Geschichte II, 94.02 StA LU Seh 490; vgl. auch RP 26. Febr. 1753, 118f. ; RP 8. Aug. 1768, 88r; RP 17. Dez.1781, 305r; RP 10. Mai 1784, 240v.134


1785 wurde diese Regelung wegen der hohen Zahl der Armengenössigen und derVerknappung der Landreserven erneut abgeändert. Der Rat beschloss, «dassfürohin jene Landleüth, welche nur auf Hauslähen sizen und kein eigenesLand haben für Arme, diejenigen aber, so für zwey Kühe Winterung und füreine Sommerung haben und darzu das Land besizen, auch solche, welcheCapitalgutt besizen und Land vermöchten, für Reiche geachtet und mithinleztern aufzutreiben schuldig seyn» sollen. Den Armen solle das bisher ausgeteilteLand fortan «von dem wirklich schon eingeschlagenen fürohin aufLebenslang gegeben werden»; eine Verpachtung werde ihnen freigestellt odereine Entschädigung von 3 Gl jährlich zugesichert. Einen Anspruch auf Nutzungdurften aber nur Landleute erheben, die älter als 25 waren und ein eigenesHaus, Heim oder Lehen besassen, «auf welchem (sie) Sommer und Wintersich haushäblich» befinden. Den Hintersassen durfte das Land «unter garkeinem Tituli» verpachtet oder sonst zur Nutzung hingegeben werden.Trotz der Verordnungen und Regelungen der Hochwaldnutzung für die armenLeute klagten im Jahr 1800 die Gemeinden Marbach und Hasle offen auf Umfragenüber die Situation des Armenwesens. 93 Die Armen würden kaum Gemeindelanderhalten, und dieses werde so genutzt, dass es «mehr den Wohlhabendenals Armen» zugute komme. Hasle vermerkte, der ausgeprägte «Egoismusin Benutzung des Gemeindelandes» fördere die Armut geradezu.Bei der Untersuchung der Ursachen der Armut und Verarmung können in diesemKapitel nur einige allgemeine Hinweise beigefügt werden. Denn Armut istnicht nur ein Spiegelbild der sozialen Verhältnisse; die institutionellen, politischenund wirtschaftlichen Faktoren sind mit ihr untrennbar verbunden.Deren Auswirkungen werden daher bei der Darstellung in den verschiedenenfolgenden Kapiteln noch genauer interpretiert werden können.Das Ausmass der allgemeinen Verschuldung 94 , die unterschiedliche Anerkennungder Nutzungsberechtigung für Landleute und Hintersassen, die soebenverfolgt werden konnte, und die für die soziale Lage der zahlreichen unterstützungsbedürftigen,armen Leute von grosser Bedeutung war 95 , die durch dieBevölkerungsentwicklung geförderte Verknappung der Bodenkapazität beigleichbleibender, konservativ gehandhabter, landwirtschaftlicher Betriebsführung96 und andere Ursachen waren an der hohen Ziffer der armengenössigenBevölkerung massgeblich beteiligt.Bei der helvetischen Umfrage über die Armenverhältnisse standen auch dieseBeurteilungen im Vordergrund. In Marbach war man missmutig über die Ver-98 StA LU Akten 27/81 C. Entwurf eines Plans zu einer zweckmässigen Armenanstalt imDistrikt Schüpfheim, 28. Nov. 1800; zur Entwicklung des Armenwesens im 19. Jahrhundertvgl. Häfeli.94 Vgl. Kap. Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften im 18. Jahrhundert, 4.6.95 Vgl. Kap. Das Hochwaldwesen, 4.3.96 Vgl. Kap. Die Rentabilität der Alpwirtschaft, 4.7 d).135


nachlassigung des Landbaus; Romoos war eine «sehr streitbare Gemeinde»,in Fragen der Armenunterstützung und wegen der ungünstigen Landverhältnissemit viel unproduktivem Areal benachteiligt. Hier war auch «das Bauender Wohnungen oder Häuser mit Vertheilung der Güter oder Hööfe so allgemein»,und auch in Marbach bildete «das starke Vertheilen der Grundstücke,und auf jeden Spang Land Häuser zu erbauwen», Anlässe für die zunehmendeVerarmung. - Ganz allgemein aber wurde die ungenügende Organisation desArmenwesens hervorgehoben. Diese mangelhafte Fürsorge wirkte sich besondersin den Fehljahren aus, da die Armen die Folgen als erste zu spüren bekamen.Doppleschwand erklärte die Armut am Ende des 18. Jahrhundertslapidar mit der «Theure der Läbensmitel» 97 und «da wier oben drein noch dreiJahre nacheinander sehr vihl durch verhereten Hagel geliten». - Die hausarmenFamilien litten unter der unsicheren Marktlage, den wechselhaften Preislagenund der auf Eigenprofit ausgerichteten Verkaufspolitik der reicheren Bauernund Sennen. Diese «verkaufen das Meiste, so sie verkaufen» ausser Landes,bemerkt Schnyder 98 , «und ihre Produkte sind von der Art, dass sie theuerbleiben können, wenn schon die übrigen Viktualien im Preise fallen; hingegendie, so im Lande bleiben, steigen mit diesem. Wenn nun die Hausarmen andersauch ihren Schilling, die Weiber und Kinder mit Garn- und Wollespinnen, dieMänner mit um den Tagelohnarbeiten, Verdingen, Holz rüsten [...] verdienenmögen, geht es noch wohl hin. Wenn aber solchermassen (als in Ansehung derSpinnerey einsweilen geschehen mag) nicht viel zu erwerben, und die Nahrungsmitteltheuer, sind die guten Leute recht übel daran.»Die Spinnerei- und Hausarbeit war am Ende des Jahrhunderts dennoch einwichtiger Faktor in der Bekämpfung der Armut geworden. Leute ohne ausreichendenGrund und Boden, mit unsicheren Ertragserwartungen, liefen dieserMöglichkeit der Geldbeschaffung, besonders während der arbeitsarmen Winterszeit,zuerst zu. Im Bewusstsein der Bevölkerung hatte die Heimarbeit einenfesten Platz eingenommen : Romoos schien eine wichtige Ursache der allgemeinenArmut, «weil die Lage nicht ist, durch Gewerb die Gegend zu bereichernund keine Manufakturarten seind». In Doppleschwand war die Situation derArmen um 1800 durch den «sehr geringen Verdienst von der Spinerey» verschlechtertworden, «das der grösst Erwärbszweig, wovon sich die Menschenernehren» und «dar wägen Kriegsrevolution fast gantz gestockht».Die ungenügende und mangelhafte Vorsorge im Armenwesen hatten am Fortschreitender Verarmung wesentlichen Anteil. Diese Zusammenhänge sind inaktuellen Untersuchungen besonders deutlich bestätigt und im Schlagwort«Armut gebiert neue Armut» ausgesprochen worden."97 Vgl. dazu Kap. Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert, 5.3.98 Schnyder, Geschichte II, 156 f.99 Myrdal G., The Challenge of World Poverty (dt. : Politisches Manifest über die Armut inder Welt); id., Economic Theory and Under-Developed Regions; Entwicklungspolitik,Handbuch und Lexikon, hrsg. von Besters H., Boesch E. E., v. a. 3. Kap.136


Die unglückliche Lage der ärmeren Leute und die Apathie, der eigenen BedürftigkeitWiderstand entgegenzustellen, hatte demnach ihre Gründe undUrsachen in Verhältnissen, «über die der einzelne selbst nicht Herr» war. 100An Geist und Körper entkräftet, war die Verbesserung der persönlichen Existenznur mit mitmenschlicher Beihilfe und Förderung möglich.Die aus dem Emmental eingeführte Heimarbeit ermöglichte - neben der landwirtschaftlichenBetätigung - Verdienst und Arbeit, welche vermutlich die Zahlder Unterstützungsbedürftigen nicht mehr weiter ansteigen liess, wie aus denAngaben der Gemeindevorsteher im Jahr 1800 hervorgeht 101 :Tabelle 56 Prozentualer Anteil der Armen an der Bevölkerung im Entlebuch um 1800Einwohner ganz Haus- arbeits- Total in % derArme arme fähigeBevölk.ArmeMarbach ca. 1496 45 160 46 251 16,8Entlebuch ca. 1800 41 189 148 378 21,0Flühli 885 46 15 54 115 13,0Romoos 1136 74 78 20 172 15,1Doppleschwand 563 14 64 78 13,8Total 5880 220 442 332 994 16,9Ohne die Angaben aus Escholzmatt und Schupf heim und die unvollständigenZahlen aus Hasle ergibt sich eine Amts-Armenziffer von 17 Prozent. - Manwäre versucht anzunehmen, der Anteil der Armen an der Bevölkerung sei -verglichen mit 1718 - durch das ganze 18. Jahrhundert stationär geblieben. Danur diese beiden Zählungen angeführt werden können, deren wirtschaftlicherHintergrund sich voneinander stark abhebt, müssen wir der Heimarbeit für dieVerhinderung des Anstiegs der Armenziffer eine wichtige Bedeutung beimessen,besonders deshalb, weil die öffentlichen Mittel für die Armengenössigen völligungenügend waren. 102100 Myrdal G., Politisches Manifest 115.101 Entwurf eines Plans... 93 . Zahlen zum Vergleich: Geiser 54 (1894): Amt Interlaken19%. Balmer F., Zur Bevölkerungsgeschichte des Berner Oberlandes, Basel 1971 (nichtpubl.): Oberhasle (1764): 27%, Frutigerland: 20%.102 Entwurf eines Plans ... 93 .Armenfonds in 4 Gemeinden im Jahr 1800:in Geld pro KopfMarbach 113 Gl 17 Seh 18 SehEntlebuch 141 Gl 15 SehDoppleschwand 13 Gl 10 Seh 7 SehRomoos 110G110Sch4a 26 SehDazu wären noch einige Naturalabgaben zu berücksichtigen, die aber seit 1798 nicht mehrzur Verfügung standen.137


Unermüdlich blieben die Pfarrer in der Organisation der Armenunterstützungtätig. Sie stellten die Kontakte mit Luzern her und besorgten die Spendenverteilung.Der Pfarrer von Flühli verschenkte ihm aus der Stadt zugesandte 62 Gl19 Seh 3 a an 55 Armengenössige. 103 - Pfarrer Schuffenbühl von Marbach bedanktesich in einem Brief für die Übersendung von 52 Gl und bemerkte, dasGeld sei bereits verteilt; er sei froh gewesen, dass die Spender die Verteilung desGeldes genau bestimmt hätten, «den meine Geschwohrene wollten es anCapital anlegen und jetz den Armen nicht zufliessen lassen». 104e) ZusammenfassungAuch mit den «literarischen» Quellen des 18. Jahrhunderts konnte auf einerapide Zunahme der Bevölkerung geschlossen werden: Sie hatte sich von 1650bis um 1800 beinahe verdoppelt, bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gar verdreifacht.Das BevölkerungsWachstum stellte an die Allgemeinheit neue Anforderungen.Kirchenerweiterungen und Neubauten waren dringend ; der Lebensraum musste- auf Kosten des gemeindeeigenen Korporationsareals - ausgeweitet werden,damit der Bevölkerungsdruck, der sich in einer wachsenden Bevölkerungsdichtemanifestierte, gelindert werden konnte.Dennoch schienen die Reserven und die trotz intensiven Arbeitseinsatzes erwirtschaftetenErträge für die Ernährungslage der Gesamtbevölkerung unzureichend.Jährlich mussten zahlreiche Leute ihren Lebensunterhalt in Saisonarbeitoder zeitweiliger Abwesenheit in Hausdiensten zu sichern suchen. Diejungen Männer, die auswärts arbeiteten, konnten dies längerfristig nur tun,wenn sie sich für Solddienste zur Verfügung stellten; längere Abwesenheit ananderen Arbeitsstellen wäre mit dem Verlust des Landrechts und der Heimatzugehörigkeitverbunden gewesen. Trotz der ausgedehnten Möglichkeiten entschiedensich die meisten Jungmänner nur kurzfristig für den Kriegsdienstbetrieb.Für zahlreiche unter ihnen waren die Solddienste ein Anlass zu dauernderEmigration.Diese schien im 18. Jahrhundert weniger intensiv gewesen zu sein als im 17.,in welchem zahlreiche verschuldete und nach dem Bauernkrieg politisch verfolgteEntlebucher ins Elsass auswanderten.Die Bevölkerungszunahme bewirkte auch eine Verschlechterung der Sozialstruktur.- Die immer rigorosere Einbürgerungspraxis nach der Aufteilung desAllmendgutes liess die Zahl der heimatlosen, nirgends geduldeten Bettler undVaganten ein Ausmass annehmen, welches zuletzt die Sicherheit der Reicherengefährdete und die Unterstützungsmöglichkeiten des einzelnen überstieg. - Inder obrigkeitlichen Organisation des Armenwesens wurde daher versucht, mit1Q 3 StA LU Seh 889, 6. Juni 1795.104 StA LU Seh 889, 21. Febr. 1795.138


der Lokalisierung der Armenfürsorge das Armenwesen übersichtlicher zu gestaltenund die Gemeinden zur Selbsthilfe anzuregen. Diese Absichten konntenim Entlebuch nur schleppend verwirklicht werden, da die Gemeinden zum Teilüber die Mittel nicht verfügten, mit welchen die Zahl der Ortsarmen hätteverringert werden können.Die meisten Armen gehörten zugleich auch der rechtlich bevorzugten Schichtder Landleute an. Doch ihre soziale Lage beeinträchtigte ihre Rechtsstellung.Obwohl nach Landrecht an der Nutzung des Gemeinlandes berechtigt, musstensie unerbittlich um ihre Anteile ringen. - Später wurden ihnen etliche Juchartenzur Bebauung überlassen. Mit dieser Arbeit leisteten die ärmeren Bevölkerungsschichtenan die Urbarmachung und Besiedlung neuer Gebiete einen unschätzbarenBeitrag.3.6 Zusammenfassung der ErgebnisseDie Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung konnte dank der Erschliessungund wissenschaftlichen Verarbeitung von bisher kaum beachteten Quellenbeständenein dichtes Netz mannigfaltigster Beziehungen und Wechselwirkungen,die innerhalb des Volkskörpers lebendig waren, aufzeigen.In der Beobachtungsperiode waren einige tiefgreifende, bedeutungsvolle Veränderungenzu konstatieren.Eine langfristige Reaktion auf die Bevölkerungsverluste in der demographischschwersten Krise des 17. Jahrhunderts, der Pest von 1629, war die Geburtenwelle,die von etwa 1660 bis 1690 dauerte. Die darauf folgende Talbewegungkonnte von 1690 bis um 1720 eindrücklich verfolgt werden. - Nach diesemZeitpunkt aber schwollen die Geburtenzahlen erneut an, und diese Tendenzhielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts an.Die Bevölkerung hatte seit der Mitte des 17. Jahrhunderts innert 200 Jahrenauf das Dreifache zugenommen; die Entwicklung wurde sowohl durch diehohen Geburtsziffern als auch eine entscheidende Wendung der Sterbeziffernmassgeblich beeinflusst. Diese konnte mit einer ausführlicheren Darstellungder Säuglingssterblichkeit belegt werden: Starben zwischen 1730 und 1789 inMarbach von 1000 Neugeborenen 184 noch im ersten Lebensjahr, so waren esvon 1790 bis 1848 schon 20 weniger. Dies bedeutete eine Steigerung der Lebenserwartungbereits bei der Geburt.Die Frauen heirateten am Ende des 18. Jahrhunderts zwischen dem 23. und26. Geburtsjahr, die Männer erst mit 28 bis 30 Jahren. Aus diesen Ehen gingendurchschnittlich 6 Kinder hervor. Zwischen 27 und 34 wurden die Frauen fastalle zwei Jahre schwanger, und zahlreiche von ihnen brachten ihr letztes Kindzur Welt, als sie bereits älter als 40 waren. - Der Ablauf der Geburten wurdeseltener von gesundheitlichen Unpässlichkeiten gestört, da die Krisen im Ver-139


laufe des 18. Jahrhunderts dank der verbesserten Ernährungslage nicht mehrdie ursprüngliche rohe Gewalt besassen und damit eine progressive Bevölkerungsentwicklungbegünstigten.Die geringere Zahl der Notjahre, die meist von mangelhaften oder sogar schwerwiegendenNegativwirkungen im Nahrungsmittelsektor begleitet waren, gabschliesslich der Bevölkerungsentwicklung eine entscheidende Wendung.Bis 1740 war das Spiel zwischen Geburten- und Sterbeziffern noch ziemlichunentschieden verlaufen, ja in einzelnen Perioden wie etwa von 1690 bis 1694oder von 1709 bis um 1718 bestimmten die Sterbeziffern den Verlauf derBevölkerungsentwicklung massgeblich. Die Zeit zwischen 1740 und 1770wurde zur wichtigen Transitionsperiode, und nach 1770 wurde die allgemeinabnehmende Tendenz der Sterblichkeitsziffern nur mehr in einzelnen Notjahrengestört. Mit diesem Entwicklungsvorgang verhielt sich das Entlebuchdurchaus europäisch. 105 - An die Stelle der Pest waren zuerst die Versorgungskrisengetreten, die in zahlreichen Jahren mit Missernten und extremen Preissituationenzusammenfielen. Die Folgen für die demographische Entwicklungkonnten im Krisenjahr 1770 nachgewiesen werden: die Konzeptionen gingenzurück, die Eheschliessungen stagnierten und die S'terbezahlen stiegen jäh an.Waren in der Pest von 1629 zwei Drittel aller Verstorbenen bereits erwachsengewesen, so veränderte sich der Krisencharakter im Laufe des 18. Jahrhundertseindrücklich. Der Not und dem Elend fielen fast ausschliesslich nur nochKinder zum Opfer, die, ihrer labilen Konstitution wegen, den Härten in derLebensmittelversorgung und den häufigen Infektionskrankheiten nicht gewachsenwaren.Diese Bevölkerungsweise war demnach ein dauerndes Wechselspiel zwischenBevölkerungsgrösse und Nahrungsspielraum. Die beiden Komponenten warenim Entlebuch als Folge des hohen Grads der Selbstversorgung von hervorragenderBedeutung und bedingten sich gegenseitig in ausgeprägtem Masse.Die «latente Spannung des generativen Verhaltens gegen den ökonomischenNahrungsspielraum» 106 wurde daher infolge des Bevölkerungsüberhangs einerschwerwiegenden Belastungsprobe ausgesetzt. Die Frage nach den Möglichkeitendes «mit den in der Zeit vorfindlichen Kulturelementen auszubauendenökonomischen Potentials» 107 erhielt demnach im Verlauf des 18. Jahrhundertseine entscheidende Bedeutung. Denn die Reaktionsfähigkeit der Menschen aufgewandelte Umweltbedingungen ist in einer Gesellschaft, deren Existenz unmittelbarvon der Gestaltung ihres Lebensraumes abhängt, von herausragenderBedeutung.105 Mackenroth 123-130; Armengaud, Dupaquier, Reinhard 197 ff.106 Mackenroth 120.107 Mackenroth 120.140


4. Landwirtschaft4.1 VoraussetzungenDas von den wichtigen Verkehrsadern abgelegene und klimatisch unsichereLand Entlebuch wurde nur langsam erschlossen.Nach Bühler setzte die eigentliche Besiedlung der Region im 9. Jahrhundertein. 1 Die Rodungstätigkeit begann auf den zuerst besiedelten Sonnenterrassendes unteren und mittleren Amtes; das obere Amt zog Nutzen aus der kolonisatorischenTätigkeit der Benediktiner von Trüb.Zahlreiche Kirchweihen im 12. Jahrhundert verdeutlichen den Fortschritt derLandnahme, die im 13. Jahrhundert in die Länge und Breite fortgesetzt wurde. 2- Bühler lässt die erste Siedlungsperiode bis ins 16. Jahrhundert andauern, nachdemdie ersten Rodungen und Siedlungen um die Wende des 13. Jahrhundertsabgeschlossen gewesen seien. Die Siedlungen wurden wegen der starken Zerklüftungdes Reliefs zersplittert. Sie begünstigten die Einzelhofwirtschaft, derenUmfang in der Hochwaldteilung von 1433 ausführlich beschrieben wurde. -Dem Ausbau der Talwirtschaft ging die Alprodung einher. Der Streit mit Obwaldenum die Sörenberger Alpen (1381/82) und die im Hochwaldteilungsbriefzahlreich aufgeführten Liegenschaften in den höheren Lagen weisen auf diefrühe Benutzung und Qualität des Rodungsgebietes hin.Das 16. Jahrhundert kann als Übergangszeit zwischen fast lückenloser Selbstversorgungund Hinwendung zu bescheidener Marktwirtschaft charakterisiertwerden. 3 - Zum bisher dominierenden Ackerbau traten Vieh- und Milchwirtschafthinzu.Die unmittelbare Ausgangslage für die Bevölkerungsentwicklung und die landwirtschaftlichenVerhältnisse im 17. und 18. Jahrhundert vermögen wir ausCysats Beschreibung des Entlebuchs zu ersehen. 4 - Noch bei der Hochwaldverteilungvon 1596 5 habe man feststellen können, dass unbenutzte Landreserveneinen bedeutenden Bevölkerungszuwachs erlaubten; zwei Drittel desGebiets könnten noch verfügbar gemacht werden, schreibt Cysat, «und da mansich darhinder thäte, [könnte] das Land noch zweymalen mehr an Leütt undGutt ertragen, ja ouch (one die hoche Berg und Alpungen) uss deme, soHochwald und für Almend diser Zit geachtet wirt, noch in die 400 guotterPauren- oder MeyerhöfT, old Lehen [gemacht werden], deren jeder 20 Kühen1 Bühler 51 ff., 56; Strüby, Alpwirtschaft 13f.; Laedrach.2 Bühler 18ff., 55, 56, 60; vgl. Beiträge von Bölsterli, Schneller, Elmiger, Brandstetter imGfr.;Kieml55.3 Bühler 61 ff.; vgl. Kap. Ackerbau, 4.1.4 Cysat R., Beschreybung dess Lands Entlibuch, ZB LU Ms. 263/4, 123 ff.5 Vgl. Kap. Der Wald, 4.2.141


Sümmerung und Winterung ertrage. Daraus dan nicht nur dem Land ein mercklicherNutz ervolgete, (weil eben inen, den erbornen Landleüten dise Hoff oldLehen zugestellt wurden), sonder ouch ein Stat Lucern umb so fil destomehrManschaft haben möchte.» Bei der Verteilung des Hochwalds wurde alles, «wasLands, Hochwalds, Holtz und Felds» den drei Ämtern überlassen und verordnet,dass «alles mitt gutten, schinbaren Märchen» versehen werde. - DieseAufteilung des Hochwalds und die Zuweisung in Privatbesitz unterscheidet dasEntlebuch wesentlich von seinen Nachbarn, deren Allmend- und Korporationswesendas Wirtschaftsleben prägte. 6 «Einige wenige Güter und Alpweiden ausgenommen,sind nun die Entlebucher Eigentümer der ganzen Erdfläche», konnteStalder am Ende des 18. Jahrhunderts schreiben. 7 - Die Bewirtschaftung derprivaten Einzelgüter nahm deshalb den absoluten Vorrang ein. 8 Der Hochwald,welcher als allgemeine Land- und Holzreserve zurückbehalten wurde,blieb in seiner Ausdehnung und den Erträgen bescheiden.4.2 Der WaldDas Landesbanner des Amtes Entlebuch weist mit der abgebildeten Buche aufdas ursprüngliche Landschaftsbild und die Verbundenheit der Bewohner mitihrem ältesten Reichtum hin: den Wald. 9 - Die Waldnutzung war im Wirtschaftsgefügevon jeher wichtig. Das Landrecht von 1491 enthält Bestimmungenüber die Nutzungsmöglichkeiten im Hochwald, die auf eine intensiveBewirtschaftung hinweisen. Obwohl der Entlebucher unter dem Begriff Hochwaldnicht nur Holznutzung versteht, sondern damit auch Weide-, AuftriebsundHolzrechte verbindet - im Zentralbegriff Hochwaldrecht zusammengefasst- sei im folgenden doch versucht, die natürlicherweise enge Symbiosevon Land-, Alp- und Forstwirtschaft aufzulösen und der Holznutzung dasAugenmerk zuzuwenden.a) Geschichte der WaldnutzungDie Beschränkung des Hochwaldrechts auf die im Land «hushablich wohnenden»,die sich durch landrechtlich festgelegte Artikel in der Nutzung desHochwaldareals verbanden, formte das ganze Amt zu einer einzigen Gemeinde,6 Vgl. Arbeiten von Bircher, Hess, Kiem; ausführliche Darstellung unter Berücksichtigungneuer Aspekte bei Bielmann.7 Stalder, Fragmente I, 188.8 Vgl. Kap. Die Alpwirtschaft, 4.7.9 Studer O., Das Landespanner und das Landessiegel des Landes Entlebuch 68ff.; LiebenauTh., Die Siegel der <strong>Luzerner</strong>ischen Landschaft; Jann A., Heilig Kreuz im Entlebuch, Iff.,198 ff.142


einer Personalkorporation, die durch die Entwicklung der Hochwaldordnungihre Selbständigkeit immer stärker zu entwickeln wusste. 10 Der gemeineAnteil am Hochwald bildete die Grundlage zur Ausbildung eines eigenenRechtsgebildes, welches durch seine umfassende und allgemeinverbindlicheForm dem Amt Entlebuch innerhalb der luzernischen Landvogteien sein eigenartigesGepräge verlieh.Aus der nachstehenden Zusammenstellung kann die Entwicklung des Hochwaldwesensersehen werden 11 :1313 Das Entlebuch gelangt als Lehen an Österreich.1405 Für 3000 Goldgulden geht der Hochwald als Pfand an die Stadt Luzern.1405 Entlebuch befreit sich mit 2500 Gulden von der Vogtsteuer.1433 Ausmarchung des Hochwalds. Bereits urbar gemachtes Land wird denBesitzern als Privateigentum überlassen, die andern Flächen als Hochwaldund obrigkeitliches Eigentum ausgemarcht. Privatliegenschaftenerhalten ein Stück Wald zur freien Nutzung zugeteilt.1471 Erlass eines Holzschlagverbots «für eine gewisse Höhe im Gebirge».1491 Im Entlebucher Landrecht werden die Nutzungsrechte und Pflichten imHochwald beschrieben.1514 Der Hochwald wird dem ganzen Amt zur Nutzung überlassen (ausserJagd und Fischerei); Verteilung oder Verpfändung der Rechte an Einzelpersonenist untersagt; es werden Bannwälder ausgeschieden. JährlicheAbgabe an die Stadt: «12 Mäss guten kesen.»1588 Aufgrund von Klagen armer Leute kommt der Teilungsgedanke auf.Die Obrigkeit verspricht sich davon bessere Ordnung im Hochwald. DerLandmann darf sein Recht aber nicht versetzen oder entlehnen.1592 Landleute sind gegen die Teilung.1596 9. Juli : Teilung des Hochwalds unter die drei Ämter, «dass das Land aufgethan,behauset und behofet, auch zur Winterung gemacht werde, wasneben einem gefügigen Theil zur Sommerung möglich sei»; es soll aber«kein Eigenthum genamset werden».1675 Jedes Amt kann im andern beliebig Holz schlagen, mit «Geisen us und infaren», ausgenommen die Bannwälder und «dass man mit denen Geisenden Rüchinen nach faren solle».10 Bitzi, Landrecht (1948) 83ff.; Grüter R., 66ff.; Segesser III, 12. Buch, 255.11 Für den kurzen Überblick wurden folgende Arbeiten benutzt : Grüter S., 656ff. ; Grüter R. ;Bühler; Studer O., Zur Geschichte der Korporationen im Lande Entlebuch; Merz F., Dieforstlichen Verhältnisse Entlebuchs; Bitzi, Landrecht; Emmenegger J., Geschichtliches überdie Korporation Schüpfheim; Roos J., 500 Jahre Entlebucher Hochwald und 135 JahreKorporation Romoos; Emmenegger E., Das Säckelamt Schupfheim-Flühli; Portmann F.,Die Korporationsgemeinde Flühli, Gedenkschrift Flühli; Stalder, Fragmente; Schnyder,Geschichte; Studer O., Aus dem Landesarchiv Entlebuch; Emmenegger E., Das Entlebuchin vergangener Zeit; Huber; Strüby, Alpwirtschaft.143


1682 Ausser den Bürgern der Stadt und den Landleuten hat niemand Auftriebrechtein den Hochwald. Den Hintersassen kann der Auftrieb nach Beliebengestattet werden.1692 Die Ämter haben Bannwarte einzusetzen. Holzhau und Geissweg bleibengemeinsam; Bannwald wird für Brücken, Wuhren, Pfarr- und Sigristhäuserusw. zur Verfügung gestellt; einzelnen geschädigten und notleidendenLandleuten kann Holzschlag bewilligt werden, aber nicht vomBannwart allein, sondern nur «von des Orths gesammten Vorgesetzten».1757 Schupf heim verteilt seinen Wald an die Landleute (ausser die Bannwäldervon 1692).1794 Escholzmatt und Marbach teilen den Hochwald gemeindeweise.1807/1808 Verteilung des Hochwalds an die Gemeinden; nur Escholzmatt und Marbachverteilen nicht auch noch unter die Bürger.Der Hochwald war also im Laufe der Jahrhunderte von der alleinigen obrigkeitlichenNutzung zuerst an das ganze Land und dann an die einzelnen Ämterübergegangen, denen während des 18. Jahrhunderts die Organisation des Hochwaldwesensoblag. - Obwohl nach rechtlichen Vorschriften nur eine gemeinsameNutzung vorgesehen war, rissen Missbräuche ein, und es ist ziemlichsicher, dass Hochwaldrechte auch an einzelne verpachtet wurden, was besondersdie ärmeren Leute empfindlich benachteiligte. 12 Die Hochwaldrechtewurden Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen. Die Abkapselung der Ortegegenüber Neuzuzügern wurde verschärft, die Zahl der Hochwaldbenützermöglichst unverändert erhalten. Gesuchen um Aufnahme ins Landrecht entsprachman nur mehr in den seltensten Fällen. Reiche Leute hatten noch amehesten die Möglichkeit, Entlebucher zu werden. Immigranten beliess man denStatus von Hintersassen, denen ja die Hochwaldnutzung verwehrt war. Mit derZunahme der Armenlasten wurde diese Möglichkeit der Niederlassung nochschwieriger. 13b) Das WaldbildDa über die Grössenordnung der forstlichen Artenbestände des EntlebucherWalds keine quantitativ auswertbaren Angaben gefunden werden konnten,folgen hier nur einige deskriptive Angaben.Auf den von Pfarrer Schnyder im Jahr 1780 erstellten Karten des Amtes Entlebuchlässt sich das ungefähre Ausmass des Waldbestandes am Ende des18. Jahrhunderts ersehen. 1412 Merz F., Die forstlichen Verhältnisse Entlebuchs 55.13 Vgl. Kap. Das Armenwesen, 3,5 d); Das Hochwaldwesen, 4.3.14 StA LU Plan 847; Portmann H., Pfarrer Schnyder v. Wartensee und seine Karte desEntlebuch.144


Danach standen grosse und geschlossene Waldteile nur noch in den höheren,unzugänglichen Lagen, in den niederen war der Wald stark aufgerissen undin kleine Parzellen zerstückelt. - Der Schüpfer Hochwald im Waldemmentalbelegte die östliche Haglerenseite ziemlich dicht, der Escholzmatter Hochwald,der daneben lag, war aber nur mehr klein. Im Kragen hatten die Glasermeisterdie Umgebung völlig entwaldet; der Feuerstein war kahlgeschlagen, derRüchiwald allerdings noch gut im Bestand, weil er dank der hohen Lage kaumangegriffen werden konnte. - Die unteren, östlichen Partien der Schrattenfluhwaren ihrer ganzen Länge nach mit Wald bedeckt, der Holzbestand im Gebietvon Marbach und Escholzmatt in zahlreiche Parzellen aufgelockert, die nordwestlicheFlanke der Beichlen nur mehr in den Höhenzügen bewaldet. - ZwischenFlühli und Schupf heim waren die westlich der Kleinen Emme gelegenenGebiete Rohrigmoos und Lamm im Holz noch ziemlich geschlossen, die östlicheEmmenseite dagegen beinahe kahl, der Bleikenwald und die Wälder unterdem Heiligkreuz in gutem Zustand. - Gegen Hasle wurde der Wald wiedersichtlich dünner. Der Hasler Hochwald war ziemlich ausgerodet; gegenEntlebuch hinunter verschlimmerte sich der Waldzustand eindrücklich. Auf derBramegg waren nur kleine Bezirke geschlossen bewaldet; die Hügel gegen diePfarrei Doppleschwand zu waren beinahe nackt, und dahinter, in der Fontannen,konnte man wieder den Einfluss der Glashütten auf die Waldwirtschafterkennen: In deren Nähe stand nur mehr wenig Holz zur Verfügung; gegen denMenzberg und das Willisaueramt boten sich nur noch einzelne grössere undkleinere Parzellen an.Die Vielzahl der Lebensgemeinschaften im Entlebucher Wald spiegelt zugleichauch die für das Entstehen der entlebucherischen Pflanzengesellschaft so abwechslungsreichenäusseren Lebensbedingungen. 15Tannenwälder habe es immer noch viele und grosse, schreibt Schnyder. 16 -Ahorn und Birke finde man vielfältig; Buchenwälder seien häufig, die Lindengediehen gut. Ulmen, Fichten, Föhren und Eibenbäume seien auch bekannt.Eichen hingegen habe es sehr wenige, und Lärchen hätte er keine gesehen. - ImSchütze des Hochwalds wachse zahlreiches Kleingehölz. - Hasen, wilde Katzen,Marder, Füchse, Eichhörnchen, Hermeline, Dachse, Bären, Wölfe, Luchse,Hirsch- und Rehwild, Wildschweine, Gemsen, Ottern, Schlangen, Eulen, Falken,Bergfasane, Haselhühner, Stein- oder Schneehühner, Rebhühner, Schnepfen,Habichte, Sperber, Raben, Krähen, Elstern, Geier, Fluhriester (Dohlen),Birkhähne, Auerhähne, Wachteln zählte er im 18. Jahrhundert zur Fauna desEntlebucher Waldes. Im Sommer bedeuteten die zahlreichen Waldfrüchte(Brombeeren, Pilze usw.) den armen Leuten eine unentbehrliche Nahrung.15 Vgl. Kap. Zur Geographie des Landes Entlebuch, 2.1.16 Schnyder, Geschichte II, 61 ff., 73 ff.145


c) Die Waldwirtschaft im 18. JahrhundertDie Zunahme der Bevölkerung im 18. Jahrhundert bewirkte nicht nur einenwachsenden Holzbedarf für neue Kirchen 17 , Häuser, Scheunen, Ställe, Zäune,Brennholz und die holzfressenden Brücken- und Wuhrbauten, sondern sie bedingteauch eine Vergrösserung des produktiven Areals, wenn man den steigendenNahrungsmittelbedarf decken wollte. Anstelle einer qualitativen Steigerungder Bodennutzung wurden nun aber die Weideflächen ständig aufKosten des Waldareals ausgedehnt. 18 - Dazu kam der aus dem industrialisiertenUnterland heraufwirkende Holzmangel, der nun durch die abgelegenen Berggebiete,wo noch Vorräte aufzufinden waren, gemildert werden sollte. DasHolz stieg im Wert. Und so unterlag der neu entdeckte Reichtum seit dieserZeit einer ausserordentlich starken Nutzung, und die Bewirtschaftung nahm soextreme Formen an, dass sie als eine «spekulative Waldzerstörung» bezeichnetwurde. 19 - Der starken Verschuldung der Bauern 20 sollte mit Waldverkäufenund dem Export des Rohstoffes an die Industrie des Mittellandes begegnetwerden. - So ersuchte Solothurn 1665 um Holz für das «Eisengwüb». 21 «Ganzunnütze und abgelegene Wälder» wurden verkauft und das Holz auf der Ilfisnach Solothurn geflösst. Die Bewilligung der Obrigkeit musste aber bereits mitder Auflage verbunden werden, in diesem Jahr dürfe niemand mehr Holzausser Landes führen.Die Privilegierung einzelner neuer Industriezweige und die zahlreichen wichtigenEntlebucher Gewerbe, die auf einen grossen Holzvorrat angewiesen waren,beanspruchten den Wald enorm. Für die Köhlerei (Verbreitungsgebiet Romoos),die Milchzuckerfabrikation (Marbach), die Bleiken und Färbereien,die Alpenkäsereien usw. ging man wohl zuerst an die Privatwälder heran,während der sonstige private Brenn- und Bauholzbedarf aus den gemeinenHochwäldern gedeckt wurde. 22Die Glaser, die sich seit 1723 im Entlebuch fest niederliessen, schädigten denWald besonders stark. Sie bauten ihre Glashütten mitten in die Wälder, kauftendiese auf, schlugen sie kahl und wechselten den Standort, wenn der Holzvorratder umliegenden Gebiete aufgebraucht war. 2317 Vgl. Kap. Die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundert, 3.5.18 Strüby, Alpwirtschaft 209; Zur Praxis der Rütiholzwirtschaft vgl. Forstbericht vonX. K. Amrhyn 1836/37, StA LU A 27/123 D.19 Isenegger J., Der Entlebucher Bergwald, seine Schicksale und heutigen Verhältnisse 216ff.20 Vgl. Kap. Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften im 18. Jahrhundert, 4.6.21 StA LU Seh 489; Häusler I, 235, 242f.22 Zur Köhlerei: Siegwart L., Die Kohlenbrennerei im Napfgebiet; Beschreibung des Arbeitsprozesses:Id., in Gedenkschrift Flühli 513ff.; zur Milchzuckerfabrikation: Merz, DasEntlebuch 188ff.; Schnyder, Geschichte II, 176; Emmenegger E., Das Entlebuch in vergangenerZeit 90 f.23 Isenegger J., Das Forstwesen 672ff.; Siegwart L., Die Glasindustrie im Entlebuch 1723 bis1870, 313ff.; vgl. Kap. Das einheimische Gewerbe, 5.2.146


Leonzi Lauber von Marbach gab 1769 vor der Victualienkammer zu Protokoll,die Glaser würden «alle Wochen 25 Klaffter Holz, das Klafter auf dem Bodenzu 10 Schuhen, je 414 Schuh lange Scheiter, 5 Schuh hoch gebeiget, in demgrossen Ofen verbrennen: Ohne diesen seyen noch drey Öfen, und brauchenwahretlich zu diesen auch 5 Klaffter für jeden». 24 - Die drei Glashütten seien«über alle maassen schädlich». Diese würden «nach und nach alle Wälder desLandes Entlibuch verschwächen und verzehren», da jede pro Jahr ungefähr800 Klafter Holz verbrauche und zum Wald keine Sorge trage, «ja sogar denBoden also verbrennen, dass nicht mehr ein Anflug zu hoffen ist». - Trotz derKlagen der Einheimischen genossen die Glaser die obrigkeitliche Unterstützung,bis im 19. Jahrhundert die staatlich geordnete Forstwirtschaft durch Forstgesetzeden Schutz des Restwaldes an sich nahm und forstliche Reformbestrebungenden Schaden gutzumachen versuchten. 25Über den Missbrauch der Hochwaldrechte sind uns eindrückliche Berichte erhalten.- Ulrich Kreit sagte in einer Untersuchung über umstrittene Waldungenaus, «sein Vater selig habe Haus und Scheur anbauen lassen, welches Holtzsyn darzuo alles in dem Schwesterheüslywald und auff dem Genobenhaggehauwen und genomen haben; es habe es inen niemand gewerdt, es hab damögen holtzen und hauwen wehr hab wellen, ar hab mögen ein Schüpfer oderein Hasler sein. - Demnach vor etlichen Jahren, haben sy solche Wälder lassenin Verbott legen, so ein Zeit lang in guoten Rüwen gelägen, das niemand daringehauwen; darnach haben die Hasler angefangen darin zu holtzen; wie solchesdie Schüpfer gesächen, haben sy auch daraus geholtzet, die Hasler so woll allsdie Schüpfer.» 261730 erfuhr der Rat vom Landvogt, dass «von fast männigcklichen ohneScheuchen und Ansehen der Verbott, schädlich und zu grossem Nachtheil derNachkommenden geholtzet werde, alss zuahr, wan hierin nicht eine bevorderlicheund nöthige [Vorsorge] gethan würde, zu besorgen wäre, da die Leuthan der Zahl je und je anwachsen, vill Pfrunndheüsser, Bruggen und Stäg zuerhalten seyen, dass mit der Zeit durch diseres schedliche Holtzen eine gantzeGemeinde in grössthe Noth und Schaden geworffen werden könte». 27Die Gerichte Schüpfheim und Entlebuch, welche eine zureichende Aufsichtüber die Waldungen bald nicht mehr garantieren konnten, baten den Rat umUnterstützung. Dieser erliess darauf ein Mandat, in welchem neue Bannwälderbestimmt wurden. 28 - Gegen die zahlreichen Holzschänder wurde eineäusserst scharfe Bussenskala errichtet: Wer im Bannwald holzt, dem solle derLandvogt «ohn alle Gnad 20 Gulden Busse abnehmen», ausserdem der Frevler24 StA LU cod. 5650, Protokoll der Victualienkammer, 16. März 1769.25 Zur Forstpolitik im 19. Jahrhundert, vgl. Bühler 126 ff.26 StA LU Seh 490, 24. April 1702.27 StA LU Seh 490, 18. Okt. 1730; RP 18. Okt. 1730, 248; der früheste Hinweis auf dieBevölkerungszunahme !28 Wj e 27,147


den der Gemeinde zugefügten Schaden gutmachen. - Armut entschuldige dieTat nicht. Wer nicht zahlen könne, komme ins Schellenwerk nach Luzern.Obwohl die obrigkeitlichen Strafmandate seit dem 17. Jahrhundert verschärftwurden, blieben sie ohne grossen Erfolg. - Den Harzern versuchte man schon1650 beizukommen. 29 Die Landschaft sei von Fremden und Einheimischenüberlaufen, hiess es; diese würden keine Wälder schonen, fast alle Tannenanstechen und erst noch den für die eigene Feuer- und Lichtversorgung notwendigenHarz ausser Landes verkaufen. Die Zahl der Harzer wurde beschränkt,Harzausfuhr untersagt, der Preis festgesetzt und die Privatwälderdem Gewerbe entzogen. - Exportverbote für Eichenholz, Ahorn- und Nussbäumemussten ständig wiederholt werden. 30 Färber und Bleiker beklagten sichüber «Abgang der Aschen». - Dem Holzmangel und der wachsenden Holzteuerungtrat man mit der Gewinnung und Verarbeitung von Torf entgegen.Gemauerte Öfen sollten den Verbrauch mindern. 31Als die Regierung in der Mitte des 18. Jahrhunderts von den BannwartenBerichte über die beaufsichtigten Waldungen abforderte, bot sich ihr ein inseiner Struktur fast ganz zerstörtes Waldbild. 32 Der rücksichtslose Umgang mitdem Rohstoff Holz hatte zu einer schweren Gefährdung des Energiehaushaltsgeführt. Die Bannwarte schilderten die Waldwirtschaft ihrer Mitlandleute ineindringlichen Worten:Hans Thalmann von Doppleschwand :«Das undere Amt habe 3 Hochwald (im Kilchgang Entlebuch, Hasle, Romoos). Der dritteHochwald, das Holz betreffend, seye in einem gar üblen Stand und starkh erholtzet, maassenein jeder nach seinem Belieben und Gefallen darinnen holtze und das zu nit geringem Schadenund Nachtheil einer Nachkommenschaft. Es seye auch der eint- und änderte, so von demgefälten Holtz das beste daraus abfüöhren, das übrige aber als Äst und Dölder lassen sie liggenund verfaulen. Die Pannwäldt seyen zwahr annoch in einem guoten Stand; gleichwohlennemen sie mehr ab als zu. Es gebe auch einige, so in denen Hochwäldern junge Dandli abgehauwen,damit das S.V. Vieh das Kriss darab fressen könne, und lassen hernach das Holtzliggen.» 22. Nov. 1751.Jakob Felder von Schupf heim:«Er seye anderthalb Jahr Baanwaldvogt, nun kommen die Schüpfer und wollen alzeit Holtzhaben, so er ihnen pro rata auch gebe; weil aber vorhinen schon denen oberkeitlichen Waldungenschlechthin abgewartet und gesorget worden und wan es noch einige Zit also zugienge,so würde die grösste Holtz-Noth sich äusseren; er habe zwar den Leuten nur Brennholtzausgeteilt. Was Tremmelholtz belange, hab er kein Gwalt, dergleichen auszutheilen.Überhaupt sehe der Wald sehr übel drein, massen sich ein Noth erzeigte, man den Nothleidendennit zu Hilff kommen könte.» 1751.29 StA LU Seh 858, Erneuerung des Mandats 1751, 1775; zur Methode der Harzgewinnungvgl. Siegwart L., Über die Harzgewinnung in den Wäldern.30 Mehr als ein Dutzend Mandate, MB passim. Übriges: StA LU Seh 858.31 Schnyder, Geschichte II, 93.32 StA LU Seh 490; 121mal mussten von 1714 bis 1730 ertappte Holzfrevler gebüsst werden,von 1750 bis 1765 waren es deren 134. StA LU Seh 492, Bussenlisten der Entlebucher Landvögte.148


Peter Portmann, 28jährig, von Escholzmatt :«Seitdeme er Baanwaldvogt im Steig emamset worden, könne er bey seinem Gewüssen reden,dass wan er schon ein Zimmerbäumli nöthig hätte, er ein solches in seinem Baan nit findenkunte. Disem Wald seye übel gewartet und gaumet worden, also dass der Wald in völligemAbgang seye.» 1751.Bannwaldvogt Hans Marti Renggli:«Sagt, dass sein anvertraute Baanwald kein einziges Tremel-, Bau- oder Sagholtz habe, sonderbestehe nur in Krotzen und kleinen Tannlenen.» 1751.Die wichtigste und ausführlichste Verordnung zum Schütze des Waldes wurdeim Jahr 1764 von der Staatsökonomiekommission erarbeitet. 33 Die wegen«unverantwortlichem Missbrauch und strafbarer Verschwendung» erlasseneForstordnung enthielt im wesentlichen die folgenden Punkte : Verbot des Holzexports34 und neuer Rodungen, Beschränkung auf das Notwendigste; Holzzäuneseien durch Hasel-, Grün- und Dornhäge zu ersetzen. Im Jungwalddürfe kein Vieh ausgelassen werden: «denn es bleibt unlaugbar wahr, dassjedwede Geiss in einem jungen Wald jedweden Tags zehen mahl [mehr] verderbet,als sie werth ist» ; in den Tannenwäldern solle ein Viertel des Bestandesin Bann gelegt und zu Brennholz aufgespart werden. Planmässiges Holzen isterlaubt zwischen dem 15. November und dem 15. April. Brennholzschlag vom1. Oktober bis zum 15. April. - Alles Neuangepflanzte liege im Bann. DieBanngebiete sollen durch Gräben gekennzeichnet werden. «Wo auch aufGemeind-Allmenden, und in sogenannten Gemein-Schachen wenige, unddünne stehende Bäume angetroffen werden, soll ein jeder Genosse, wenn erAlters halber Genoss wird, zum wenigsten einen, und jeder Neuverheuratheteim ersten Jahr drei junge Obst-, Nuss- oder Eichbäumlein je nach des ErdreichsBeschaffenheit pflanzen und vor Beschädigung des Viehs bis zum Aufwachsverwahren: Dem Pflantzer aber solle, wie von Altem her die Nutzung dieserBaumfrüchten auf Lebenslang gelassen werden, und aber nach seinem Tod derGemeind heimdienen.» - Die Köhler sollten ausserhalb des Waldes arbeiten. -Für die Durchführung des Mandats, welches alle zwei Jahre am Sonntag vordem Schwörtag verlesen wurde, trugen die Bannwarte die Verantwortung.Die Forstordnung stiess aber im Entlebuch auf taube Ohren. Knappe zwanzigJahre später schrieb Schnyder in seiner Entlebucher-Geschichte, der Erlasswerde hier, «darf wohl sagen, gar nicht befolget». 3533 StA LU Seh 858 ; MB 1764 (196); Segesser III, 13. Buch, 67f. ; Curti, Forstgesetzgebung 14.34 Die zahlreichen negativen Ratsbeschlüsse, die die Holzausfuhr betrafen, lassen auf eineziemlich strenge Einhaltung der Mandatsverordnungen schliessen. RP passim.35 Schnyder, Geschichte I, 142.149


d) Die Folgen des WaldraubbauesDie reichen Niederschlagsmengen im Entlebuch 36 bedürfen eines Regulators,damit die meist unvermittelt und extrem stark auftretenden Veränderungen imWasserhaushalt dem Boden nicht allzu grossen Schaden zufügen. «Im gewitterreichenEntlebuch mit seinen schweren Böden und steilen Hängen besteht diewichtigste Schutzfunktion des Waldes in der Regulierung des Wasserabflusses.»37Die rücksichtslose Entwaldung weiter Gebiete durch Kahlschlag, vor allem imEinzugsgebiet der Bäche, wirkte sich als eine fahrlässige Zerstörung des physikalischenWaldboden-Gefüges aus. Der plötzliche Anfall grosser Wassermengenkonnte vom schutzlosen Boden nicht bewältigt werden; die lockereWalderde wurde weggeschwemmt; Rutschungen und Rufen zerrissen dieOberfläche.Folgerichtig erscheinen denn auch während des 18. Jahrhunderts die erstenausführlichen Berichte über grosse Überschwemmungen 38 : «Im Rämibachgutob der Wiggermülli (Escholzmatt), gegen dem hinderen Gsteig, hat diserBach [. ..] von dem Gsteig bis gegen der Ilfis vill Schrunden in das Land gefressen[...] Im Hoff Underschlat, dem Hans Jagy Schaller und Klaus Marbacherund Melcher Buocher, hat es vill Härdt wäg gefrässen und Lauwinenin die Maten getragen [. ..] Im Hoff Underbeinbrächen hat es in den Heyweidengrusam mit Lauwenen geschant und Härdt wäggefrässen, und Grienund Wuor in die Maten getragen [...] Dem Hans Renggly im Schachen hatauch der Hagel grusam troffen und dass Wasser die Maten fast uberschwempt,und ist auch daruff an Gülten und Zallungen schuldig in allem 1005 Gulden.Darvon laufft auch der dritte Zinss. Und ist diss güöthly vor 2 Jaren umb1100 Gulden gewürdiget worden.»Die Entwaldung zerstörte nach und nach ertragreiche Fluren. «Das meistgrosse Gefälle verursachte einen sofortigen oberflächlichen Abfluss der Niederschlägeund verlieh den zusammengeströmten Wassermassen eine riesige Erosions-und Schubkraft [...] Wegen der weitgehenden Entwaldung wurden dieRinnsale überbeansprucht und vertieften sich ständig. Die Bacheinhängerutschten nach, die fruchtbaren Talböden wurden überschüttet.» 39 - DerEinbruch der Gewässer in das Kulturland musste häufiger als bisher befürchtetwerden, und die Überschwemmungen bedrohten meist auch die wirtschaftlichen36 Vgl. Kap. Zur Geographie des Entlebuch, 2.1 ; Bühler 24ff., 28 ff. ; Merz F., Das Entlebuch199.37 Isenegger J., Der Entlebucher Bergwald 220f. Zum Wasserhaushalt: Leibundgut 82ff.,133f.; Huber 62, 99.38 StA LU Seh 489, Unwetterberichte, Überschwemmungen: Escholzmatt, 23. Juli 1710,26. Juli 1743; Strüby, Forstwirtschaft 122.39 Isenegger J., Der Entlebucher Bergwald 219.150


Grundlagen. Die Naturgewalten wurden dadurch ein Element der Verunsicherungund stimmten möglicherweise die Bevölkerung in verstärktem Massepassiv und fatalistisch.Das wertvolle und fruchtbare Kulturland nahm durch die Gewitterverheerungenoft dauernden Schaden 40 : «Im Schächli unden, an denen Rottgütteren, [hat]die Ilfis [...] durch die gantze Matten hinab, breite und tiefe Gräben aufgebrochen,den guten Herd vertragen, [. ..] das Haus [...] mit Morast angefüllt,die Tillenen eingesenckt, den Offen eingeschlagen und die vorräthige Speissambt dem Brönnholtz, Bettgewand und einigen Kleidern vertragen [. ..] Indem oberen Theil Obacker ist der Rothbach eingebrochen und hat im oberstenTheil ein grosse Jucherten mit Steinen dergestalten überfüllet, das der Besitzerin villen Jahren nit mehr imstand sein wird, solches widerumb fruchtbar zumachen.» Die Aussicht auf genügend grosse Ernteerträge war durch die Überschwemmungenunsicher geworden. Die verschuldeten Bauern aber waren zurTilgung ihrer hohen Zinsbelastungen langfristig auf gute Erträge angewiesen. 41Die Bäche versandeten und verschlammten. Die Glaser, denen der reine Flusssandfür die Glasfabrikation besonders geeignet erschien, erfuhren die Folgenihrer Waldmisswirtschaft noch selber : Nachdem sie die Abhänge der Fontanneentwaldet hatten, rutschten die Hänge in den Bach ab und verschmutzten durchdie Erdmassen den Bachsand. 42 Die Glashütte musste ihren Standort wechseln.Die Erosionswirkungen veränderten die Landschaft. Erst die Abholzungen imEinzugsgebiet des Rotbachs (Flühli) machten diesen zu einem Wildbach, dergrosse Gesteinsmengen mit sich führte und die fruchtbare Talebene von Flühlizum Schuttablagerungsplatz verunstaltete. 43Die Forstwissenschaft räumt dem Wald aber nicht nur die wichtige Funktiondes Wasserhaushalt-Regulators ein. 44 Auch die klimatischen Verhältnisse könnendurch die Waldwirtschaft beeinflusst werden. Dichter, geschlossenerWaldbestand schwächt die Winde ab, gleicht Temperaturschwankungen ausund ist ein wichtiger Faktor in der Reinerhaltung der Luft.Diese Erscheinungen in der Entlebucher Landschaft des 18. Jahrhundertsnachzuweisen, ist natürlicherweise sehr schwierig. Merz machte im 19. Jahrhundertimmerhin die planlosen Abholzungen der Wälder für die Verwilderungdes Klimas und der Vegetation verantwortlich. 4540 StA LU Seh 489, Unwetterbericht 26. Juü 1743, 1747.41 Vgl. Kap. Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften im 18. Jahrhundert, 4.6.42 Siegwart L., Die Glasindustrie im Entlebuch 322.43 «Alte Leute überlieferten, dass der Rotbach früher nicht breiter war, als dass er von einemMann in einem Sprung überquert werden konnte. Infolge der Abholzung durch die Glaserim Kragen, traten Rufenen, Erdschlipfe und Wasserverheerungen auf.» Portmann H., VergesseneBäder und unbenutzte Mineralquellen im Entlebuch, 8; Häusler I, 215f.44 Leibundgut 68fF., 135.45 Merz F., Das Entlebuch 4; dazu auch: Steinmüller I, 194f., II, 43.151


e) ZusammenfassungDer reiche Waldbestand des Amtes Entlebuch wurde seit der Besiedlunggewohnheitsrechtlich von den Landleuten genutzt. - Zu Beginn des 15. Jahrhundertswurden die gerodeten Gebiete vom übrigen Allgemeingut getrennt.Die Eigentümer des urbarisierten Landes erhielten dabei den für die landwirtschaftlicheBetriebsführung unerlässlichen Waldanteil. Das übrige Gebiet - imEntlebuch als Hochwald bezeichnet - unterlag der Nutzungsberechtigung desganzen Amtes, bis Missbräuche, schlechte Wirtschaftsführung und die Bevölkerungsbewegungdes 16. Jahrhunderts eine weitere Aufteilung unter die dreiÄmter ratsam erscheinen Hessen. Die Obrigkeit beabsichtigte, die Rodungennoch weiter auszudehnen und zu intensivieren. - Neben der üblichen Nutzungdes Hochwaldes durch Viehauftrieb, Weiderechte usw. 46 , interessierte uns indiesem Kapitel die Holznutzung. - Leichter als die Untersuchung der Bewirtschaftungdes den Eigentümern zugeteilten Waldareals war jene desHochwaldgebietes.Dieses wurde seit dem 17. Jahrhundert intensiv genutzt, da wegen Holzmangelim industrialisierten Mittelland die Holzreserven der Berggebiete angegriffenwerden mussten. Die günstig gelegenen Wasserläufe kamen dem Transportsehr entgegen. - Die starke Verschuldung der Bauern förderte den Niedergangder einträglichen Privat- und Hochwälder. Die Bevölkerungszunahme im18. Jahrhundert steigerte den Bedarf an Kulturland; der Raum für die Beschaffungder Nahrungsmittel musste erweitert werden. Dies geschah abermeist auf Kosten des Waldareals; Verbesserungen auf dem Gebiet der Landwirtschaftunterblieben. - Die Obrigkeit, welche versuchen musste, dem spürbarenHolzmangel entgegenzutreten, fand im Entlebuch wenig Gehör. Dasabgelegene Gebiet konnte durch behördliche Strafverfolgung kaum erreichtwerden; die Bannwarte hatten Müh und Not, den Wünschen ihrer Landleute,die ihnen nahestanden, nicht zu entsprechen. Den Bauern, denen sich derWald als verfügbares Nutzobjekt offerierte, leuchteten die Befürchtungen,der Waldschaden könnte der Nachkommenschaft zum Nachteil gereichen,nicht ein.Dabei hatte der Missbrauch mit dem Rohstoff Holz zu einer bedrohlichen Spannungim Energiehaushalt geführt. Der rücksichtslose Kahlschlag im Einzugsgebietder Bäche und die langsame Erosion des Kulturlandes an den Bächen,die Rutschungen und Rufen in den Hanglagen infolge des gestörten Wasserhaushaltswaren schon den Landwirten des 18. Jahrhunderts zur Bedrängnisgeworden. Äcker, Weiden und Wiesen wurden den Naturgewalten ausgeliefert.Man musste um genügende Ernteerträge bangen und damit Störungen derErnährungsbasis befürchten.Die allgemeine soziale Disziplinlosigkeit rächte sich bitter.46 Vgl. Kap. Das Hochwaldwesen, 4.3.152


4.3 Das HochwaldwesenDer Entlebucher Hochwald wurde im 18. Jahrhundert Austragungsort verbitterterKämpfe um Nutzungsberechtigung und die Zuteilung der Trieb- undLandrechte. - Für die im 17. Jahrhundert verschuldeten und im 18. Jahrhundertnoch weiter verarmenden Schichten musste das Hochwaldgebiet für die Nahrungsmittelbeschaffungund die Sicherung des Lebensunterhaltes eine bedeutendeRolle gewinnen. - Neben den durch alte landrechtliche Bestimmungenprivilegierten Landleuten bemühten sich die von der Nutzung ausgestossenenBei- und Hintersassen verzweifelt um Anteilsberechtigung.Die Geschichte des Hochwaldwesens wurde bereits stichwortartig festgehalten. 1Daraus ging der besondere Charakter des entlebucherischen Hochwaldwesenshervor. Missbräuchlicher Nutzung des Hochwaldrechts hatte bereits dasLandrecht von 1491 entgegenzutreten. - Mit der Aufteilung der Hochwälderunter die drei Ämter wurde die Organisation der Rechtzuteilung heftigenAngriffen ausgesetzt. Vor allem die ärmeren Landleute und die Bei- und Hintersassen,welche von der Hochwaldnutzung gänzlich ausgeschlossen waren, strittennun dauernd um die Bewilligung, Gemeingut nutzen zu dürfen. Wiederholtnahmen die Hintersassen Anläufe, um die Gleichberechtigung zu erlangen(1654, 1655). Sie hatten aber ihre Anliegen den reicheren Landleuten vorzutragen,die meist auch in den Ämtern sassen, von denen aus die Hochwaldverteilungunter die berechtigten Partikularen organisiert wurde. - Um 1700 trat eineAbordnung der Hinter- und Beisassen gegen eine Vertretung der Vierzig undLandleute vor dem Rat an. Sie beriefen sich auf eine «authentische Erkantnus»von 1654, in welcher ihnen die Landleute angeblich den Status rechtmässigerLandleute versprochen hatten, falls sie ihnen im Bauernkrieg Hilfe leisteten. 2Die Landleute wiesen eine solche Äusserung zurück, da das Versprechenohne Vorwissen der Vierzig erfolgt sei. In Absprachen von 1664 und 1682sei den Hintersassen ausserdem der Auftrieb nicht «aus Recht», sondernnur «aus Güete» gestattet worden. Allzu viele Fremde seien seither durchHeirat, Käufe oder Ganten ins Land gelangt; diesen könne die Hochwaldbeteiligungunmöglich gestattet werden, da die Landleute einen allzu grossenAbbruch des eigenen Nutzens befürchten müssten. Der Hochwald stehe als«Personalrächt» nur den Stadtbürgern und Landleuten zu, urteilte die Obrigkeit;sie forderte aber die Landleute auf, «aus guoter Nachbarschaft und Bescheinigungihrens besten Willens», die Nichtlandleute nach Möglichkeit amHochwald teilhaftig werden zu lassen. Dabei sollten jene Hintersassen, die vor1654 ins Land gekommen seien, den Vorzug haben und unter den jüngerenseien die Armen zu berücksichtigen.1 Vgl. Kap. Der Wald, 4.2; Bühler 66ff; Emmenegger J., Geschichtliches über die KorporationSchüpfheim 39 ff.2 StA LU Seh 490; Emmenegger J., Geschichtliches über die Korporation Schüpfheim 43.Gerichtskosten für die unterlegenen Hintersassen : 6 Reichstaler.153


Die ärmeren Landleute gerieten in eine vergleichbar nachteilige Lage. - DieVermögenderen hatten nämlich begonnen, ihre Hochwaldrechte pachtweise undzu hohen Zinsen an Einheimische und Fremde zu verleihen. Das Verhältnis derarmen Bevölkerungsteile zu den reichen Bauern mit genügendem Vieh- undBodenbesitz verschlechterte sich zusehends. Besitz wurde zur Qualifikation fürNutzberechtigung. - Ledigen verblieb das Hochwaldrecht nur dann, wenn sie«Erdrich, Ros und Vieh» besassen und im Amt wohnten. Wer ein Recht besass,musste es auch selber nutzen; besass er nichts zum Auftrieb, erhielt er«etwas an Galt». Witwen ohne Besitz durften ein Almosengeld beanspruchen. 3Diese Verengung des ursprünglichen Rechtsanspruchs setzte sich im Laufe des18. Jahrhunderts in allen Ämtern fort 4 , obwohl auch die ärmeren Landleute inErfüllung der Landrechtsbestimmungen jährlich für die Rodung und Säuberungdes Hochwalds beigezogen wurden.Arme Hochwaldgenossen von Schupf heim baten 1757 den <strong>Luzerner</strong> Rat umZuteilung von je 2 Jucharten Hochwald-Land, «damit desto füeglicher Weibund Kind durch ihre Handarbeith erneret wurden». 5 - Im nächsten Jahr stelltensich die Escholzmatter vor die Behörde. 6 Die «minder Hablichen» klagten, sieseien trotz obrigkeitlicher Erlasse vom Hochwaldnutzen gänzlich ausgeschlossenund durch ihr Unvermögen ausserstande, Vieh aufzukaufen. Die vorJahren für die Armen eingeführte Entschädigung durch Zeichnerlohn 7 sei jetztauf etwa 5 b pro Kopf gesunken. Dies schauten sie für nichts anderes als denTaglohn für das Schwendten an; das hätten sie aber auch mit anderer Arbeitverdienen können; folglich profitiere man vom Hochwald überhaupt nichts. -Als die Regierung nun vorschlug, die Armen sollten von auswärts Vieh zumAuftrieb dingen können oder mehr Zeichnerlohn erhalten, entgegneten die«Hablichen», sie seien für den guten Zustand des Hochwalds verantwortlich.Das Eindingen von Vieh sei 1676 deshalb untersagt worden, weil schlechteWare aufgefahren worden sei. Der Zeichnerlohn werfe nicht mehr ab, weil dieZahl der Armen viel zu schnell angewachsen sei. 8 - Die Armen erwiderten darauf,Vieh zu überwintern sei für sie untragbar und sie könnten auch nichtwie die reicheren im Frühling Vieh aufkaufen und baten die Obrigkeit «demüthigestauf seitherige merekliche Verenderung der Zeiten und Umbständen,auch überhäüfften Anwachs des Volcks, gnädigste Reflexion zu machen»,damit Reiche und Arme «gleich profitiren und Antheil nehmen können». - Der3 StA LU Seh 490, 26. April 1700.4 Vgl. Kap. Das Armenwesen, 3.5 d).s StA LU RP 11. Jan. 1757, 65; RP 11. März 1757, 65; RP 15. April 1761,123; Portmann F.,Die Korporationsgemeinde Flühli 142.s StA LU RP 31. Jan. 1758, 310; 31. März, 310; Seh 490, 15. Febr. 1758, 29. April 1758.7 Zeichnerlohn = Abgabe pro Stück (gezeichneten) Viehs.8 An dieser Stelle steht ein Hinweis auf die Hochwaldabrechnungen; leider waren detaillierteAbrechnungen, mit denen sich sogar die Entwicklung der Armenzahlen hätte rekonstruierenlassen, nicht aufzufinden.154


Rat stimmte schliesslich einem Projekt zu, welches die Rechte der Hablichenbestätigte und neue Taxen für Minderhabliche, die ihre Rechte nicht mit eigenemVieh nutzen konnten, festlegte.In den Hochwaldrechten wurde grundsätzlich bestimmt, dass jeder Landmann,der eine eigene Haushaltung führte, Vieh in den Hochwald auftreiben durfte;davon waren auch Witwen nicht ausgenommen. 9 Die Nutzungsberechtigungwar in den sog. Auftriebsrechten genau fixiert. Bereits das Landrecht erliessdiesbezügliche Vorschriften. 10 So durfte fremdes Vieh nicht angenommen werden,um dann mit dem eigenen in den Hochwald zu fahren; dasselbe galt für dieAlpnutzung: «Wer mit seinem Vieh den Sommer hindurch im Hochwaldbleibt und wohl Alpen zu empfangen wären, dies aber des Zinses wegen unterlasseso setzen wir, dass dies nicht mehr vorkommen soll [...] Doch kann einerdrei Wochen im Hochwald die Nutzniessung haben, aber nicht länger oder eswäre denn für ihn nötig.» Der Geisstrieb im Hochwald musste von einemHirten beaufsichtigt werden. Nach dem Bauernkrieg wurden für die verschiedenenGattungen Vieh besondere Gebiete ausgeschieden. 11Für das untere Amt Entlebuch gab Stalder um 1790 total 172 Trieb- und483 Landrechte an. 12 Die Fläche des verfügbaren Landes betrug 966 Jucharten.Jeder Landmann habe das Recht, eine Füllenstute oder zwei Rinder zu sommernoder zwei Jucharten Hochwaldland - welches ihm durch das Los zugeteiltwurde - zu nutzen. - Im Amt Schupf heim gab es 70 Landrechte. 13 EinRecht galt eine Füllenstute, zwei Rinder oder eine Kuh «für ärmere Familien,die mit kleinen Kindern gesegnet, keine eigene Heimwesen besitzen». 14 Einearme Familie mit drei Kindern durfte eine Kuh, mit nur einem Kind - gemeinsammit einer anderen Familie - den Auftrieb einer Kuh beanspruchen. Warenmehr Familien als Kuhrechte vorhanden, entschied das Los; ausserdem wurden139 Jucharten Land an Leute ohne eigenen Grund verteilt. Schupf heim kauftedazu Privatbesitz auf, den es als Hochwald zur Verfügung stellte. 15 - Das AmtEscholzmatt besass insgesamt 396 Rechte. Stalder schätzte den Nutzen diesesHochwaldes gering ein, wie auch die Einschätzung der Rechte zeigt. Ein Rechtwar bereits mit dem Auftrieb eines einjährigen Gusti genutzt; ein zweijährigesGusti und ein Füllen galten je Vi Recht, ein Gustiross y 3i eine FüllenstuteVA Recht. 169 Stalder, Fragmente I, 245ff.; Bitzi, Landrecht (1948) 83: hushablich = eigen Rauch, eigeneHaushaltung, eigen Feuer und Licht.10 LRArt. 198ff.; 163.11 Strüby, Alpwirtschaft 58.12 Stalder, Fragmente I, 245 ff.13 Bühler 71.14 Stalder, Fragmente I, 246.15 Strüby, Alpwirtschaft 24; Portmann F., Die Korporationsgemeinde Flühli 180ff.; einzelneKäufe sind hier aufgeführt: Alp Gloggenmatt 176f., 185; Kragenberg 180ff.; Luxli,Hurnischwand 182; RP 5. Jan. 1718, 321 r.16 Portmann F., Die Korporationsgemeinde Flühli 240.155


Die Bevölkerungszunahme belastete die gerechte Verteilung der Rechte, undes mussten Beschränkungen der Ansprüche vorgenommen werden, um den verändertenBedingungen Rechnung zu tragen, denn die unterschiedlichen Erträgein den drei Ämtern hatten nach Stalder ihren Ursprung schon in der Teilungvon 1596, «wo auch der Bevölkerungsstand dieser drey Ämter sehr ungleichwar». 17Das Hochwaldareal schrumpfte unter der nun in allen Ämtern stark zunehmendenBevölkerung zusammen. Zukaufe von Privatgütern und deren Einfügungin das Allgemeingut, wie es in Schüpfheim praktiziert wurde, kennen wir ausden anderen Ämtern nicht. Die Entwicklung verlief eher in der entgegengesetztenRichtung, indem Hochwald an Private zur Nutzung ausgegeben wurde.So berichtet Schnyder, die Hochwälder seien früher weitschichtiger gewesen;«es sind aber Stücke davon zu Gütern hingegeben und Eigenthum worden,deren Besitzer nunmehr alljährlich einen kleinen sog. Hochwaldzins abgeben».18Im Laufe der Zeit wurden die Rechte nach Land- und Triebrechten getrennt. -Landleute, die aus den anderen Ämtern nach Schüpfheim gekommen waren,mussten sich mit dem Auftriebrecht begnügen. Den eigenen Leuten mit nichtmehr als zwei Personen im Haushalt wurde eine Jucharte Land weggenommen,sie erhielten dafür ein halbes Auftriebrecht. 19 Noch 1775 war einem Landmann,reich oder arm, ledig oder verheiratet, ein ganzes, ungeteiltes Hochwaldrechtzugestanden worden. 20 - Die Zahl der Nutzungsberechtigten wurde eingeschränkt.Um 1700 durften zwei Brüder oder Vater und Sohn in gemeinsamerHaushaltung und wenn sie «auss einem Haffen anrichten» ein Recht beanspruchen.75 Jahre später fiel, wohl durch die zahlreicheren Erbteilungen verursacht,das auf einer gemeinsamen Haushaltung begründbare Anspruchsrecht dahin. -Ledige und Witwer, die sich das ganze Jahr als Taglöhner verdingten, verlorenihr Recht; wenn sie nur «halbs Zeit dienen», durften sie als Unterstützung einhalbes Recht beanspruchen. Besassen sie keinen festen Wohnsitz, gingen siejeglichen Nutzungsrechtes verlustig; diese «sollen als Vaganten gehaltenwerden». Witfrauen mit Kindern ohne Einkommen behielten - in gemeinsamerHaushaltung - ihr Recht: Witwen ohne Kinder und etwas Einkommenverloren ein halbes Recht; ohne Recht verblieben die armen Frauen, die als«Tischgänger» ihren Lebensunterhalt fristeten.In Schüpfheim wurde ein Recht auf zwei Häupter auf eines reduziert und einLandrecht auf eine einzige Jucharte eingeschränkt. Gegen diesen einschneidendenLandverlust erhob sich die ärmere Schicht der Hochwaldgenossen, und17 Stalder, Fragmente I, 245.18 Schnyder, Geschichte II, 96; in Schüpfheim standen 1757 72 Hochwaldgenossen auf derWarteliste. StA LU Seh 490; Emmenegger J., Geschichtliches über die Korporation Schüpfheim44.19 Emmenegger a.a.O., 44f.; RP 27. April 1791, 68; RP 21. März 1792, 247f.20 StA LU Seh 490, 19. Mai 1775; RP 3. Juli 1775, 223v.156


deshalb wurde 1797 vereinbart: Jedem Landmann solle auf Verlangen zweiJucharten Land gegeben werden (eine gute und eine «böse»), unter der Bedingung,dass er, wo nötig, selber zäune und neben dem Landrecht kein Triebrechtbeanspruchen dürfe. - Viehtrieb auf ausgeteiltes Land, Futterverkauf an Amtsfremdeoder Hintersassen und Bauen auf Hochwaldgrund wurde untersagt. 21Wie wir schon sahen, genügten diese Modifizierungen und Versuche, denHochwald für mehr Leute ertragreicher zu gestalten, nicht, da offenbar trotzdes scheinbaren Entgegenkommens die Organisatoren auf alte Nutzungsrechtenicht verzichten wollten. Die Hintersassen blieben auch am Ende des 18. Jahrhundertsvom Allgemeingut völlig ausgeschlossen. 22Die Ertragsqualität des Hochwaldareals kann aus den Auftrieben einigermassenbeurteilt werden. Stalder ist eine Aufzeichnung des im Jahre 1796 aufHochwaldgebiet gesömmerten Viehbestandes zu verdanken. 23 Dieser verteiltesich auf die einzelnen Ämter wie folgt:Tabelle 57 Viehbestand im Hochwald (1796)Amt Kühe Gusti Füllenstuten Gustirosse FüllenEntlebuchSchüpfheimEscholzmatt10272002962787919457 76Total 109 774 330 76 6794 Prozent der Kühe weideten auf Schüpfer Gebiet, der Rest im EscholzmatterHochwald. Ein Viertel der Gusti wurde auf Entlebucher Weidland aufgetrieben,mehr als je ein Drittel ging in den Schüpfer und Entlebucher Hochwald. -An Futtererträgen scheint das untere Amt am ertragreichsten gewesen zu sein. 24- Die Qualität des Hochwaldgebietes widerspiegelt sich auch in der Bestossungspraxis.- Unter den aufgetriebenen Tiergattungen standen die Gusti mit57 Prozent an erster Stelle; ihnen folgten die Pferde (35%); der Anteil derKühe betrug nur 8 Prozent. Die Weidenutzung für Pferde- und Viehzuchtstand also im Vordergrund. Für die anspruchsvolleren Milchkühe waren dienassen, grasarmen Gebiete zu wenig gut. Den Pferden genügten sie. Die Triebrechtein den Hochwald wurden denn auch überwiegend durch Pferdeauftriebgenutzt. Mehr als die Hälfte aller im Amt gezählten Pferde weidete im Hochwald;von den Gusti wurde etwas mehr als ein Drittel hieher aufgetrieben. -Pferde- und Gustihaltung wird man aber wohl ausschliesslich nur den reicherenBauern zumuten dürfen.6721 StA LU RP 17. Febr. 1797, 328; 20. März 1797, 352; 16. Juni 1797, 408; 20. März 1797;Emmenegger J., Geschichtliches über die Korporation Schüpfheim 45.22 StA LU RP 30. Jan. 1786, 20r.23 Stalder, Fragmente I, 243 f.24 Stalder, Fragmente I, 243 f., 248.157


Für viele Leute waren die Landrechte wichtig. Diese Gebiete, auf denen Viehtriebuntersagt war, dienten vor allem der unmittelbaren Lebensmittelbeschaffung.Kartoffeln und Hafer wurden hier am liebsten angepflanzt. 25 Leiderkonnte die Zahl der Benutzer dieser Areale nirgends ermittelt werden.Zusammengefasst kann gesagt werden, dass man sich hüten sollte, das Ausmassdes Hochwaldgebietes zu überschätzen. Das Hochwaldareal war ein Gebiet,in welchem Weiden, niederes Gehölz und Wald in bunter Mischung nebeneinanderlagen; die Ertragsqualitäten konnten daher nicht allzu gut sein. Ursprünglichwaren alle jene Gebiete unter dem Begriff Hochwald zusammengefasst,die über den Wohnsiedlungen lagen und nicht in Einzelbesitz übergegangenwaren. Er war allen Leuten zugänglich. Diese besorgten auch Unterhaltund Pflege. - In diesem Kapitel konnte besonders die rechtliche Situationder ärmeren Landleute und Hintersassen verfolgt werden.Die restriktiven Einbürgerungen vergrößerten die Zahl der ausgeschlossenenBei- und Hintersassen, die vergeblich nach Gleichberechtigung strebten. Nachund nach fand auch die soziale Umstrukturierung ihren Niederschlag in einerVerschlechterung der rechtlichen Ansprüche der Landleute. Der Hochwaldvermochte dem wachsenden Bewerberandrang nicht mehr zu genügen. Denarmen, besitzlosen «Hochwäldlern» war aber das Allgemeingut wichtig, umwenigstens auf dem kleinen zugeteilten Landflecken das Lebensnotwendigsteherausholen zu können. Obwohl die luzernische Obrigkeit sich für die Belangeder benachteiligten Schichten eher einsetzte, scheiterten die Bemühungen immerwieder am Widerstand der wohlhabenden lokalen Oberschicht, welche dieOrganisation der Hochwaldnutzung in ihren Händen festhielt. - Für die wirtschaftlichBenachteiligten bedeuteten erst Heimgewerbe, Spinnen und Weben,einige Rettung aus der Not. Die Heimarbeit wurde bei diesen Leuten diewichtigste und einträglichste Beschäftigung.4A Der Ackerbau«Diss Land hatt überal, so wol in der Wilde als in der Zämin einen muten undfruchtbaren Boden», schreibt Cysat 1 , «ouch da man buwet, gibt es volkomneFrucht, doch mehrtheils Gemües und allein Sommergutt, darumb dan vonvilen andern, selbiges Lands Bonen [...] vil Nachfrags haben [...] Was dan dieWeydung und Fuohr des Viehs, ouch Wiswachs betrifft, ist selbiges ouch guttund küstig, obglich wol rauch und wild anzusehen.» Das Land erhalte «vildausent Haupt Viehs [.. .], sonderlich den Sommer, wegen file der Alpenund Weydung».Ackerbau, Milch- und Viehwirtschaft waren die bestimmenden Elemente der25 Stalder, Fragmente I, 249; Zehntenbuch Entlebuch.1 Cysat R., Beschreibung des Landes Entlibuoch, ZB LU, Ms. 263/4, 2f., 4, 8.158


alten Entlebucher Wirtschaft. Die Prioritäten verlagerten sich aber im Laufeeines intensiven Umformungsprozesses, der am Beispiel des Ackerbaus nachgezeichnetwerden kann.Der an den sonnigen Lagen mit einem breiten Getreidesortiment betriebeneAckerbau erleichterte die Selbstversorgung. - Die Verdrängung des Ackerbausdurch Wiesenbau und die damit verbundene Viehwirtschaft wurde nun für dasAlpengebiet der wichtigste Strukturwandlungsprozess. Allerdings ging dieseHinwendung zu vorherrschender Alp- und Viehwirtschaft, wie sie aus anderenGebieten bekannt ist 2 , im Entlebuch nicht mit der gleichen Ausschliesslichkeitvor sich. Hier fehlten nahegelegene Marktplätze; Handelsbeziehungen,welche die Landesgrenzen sprengten, waren nur rudimentär vorhanden, weilsie der wandelbaren Marktpolitik der benachbarten Stände ausgesetzt blieben.In Krisenzeiten schlössen sich vor allem die bernischen Marktplätze ab; dieObrigkeiten praktizierten eine autarke Marktpolitik. Der Ackerbau behieltdaher im Entlebuch für die Selbstversorgung seine grosse Bedeutung.Die Anbaupraxis konnte aber im Laufe der Zeit vereinfacht werden, und estraten jene Getreidesorten in den Vordergrund, die den klimatischen Bedingungenund den eigentlichen Ansprüchen auf dem Gebiet der Nahrungsmittelbeschaffungam ehesten zu genügen vermochten.Das System der Egartenwirtschaft erleichterte die Umstellung. Denn dieLandleute hätten «keine gemeine Buwfelder, Zeigen, Acker, noch Almenden»,beschrieb Cysat die entlebucherische Agrarlandschaft 3 , sondern «ihre eigneund besonder ingeschlagne Matten zu dem Winterfuter; demnach ihre eigenthumbliche,ausgemarchete Weidung, theils onfehr von den Matten undHüseren, theils aber in den Höchinen und Bergen». Schnyder bemerkte zwar,Getreide würde «überhaupt nicht viel und bey weitem nicht genug für den Verbrauchdes Landes angebaut». 4a) Die GetreidesortenSchnyder widmete dem Getreideanbau im Kanton Luzern in seinen landwirtschaftlichenSchriften eine ausführliche Abhandlung 5 , worin er die Getreideund deren optimale Nutzungseigenschaften trefflich darstellt.Die Gerste, die im Entlebuch den weitaus stärksten Anteil am Saatgut ausmachte,empfahl sich besonders durch ihre kurze Reifezeit. 6 Sie werde am be-2 Vgl. die Arbeiten von Bircher, Kiem, Gutzwiller, Marty, Bielmann. Besonders J. Bielmannvermag für den Umstrukturierungsprozess neue Akzente zu setzen.3 Cysat 8.4 Schnyder, Geschichte II, 85.5 Schnyder, Abhandlung über die Geschlechter, Arten und Spilarten des Getreydes, welche imCanton Luzern gemeiniglich angepflanzt werden, in : Pfarrherrn Joseph Xaver Schniders vonWartensee kleine Landwirtschaftliche Schriften (Erster Jahrgang 1784) ZB LU, Ms. 31/4;vgl. Kürner 28.6 Schnyder, Abhandlung 36, 44f.159


sten «ebenrecht schwer, när- und melreich [...] in gutem, schwarzem Haselgrunde;daher überhaupt die Entlibuchergerste der Gäüergerste merklichvorgehet». Sie sei hier im Amt «die gemeinste Getreideart und gleichsam derEntlibucher ihr Korn [. . .] Binnen sechszig Tagen nach dem Säet, kann zuäüsserst im May oder vor mitten Brachmonats unter den Boden gebrachterGerstensamen zeitige Frucht lifern. Daher sie nüzlich ist in Ländern, wo esgern haglet, weil man sie abschneiden und so wider frisch wachsen lassen odernachsäen kann [. ..] Daher auch vermutlich, weil gemeiniglich die Gerstenerndtefrüh fällt, beraset sich zum Theil die Gerstenbrache so gerne vonneuem.»Eine längere Vegetationsperiode beanspruchte dagegen der Hafer, der alsfrühestes Getreide bereits im Februar ausgesät und erst Ende August oderAnfang September eingeerntet werden konnte. 7 Bevorzugte Pflanzgebietewaren neu aufgebrochene Weiden, magerer Boden oder dann gut gedüngtesLand, da man (nach Schnyder) glaubte, der Hafer sauge den Boden aus. DasGetreide sei eher unbeliebt und werde vor allem für die einheimische Pferdezuchtgebraucht.Auch der Roggen benötigte eine für das Entlebuch allzu lange Reifezeit. 8 Dieausgereiften Körner seien an anderen Orten im Kanton zweimal so lang wie imEntlebuch, das Roggenstroh aber seiner Länge wegen beliebt. Der Roggenanbausei seit Jahrhundertbeginn bedeutend zurückgegangen.Der Anbau von Dinkel oder Korn stehe vor dem des Weizens, weil er die Nässeviel besser ertrage als der sonnenbedürftige Weizen. 9 Ausserdem gedeihe Dinkelauch noch in schwerem, lehmigem und gut gearbeitetem Boden. Dinkel werdeaber selten geerntet. - Auch andere Getreide wie Emmer, Kerngerste undHirse seien hier kaum anzutreffen. 10Aus der folgenden Tabelle ist der Stellenwert einzelner Saatgüter ersichtlich:Tabelle 58 Zehnterträge in Entlebuch in den Jahren 1764, 1765 und 1771 111764 1765 1771Mütt/in Prozent Mütt/in Prozent Mütt/in ProzentGerste 100 57 78 60 70 65Korn 35 20 26 20 25 23Hafer 28 16 24 18 9 8Roggen 11 7 3 2 4 4Total 174 100 131 100 108 100Kartoffeln 225 56 209 61 313 74Getreide 174 44 131 39 108 26Total 399 100 340 100 421 1007 Schnyder, Abhandlung 56, 63.8 Schnyder, Abhandlung 49f., 53.9 Schnyder, Abhandlung 29.Schnyder, Geschichte II, 82, 85.11 Zehntenbuch Entlebuch.160


Regelmässig mehr als die Hälfte des Getreideeingangs war Gerste. Auch dieErträge von Korn und Hafer hatten noch Bedeutung, während der Roggenanteilgering blieb. - Noch vor dem gesamten Getreideanbau aber stand dieKartoffel. Gemeinsam mit der Gerste machte sie 81 Prozent des ganzen Zehntensaus (1764), 1765 waren es 84 Prozent und nach dem Hungerjahr 1770sogar 91 Prozent.Die Zehnteinkommen im ganzen Amt um 1800 bestätigen die in der PfarreiEntlebuch gemachten Erfahrungen.Tabelle 59 Zehnteinkommen im Amt Entlebuch (um 1800) 12Korn Hafer Roggen Gerste WeizenMa Mü Vi Ma Mü Vi Ma Mü Vi Ma Mü Vi Ma Mü ViEscholzmatt 5 2 _ 9 2 _ 2 2 - 35 _ _ _ 3 _Entlebuch 9 3 1 10 3 - 1 2 1 34 - - - 1 3Doppleschwand 5 2 2 2 1 1 - - - 9 - 1 - - -Flühli - 2 1 1 3 - - 2 1 7 - 1 - - 2Hasle 3 2 3 2 3 1 - - 17 1 1 - - -Marbach 4 1 1 5 2 - 1 3 1 19 3 2 - 3 3Romoos 6 3 3 12 - 1 - 2 3 12 2 3 - - -Schüpfheim 8 3 2 13 3 1 1 - 3 20 - 1 - - 3In % am Totalvon 4314 Vierteln 17 22 3 57 1 100Bezieht man die Kartoffelerträge in die Betrachtung ein, so wird die Bedeutungder Eigenproduktion und das Ausmass der Selbstversorgung erkenntlich. Dieunterschiedlichen Ertragsmengen in den einzelnen Betrieben dürfen allerdingsnicht vernachlässigt werden. Sie hatten auf die Ernährungslage einen erheblichenEinfluss. 13b) AnbaupraktikenOhne an das organisationsintensive System der Dreizelgenwirtschaft gebundenzu sein, konnte auf jedem Betrieb nach freier Wahl angepflanzt und das Ackerlandnach eigenem Bedarf ausgesucht werden. - Schnyder aber bemerkt inseiner Getreide-Abhandlung verschiedentlich praktizierten Wechselanbau.So fügte er seinen Ausführungen über die Gerste bei, sie werde beinahe ausschliesslichin umgeackterten Wiesen ausgesät, «und ist diese jedes Jahr bald indiesem, bald in jenem kleinen Stücke wiederholte Aussaat als eine Alternationanzusehen, dadurch die Entlibucher ihren Wiesewuchs gut unterhalten, dasUnkraut vertilgen, und die rechten Futterkräuter ins Aufnehmen bringen». 1412 StA LU Akten 27/6 B.13 Vgl. Kap. Ernährung, 4.5.14 Schnyder, Geschichte II, 88; Bühler 72; Schnyder, Abhandlung passim.161


Die Zehntenbücher erlauben am ehesten die Rekonstruktion der Anbaupraktiken.So hatten die in Schupf heim aufgezeichneten Abgabepflichtigen folgendeSaatkombinationen gewählt 15 :Tabelle 60 Häufigkeit verschiedener Saatkombinationen in Schüpfheim (1782)AnbauKartoffelKart./GersteGerste/Hafer/Kart.Gerste/Korn/Kart.Gerste/ andereKorn/Ha- Kombifer/Kart.nationenTotalAnzahl Zehntner 63Prozent 216923322029 19 877 29299100Allein die Zahl derjenigen, welche nur die «Modefrüchte» Kartoffeln oder Gersteund Kartoffeln angepflanzt hatten, machten am Total der 299 Zehntschuldner44 Prozent aus. Wer neben den Kartoffeln noch zwei Getreidesortenanpflanzte, dürfte eine wechselweise praktizierte Dreifelderwirtschaft betriebenhaben (etwa % der Zehntner). Dabei machten die Variationen Gerste/Hafer/Kartoffeln und Gerste/Korn/Kartoffeln 77 Prozent aus. 13 von 100 betrachtetendie Kartoffel als Ergänzung zum Dreifruchtanbau. Unter diesen wähltefast die Hälfte Gerste/Korn/Hafer als Begleiter der Kartoffelsaat.25 Jahre später hatte sich die Situation kaum verändert. 16 Ähnlich wie im Jahr1782 beschränkten sich 37 Prozent der Zehntablieferer auf den Anbau vonGerste und Kartoffeln. - Eine Dreifelderwirtschaft mit zwei Getreidesortenund den Kartoffeln betrieb vor der Jahrhundertwende etwa ein Drittel, wobeiwieder Gerste/Korn/Kartoffeln und Gerste/Hafer/Kartoffeln als häufigsteKombinationen beliebten.Die Entlebucher bevorzugten also ein relativ schmales Getreideangebot undHessen einzelne Getreidesorten dominieren. Dazu hatte der Einbruch der Kartoffelwesentlich beigetragen. 17 Brandstetter führte den Rückgang des Hirseanbausauf die Kartoffel zurück. 18 - Fenk und Hirse seien noch nie angebautworden, seit er Pfarrer in Schüpfheim sei, erinnerte sich Schnyder; Emmer seietwas Seltenes geworden. 19Der Darstellung des Ackerbaus ist die der Gartengemüse beizufügen. Warendiese früher vornehmlich in den Rodungsgebieten anzutreffen, so wurden sieimmer ausschliesslicher in der Umgebung der Häuser angepflanzt. - An ersterStelle standen die Erbsen und Bohnen. 57 Prozent der 302 Zehntablieferer hattenim Jahr 1782 diese Früchte gezogen. 20 Zwiebeln, Rüben und Raben wurdendagegen nur wenig geerntet.15 Zehntenbuch Schüpfheim, 1782.16 Zehntenbuch Schüpfheim, 1797.17 Vgl. Kap. Die Kartoffel, 4.4 e).18 Brandstetter R., Die Hirse im Kanton Luzern 76.19 Zehntenbuch Schüpfheim, Vorwort. Fenk = Kolbenhirse; Emmer = ertragsgeringe Weizenart.20 Zehntenbuch Schüpfheim; Schnyder, Geschichte II, 80.162


Dafür hatten die Gespinste eine hervorragende Bedeutung. Auch Bühler fielbeim Studium der Kaufbriefe auf, dass diese am häufigsten bei den kleinerenGütern und den gering eingeschätzten Häuschen anzutreffen waren. Stalderschrieb, es gebe noch gar viele, die oft nicht soviel Wiesengrund besässen, umdavon Frau und Kinder ernähren zu können. 21 1782 zog fast die Hälfte allerZehntner Flachs, fast ein Viertel hatte Werch angepflanzt. Bühler vermutetefür das Entlebuch eine ähnliche Wirtschaftsform, wie sie Innerrhoden gekannthabe 22 : «Der Landbau war für viele Kleinbauern Nebenerwerb, Haupterwerbwar die Anpflanzung und Verarbeitung von Gespinsten.» - Die Bedeutung derSpinnerei und Weberei wird daher noch in einem eigenen Kapitel gewürdigtwerden. 23c) Die ErträgeLeider besitzen wir für das Entlebuch keine langfristig vergleichbare Zehntlisten.Solche hätten allerdings auch mehr über die Entwicklung des Getreideanbausim allgemeinen als über Ertragsschwankungen ausgesagt. Wie oben berichtet,veränderte sich die Anbaufläche von Jahr zu Jahr.Schnyder gibt einige Ertragsberechnungen, die von optimalen Bedingungenausgehen. Seine Zahlen fussen darauf, «was eine Juchart vom fettesten Lande,und zu einer Zeit, da eben alles auf selber am köstlichsten gerathen» abwerfe.24 - Schöner Gerstensame gebe zwischen 16 und 20 für 1, man ernte alsofür 1 Mütt Angesätes mindestens 4 Malter. 25 - 8-12 halbe Viertel Weizen ergäbenauf einer Juchart 80-100 halbe Viertel. 26 Emmer und Dinkel könntenebenfalls einen zehnfachen Ertrag abwerfen. - Das Einkorn (Eicher) gebe für12 halbe Viertel 80-100 halbe Viertel zurück, «versteht sich, wenns gut will».Roggen trage etwa 1 zu 8, Hafer gleich viel.Diese Berechnungen seien aber allzu optimistisch, gibt Schnyder zu. 27 - Vorallem die Regenschauer, die ja im Entlebuch so zahlreich waren, würdenbewirken, «dass, ein Jahr in das andere gerechnet, wohl nicht der halbe Theildes angesetzten einem wirklich zur Ausbeute werde». Und der Pfarrer schliesstdaraus, dass wirklich nur der Kartoffelanbau diese Risiken besser aushalteund der «Wiesewuchs immer das Vorteilhafteste, sicherste für den EntlibucherischenLandmann» sei.21 Stalder, Fragmente I, 206.22 Bühler 74.23 Vgl. Kap. Die Heimindustrie, 5.2 a).24 Schnyder, Geschichte II, 91.25 Schnyder, Geschichte II, 88.« Schnyder, Abhandlung 25, 29, 32, 33, 51, 57.27 Schnyder, Geschichte II, 92, 93.163


Reduziert auf die realeren Erträge, lässt sich folgende Tabelle erstellen 28 :Tabelle 61 Ertrags werte einzelner Getreide und der KartoffelnHafer 4,5 für 1 Einkorn 7,5 für 1Roggen 4,5 Gerste 7; 8Dinkel 5 Weizen 9Emmer 5 Kartoffeln 5,5Bei der relativ gleichmässigen Ergiebigkeit ist einleuchtend, dass die obenbeschriebene Qualität und Empfindlichkeit der einzelnen Getreidesorten denAnbau bestimmten.d) Die AbgabenDie einzige Abgabe an die Obrigkeit bestehe in der Entrichtung «überaus gemässigter»Um- und Zollgelder, schreibt Stalder. 29 Der Fruchtzehnt diene demUnterhalt der Geistlichkeit. Obst, Heu und Emd seien zehntfrei. - Der Landvogthatte Anrecht auf die Hochwaldzinsen und die mit der Verteilung desHochwalds errichtete Abgabe von jährlich 12 Mäss Käse. - Schnyder äusserte,Steuern und Abgaben fielen «in diesem Lande der Freyheit» kaum in Betracht.30 Die Landkosten bestünden im Hochwaldzins, der einen Bauer mitGrund und Boden kaum belaste. Der grösste Schuldenberg erwachse dem Landviel eher durch die hohen Gültzinsen, die den meisten Gültinhabern schwer zuschaffen machten. 31 - Diese günstigen Abgabeforderungen auf dem Gebiet derLandwirtschaft erlaubten eine zwangsfreie Bewirtschaftung der Güter. Schüpfheimberichtete an die helvetische Regierung, die sich über die Zehntverhältnisseim Entlebuch erkundigte, es sei allen Gemeinden im Entlebuch von jeherfreigestanden, Getreide anzupflanzen oder nicht. 32 Der Entlebucher «kontesein Land mit Wiesenwachs, Azung oder dan auch mit Pflanzung anderenFrüchten benutzen wie er wollte. Doch pflanzte er in seinen Güteren, um dieselbenurbar zu erhalten, alle Jahre hier oder dort ein Stück Gersten oderKorn ec, obschon er oft wegen Hagel, Kälte und Reif nicht einmal so viel einärnteteals er ausgesäet hat. Auch findet man im ganzen Lande kein StückLand, das bloss zum Ackerbau bestimmt wäre.» - Der Statthalter aus Marbachschrieb, im ganzen Distrikt sei kein einziges Grundstück, welches eigentlichdem Zehnten unterworfen sei. Jeder ackere wohl jährlich ein Stück Wiese um,28 Vgl. auch die Angaben bei Braudel, Civilisation 90, 91, die unserer Berechnung sehr nahekommen.29 Stalder, Fragmente I, 26; Schnyder, Geschichte I, 88; II, 91, 96.30 Schnyder, Geschichte II, 150, 151; Stalder, Fragmente I, 26, 27.31 Vgl. Kap. Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften, 4.6.32 StA LU Akten 27/1 C, 20. Jan. 1799.164


und das daraus Gezogene werde dann verzehntet. Der Umfang der zehntpflichtigenGrundstücke ändere daher jedes Jahr. Es gebe in der GemeindeSommergüter, in denen überhaupt kein Getreide mehr angepflanzt würde, weiles gar nicht ausreife. Man versuche, vor allem feuchtes und schweres Landwenigstens durch Getreideanbau zu nutzen. Das trage aber oft kaum etwas ein,da «hier ein gar wilts Orth, das wildist im ganzen Canton Luzern. (Es sei)sonderheitlich dem Ungewiter, Hagell und Wassergüssen underworfen». 33Die klimatischen Bedingungen waren also für den Ackerbau nicht allzu vorteilhaft.Da man aber im Entlebuch auf einen gewissen Grad der Selbstversorgungnicht verzichten wollte oder konnte, gab man jener Frucht sehr schnell denVorzug, welche bereits in der Mitte des Jahrhunderts den Ackerbau beherrschte,den klimatischen Unsicherheiten vorzüglichen Widerstand leistete und derBevölkerung regelmässig ausreichende Erträge sicherte : der Kartoffel.e) Die Einführung der KartoffelDie Kartoffel setzte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts an die Spitze der entlebucherischenAckerbauproduktion. - Die agrarwirtschaftlichen Verhältnissebegünstigten die Einführung der Frucht: Das von Flur- und Anbauzwang freieWirtschaftssystem ermöglichte die Innovation leichter als in Gebieten, in denendie Dreizelgenwirtschaft Neuerungen erschwerte. - Dazu lockte die Möglichkeit,die Frucht zehntfrei nützen zu können. Die Widerstände und Streitigkeitenbei den Innovationsversuchen verdeutlichen die Besonderheiten derentlebucherischen Voraussetzungen.Die Streitigkeiten brachen im Jahr 1716 aus, als der Landvogt Jakob CarlBalthasar in der luzernischen Ratsversammlung von einem Schreiben berichtete,das ihm von den Pfarrherren zugegangen sei. 34 - Sie baten darin um Rat,wie es sich beim Kartoffelanbau mit der Ablieferung des Zehnts verhalte, da«zu schädlichem Abbruch des Zehnden vil Herdöpfell» angepflanzt würden. -Der Rat entschied, die Pfarrer könnten den Zehnten von «den Herdöpflenpraetendieren; wer danne sich dessen zu beschweren zu haben vermeinet, kansich vor [...] den gesesenen Rhat stellen und aida um eine gnädige Decisionanhalten». - Diese Entscheidung blieb nicht unangefochten, so dass bereits imnächsten Jahr ein grosser Streit um die Zehntpflichtigkeit der Kartoffel ausbrach,der das ganze Amt bewegte.Vor allem die Pfarrherren des unteren Amtes hatten den Kartoffelanbau zuspüren bekommen, da die Zehnterträge merklich gesunken waren. Unter derDelegationsführung des Pfarrers von Entlebuch wurden die Herren am 21. Au-33 StA LU Akten 27/4 C, 6. April 1801.s« StA LU Seh 489, 2. Dez. 1716.165


gust 1717 in Luzern vorstellig und trugen in einem Referat ihre Meinung vor 35 :«Wan nun eine kurtze als 5 oder 6 jährige Zeyt hero neuwe, sogenante Härd-,Bir- und öpfelfrüchten in hiessigem Land Entlibuoch eingepflantzet, (so seien)disere Früchten aber, sey es anfangs nur gestecket, auch nit geacktet 36 , nun ineine völlige Saat gerathen». - Nach Anweisung des Rats seien die Geschworenender einzelnen Pfarreien durch die Kirchenrichter aufgefordert worden, sich innert14 Tagen zur Angelegenheit zu äussern. 37 Diese hätten entschieden, dasGeschäft nach der Alpzeit vorerst den Gemeinden und den Vierzig vorzulegen. -Die Pfarrherren hätten nun mit Unterstützung der Obrigkeit einen allgemeinenKirchen-Ruf auf den 21. August 1717 erlassen. - Darauf aber sei «ein nit geringerAuffruohr, sonderlich von dem mittleren Ampt uss entsprungen, so beydeandere Ämpter an sich zu knüpf hen gearbeithet, und so weith die Sachen getriben,dass von hochgeacht(eten) Jkr. Landvogt eine Kirchengemeind ihnenerlaubet, umb ofentliches Mehr von jeder Gemeind auffzunemen, ob sie nemblichdie Härdöpfel verzehnden oder aber wider die Pfahrherren in dass Rechtund Kosten einzustehen gesinnet.»Die Escholzmatter Kirchgemeinde habe sich bereits am 15. August klar für dieEntrichtung des Kartoffelzehnts ausgesprochen. In Entlebuch fand die Kirchgemeindeam Freitag, den 16. August (Tag nach Maria Himmelfahrt), statt,«aber leyder», so der Pfarrer von Entlebuch selber, «mit solcher Difformitetund Unordnung, dass auch die Vorgesetzte selbsten nit wollende wüssen, ihreSchuldigkeit, dass Kirchenrecht zu schützen [. . .], auch eint und andere fastschimpfliche Reden ausstossende [...], also dass auch eine Gemeind selbstschon vorhin von ihnen underholtzet.» Dreimal sei gemehrt worden, nachdemdas zweite Mehr positiv für den Zehnten ausgegangen sei. Ein viertes Mehr seinur noch mit wenigen Stimmen erfolgt, «da die Gemeind schon gantz verstreüwt»,und da sei es dann geschehen, «dass mehre wider eigenen Pfahrherrenund zwar nit ohn schimpfliches Gelächter der Widerpart inss Recht» gesetztworden seien. - Schupf heim, Hasle und auch Doppleschwand hätten mehrheitlichgegen den Zehnten gestimmt; Romoos, wo die Gemeinde «mit grossemRumor» gehalten worden war, äusserte sich ebenfalls zehntunwillig: «Alssoauss augenscheinlicher, schon vorhin beschähener Conspiration den rechtlichenProcess wider ihre Pfarrherren zu füöhren, von mittler und underemAmpt vorgenommen.»Der Zehnt sei nun aber den Pfarrern kirchenrechtlich zugesichert und alles vonHand Gesäte zehntpflichtig. Dies sei in allen Gemeinden des Amtes so. - Vonden Bauern sei aber, «villeicht auss vorwitzigem Betrug», als Gegenargumentangeführt worden, die Kartoffeln würden eben nicht gesät, sondern gesetzt.Nach Ansicht der Pfarrer heisse aber «der gemeine Terminus» für den Kartoffelanbau«geseyet». - Die Zehntgegner wendeten auch ein, die Frauen und35 Original des Referates im Pfarrarchiv Hasle.36 geacktet = beackert.37 StA LU RP 7. Aug. 1717, 262r.166


nicht die Männer würden die Kartoffeln säen oder anpflanzen. 38 Diesen sei zuentgegnen, «dass im Entlebuch die Männer weibliche Arbeithen versehen, wie[aus] den Mulchen erhälet». (!) Würden die Frauen auch die Getreide ansäen,«welches sie bald understehen wurden», könnte den Pfarrern auch der Grosszehntverweigert «oder besser defraudieret» werden. - Vor allem aber werdeihnen durch den Kartoffelanbau auch der übrige Zehnt geschmälert, da«andere, so gross alss kleinere Früchten, wenigere angeseyet» würden. Und derbesonders von den Armen vorgebrachte Grund der grösseren «Sicherheit vordem Hochgewitter [sei] eine wahrhaftige Gotteslästerung, alss wan je etwassauf Erden durch Menschen List oder Hand der Gewalt Gottes entzogenwerden» könne.Aus einem andern Dokument sind die am Zehntstreit hauptsächlich beteiligtenPersonen zu ersehen. 39 Namens der Pfarrherren des mittleren und unterenAmtes traten die beiden Pfarrer Marti Renggli (Entlebuch) und Johann JakobSchobinger (Schüpfheim) als Verteidiger des Kartoffelzehnts auf. Für dieKirchgemeinden führten Weibel Renggli (Entlebuch), Hans Jakob Bieri(Hasle), Landsiegier Caspar Emmenegger und Melcher Bitzi (Schüpfheim),Statthalter Steffen Jenni (Romoos) und Peter Hofstetter (Doppleschwand) dieGegenpartei an.Die Pfarrer berichten, sie hätten den Zehnt vorerst nicht fordern wollen, weildie Kartoffeln nur an «ohnfruchtbaren Aborthen und Stockungen» angepflanztworden seien ; jetzt aber würde die Frucht «vast aller Ohrten dess Landts,ja sogar in die Matten, Weiden und Wysen, alwo man anderes, besseres seyenund pflanzen könne», gesetzt. - Die Gemeindesprecher entgegneten, sie hättenvon Kartoffeln, Kabis, Kirschen usw. nie Zehnt geben müssen; die Kartoffelnseien «zu anders nit dienstlich als für die Menschen und Betler»; sie könntenin der «grössten Noth des Hungers» oder auch als Viehfutter gebraucht werden.Man würde sich einsetzen, dass in Zukunft nur noch Land, «welches ohnfruchtbarund von dem armen Betlervolckh ausgereütet, ufgestockt und zu besseremLand gemacht werde» 40 , für den Kartoffelanbau benützt werden dürfe.Der Zehntstreit von 1717 endete mit der Zusicherung des Kartoffelzehnts andie Pfarrer; von der Frucht war fortan der Kleinzehnt abzuliefern. - PeterMuri wurde 1728/29 mit 2 Gl 10 b gebüsst, weil er den «Herdöpfel Zehndtennit trülich geliferet». 41Durch die vorliegenden Berichte der Entlebucher Pfarrer kann der Beginn derKartoffelpflanzung ziemlich genau datiert werden. - Der erste Anbau fiel indie Zeit der schweren Krisenjahre seit 1709 mit allgemein hohen Lebensmittelpreisen.4238 In Entlebuch war zehntpflichtig, «wass ein Mann von der Hand seyet».39 Pfarrarchiv Schüpfheim 1/8.40 Die Rodungstätigkeit der armen Leute ist für die Siedlungsgeschichte des Landes von hervorragenderBedeutung. Vgl. Kap. Das Armenwesen, 3.5 d); Das Hochwaldwesen, 4.3.41 StA LU Seh 492, Bussenlisten der Landvögte.42 Vgl. Kap. Das Erntejahr, 3.1 b); Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert, 5.3.167


Die Not verhalf der Frucht zu ihrem Ansehen, und die vorzüglichen Erfahrungen,die man in den folgenden Jahren gewann, führten dazu, dass die Fruchtvor 1720 besonders im mittleren und unteren Amt so beliebt geworden war,dass die Bevölkerung ihrer nicht mehr entbehren wollte. - Das obere Amtscheint an dieser Entwicklung weniger Anteil genommen zu haben. In denbeiden anderen Ämtern aber wurde der Streit um die Ablieferung der Zehntenmit grossem Einsatz geführt. Die Versuche, die Kirchgemeinden gegen denKartoffelzehnten aufzubringen und die Auftritte einzelner erschienen denPfarrern als unerhörtes Gebaren. Die im Gefolge der Auseinandersetzungenverhängten Bussen spiegeln die Härte und die Intensität der emotionalen Ausbrüche.Landsiegier Caspar Emmenegger wurde «wegen ungebührlichenReden über dass ergangene Urthel wegen dem Herdöpfel Zehenden» mit6 Gl 30 b gebüsst 43 ; Weibel Hans Renggli zahlte «wegen ungestümen Wortengegen Hrn. Pfahrh[errn]» 2 Gl 10 b; Uli Theiler kosteten seine «schimpf liehgebrauchten Reden» 6 Gl 30 b; Hans Richenberger, Klaus Bieri, Peter undWerni Renggli legten je 1 Gl 35 b in die Vogtkasse ab.Leider liegt bis heute eine umfassende Geschichte der Einführung des Kartoffelanbausin der Schweiz nicht vor. 44 Im allgemeinen gewann die Fruchtdurch die Bemühungen der ökonomischen Gesellschaften erst in der zweitenHälfte des 18. Jahrhunderts an Ansehen; in mehreren Regionen brachte erstdie Krise von 1770/71 den eigentlichen Durchbruch zum Kartoffelanbau. 45 -Für die Geschichte des Kartoffelbaus in der ersten Jahrhunderthälfte liegen nurwenige schweizerische Datenbeispiele vor, die aber an den Zeitpunkt der entlebucherischenInnovation nicht heranreichen. Vor allem fehlen Berichte aus dernäheren Nachbarschaft, von wo die Frucht möglicherweise hätte übernommenwerden können.In Brienz war die Kartoffel um 1730 so stark im Anbau, dass in ertragreichenJahren sogar nach Unterwaiden exportiert werden konnte. 46 - Im Gebiet desKantons Luzern wurde in einem Mandat im Jahr 1766 der Kartoffelanbau inder Brachzeig gestattet. 47Die Herkunftsregion muss demnach weiter weg gesucht werden. Wir glauben,dass dabei dem Elsass eine wichtige Bedeutung beizumessen ist. - Die Auswanderungswellenach dem 30jährigen Krieg und dem Bauernkrieg und diedamit verbundenen regen Beziehungen, die wichtigen Handelsstränge (Wein,Getreide) und die auch im 18. Jahrhundert andauernden Wanderungen (vor43 StA LU Sch 492, Bussenliste der Landvögte.44 Für die Bedeutung und allgemeine Geschichte der Kartoffel: Redcliffe; Abel W., Geschichteder deutschen Landwirtschaft 289 f.45 Die Berner Gesellschaft suchte den Anbau durch Preisausschreiben zu fördern.46 Engel S., Abhandlungen der ökonomischen Gesellschaft 1772,7; das erste gesamtbernischeKartoffelmandat fällt ins Jahr 1741.47 StA LU MB 8. Aug. 1766 (212); Zur Einführungspraxis im «Hirtenland» vgl. Bircher73, 94f., 169; Braun verallgemeinert zu sehr, wenn er annimmt, die Kartoffel sei in industrialisiertenGebieten zuerst angepflanzt worden. 98.168


allem der Saisonarbeiter) prädestinieren das Gebiet als möglichen Ausgangspunktfür den Entlebucher Kartoffelanbau. Die Frucht war hier seit dem Endedes 17. Jahrhunderts angepflanzt worden; in den Vogesen hatte sie in den1690er Jahren weite Verbreitung gefunden. 48 Man darf auch an aufmerksameEntlebucher Soldaten denken, die auf ihren Märschen in Frankreich die Vorteileder Frucht kennenlernten.Als wichtige Promotoren der Innovation müssen die armen, besitzlosen Leuteangesehen werden, denen neugerodete Gebiete zur zeitweiligen Nutzung überlassenwurden. Diese konnten mit der Kartoffel schnell und optimal genutztwerden. Die Frucht war billig zu erstehen, ertragreich, mit wenig Aufwandund Pflege anzupflanzen und einzubringen. Den Armen bedeutete sie eine zuverlässigeSicherung des Lebensmittelangebotes. Aus ihren Erfahrungen profitiertenspäter auch die anderen Bevölkerungsteile. Braudels Formulierungdieser Zusammenhänge gilt auch für das Entlebuch : «Tant il est vrai qu'habitudeset tabous alimentaires touchent aux racines mêmes des civilisations;il se modifient rarement du jour au lendemain. Les premiers, les pauvres fontles frais de l'expérience.» 49Den Ortsvorgesetzten, die sich, wie wir sahen, vehement für den Kartoffelanbaueinsetzten, war die Bedeutung der Frucht für die ärmere Bevölkerungsschichtoffenbar bewusst: Dadurch konnte die Belastung der Gemeinden durch dieArmenunterstützung - die eben zu dieser Zeit intensiv diskutiert wurde 50 -wesentlich gemässigt werden. Durch die Verminderung der Armenkosten wurdenauch die Belastungen der reicheren Leute gelindert.Die Kartoffel dominierte bald die Ackerbauproduktion. - Das Zehntenbuchvon Entlebuch führt um 1750 die Kartoffelsaat so häufig auf, dass man annehmenmuss, die Frucht sei allgemein heimisch gewesen. Die Hochwald-Leutepflanzten beinahe ausschliesslich Kartoffeln an. 51 - In Schüpfheim hatten 1782von 302 Abgabepflichtigen 95 Prozent Erdäpfel, zwei Drittel Gerste geerntet.«Die Erdäpfel oder Kartuffeln aber machen weit den beträchtlichsten Theildes Angepflanzten aus», berichtet Schnyder und beschreibt die Vorteile derFrucht für die entlebucherischen Verhältnisse 52 : «Solche werden hin und wieder,in schlechterm und besserm Lande, in Weyden und Wiesen, und auf allerhandArten gepflanzet; gedeien auch meistens wohl, ausser in nassem Boden.»Dieser werde vorerst mit der Haue gelockert und dann mit der Asche der verbranntenGrasdecke gedüngt. Die Frucht verschaffe den Leuten grosse Vorteile,denn «so sehr, als die Getreidearten kann sie der Hagel nicht beschädigen; fastohne alle Zurüstung beym Kochen giebet sie eine schmackhafte, sättigende undfür Arbeitende nicht ungesunde Nahrung ab, und lässt sich besonders zu den48 Jeannin 11 ; Juillard 213 ff.Braudel, Civilisation 126.50 Vgl. Kap. Armenwesen, 3.5 d).51 Zehntenbuch Entlebuch.52 Schnyder, Geschichte II, 82, 84f.169


Milchspeisen mit Lust essen». - Auch Stalder weist auf die Bedeutung für denLebensmittelhaushalt hin : «Erdäpfel giebt's fast immer in Menge, die für diegewonliche Alltagsspeise des Reichen wie des Armen - wenigstens durch denWinter dreymal im Tage verschieden gekocht - erkleckhlich sind.» 53In 188 Haushaltungen mit 1039 Personen verteilten sich die Kartoffelzehntablieferungennach Haushaltgrössen wie folgt:Tabelle 62 Kartoffelzehntgrössen in Schüpfheim nach Haushaltgrössen (1782)Personen pro Zehntgrössen (in Halbvierteln) TotalHaushaltung bis 3 3-6 6-9 9-12 über 12 Personen1 1 _ _ _ _ 12 1 10 3 - - 283 4 7 4 - - 454 3 18 11 4 3 1565 3 14 9 5 1 1606 3 4 12 5 5 1747 4 6 10 3 4 1898 - 1 5 3 3 969 - - 1 4 2 6310 - 2 2 1 2 7011 - 1 2 - 1 4413 - - 1 - - 13TotalHaushaltungen 19 63 60 25 21 188Total Personen 103965 Prozent aller Leute gehörten in Haushaltungen, die zwischen 4 und 7 Personenzählten. Fast zwei Drittel der Haushaltungen lieferten zwischen 3 und9 Halbvierteln Kartoffeln als Zehntleistung ab. In 83 Prozent der Haushaltungen,die zwischen 6 und 10 Personen zählten, betrug der Zehnt mehr als 6 Halbviertel;39 Prozent dieser Haushaltungen gaben sogar mehr als 9 Halbviertelab: Die Zehntgrösse folgt der Haushaltgrösse, und so spielte die Kartoffel imNahrungsmittelsektor die Hauptrolle. Das war schon im Krisenjahr 1770/71deutlich geworden. 54 Die Härten, denen die Frucht in diesem Jahr ausgesetztwar, wiesen auf ihre Qualitäten hin: Nur wegen der anhaltenden Missjahreund den langdauernden, abnormen Witterungsverhältnissen schlug die Kartoffelerntenegativ aus. In leichteren Krisenjahren konnte die Kartoffel diefrüher erlebten allzu knappen Angebote an Lebensmitteln fühlbar mildern.Die Bevölkerung hatte sich mit ihr eines zuverlässigen Nothelfers versichert.Die Kartoffel konnte daher auf die Bevölkerungsentwicklung eine bedeutendeWirkung ausüben. Wenn auch kein rein monokausaler Zusammenhang angenommenwerden darf, ist doch immerhin der Umstand frappierend, dass die53 Stalder, Fragmente I, 205; vgl. Kap. Die Ernährung, 4.5." Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).170


Zunahme der Geburten mit dem Aufkommen der Kartoffel zusammenfallt.Ihr widmete K. H. Connell in seiner Bevölkerungsgeschichte Irlands eineigenes Kapitel. 55 M. Drake schliesst nicht aus, «that a highly nutritious andregular diet of potatoes so improved the health [...] that (the) fecundity(of women) increased markedly». Und «it seems feasible that the universalacceptance of the potato as the staple food would lead to a once and for alldrop in the general level of mortality». 56f) ZusammenfassungIm Amt Entlebuch blieb der Ackerbau für die Versorgungslage wichtig. Trotzder freien Anbaupraktiken verzichtete man - im Gegensatz zu anderen Regionen- nicht auf ein mehrteiliges Getreidesortiment, welches im Laufe derZeit den besonderen klimatischen Gegebenheiten angepasst worden war. Vorallem wurden Gerste, Dinkel, Hafer und Roggen ausgesät. Die Aussaat scheinteinem gewissen Turnus unterworfen worden zu sein: lockere Dreifelderwirtschaftist dabei nicht auszuschliessen.Die Einführung der Kartoffel veränderte die Anbaupraktiken. Einzelne Getreideverschwanden, und in der zweiten Jahrhunderthälfte dominierten dieGerste und die Kartoffel die Zehntablieferungen augenfällig. Die Kartoffelwar vermutlich aus dem Elsass eingeführt worden. Anhand ergiebiger Quellenkonnte der Innovationsprozess sehr ausführlich verfolgt werden. Die ärmerenLeute waren daran massgeblich beteiligt, hatten sie doch innert einer längerenVersuchsperiode die besonderen Qualitätsbeweise der Frucht für die einheimischenGegebenheiten erbringen können.Im Nahrungsmittelangebot rückten die Kartoffeln schnell an erste Stelle. Dankihres hervorragenden Nährwertangebots ergänzten sie die Getreidenahrung vorzüglichund konnten deshalb auf die Bevölkerungsentwicklung einen massgeblichenEinfluss nehmen. Diese Wirkung wird im folgenden Kapitel über dieentlebucherische Ernährungsweise noch eindringlicher hervortreten.4.5 Versuch einer Darstellung des Ernährungszustandes in 184 Haushaltungenin Schupf heim im Jahr 1782Die Bevölkerungsentwicklung im Amt Entlebuch musste - neben anderenHinweisen - immer wieder mit Verbesserungen der Ernährungsbasis begründetwerden.55 Connell, The influence of the Potato 121 ff.56 Drake 311; Connell bemerkt: «Good nutrition tended to influence population history intwo ways : it tended to lower the incidence of disease, and, by making provision for a familyseem no problem, it tended to encourage earlier, and more fruitful, marriage.» 156; Juillard:«La généralisation de la pomme de terre marque la fin des disettes périodiques.» 215.171


Nachdem die Einführung der Kartoffel und ihre rasche Verbreitung soebenbeschrieben und ihre dominierende Stellung im Lebensmittelhaushalt nachgewiesenwurde, sei nun im folgenden versucht, das Nahrungsmittelangebotfür eine grössere Anzahl Leute zu rekonstruieren und nachzusehen, ob diesesdem Nahrungsbedürfnis genügte.Die Darstellung des Ernährungszustandes bereitet aber deshalb besondereSchwierigkeiten, weil die entlebucherischen Bedingungen nicht langfristiguntersucht werden können; denn es wären mehrere zeitlich getrennte Stichprobennotwendig, damit man Aufschluss über die Veränderungen des Nahrungsmittelangebotsund die Bevölkerungsentwicklung, die ja um 1720 eineauffallende Wende erkennen lässt, erhalten könnte. - Doch geben die PfarrerSchnyder und Stalder in ihren Werken über die Ernährungslage der Entlebucherziemlich ausführliche Hinweise. - Pfarrer Schnyder ging sogar in einem eigenenKapitel dem «Nahrungszustand» verschiedener Bevölkerungsschichten nach. 1Die Nahrung der Älpler bestehe «in meistfrischen Milchspeisen, als: Suffi mitMilch gemischt oder ungemischt; gewärmter Milch; zuweilen auch Raam,Ziger». - Brot werde wenig, dafür etwa Reis gebraucht. Gegen Ende desSommers beginne man, von den Kartoffeln zu profitieren, die selbst auf höhergelegenenAlpen angepflanzt würden. Dazu kämen einige Gartengewächse. -Im Winter esse man - neben frischen Milchspeisen - hauptsächlich eingemachten,gesalzenen, feissen Zieger, magern oder feissen Käse, Brot, Kartoffeln; gedörrtes Obst wenig. - Fleisch, Mehlspeisen und Früchte würden nurvon den reichen und mittelmässig begüterten Bauern gegessen. - Eine besondereDelikatesse einer Alpen-Mahlzeit seien die «Fusterli», eine sehr gesundeSpeise, «aus der besten Nidel und damit vermischtem sehr zartem fettem Zieger»zubereitet. 2Die Nahrung der Armen bestehe «fast alle aus Erdäpfeln, schlechtem Muse,und etwa dem, so ihnen Ziegen hergeben, wenn sie welche haben». 3 - DenSommer hindurch betrieben zahlreiche Familien ausserdem eine intensiveSammelwirtschaft. Heidelbeeren würden in dieser Zeit «einen beträchtlichenTheil der Nahrung minder reicher Haushaltungen» ausmachen. Auch Erdbeerenstellten in den tiefer gelegenen Regionen ein wichtiges Nahrungsmitteldar.Am bedenklichsten sei die Nahrungsversorgung bei den Hausarmen. Meist ohneLandbesitz und nur mit Heim- und Taglöhnerarbeit beschäftigt, empfänden siedie Schwankungen der Lebensmittelpreise empfindlich. Bei dieser Bevölkerungsschichtkonstatierten Schnyder und Stalder sogar einen bemerkenswertenWandel der Ernährungsweise. Wohl standen auch den Armen vor allem dieKartoffeln, welche in den Hausgärten angepflanzt wurden, zur Verfügung.1Schnyder, Geschichte II, 80, 143ff., 147, 154f.2 Schnyder, Geschichte II, 81, 131, 132, 147; Stalder, Fragmente I, 204, 241, 258.3 Schnyder, Geschichte II, 62, 157.172


Daneben aber wandten sich die entlöhnten Arbeiter immer mehr von denMilchprodukten ab und tranken eher Weine und Spirituosen. Stalder bedauertediesen Einbruch im Genuss «des ausländischen Kaffees, und der gebranntenWasser, bey der armem Volksklasse, die ihren Unterhalt mit Spinnen sich erwirbt».4 - Das Getränk wurde mit dem einheimischen Schottenzucker (100 gà 3 Seh) gesüsst. 5Stalder beschreibt die Ernährungsweise ähnlich und vergleicht sie mit derjenigendes Mittellandes, wo wenig Milch, Käse und Zieger, meist aber Obst,Raben, Kohl und Rüben und «andere wässerichte Speisen» genossen würden.Die Entlebucher Nahrung sei demgegenüber «viel zuträglicher». 6 - Die Kraftund Behendigkeit der Entlebucher Schwinger beruhe vor allem auf ihrer gutenErnährung, schreibt der aufmerksame Beobachter des entlebucherischenNationalsports. Einige Schwinger würden sich sogar vor den Wettkämpfenmit ausgesuchten Speisen stärken : so seien Zieger, kuhfrische Milch und Honigkrapfenausserordentlich beliebt. - Während des Winters bildeten die Kartoffeln- «dreymal verschieden gekocht» - für reich und arm die gewöhnliche Alltagsspeise.Dazu beliebe öfters geräucherter und gesalzener Zieger. Auch Milchsei «dreymal des Tages» die Lieblingsspeise der Einwohner. - Gerste, Haferund Roggen habe das Entlebuch nach mittelmässigen Ernten zwar selten genug,dafür aber Kartoffeln.Die Getreide scheinen kaum für die Brotherstellung verwendet worden zu sein.Das Brot war sogar zu einem seltenen Lebensmittel geworden, denn die Saisonarbeiter,die jeweils mit «schwerem Gepäcke von Brodt» zurückkehrten, hättendamit oft «stolz getan», schreibt Stalder. 7 Man habe jetzt damit begonnen,aus Erdäpfeln Brot zu backen. 8 - Aus dem Hafer mache man Suppen und einengesunden, nahrhaften und leicht verdaulichen Brei 9 ; die Gerste werde vor allemals Gerstenbrühe und «Kindsbrey» gegessen. Man backe wohl auch etwarauhes Gersten- und Roggenbrot, wobei aber das Roggenbrot nicht jedermannzusage. Deshalb säe man den Roggen gerne mit Dinkel oder Weizen aus undverarbeite dann die Getreide zu einem Mischbrot.Jürg Bielmann hat auf eindrückliche Weise versucht, den Ernährungszustandeiner Urner Durchschnittsfamilie zu rekonstruieren. 10 Dabei stiess er aufErnährungsgewohnheiten, die erstaunliche Auswirkungen zur Folge hatten.Im Urnerland hatte der Verzicht auf den unrentablen Ackerbau die Ernährungsweiseentscheidend beeinflusst. «Anstatt Brotgetreide nahmen mit wachsenderAusschliesslichkeit Milchprodukte den Platz der Grundnahrung ein.»4 Stalder, Fragmente II, 9; Schnyder, Geschichte II, 164. Den Heimarbeitern darf somitdie Kreierung des bekannten «Entlebucher-Kafe» zugesprochen werden.5 Schnyder, Geschichte II, 176.6 Stalder, Fragmente I, 38; 12ff., 204f., 241, 258; II, 9, 67.7 Stalder, Fragmente I, 206.8 Schnyder, Abhandlung 27.9 Schnyder, Abhandlung 36, 54, 62.10 Bielmann 177 ff.173


Diese Umstellung bedeutete eine wesentliche Verlagerung im Nährsubstanzen-Haushalt auf die den Milchprodukten eigenen Nährwerte.Wenn nun im folgenden dieser Haushalt auch auf entlebucherischer Seitecharakterisiert werden soll, kann der Ernährungszustand der Einwohner zweierGebiete verglichen werden, die in gewissen wirtschaftlichen Unternehmungen,wie der Land- und Alpwirtschaft, miteinander verwandt sind; das Entlebuchhebt sich durch den intensiven Ackerbau vom alpinen Uri ab. Dadurch erhältdie Ernährungsbasis - die im Entlebuch mit grösserer Ausschliesslichkeit alsim Urnerland auf der Selbstversorgung beruhte - eine wichtige Akzentuierung.Dank einem erhalten gebliebenen Exemplar von Pfarrer Schnyders Bevölkerungsaufnahmein Schupf heim (1782) und dem ebenfalls von ihm verfasstenZehntenbuch erhalten wir die Möglichkeit, dem Nahrungsmittelhaushalt einigerFamilien und Wohngemeinschaften näherzutreten. 11 - Das nach Liegenschaftengeführte Verzeichnis der Zehntablieferungsgrössen (mit den detailliertenAngaben der Getreide-, Kartoffeln-, Gemüse-, Werch- und Flachserträge)konnte mit den in den Bevölkerungslisten nach Wohnort getrennten und lokalisierbarenFamilien- oder Haushaltgrössen kombiniert werden. Da wegen derbesonderen Anbaupraktiken im Entlebuch 12 mit dem Ausfall jener Bevölkerungsteilegerechnet werden muss, die keine oder nur sehr geringe Zehnterträgeablieferten, kann unmöglich die ganze Bevölkerung erfasst werden. Ausserdemist mit kleinen Fehlerquellen zu rechnen, die vom Zehntherr verursacht wurden.So eröffnete Schnyder seine Aufzeichnungen der Erträge von 1782 mit derBemerkung, er habe «bei manchem wegen seiner Armuth oder Geringheit desProduktes abschlagen müssen». 13Zu dieser Zeit standen in der Pfarrei Schupf heim ungefähr 310 Häuser. 14Obwohl anzunehmen ist, dass im gleichen Haushalt möglicherweise mehrereZehntner wohnten, darf man in den 302 Zehntablieferungen eine Bestätigungfür die Bedeutung der Selbstversorgung sehen. - Insgesamt konnten dieErträge für 184 Haushaltungen rekonstruiert werden. Für jede wurde der ausdem Zehntbuch ablesbare Ernteertrag berechnet und die Tagesrationen derverschiedenen Konsumgüter pro Person und Tag bestimmt (vgl. Tab. 63). 15Da die Bedeutung der Kartoffel und Gerste bereits vermerkt werden konnte 16 ,11 Pfarrarchiv Schupf heim, «Verzeichniss aller in der Pfarrei Schüpfheim bei Ausgang desJahres 1782 befindlicher Personen»; Zehntenbuch. Pfarrer Schnyder bezeichnet 1782 als durchschnittlichesErntejahr.12 Vgl. Kap. Ackerbau, 4.4 b).13 Zehntenbuch Schüpfheim, Vorwort.14 Schnyder, Geschichte II, 23Iff.; exklusive Alpen.15 Für die Berechnung der Gerstenration ergab sich die Formel:Zehntgrösse x 0,0175-— 1 hl Gerste wurde zu 70 kg gerechnet.Personen/HaushaltZehntgrösse x 0,025Für die Berechnung der Kartoffelration : -= ==—r—71Personen/Haushalt16 Vgl. Kap. Ackerbau, 4.4 a).174


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wurden nur diese zwei Zehnterträge, die ja den gesamten Zehnteingang beherrschten,berücksichtigt. Die kleineren Erträge von Bohnen, Zwiebeln, Rüebliund Erbsen, welche verschwindend kleine Grossen darstellen und im Nahrungsmittelangebotnur eine temporäre Rolle spielten, werden deshalb nur für dieabschliessende allgemeine Würdigung der Bedarfsdeckung und den Einbezugin die Schilderung des Nährstoff-Haushalts in Betracht kommen.Die Auswertung der berechneten Daten für die täglichen Kartoffel- und Gerstenrationenbot überraschende Resultate. Von 184 Haushaltungen hatten 136(73%) Gerste angepflanzt und eine Verbrauchsgrösse von durchschnittlich189 g pro Person und Tag zur Verfügung. - 181 oder 98 Prozent aller Haushaltungenhatten Kartoffeln gesetzt und pro Person eine Tagesration von546 g herausgewirtschaftet. 17Diesen aus den Zehntbüchern ziemlich genau rekonstruierbaren Daten sind dieProdukte aus der Milchwirtschaft, die ja innerhalb des Nahrungsmittelangebotesebenfalls eine grosse Bedeutung hatten, beizufügen. Ihr Anteil am Lebensmittelhaushaltmuss etwas umständlicher beigebracht werden. - Da aus denJahren 1788 und 1795 Viehzählungen vorliegen 18 , können wir die ungefähreAnzahl der Milchkühe pro Haushalt berechnen. (Leider werden die Ziegenund Schafe in den Zählungen [wenn überhaupt] meist gemeinsam aufgeführt,obwohl die Ziege eine wichtige Stellung innehatte; sie ersetzte bei den ärmerenFamilien die Kuh.) - Aus den Viehzählungen lässt sich die Zahl der Milchkühefür die Zeit um 1780 auf 3 Stück pro Haushaltung schätzen. Für den täglichenMilchertrag einer Kuh kann der Hinweis des Pfarrers in Entlebuch dienen.Dieser bezog von seiner Kuh «jeden Tag 10 Quart» Milch 19 , umgerechnet etwasmehr als 5 1/Tag.Die Kühe mögen demnach pro Jahr 4929 kg Milch zur Verfügung gestellthaben. Davon darf wohl ein Viertel für die Haushaltung abgezweigt werden.In den 184 Haushaltungen wohnten durchschnittlich 5 Personen. Pro Haushaltstanden also täglich 3375 g Milch, 2730 g Kartoffeln und 945 g Gerste zurVerfügung. Diese Speisen darf man wohl mit Recht als das Gerüst der entlebucherischenLebensmittelversorgung bezeichnen.Nun sind noch jene Lebensmittel beizufügen, die temporär eine gewisse Bedeutunghatten, deren Anteil am Gesamtangebot aber schwerer zu quantifizierenist. Wichtiger als die Quantität ist ihre Verfügbarkeit, da sie den Nährsubstanzen-Haushaltzu akzentuieren vermögen.17 In diesen Angaben ist das nächste Saatgut nicht eingerechnet. Für die Kartoffeln wäre eineBerechnung schwierig und kaum aussagekräftiger, da der Anteil der missratenen und verdorbenenFrüchte für die Haushaltung ebenfalls einbezogen werden müsste. - Beim Getreidemuss normalerweise mit einem Abgang von 20 Prozent für das nächste Saatgut gerechnet werden.Über den Umfang des Zukaufs wissen wir leider kaum Bescheid; allfällige Abgänge sindbei den vorgeschlagenen Grossen deshalb im Auge zu behalten.18 Vgl. Kap. Viehhaltung, 4.7 b).19 Zehntbuch Entlebuch.176


Stalder berechnet den Ertrag einer Kuh pro Sommer auf 2 Zentner Käse und1 Mäss Zieger. 20 Dies ergibt für drei Kühe eine Sommerleistung von umgerechnet317 kg Käse und 63 kg Zieger. - Da der Entlebucher Zieger für den Exportkaum taugte und nach Angaben der Pfarrer auch hauptsächlich im Land selbergegessen wurde, darf man den ganzen Ziegervorrat für die Haushaltungenreservieren. - Schwieriger ist der Verbrauch an Käse abzuschätzen, obwohl erja bekanntlich einen grossen Anteil am Konsum hatte. Ein Drittel des Sommerertrags(105 kg) dürfte dem Verbrauch nahekommen; ergänzend wäre dieKäse- und Butterproduktion im Winter dazuzurechnen, die wir aber zumSommerertrag zählen. Damit dürfte die oben genannte Verbrauchsgrösse nichtallzu hoch gegriffen sein.Die kleineren Beiträge einzelner Getreidesorten und Gartengewächse betrugenfür Bohnen/Erbsen laut Zehntenbuch etwa 10 kg pro Haushalt und Jahr 21 ,die Konsumweite für Hafer, Korn/Emmer, Roggen und Weizen schätzungsweise35 kg pro Jahr und Haushalt 22 .Das quantitative Angebot dieser Lebensmittel, welches zweifellos saisonalschwankte, interessiert nun im folgenden weniger als das Nährwert-Angebot.Die Ergebnisse werden in Tabelle 64 zusammengefasst.Die Bedarfsquote wurde pro Haushalt (für ein Elternpaar mittleren Alters,2 Kleinkinder [3- und ojährig] und ein 10-12jähriges Mädchen) berechnet.Die Summe ihres Kalorien-, Nährstoff- und Vitaminbedarfs konnte nun mitdem Angebot aus dem rekonstruierten Lebensmittelhaushalt konfrontiertwerden.Obwohl nur das Nährsubstanzenangebot aus sieben Lebensmitteln berücksichtigtwurde, zeigt sich bereits eindrücklich, wie qualitativ gut diese verfügbarenEsswaren dem Bedarf an Nährsubstanzen zu genügen vermochten. -Während die Proteine fast ausschliesslich aus den Milchprodukten resultierten,stellten vor allem die Kartoffeln und die Getreide die unentbehrlichen, lebensnotwendigenVitamine zur Verfügung.Der Bedarf war im Durchschnitt optimal gedeckt für Eiweiss (161% desBedarfs), Calcium (150%) und Riboflavin (Vitamin B 2 ) (152%), Vitamin C(167%) und Thiamin (Vitamin Bi) (108%). Niacin (Vitamin PP) lag leicht unterdem optimalen Bedarf. Das Vitamin A und vor allem Eisen waren in den aufgeführtenLebensmitteln unzureichend vorhanden.20 Stalder, Fragmente I, 234, 238; Schnyder, Geschichte II, 117, berechnet 2% Zentner Käseund 1 % Mäss Zieger.21 Der Zehnteingang an Zwiebeln betrug nach den Zehnteinnahmen nicht mehr als 70 kgfür das ganze Dorf Schüpfheim.22 Die Berechnung ergab pro Haushalt eine Jahresquote von 12 kg Korn, 15 kg Hafer, je4 kg Roggen und Weizen. Die andern Nahrungsmittel ergaben - vergleichsweise - folgendeJahresgrössen: Milch 1232 kg, Kartoffeln 996 kg, Gerste 345 kg.177


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Vergleicht man den entlebucherischen Nährsubstanzen-Haushalt mit demurnerischen, lassen sich doch entscheidende Differenzen feststellen. 23 JürgBielmann musste in seinem Gebiet, wo der Anteil der Milchprodukte im Lebensmittelhaushaltüberwog, feststellen, dass deren Protein- und Fettangebotden durchschnittlichen Bedarf stark überstieg; hingegen waren Eisen undThiamin ausgesprochene Mangelsubstanzen, ebenso musste ein Mangel anNiacin konstatiert werden.Vor allem die beiden B-Vitamine werden nun aber im Entlebuch durch dieGetreide und die Kartoffeln, die im Urnerland kaum in Erscheinung traten,in ausreichendem Masse zur Verfügung gestellt. Die Kartoffel- und Getreiderationenlieferten allein 90 Prozent des Niacinbedarfs; Thiamin war zu 80 Prozentin den beiden Verbrauchsgrössen enthalten. Vitamin C wurde beinaheausschliesslich und genügend aus den Kartoffeln bezogen. 24 - Im Urnerlandhatte die Hinwendung zu einseitiger Milchwirtschaft für die Ernährungslagedemnach nachteilige Folgen. Dank dem Festhalten an einem nicht geringenMass an Ackerbau, welcher dem Entlebuch eine ausreichende Selbstversorgungsichern sollte, behielt hier die Kostform eine qualitativ gute Basis. 25Aus der Eigenproduktion stammten auch weitgehend jene Kleingemüse, diekaum zu quantifizieren sind, im Haushalt temporär aber dennoch eine wichtigeRolle spielten. Den Gemüsen fiel zur Sicherung eines ausgeglichenen Nährsubstanzen-HaushaltsBedeutung zu. - Rüben, Kohl und andere Gartengemüsekonnten wegen ihres reichen Gehaltes an Vitamin A dem Bedarf durchausgenügen und den konstatierten Mangel sogar beheben. 26 Als Vitamin-A-Lieferantenlagen ausserdem Eier und die Produkte aus gelegentlichen Hausschlachtungenoder Tierjagden (Blut, Eingeweide, Leber usw.) durchaus im Verfügungsbereichder bäuerlichen Haushaltung.Eine hervorragende Bedeutung muss auch der Sammelwirtschaft beigemessenwerden, die bekanntlich von vielen Leuten betrieben wurde. Die Pilze und allegrünen Gemüse waren hier wichtige Eisenlieferanten. - Für die Aufnahmevon Eisen konnten auch die Zubereitungsmethoden eine Rolle spielen. NeuereForschungen haben ergeben, dass die Verwendung von Eisengefässen denEisengehalt der darin zubereiteten Speisen ausserordentlich erhöht. Südafrika-23 Bielmann 184ff.; neuere Untersuchungen aus ähnlich strukturierten Gebieten bestätigendie Auswirkungen allzu einseitiger und mangelhafter Ernährung; vgl. Verzar, Gsell D.24 Die gleiche Bedeutung hat die Kartoffel auch heute noch in einzelnen Regionen bewahrt.Vgl. Schlettwein-Gsell D., Suboptimale Vitaminversorgung 88; Gsell D., Der Ernährungszustandder Bergkinder.25 Zur Bedeutung der Selbstversorgung vgl. Gsell D., Ernährungs- und Gesundheitszustandin Bruson/Bagnes (Wallis) 25, 40; Verzar, Gsell, Erhebungen im Lugnez (Graubünden) 128,Schlussfolgerungen 459 f., 461, 470.26 Da das Vitamin A im Organismus gespeichert wird, kann suboptimale Zufuhr schnellbehoben werden. Vgl. Gsell, Verzar, Über einen Heilungsversuch von mehrfachem Vitaminmangelbei Kindern eines Bergtales 223.179


nische Bantus nehmen durch den täglichen Gebrauch ihrer eisernen «Kaffir-Töpfe» oft mehr als den doppelten Bedarf an Eisen zu sich. 27Kontamination durch Kochgefässe dürfte auch in europäischen Gebieten eineRolle spielen. Durch den öftern Gebrauch mussten im Jura die Eisengefässeregelmässig ersetzt werden, da man sich nicht nur die darin gekochten Speisen,sondern auf Umwegen auch die Töpfe selber zugeführt hatte. 28 - Der im Landselber hergestellte Zucker gewann mit dem Aufkommen des Kaffees gegenEnde des 18. Jahrhunderts an Bedeutung und war als Kalorienspender wichtig.Das Salz, welches für die Viehwirtschaft und die Käseproduktion in grossemAusmass benötigt wurde, fand auch als Gewürz Verwendung. 29Aufgrund der berechneten Mittelwerte einiger Lebensmittel und der Schätzungenim Bereich der Sammelwirtschaft darf man also den Ernährungszustand derEntlebucher als gut charakterisieren, und man wird die Kombination Milchprodukte,Kartoffeln und Getreide als eine für die damaligen Verhältnissehervorragende Nahrungsmittelbasis bezeichnen dürfen.Man wird sich aber hüten müssen, den Ernährungszustand der Bevölkerungvon Schupf heim im Winter 1782/83 allein auf der Basis der Durchschnittswertezu beurteilen. Die in der Tabelle der durchschnittlichen Gersten- undKartoffelrationen angegebenen Spannweiten der mittleren Verbrauchsgrössenweisen auf sehr unterschiedliche Versorgung hin. Es ist anzunehmen, dass dieärmeren Schichten sich wohl kaum eine derart günstige Ernährungslage sichernkonnten. Dies ist besonders bei jenen Leuten zu vermuten, die mangels grösserenLandbesitzes und durch Einschränkung der Selbstversorgung marktabhängiggeworden waren. Dies bedeutet meist auch eine Verschlechterung derErnährungsqualität. 30 In Zeiten der Missernten und nachfolgender Teuerungwurden diese Bevölkerungsschichten dann vor allem getroffen. Die Krise von1770/71 hatte die ärmeren Leute nachweislich am schlimmsten bedroht. 31In einer kurzen Zusammenfassung kann die Ernährungslage wie folgt charakterisiertwerden: Die verfügbare Kombination von Kartoffeln, Getreiden undMilchprodukten ergab bei der Untersuchung ihres Nährstoffangebotes dasBild einer qualitativ ausgeglichenen und guten Kostform. Unter Einbezug derErträge aus der Garten- und Sammelwirtschaft, die die festgestellten Mängelan Eisen und Vitamin A beheben konnten, darf man den Ernährungszustandder Bevölkerung als gut bezeichnen und annehmen, das ernährungsbedingte27 Walker, Certain Biochemical Findings In Man In Relation to Diet 1002f.; id.,HaemoglobinConcentration and Nutritional State in South African Bantu habituated to a very highIron Intake; id., Nutritional, Biochemical, and Other Studies on South African Populations829 ff. - Zur Bedeutung der Sammelwirtschaft vgl. Gsell D., Ernährungs- und Gesundheitszustandin Bruson/Bagnes 40; Verzar, Gsell, Erhebungen in Blatten (Lötschental) 257.28 Schlettwein-Gsell D., Seiler H., Aktuelle Untersuchungen.29 Vgl. Kap. Importgüter, 5.1 b).30 Vgl. Schlettwein-Gsell D., Suboptimale Vitaminversorgung 94; Verzar, Gsell 460.31 Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).180


Auftreten von Anämien sei unwahrscheinlich gewesen. Kartoffeln und Milchprodukte,die selbst bei der ärmeren Bevölkerungsschicht «dreymal des Tages»auf den Tisch kamen, gewährleisteten ein langfristig hervorragendes Angebotan Kalorien, Mineralstoffen und Vitaminen.Nach der Betrachtung der entlebucherischen Ernährungsbasis darf ein Einflussvon dieser Seite auf den Verlauf der Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundertmit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die Bedeutung mussum so höher bewertet werden, weil die Krisenanfälligkeit im Verlaufe des Jahrhundertsdurch die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lagezahlreicher Leute noch erhöht worden war. Im folgenden soll nun versucht werden,mit einer Darstellung der entlebucherischen Verschuldung, eines Themas,das in den bisherigen Darstellungen entlebucherischer Wirtschaftsverhältnissekaum die gebührende Beachtung gefunden hat, diese Hintergründe noch eingehenderzu beleuchten.4.6 Die Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften im 18. JahrhundertDie Verschuldung der bäuerlichen Betriebe war zweifellos eines der Hauptproblemefür die kapitalintensiven Strukturreformen, mit denen die Landwirtschaftim 19. und 20. Jahrhundert saniert werden sollte. In diesem Kapitelsoll daher versucht werden, einen Einblick in die Verschuldungsgeschichte zuerhalten. Daneben wird die Darstellung des allgemeinen Kapitalbesitzes, desGeldmarktes und die Investitionsabsichten der geldbesitzenden Kreise behandeltwerden können. Im Vordergrund aber steht die Untersuchung der Auswirkungender intensiven Kreditwirtschaft auf die am stärksten betroffeneSchicht, die Schuldner, und die langfristigen Folgen der Belastung für die wirtschaftlicheEntwicklung der Region.Die Geschichte der Verschuldung der bäuerlichen Betriebe ist - nach übereinstimmendemUrteil der Forscher, die sich mit dieser Materie befassten - dieFolge einer langfristigen Entwicklung, und wenn nun im folgenden ihr Ausmassfür das 18. Jahrhundert abgeschätzt werden soll, muss man Zeiträume ins Augefassen, die ausserhalb der Untersuchungsperiode liegen.Die Belastungen mit Gültbriefen sollen (nach Bühler) zu Anfang des 16. Jahrhundertseingesetzt haben. Damals begannen <strong>Luzerner</strong> Stadtjunker Verschuldungenzu provozieren, indem sie grosse Geldsummen in einträgliche Liegenschafteninvestierten. In fremden Diensten reich geworden, waren die Herrenmeist ohne Grundbesitz geblieben; auf dem Kreditweg suchten sie mit demErwerb von Land und Liegenschaften die vornehmen Berner nachzuahmen. 1 -Die als Kapitalanlage gedachten Gültbriefe wurden eine immer grössere Be-1 Bühler 79; Schmid J., Die Junkerfamilie Hartmann und ihre Besitzungen im Sörenberg;Ramseyer 30 f.181


lastung für die Bauern. Die wirtschaftlichen Folgen des Dreissigjährigen Kriegesmit dem Zusammenbruch der florierenden Kriegs-Exportwirtschaft - dasEntlebuch hatte vor allem Pferde liefern können - und der immer undurchsichtigereGeldmarkt in der Eidgenossenschaft hatten schliesslich am Ausbruchder Bauernunruhen einen wichtigen Anteil. 2 - Danach kamen die Kosten desBauernkrieges und die hohen Bussengelder dazu, welche die ohnehin schonstark verschuldeten Güter zusätzlich belasteten. 3 Die Wurzeln der entlebucherischenVerschuldungsgeschichte reichen demnach bis ins 16. und vorallem in das 17. Jahrhundert zurück.Im 18. Jahrhundert hatten die Pfarrer Schnyder und Stalder mit Besorgnis denzunehmenden Gülterrichtungen zusehen müssen. «Nicht leicht ist ein Land,wo die Bauern, wenn sie gute Landwirthe seyn wollen, minder nötig hätten, ihreGüter mit Gülten zu beschweren, als das Entlibuch», klagte Schnyder, «unddennoch ist es so sehr damit beschweret!» - Und er bezeichnete es als «roheErfahrung», wie «die Überhäufung der Verschreibungen auf Güter bey uns eingrosses - ganze Familien täuschendes - Verderben sey». 4 Da das Entlebuch«zu sehr mit Gültbriefen überladen» sei, werde es zu keinem grösseren Wohlstandgelangen können, schreibt Stalder. 5a) Quellen zur VerschuldungsgeschichteFür die Entwicklung der Verschuldung der Entlebucher Liegenschaften wurdendie bisher noch nie systematisch ausgewerteten Landschreiberprotokolle desAmtes benützt. Da die Akten der Landschreiber wegen der amtsinternen, gutausgebildeten Gerichtsbarkeit in geschlossener Reihe und guter Qualität er-2 1649 Berichte der Landesbeamten an den Landvogt: «Das ganze Land sei verschuldet,die Zeit geldöde.» Liebenau, Der luzernische Bauernkrieg, Jahrbuch für Schweizergeschichte,Bd. 19 (1894) 74,101, 117; id., a.a.O., Bd. 18 (1893) 246ff.; Segesser IV, 88, 89; vgl. auch die2. Strophe des «neuen Tellenliedes»:«Ist offenbahr, ich sings nicht zu tratzen,Ihr sollen mich verstohn,von wegen der ganzen Batzen,ist dieser Krieg herkohn.»Liebenau, Bauernkrieg 19 (1894) 99; 129: Ansprache von Pannermeister Emmenegger beimBundesschwur in Wolhusen (1653): «Auch sonst sind die Läufe bös, so dass der gemeineBauersmann kaum bei Haus und Heim verbleiben, seine Gülten, Zinsen und Schulden bezahlenund Weib und Kind mit Gott und Ehren erhalten kann.» - Ludwig Meyer von Schauensee(1587-1663) führte im Testament zinstragende Gülten im Betrag von über 145000 Guldenauf. Er besass im Entlebuch 11 Alpen. Dommann H., 134 ff., 148, 149. - Zur Preispolitik im30jährigen Krieg und zur Währungspolitik der Zeit vgl. Bürki 14ff., 156ff., 176ff.; Abel,Agrarkrisen 150f.; Marty 77f.3 Zu den Kriegskosten vgl. Liebenau, Bauernkrieg 20 (1895) 183.4 Schnyder, Geschichte II, 151 ; id., Besondere Beschreibungen XIV, XV (Vorwort).5 Stalder, Fragmente I, 260.182


halten sind, konnten wir uns für die Darstellung der Güterverschuldung wesentlichauf diese Quelle stützen. - Die Landschreiberprotokolle enthalten vorallem :- Würdigungen (Schätzungen der Grundstücke)- Kaufbriefe, Erbteilungen, Auskäufe usw.- Gülterrichtungen. 6In den Kauf-, Erbschafts-, Auskauf-, Teilungs- und Tauschbriefen wird ausführlichüber die wirtschaftliche Situation der Güter berichtet, deren Wertdurch die Höhe der Gültsumme unmittelbar beeinflusst wird. Neben der Belastungdurch Gülten und Abgaben treten hier die Schuldforderungen, die inden meisten Fällen das Geschäft gefördert hatten, hervor.Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ging mit einer Gülterrichtung die Schätzungoder Würdigung des Grundstücks einher. Darin mussten Angaben über dieGrosse der Liegenschaft, die durch die Marchbezeichnungen beschrieben wurde,die «Ertragenheit» (Angabe der Intensität des Kornanbaus, Anzahl des gesömmertenund überwinterten Viehs), die bisherigen Gültbelastungen (Gültherren,Gültsumme), Zins- und sonstige Schulden enthalten sein, damit die Güternicht mit unsicherer Zinshaftung überlastet würden und allfällige Kaufinteressentenden Wert des Kaufgutes beurteilen konnten. 7Sidler definiert die Gült als «die auf ein bestimmtes Grundstück bzw. auf einRecht mit Immobilialcharakter bezogene selbständige Zinserhebungsgewalt». 8Durch die Kapitalhingabe erwarb der Gläubiger Anspruch auf einen in Naturalienoder Geld bestehenden Zins. Der jeweilige Nutzniesser, Eigentümer oderLehensherr des belasteten Gutes musste den Zins abliefern, solange er auf demGrundstück sass. Die Liegenschaft selber aber blieb durch die Gült ständigbelastet. - Mit dem Wechsel von Natural- zu vermehrter Geldwirtschaft verändertesich auch das Gültwesen. 9 An die Stelle der bisher unablöslichen, ewigen,trat die ablösliche Gült.Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts erwähnte man die Wiederkaufsmöglichkeitder Gült regelmässig; für die Ablösung des Zinses wurde eine Summe festgesetzt.- Der gesetzliche Zinsfuss für Geldgülten betrug 5 Prozent. Als Verfalltermingalt im Entlebuch der Andreastag (30. November); Zinszahlungen, diebis zum Matthiastag (24. Februar) nicht eingegangen waren, wurden zur gewöhnlichenGeldschuld. 10 Für rückständige Zinsen konnte der Gläubiger diegewöhnliche Schuldbetreibung einleiten. - Die Ausfertigung von Gültbriefenbis zum Betrag von 200 Gl besorgte der Landschreiber; lag die Summe darüber,6 Unternährer 26ff.; Schnyder, Geschichte II, 186; Stalder, Fragmente I, 33.7Sidler 43, 45 f., 47, 48; Segesser IV, 85, 93: der Würdigungswert entsprach «dem mittlernSchlag des baaren Gelds» und der Wertbeurteilung nach vorgenommenem Augenschein.8 Sidler 1, 8 (Anm. 9), 9, 82; Bitzi A., Die Gült und das Blumenpfand von einst und jetzt imEntlebuch 151ff.9 Sidler 15, 16, 24, 25, 28ff.; zur Ablösungspraxis 34f.10 Sidler 18f.; weitere Möglichkeiten der Zinssicherung 19ff.; Landrecht Art. 51-65,75, 76,92, 121, 145.183


musste das Geschäft in der Stadt ausgefertigt werden. 11 Die Zunahme derschriftlichen Fixierungen und die oft subjektiv beeinflussten und ungenauenSchätzungen erforderten verschärfte obrigkeitliche Massnahmen. 12 Die Angabenwaren eidlich zu bekräftigen und vorheriger Augenschein wurde unbedingtverlangt ; die Schatzer sollten in den Briefen namentlich aufgeführt werden,damit sie bei unwahren Angaben belangt werden konnten.b) AuswertungsergebnisseFür das untere Amt und Gericht Entlebuch allein liegen für die Zeit von 1639bis 1800 etwa 40 Protokollbände vor, davon 32, die das 18. Jahrhundert betreffen.Für die vorliegende Untersuchung wurden zwei Perioden mit 619Würdigungen und Kaufbriefen ausgewählt. Die erste betrifft die Jahre 1700 bis1710 (260 Dokumente), die zweite mit 359 Dokumenten fällt in die Zeit von1770 bis 1780.«Die Auswertung, die durch die übersichtliche, kanzleimässig monotone Formder Ausstellung erleichtert wurde, gestaltete sich vorerst einfach: Dem Schatzungs-oder Verkaufswert der betreffenden Liegenschaften wurden die SchuldundGültbelastungen gegenübergestellt und danach eine Differenzierung nachWertgrössen und Gültbesitzern vorgenommen. Die erarbeiteten Resultatesind in Tabelle 65 zusammengestellt.Die in der Zeit von 1700 bis 1710 untersuchten 260 Liegenschaften mit einemGesamtwert von einer halben Million Gulden waren mit Gültverschreibungenund anderen Schulden von fast drei Fünfteln ihres Schatzungs- oder Verkaufswertesbelastet. - Die Liegenschaften in den Wertklassen 1001-3000 Gl warenzu mehr als drei Fünfteln ihres Wertes ähnlich stark verschuldet, während dieGruppe der Werthöchsten (über 3001 Gl) die kleinste Verschuldungsziffer aufwies.- Die Verschuldungsziffer stieg im folgenden halben Jahrhundert noch an.Verglichen mit der Ziffer von 1700 bis 1710 nahm sie bei den Liegenschaften,welche mehr als 1001 Gl wert waren, prozentual etwas stärker zu als die Verschuldungder Kleinbetriebe.Den Daten aus dem 18. Jahrhundert kann eine Enquete der Hypothekarverschuldungim Jahr 1916 gegenübergestellt werden. 14 Danach betrug die Ver-11 Schnyder, Geschichte II, 187.12 StA LU MB 30. Juni 1700, 115; 28. Febr. 1722, 272; 22. Dez. 1736, 82; 30. April 1768, 7;7. Dez. 1772, 96; 19. Febr. 1773, 101.13 Unternährer 69, 70. - Landschreiberprotokolle (Peter Renggli): Bd. 8 (1701-1704),9 (1703-1705), 10 (1706-1707), 11 (1708-1709), 12 (1709-1710); Protokolle von Josef Renggli(dem Jüngeren): Bd. 1 (1769-1774), 2 (1774-1779), 3 (1779-1782).14 Tabelle 66. - Statistik der Hypothekarverschuldung im Kanton Luzem mit besondererBerücksichtigimg der Landwirtschaft, Luzern 1916. Die Verschuldungsgrösse wurde aufGrund der Ertragsgrösse berechnet. Die Berechnung nach den Betriebsgrössen sei darum nichtgeeignet, weil sie den Wertunterschied bei Kulturland verschiedener Qualität nicht zumAusdruck bringe. 7.184


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schuldung des privaten landwirtschaftlichen Grundbesitzes zu Beginn des20. Jahrhunderts für den ganzen Kanton Luzern 85,1 %. 15 - Die Verschuldungsziffernlagen in den drei Hypothekarkreisen Entlebuch, Schüpfheim undEscholzmatt erheblich über diesem Wert.Tabelle 66 Prozentuale Verschuldungsziffern der Bauernbetriebe im Entlebuch (1916)Verschuldung in Prozent der KatasterschatzungEntlebuch Schüpfheim EscholzmattKleinbauernbetriebe 102 95 93Kleine Mittelbauernbetriebe 94 91 86Mittelbauernbetriebe 88 78 80Grosse Mittelbauernbetriebe 75 69 47Mittel 95 91 891916 waren 98 Prozent aller entlebucherischen Betriebe verschuldet; die Verschuldungnahm mit der Betriebsgrösse ab : Die Belastung der Güter hatte alsoseit dem 18. Jahrhundert eine Akzentuierung erfahren. Die kleineren Betriebewaren nun am stärksten belastet.Die Verschuldung der Betriebe, nach der Grosse der Verschuldungsziffer, zeigtbei den untersuchten Liegenschaften im 18. Jahrhundert und im Jahr 1916folgende Entwicklung auf 16 :Tabelle 67 Verteilung der Betriebe nach der Höhe der Verschuldungsziffer (absolut undin Prozent)Verschuldungsziffer: bis 25% 25-50% 50-75% 75-100% über 100%Anzahl Betriebe/in Prozent1700/1710 13/5 58/22 129/50 58/22 2/ 11770/1780 21/6 93/26 131/36 105/29 9/ 31916 Entlebuch 1 5 18 32 44Schüpfheim 3 10 17 27 43Escholzmatt 3 9 17 31 40In der Periode 1700/10 war die Hälfte der Betriebe zu 50 bis 75 Prozent ihresWertes belastet gewesen. - 1770/80 aber waren mehr als zwei Drittel der Betriebezwischen 50 und 100 Prozent verschuldet; diese Verschiebung in diehöheren Verschuldungszifferngruppen dauerte an: 1919 war in allen dreiHypothekarkreisen beinahe die Hälfte aller Betriebe über 100 Prozent ihresKatasterwertes verschuldet.15 Die Verschuldung des gesamten Grundbesitzes im Kanton betrug 1916 78,7%, «die höchsteVerschuldungsziffer, die bisher in der Schweiz festgestellt wurde». Zum Vergleich: Zürich(1891) 65%, Obwalden (1909) 65,8%, Appenzell IR (1906) 73%.16 Statistik 1916 21, 43, 47. Zahlen aufgerundet.186


Aus der Gliederung der Gültgelder nach der Art des Kreditgebers lassen sichRückschlüsse auf den Kapitalhaushalt im Amt schliessen. Aus Zeitmangelwurden dabei zwei kürzere Perioden gewählt: Für das erste untersuchte Jahrzehntdie Zeit von 1701 bis 1704, für das zweite die Jahre 1770 bis 1774.Die in den Kauf- und Schatzungsbriefen namentlich aufgeführten Gültherrenteilten sich in den beiden Untersuchungsperioden in das Gültkapital wie folgtauf:Tabelle 68 Verteilung der Gültgelder auf die Gültherrena) 1701/04 in Gulden in ProzentGeistliche HerrschaftenKlösterKirchen, Chorherren, Pfarrer, Bruderschaften usw.11 12412 877Total 24 001 21Weltliche HerrschaftenJunkerStadtspitalNichtadlige PrivateTotalSummab) 1770/74Geistliche HerrschaftenKlösterKirchen, Chorherren, Pfarrer, Bruderschaften usw.58 6072 95029 91991476115 477in Gulden281202141810115122679100in Prozent1410Total 49 538 24Weltliche HerrschaftenJunkerSpitalNichtadlige PrivateTotalSumma64 38014 87074 519153 769203 307Sowohl 1704 wie auch 1774 stammten mehr als drei Viertel des Gültkapitalsaus weltlichen Händen. - Bei den geistlichen Geldgebern waren in der zweitenJahrhunderthälfte die Klöster in den Vordergrund getreten. So war nach 1770mehr als die Hälfte des Geldes aus geistlichen Geldbeuteln bei diesen Institutionenaufgenommen oder von ihnen vorgestreckt worden. 1717 Es sind dies vor allem die Klöster Werthenstein und Eschenbach, die Jesuiten, Barfüsserund Ursulinerinnen in Luzern. Die Pfarrkirche Schüpfheim besass 1803 ein Gültkapital von11517 Gl. Die 61 Gülten wurden in folgenden Zeiten errichtet:Anzahl Gülten1600-1650 51650-1700 151700-1750 21nach 1750 20Verzeichnis der Gülten, so der Pfarrkirche zuständig, 1803. Pfarrarchiv Schüpfheim.3273776100187


Graphik 22Verteilung der Gültgelder nach GültherrenKlösterPrivateGeistlicheSpitalker1770/741701/04 dominierten bei den weltlichen Kreditherren die Stadtjunker eindeutig,während nichtadelige Private mit einem knappen Drittel an diesem Teil derGültsumme beteiligt waren. - Dieses Verhältnis scheint sich eindrücklich verändertzu haben. An die Stelle des städtischen Patriziats waren gegen Ende desJahrhunderts finanzkräftige Bauern aus dem Entlebuch oder der näheren Umgebunggetreten; diese besassen jetzt fast die Hälfte des von Weltlichen zurVerfügung gestellten Geldes.Die Gliederung der Gültherren hatte aber auch zu dieser Zeit für das ganzeLand äusserst nachteilige Konsequenzen. Durch den hohen Anteil landesfremderKreditherren ging die Region jährlich grosser Geldsummen verlustig.Der Abfluss der Zinsgelder bedeutete eine Austrocknung des einheimischenKapitalmarktes und eine schwerwiegende Schmälerung des Angebots an Investitionsgeldern.Aus der Zusammenstellung der Gültherren ist daher dieKapitallage des Amtes mit grosser Eindrücklichkeit ersichtlich. - Zu Beginndes Jahrhunderts waren Kredite fast ausschliesslich nur von der reichen Oberschichtder Stadt Luzern zu bekommen, während die Landschaft an einemakuten Geldmangel litt, der die Verschuldung nur noch förderte. 1701/04flössen jährlich beinahe zwei Drittel aller Zinsgelder aus dem Land ab; 1770/74gehörte immer noch mehr als die Hälfte aller Zinsen landesfremden Gültherren.- Josef Anton Felix Balthasar, 1787/88 zum zweitenmal Landvogt imEntlebuch und mit den wirtschaftlichen Verhältnissen vertraut, hob in einerZusammenstellung des Entlebucher Finanzhaushaltes die Bedeutung der Verschuldunghervor: Bei einem Jahresumsatz von jährlich etwa 280000 Guldenmussten 180000 oder fast drei Viertel der Einnahmen für Zinsleistungen abgezweigtwerden. Bei dem berechneten Anteil ausländischer Gültherren flössendaher gegen 100000 Gulden jährlich in landesfremde Geldbeutel. 1818 ZB LU, Ms 92fol, Josef Anton Felix Balthasar: Sammlung historisch-topographischerMerkwürdigkeiten des Kantons Luzern. Vgl. dazu: Laube 202ff.188


c) Anlässe zur VerschuldungDie als Erbe des 17. Jahrhunderts übernommene hohe Verschuldung der bäuerlichenLiegenschaften konnte im 18. Jahrhundert infolge einer Reihe exogenerund endogener Faktoren nicht gemildert werden.Die Zunahme der Bevölkerung und die damit verbundenen gesteigerten Ansprüchean die landwirtschaftliche Betriebsführung erforderten Kreditgelder,welche die Ertragsaussichten nur kurzfristig begünstigten. - So musste MichelStuder «ufF seiner Frauwen Erterich, die Buächstuden genampt, ein Hauss unndtSchür mit zimlich grossen Costen erbauwen» lassen, nachdem er auch noch«die Maten zimlich erbesseret» hatte. 19 - Auf die Längmatten errichtete maneine 100-Gl-Gült: «soll uss disem Brieffein neuw Hus gebauwen warden». 20 -Auf das Jodertengut in Escholzmatt wurde ein Kredit von 100 Gulden aufgenommen,«willen solches an Huss und Schür angewänt wirt zu verbauwen». 21Neben diesen kapitalintensiven Innovationsbemühungen waren betriebswirtschaftlicheMisserfolge nicht selten Anlässe zur Errichtung neuer Gültverhältnisse.- Die Durchsicht der getätigten Verkäufe erlaubt die Vermutung,dass in den meisten Fällen Zinsschulden oder ausstehende Zahlungen dasGeschäft gefördert hatten. Das erstaunt kaum mehr, nachdem in früherenKapiteln dargestellt wurde 22 , wie oft die Bauern unter ungünstigen Witterungsbedingungen,Überschwemmungen und schlechten Ernten zu leiden hatten.Diese Notlagen verschlimmerten neben der persönlichen Existenz meist auchdie materiellen Bedingungen. Ungenügende Ernten und wirtschaftliche Fehljahregefährdeten nicht nur die Nahrungsgrundlage, sondern auch die Möglichkeit,die hohen Zinsgelder beschaffen zu können. So mussten die GeschwisterLustenberger nach dem Krisenjahr 1770 ihr Vorderes Finsterwaldgut würdigenlassen, um darauf eine Gült von 200 Gl zu errichten, «wägen verwichnenHageljaren, Schulden zuo zallen und Gültzinssen zuo legen». 23 - Josef Bieriund Melchior Thalmann berichteten 1703 vor den Vierzig, «dass sy von demfliessenden Wasser, so man die Wyssämen nenet, in einem grussamen Platzrägensigen beschediget worden, dass nit allein dass Wasser ihnen fill Landtvertragen, sonder sogar dass Hauss underfrässen und undergrabt» habe. 24Josef Bieri hatte eine kinderreiche Familie zu erhalten, war aber «an zeitlichenMitlen gantz lähr und mangelhafft und hatte gantz nichts anzugryffen». MelchiorBalmer klagte, es «sige auch uff disem Guot etwelche Gülten verschriben,dass hiemit, wan ihnen nit der liebe Got und guote Leüt zuo Hilff komen,von Allem müössen gestossen werden».19 Gerichtsarchiv Entlebuch, Landschreiberprotokoll, Bd. 8, 1701, Nr. 23; Gültsumme:150 Gl.20 A.a.O., 1701, Nr. 74.21 A.a.O., 1702, Nr. 108.22 Vgl. Kap. Das Erntejahr, 3.1 b); Die Sterblichkeit in Krisenzeiten, 3.4 c); Das Jahr 1770/71,3.4 d); Die Folgen des Waldraubbaues, 4.2 d); Der Ackerbau, 4.4; Die Erträge, 4.4 c).23 Landschreiberprotokoll, Bd. 1, Nr. 276.24 A.a.O., Nr. 207; erhalten einen Steuerbrief.189


In den kleineren Betrieben verspürte man Krisenzeiten besonders empfindlich,da hier die Lebensbedingungen viel verletzbarer waren als in den grossenLiegenschaften. Die Krisen zeitigten hier langfristige Auswirkungen.Wilhelm Abel hat die Bedeutung der Erträge und deren Einfluss auf dieEinkommensbedingungen anhand vergleichender Ertragsbilanzen herausgearbeitet.25Nicht nur die kurz befristete Agrarkrise mit ihren Preissteigerungen undEinkommensverlusten, sondern ebenso stark langfristige Ereignisse auf demPreissektor bei mittleren oder sogar guten Ernteerträgen wirkten sich auf diewirtschaftliche Situation der bäuerlichen Betriebe negativ aus. So vermag derBauer aus guten Ernten infolge niedrigerer Getreidepreise und grösseren Angebotenweniger Geld zu lösen als aus mittelmässigen Ernten, die besser auszahlen.- Die Entlebucher Klein- und Mittelbetriebe profitierten demnachlangfristig von Normalernten mehr als von Spitzenernten. Eine einzelne guteErnte vermochte den Kapitalbedarf nicht zu decken. Langfristig mittelmässigeErnteerträge und die gesündere Marktsituation lieferten grössere Erlöse.Die Darstellung der Verschuldung und die hohen Verschuldungsziffern zeigen,dass die Bauern auch langfristig immer auf grosse Bargeldsummen angewiesenwaren, um der Deckung der Zinslasten nachkommen zu können. Diese verändertensich ja von Jahr zu Jahr - unabhängig vom Ernteertrag - nicht. DieZinsherren standen auch in schlechten Jahren mit offenen Händen vor ihrenSchuldnern. Eine Folge misslicher und sogar allzu guter Jahreserträge musstedaher ständig neuen Geldbedarf begründen, welcher nach neuen Gülterrichtungenrief, die die persönliche Existenz und die Sesshaftigkeit auf dem Gutabsichern mussten.Neben diesen äusseren Einflüssen, welche die Verschuldungsziffer der Liegenschaftenin die Höhe treiben konnten, waren an der Entwicklung der Verschuldungdie Bedingungen innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebsführungmassgeblich beteiligt.Nach geltendem Landrecht waren alle Geschwister in der Erbfolge gleichberechtigt.26 - Als Folge des Bevölkerungswachstums und der zunehmendenLebenserwartung im 18. Jahrhundert beanspruchten mehr Leute als früher ihrErbteil; daraus ergab sich eine sehr starke Güterzersplitterung. Verzichtetendie Erbberechtigten auf die Realnutzung, mussten sie durch die Erbauskäufeentschädigt werden. Dies geschah meist in der Form hoher Gültsummen, diedem Nutzniesser der ererbten Liegenschaft schwer zu schaffen machten.«Wie sich das väterliche Grundstück theilt, so theilt sich auch der Gewinnstin mehrere Zweige», schreibt Stalder, «daher hie und da nur kleinere, voneinem grossen Grundstück abgerissene Güter. Derley Familien können oft mitall ihrer Erbschaft, besonders wenn sie leider zu sehr übergültet ist, sich25 Abel W., Agrarkrisen und Agrarkonjunktur 22ff.; zum Problem der Verschuldung 202ff.26 Schnyder, Geschichte I, 130, 160; Bitzi, Landrecht, BHK (1948) 74 ff.190


kümmerlich durchbringen.» 27 Da sei es natürlich, dass die Besitzer grosserGüter, wie man sie etwa im Emmental, wo das günstigere (Minorats-) Erbrechtdie Güterzersplitterung verhindere, beträchtlichere Summen für Bewohner,Arbeiter, Gebäude, Vieh und «Materialien zur neuen Urbarmachung einesöden Stückes Landes» zur Verfügung hätten; der Kleinbauer im Entlebuchkönne dagegen mit seinen armseligen Erträgen oftmals kaum Lebensmittel,Zehnten, Zinsen, Armensteuern und Angestelltenlöhne bestreiten.Die ausserordentliche Härte der Zinsforderungen und der Teilungspraktikensei hier nur an wenigen Beispielen gezeigt. Franz Lustenberger verkaufte seinemBruder Josef den halben Teil «in dem Hoff zu Habschwanden, die Mayellen undLängmaten genampt», für 1470 Gulden; einen Restbetrag von 450 Gl hatteder Käufer in Zinsen von 1703 bis 1711 abzuzahlen. 28 Jakob Koch von Romoosübergab den zwei Söhnen Hans und Klaus seinen Hof Adlisberg für 3900 Gulden;die beiden hatten dafür den andern sechs Erben 825 Gl auszuzahlen. Diesefielen «jährlich zu 100 Gl» plus Zins von 1704 bis 1709 an; die restlichen225 Gl sollten bis 1780 stillstehen und dann bis 1782 abgezahlt werden, «unddas mit luterem barem Galt». 29 - Josef Schnider verkaufte dem Bruder Klausden fünften Teil des Erbgutes «im Albach». Auf dem ganzen Gut lasteten Gültenim Betrag von 1100 Gl, «welches also der Käüffer über sich genommen sambtallen nüw und alten Gültzinsen und marchzelligen Zins». 30 - 1771 überliessJakob Brun in einem Auskauf seinen Brüdern Josef und Anton «ihr 6 Andeilan dem Hoff und Guot Grosshinderwiden». Die Schuld von 1269 Gl war injährlichen Raten von 50 Gl abzuzahlen. Noch im gleichen Jahr verkaufteJosef dem Klaus, Johann und Anton «sein 6 Andeil im Hof Hinderwiden»,nachdem diese Gülten, Zinsen und andere Belastungen übernommen hatten.Daneben blieb ihnen eine Restschuldsumme von 1550 Gl, die mit fortan 50 Gljährlich abzuzahlen war. 31 Das bedeutete eine Zins Verpflichtung über 15 Jahrehinweg. - Die vier Gebrüder Nikiaus, Franz, Hans und Anton Brun von Entlebuchteilten ihr ererbtes Gut durch das Los : Klaus, Hans und Anton erhieltendas Klein- und Grosswidengut, das auf 8000 Gl geschätzt war und eine GültundZinsbelastung von 4208 Gl ertragen musste. Hans und Anton bezogenausserdem die Alp Müllerenmoss, die fast soviel wert war wie verschuldet:auf 5500 Gl geschätzt, mussten 5103 Gl an Gülten verzinst werden. Franz erhieltdie Alp Mebenstetten, die 3500 Gl Wert gehabt haben soll und zu 96 Prozent(3352 Gl) verschuldet war. 32Die AbZahlungsschwierigkeiten, die solchen Verkäufen und Auskäufen folgten,bildeten oft Anlässe zu neuen Belastungen. Es fällt auf, wie wenig bar27 Stalder, Fragmente I, 136 ff.28 Landschreiberprotokoll, Bd. 8, Nr. 134 (1703).29 A.a.O., Nr. 141 (1702).30 A.a.O., Nr. 173 (1699).Landschreiberprotokoll Bd. 1, Nr. 66, 73 (1771).32 A.a.O., Nr. 100 (1771).191


ezahlt wurde. Bei den von 1701 bis 1704 getätigten Verkäufen wurde lediglichein Drittel der Kaufgelder in bar erlegt; 15 Prozent der Summe wurden in neueGülten gekleidet, und mehr als die Hälfte der Geldschuld blieb als langfristigverzinsbare Schuld beim Käufer hängen.Die Erbteilungen und Auskaufspraktiken hatten gegen Ende des Jahrhundertsbeängstigende Folgen gezeitigt; sogar die Einheimischen begannen die Folgender Erbrechtspraxis zu bedenken. - Das Gericht des oberen Amtes bemühtesich 1775 um eine Abänderung des geltenden Erbrechts, da dieses einen «augenscheinlichschon würckhlich sehr starckh sich äusserenten Landtschaden»verursacht habe. 33 Die alten Rechte hätten ihre Berechtigung gehabt, als dieLandbevölkerung noch nicht so gross gewesen sei und Güterteilungen dieUrbarisierung des Landes gefördert hätten. Zum jetzigen Zeitpunkt aber sei«die Menge der Einwohner unseren Bärge und Thäller nur gar zu sehr angewachsen»,und die Güter seien «würckhlich schon durch widerholte Theillungenschmall und klein worden». - Man mache die Erfahrung, dass im Erbfall jederTeil bei Haus und Hof verbleiben wolle. Die Folge seien oft übersetzte «Uskäüffbrieffen», welche dem Schuldner eine rentable Bewirtschaftung des Gutesverunmöglichten und ihn sogar auf die Gant trieben. - Bei Teilungen seien nebenden alten Gültbelastungen neue Gülterrichtungen die Regel geworden. Diedadurch verursachte Verarmung und die Zunahme der Bettler falle dem Landschwer zur Last. Die fortschreitenden Teilungen und die komplizierten Geldgeschäftemit Bodenzinsen, Gülten, Zahlungen und anderen Beschwerdenseien von den Beamten kaum mehr zu überblicken, da man bei den häufigenTeilungen «nit mehr wüse, woruff eigentlich die Underpfand in neüwen undalten Gülten gägeneinanderen verzeichnet sind». 34Das Beharren der Erbberechtigten auf ihren Realanteilen wurde durch dielandrechtlichen Bedingungen verstärkt. Anrechte auf Landeszugehörigkeit,Armenunterstützung, Hochwaldnutzung usw. waren unmittelbar mit derForderung nach einer eigenen Haushaltung verbunden; nicht nur die hohe Verschuldung,auch der Verlust der Niederlassungsmöglichkeit bedeutete eineständige Bedrohung der eigenen Existenz. - Diese Verhältnisse bewirkten imLaufe der Zeit schwerwiegende soziale Umstrukturierungen. Die hochverschuldetenBewohner, welche ihre Sesshaftigkeit unter allen Umständen behaltenund nicht dem Heer der herumgejagten Bettlerscharen zugehörenwollten, waren gezwungen, sich um der nötigen Geldbeschaffung und Zinspflichtenwillen sukzessive des eigenen Bodens zu entledigen. In einem Armenverzeichnisvon 1718 war der Anteil dieser Schicht, die kaum mehr über etwas33 ZB LU, Ms 92fol.34 Die Abänderungsvorschläge des Gerichts: Verzicht auf weitere Teilungen, Entschädigungder weiblichen Erben durch Zahlungen statt durch Teilungen; Teilung des Erbgutes unter diemännlichen Erben nur im Falle des Vorhandenseins mehrerer Güter usw. - Ein ähnlicherVorschlag der 40er wurde 1788 vom Rat abgelehnt.192


anderes als ihre Wohnung verfügt haben dürfte, schon recht beträchtlich 35 :«Des Hans Portmann sei 2 Kinder und denen Kindern Muter, Barbara Thalmann,haben vergültet Hus und Heim; Claus Ulmi sambt Weib, 2 Kindernund der Muoter haben ein Behusung, aber alles vergültet; Joseph Portmann,im Dorf, sambt Weib und 4 Kindern, hat ein vergültetes Heimweseli; MariaDuss, diese hat ein Heimetli, ist aber alles vergültet.»Unter diesen Bedingungen erhält die Hypothekarbelastung einen ausgeprägtdefensiven Charakter. Die Kreditaufnahmen hatten besonders bei den Bauernder hochverschuldeten Mittel- und Kleinbetriebe die alleinige Sicherung derNiederlassung zum Ziel, anstatt für Innovationen und landwirtschaftlicheStrukturverbesserungen Verwendung zu finden. Die regelmässigen Gültverschreibungenförderten die innere und äussere Verarmung der bäuerlichenBetriebe. - Die jährlichen hohen Zinsforderungen hatten daher auf die Wirtschaftsführungeinen erheblichen negativen Einfluss. Noch schwerwiegenderwaren die psychologischen Folgen der Verschuldung, die bei der Beurteilung derwirtschaftlichen Situation des Landes kaum unterschätzt werden können.Von den Zinsleistungen profitierten ja nur die städtische Oberschicht und diereichen Einheimischen, die zugleich meist in den wichtigsten politischenÄmtern sassen und an den Entscheidungsprozessen massgeblich beteiligtwaren; die Zinsschulden schufen bei den Schuldnern ein Abhängigkeitsgefühl,welches unternehmerische Intentionen und die Möglichkeit, der wachsendenVerarmung zu entgehen, hemmte. «Armuth macht schüchtern, undschröket den Armen ab, etwas zu wagen», bemerkte Schnyder zu einemBrief von Pfarrer Häfliger von Neudorf 36 ; «er gibt Heber die Hoffnung auf, reichzu werden als dass er - nach seinen Begriffen - sich der Gefahre ausseze, nochärmer zu werden.» - Die in jährlichen Abgaben geprägte Mentalität der Zinsschuldnerfestigte den durch die intensive Selbstversorgung ohnehin eingeschränktenEntscheidungshorizont; aus Angst vor der Ungewissen Zukunft wagteman kaum langfristige Reformversuche.Die Verschuldung der bäuerlichen Betriebe hatte demnach an der wirtschaftlichenEntwicklung des Entlebuchs einen massgeblichen Anteil und beschleunigtedie von Myrdal als «frustrating effects of poverty» 37 bezeichnete Rückständigkeit.- Bezeichnenderweise kam die Möglichkeit der wirtschaftlichenErholung aus dem benachbarten Emmental. Durch die Beziehungen mit denbernischen Käseimporteuren wurde das Heimgewerbe im Entlebuch in der85 StA LU Seh 489. «Verzeichnis derjenigen Personen, welche arm sind und Kinder habenund solche nit erhalten und erziechen mögen und deren etliche dem Allmuosen nachgehen.»36 ZB LU, Ms 31/4°, Pfarrherrn Joseph Xaver Schniders von Wartensee kleine LandwirtschaftlicheSchriften, Erster Jahrgang, 1784, Sechstes Stück: Schreiben an den Verfasser mitbeygefügten Noten, von ihm; der Brief Häfligers in Ms 33/4°.37 Myrdal G., Economie Theory and Under-Developed Regions 30; vgl. Kap. Die Rentabilitätder Alpwirtschaft, 4.7 d).193


zweiten Jahrhunderthälfte heimisch. 38 Besonders in den verschuldeten Betriebenund bei den Hausarmen ohne ausreichenden Bodenbesitz fand dieserErwerbszweig schnelle Aufnahme.d) ZusammenfassungDie serielle Auswertung der Landschreiberprotokolle ergab für das 18. Jahrhunderteine hohe Verschuldung der Entlebucher Liegenschaften. Diese hatteihre Ursache bereits in der Vor- und Nachkriegszeit des Bauernkrieges,als vornehmlich das städtische Patriziat den geldbedürftigen Bauern zu Hilfegekommen war. - Während des 18. Jahrhunderts traten an ihre Stelle neureicheEinheimische oder in der näheren Umgebung des Amtes wohnhafte Bauern.Sie liehen den durch äussere Umstände (Hagel, Überschwemmungen, Feuersbrünsteusw.) geschädigten Landwirten Geld aus. - Die Bevölkerungszunahmetrug zur weiteren Verschuldung ebenfalls bei. Die Beschaffung neuen WohnundLebensraumes beanspruchte Gelder, die aus den durch Erbauskäufe neubelasteten und durch Erbteilungen zersplitterten Gütern kaum mehr herausgewirtschaftetwerden konnten. - Neben diesen Anlässen Hess das System derGülteinrichtung selber die Verschuldung zunehmen : die harten Zinsansprücheerforderten jährliche Leistungen, die infolge der Variabilität der Ernteerträgeund der wechselhaften Einkommen die Schuldendeckung oft verunmöglichten.Die Schulden erdrückten vor allem die Nutzniesser kleinerer Betriebe.Von schwerwiegender Bedeutung auf die wirtschaftliche Entwicklung desLandes war die psychologische Wirkung der Verschuldung. Da der Hauptanteilder Gültherren aus der vermögenderen städtischen und ländlichen Oberschichtstammte, prägte sich das Gefühl der Abhängigkeit von der Nachsichtoder Strenge der Zinsherren besonders bei den ärmeren Bevölkerungsschichtentief ein. Entscheidungswille und Mut zur Verbesserung der eigenen Lagewurden dadurch stark gehemmt. Dem kapitalarmen, wirtschaftlich unterentwickeltenGebiet bedeutete aber dann das aus dem Emmental eingeführteHeimgewerbe eine wirkungsvolle Hilfe. Neben landwirtschaftlicher Betätigungermöglichte die Spinn- und Webarbeit die wirtschaftliche und persönliche Existenzsicherungder ärmeren Bevölkerungsschichten.4.7 Die AlpwirtschaftDas herkömmliche wirtschaftliche Hauptinteresse und die wichtigste Lebenserfahrungsetzte der Entlebucher für die Alpwirtschaft ein, die den natürlichenlandschaftlichen Bedingungen entsprach. Die übrigen Betätigungen hatten38 Vgl. Kap. Heimindustrie, 5.2 a).194


lediglich komplementären Charakter und dienten fast ausschliesslich der Vorbereitungund Verarbeitung der alpwirtschaftlich erworbenen Güter. -Im Laufe der Zeit wurden die Alpen nach eigentümlicher Nutzung und Betriebsführungbewirtschaftet. Schnyder beschreibt sie für seine Zeit folgendermassen: «Auf den rechten Alpen aber stehen sogenannte Hütten, in denen dieSennen wohnen, bald eine, bald mehrere je nachdem die Weyde grössern odergeringern Umfangs, und darnach ihre Lage ist. Nämlichen diese Alpen liegenauf und in den Bergen.» 1 Nach Schnyders Definition wird das Alpwesen durchdie damit verbundene Wanderung, eigenes Personal, festen Wohnort, die ausgeprägteWeidenutzung und Höhenlage charakterisiert. - Frödin zeichnet dieAlpwirtschaft vor allem von organisatorischen Gesichtspunkten her, die aberin Schnyders Bemerkung durchaus enthalten sind. Danach sei entscheidend,dass Alp- und Talgut nicht vom gleichen Personal bewirtschaftet würden undWeidenutzung vorwiegend, aber nicht ausschliesslich vorherrsche. Als Alpbezeichnet er «die Sommerweide, die mit der Dauersiedlung vereint ist, abergetrennt von dieser bewirtschaftet wird». 2 - Mit der Zunahme der Viehaufzuchtwar die weitere Vergrösserung und Ausrodung des Alpareals verbunden.Möglicherweise erhielt die Alpwirtschaft seit dieser Zeit ihren Stellenwertinnerhalb der entlebucherischen Wirtschaft. - Hauptgebiete neuer Siedlungenwurden im 18. Jahrhundert nicht mehr hohe und schon meist ausgeschöpftetiefere Lagen, sondern Zwischenzonen, wo Sommerung und Winterung zusammenfielen.Diese Rationalisierung und dem Begriff des reinen Alpwesenswidersprechende Betriebsführung war durch den Bevölkerungsdruck unddie schwindenden Landreserven bedingt.Wie die Talgüter waren auch die Alpen vornehmlich in Privatbesitz. Schonin der Hochwaldteilung von 1433 verzeichnete man eine grosse Anzahl Alpbetriebe,und im Landrecht waren bereits alpwirtschaftliche Vorschriften vermerkt,die die persönlichen Unternehmen schützten. 3Dieser hohe Grad an Eigenbesitz unterscheidet das Entlebuch von Regionen,in denen an Stelle der privaten die Korporations- und Allmendnutzung vorherrschten.Hier hatte diese alpwirtschaftliche Betriebsführung wieder ihreneigens geprägten Charakter. 4a) Die Organisation des AlpbetriebesDie individuelle Bewirtschaftung der Alpen erschwert eine Beschreibung deralpwirtschaftlichen Nutzungspraktiken sehr, da uns hier der ganze Katalog derOrganisationsformen, wie er in Gebieten mit fast ausschliesslichem Korpora-1Schnyder, Geschichte II, 97.2 Frödin XVII, XXI; vgl. auch Hösli 209f.; Stalders Definition: Eine Alp ist eine «Bergweidefür Melkvieh, wo man Käse kochet». Versuch eines Schweizerischen Idiotikon ... 96.3 Vgl. Kap. Hochwaldwesen, 4.3; Bitzi, Landrecht (1948) 82ff.4 Vgl. dazu Bielmann 94 ff.195


tionswesen notwendig war, fehlt. - Die unternehmerischen Fähigkeiten undMöglichkeiten des einzelnen spielten im Entlebuch die entscheidende Rolle;quellenmässig ist man aber auf dem Gebiet der Landwirtschaft fast ausschliesslichauf die Pfarrer Schnyder und Stalder angewiesen. Auf diesem Sektor gebensich nun beide nicht ungern als Kinder ihrer Zeit zu erkennen und beschreibendas Alpleben in jener schwärmerischen Sprache, die uns aus so zahlreichenzeitgenössischen Reiseberichten entgegenströmt.«In der Mitte des Wonnemonates», so Stalder, «ziehet der Älpler mit seinemlieben Vieh, 30-40 bisweilen 50 Kühen an der Zahl, die durch den frohenaufweckenden Glockenklang aus allen Hütten sich Zuschauer rufen, auf dieAlpberge und mit ihm einige Knechte im lauten Hohoen, vermischt nicht seltenmit dem hochtönenden Kühreigen, der dem Schweizer in der Fremde so oftdas tödliche Heimwehe verursachte [...] Da fühlt der Entlebucher den Vorgeschmackeiner überirdischen Seligkeit [...] Alle ausserwesentliche, oft somühesam erkünstelte Bedürfnisse schweigen in ihm; denn seiner Bedürfnissegrösstes ist befriedigt: Sehnsucht nach seinem Vieh, und Hoffnung nach ergiebigerAusbeute.» 5Die Tage auf der Alp - die Alpzeit dauerte zwischen 18 und 20 Wochen - warenhauptsächlich mit der Verarbeitung der Milcherträge ausgefüllt. Das Viehwurde täglich zweimal gemolken; beide Erträge wurden zusammen zu einemeinzigen Tageskäse verarbeitet. 6 - Die Aufteilung der Arbeiten war geregelt.Den Männern fiel die Aufsicht über das Vieh und die mit der Verarbeitung derMilchprodukte notwendigen Umtriebe zu. Die Frau besorgte den Haushalt;ausserdem betreute sie die Schweine, die auf den Käsalpen zahlreich gehaltenwurden.Die unterschiedlichen Lagen und Vegetationsstufen machten in den höhergelegenenAlpen eine wechselnde Nutzung notwendig. Man begann mit demViehauftrieb in der untersten Staffel und stieg im Hochsommer in die höhere,wo man nach Schnyder kaum mehr als 5-6 Wochen verbleiben konnte und gingdann wieder zur ersten Staffel zurück.b) Die ViehhaltungDer grösste Teil des entlebucherischen Viehbestandes gehörte zur Braunviehrasse,deren Zucht aus dem Kanton Schwyz übernommen worden war. 7 DieTiere waren ihrer vorzüglichen Milchleistung wegen sehr geschätzt. Im oberenAmt wurde dazu auch bernisches Fleckvieh gehalten.5 Stalder, Fragmente I, 202 f. Damit schildert er die Situation eines reicheren EntlebucherBauern.6 Vgl. Kap. Erträge, 4.7 c); Bühler gibt als Mittel für die Weidezeit 120 Tage an; diese liegedamit bedeutend über dem schweizerischen Mittel, 123f.; klimatische Veränderungen seitdem 18. Jahrhundert dürfen aber nicht vernachlässigt werden!7 Merz, Alpwirtschaft 94; Marty 10.196


Einige Viehzählungen geben Einblick in die Entwicklung der alpwirtschaftlichenViehhaltung. Danach kann sogar nach Sommer- und Winterhaltungunterschieden werden. Aus der Aufstellung nach Besatzungsgrössen, die wiraus drei Jahrhunderten kennen, vermag auch der Umwandlungsprozess, dersich innerhalb der entlebucherischen Wirtschaft vollzog, verdeutlicht werden.Das Verzeichnis des entlebucherischen Alpviehbestandes von 1692 führte zwarnur Kühe auf; es wurde aber auch Jungvieh aufgefahren (vgl. Tab. 69). So gabes Gebiete, die fast ausschliesslich mit Schafen bestossen wurden. Areggerschätzt die Schafherde auf über 10000 Stück. 8 Obgleich der Milchkühebestandzwischen 1692 und 1796 zahlenmässig stagnierte, wird man daraus kaum aufeinen Stillstand der alpwirtschaftlichen Produktion schliessen dürfen. Die Intensivierungder Erträge dürfte sich aber eher im Bereich der sog. Heimweidenabgespielt haben. 9 Hier wurden vor allem die Mittel für die Überwinterung vonMensch und Tier herausgewirtschaftet, nicht zuletzt von der ärmeren Bevölkerungsschicht,der die auffallend grosse Zahl Kleinvieh gehörte.Tabelle 70 Viehbestand auf den Heimweiden (1796) 10Schafe/Kühe Gusti Pferde ZiegenEntlebuch 326 130 _ 160Hasle 140 10 - 70Romoos 176 185 27 590Doppleschwand 88 14 6 45Schüpfheim 390 30 25 230Flühli 60 16 8 70Escholzmatt 559 190 33 425Marbach 407 256 69 701Total 2146 831 168 2291Die Gegenüberstellung der Viehbestände auf den Alpen, Heimweiden und inden Hochwäldern erlaubt, die Areale nach ihren Nutzungsmöglichkeiten zuwerten 11 :Tabelle 71 Viehbestand auf den Alpen, Heimweiden und in den HochwäldernAlpenHeimweidenHochwälderKühe Gusti Pferde44762146109616831774231168473Schafe/Ziegen88352291Total 6731 2221 872 111268 Aregger J., Ein Beitrag zur Geschichte des Alpwesens 37.9 «Man nennet dieselben desswegen so, weil sie entweder nahe an die Wiese des Eigenthümersgränzen, oder weil sie durch ihre Nutzbarkeit selbst die unmittelbarsten Bedürfnisseder Hausfamilie stillen.» Stalder, Fragmente I, 241.10 Stalder, Fragmente I, 240.11 Stalder, Fragmente I, 248, 264 (Korrekturen).197


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Die Alpen wurden am Ende des 18. Jahrhunderts noch vornehmlich mit Kühenbestossen; der Auftrieb von Rindern war eher selten. Diese wurden vor allemin den Hochwäldern, die nur geringe Ertragsqualitäten aufwiesen, auf Futtersuchegeschickt. Die grosse Anzahl Pferde weist ebenfalls auf diese Möglichkeithin. Die Hochwälder waren demnach der Ort, wohin der Bauer sein anspruchsloseresVieh auftrieb. Die Alpen wurden mit zum Teil grossen Herdenvor allem durch eine intensive Milchwirtschaft genutzt 12 :Tabelle 72 Entlebucher Herdengrössen in den Jahren 1692, 1796, 18831692Anzahl Kühe -4 5-9 10-14 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40- TotalAnzahl Alpen 0 26 49 53 53 34 15 5 2 2371796Anzahl Alpen 18 21 43 20 36 26 26 10 17 2171883Anzahl Alpen 36 24 17 5 6 13 10 10 9 130Tabelle 73 Anzahl Kühe pro Anzahl Alpen (in Prozent)Anzahl Kühe -9 10-19 20-29 30-Jahr 1692 11 43 36 101796 18 29 28 251883 45 17 15 23Anhand der Prozentzahlen werden die langsamen Verschiebungen sichtbar:Um 1690 war fast die Hälfte aller Alpen mit einer Herde, die zwischen 10 und19 Tieren zählte, bestossen worden. - Im 18. Jahrhundert splitterten dieBestände auf und waren prozentual auf die Alpen fast gleich verteilt. Am Gesamttotaldes Viehbestandes nahmen hingegen die grösseren Herden bedeutendzu.Die Umstellung von Milchwirtschaft auf Viehzucht hatte eine starke Abnahmeder Kuhbestände auf den Alpen zur Folge. Die Kühe hatten nur mehr die Aufgabeder Milch Versorgung für die Älplerschaft und die Aufzucht der Jungtiere.Um 1880 zählte deshalb beinahe die Hälfte der Kuhbestände auf den Alpennicht mehr als 9 Tiere. 13Das Hauptproblem der Viehhaltung im 18. Jahrhundert war die Überwinterung.Der viel zu knappe Futtervorrat zwang die Entlebucher dauernd, entwederVieh für die Sommerung von auswärts anzunehmen und dieses im Herbstwieder abzustossen oder Futter einzukaufen, welches aber je nach Erntelage12 Zahlen nach Aregger, Stalder, Merz.13 Die vorliegende Arbeit könnte damit zu einem Ausgangspunkt für eine intensive Untersuchungder wirtschaftlichen Veränderungen in der Zeit von etwa 1780 bis 1850 werden. Eswäre ein Beitrag zu einem der interessantesten Kapitel der neueren Entlebucher Geschichte.199


sehr preisanfällig war. - Das auswärtige Vieh, welches im 18. Jahrhundert besondersvon Freiburg, dem Bernbiet und dem luzernischen Mittelland auf dieAlpen verdungen wurde, machte (nach Schnyder) einen recht auffälligen Anteilam Gesamtbestand aus.Für das Überwinterungsvieh gibt Stalder Zahlen, die er für zuverlässig hält 14 :Tabelle 74 Überwintertes Vieh in den Jahren 1788 und 1796Jahr Rinder Kühe Stiere TotalMai 1788 2063 4325 108 6496Mai 1796 2387 4576 148 7111An der Zahl des gesömmerten Hornviehs (8952 Stück) gemessen, ergibt sich imVergleich zum überwinterten ein Defizit von fast 2000 Stück. Stalder berechnetedazu den Futterertrag in «mittelmässig fruchtbaren Jahren» und wies nach, dassdas Angebot für die Durchwinterung von mehr Vieh unmöglich genügenkonnte.Obrigkeitliche Mandate und Beschwerden lassen den Verdacht zu, den Bauernsei die Überwinterung von allzu viel Vieh auch gar nicht genehm gewesen. Zeitweiligwurde entgegen hohen Bussenandrohungen selbst in Krisenjahren Futterin die Nachbarschaft (vor allem ins Bernbiet) verkauft. 15 - Die Abstossung desViehs auf die Märkte versprach Geld. Die Bauern benötigten am Jahresendegewisse Bargeldbeträge dringend, um den Schuld- und Gültzinsverpflichtungennachkommen zu können. 16 Vieh wurde lediglich für die Sicherung des eigenenNahrungsmittel-Haushalts überwintert.Neben dem Hornvieh wurden im Entlebuch zahlreiche Schweine, Ziegen,Schafe und Pferde gehalten. Sie versprachen bedeutende Nebenerwerbe.Der Anteil der Ziegen lässt sich leider nicht genau festlegen, obwohl das Tierfür viele Leute von grosser Bedeutung und hie und da auch der einzige MilchundFleischlieferant war. «Die Ziegen sind im Entlebuch, wie noch an vielenandern Orten, gleichsam die Kühe der Armen und schaffen solchen, weil sieleicht aufzufüttern, und dennoch eine zuweilen wohl zwey Masse Milch desTages geben kann, einen für sie grossen Vortheil», schreibt Schnyder. 17 - DieZiegenhaltung war im Landrecht geordnet. 18 Danach wurde empfohlen, denAuftrieb des Tieres nur auf dem eigenen Boden oder im Hochwald zuzulassen.Die Herden sollten von Hirten beaufsichtigt werden. Nach Schnyder kannteman im 18. Jahrhundert aber nur in Escholzmatt einen organisierten Geissen-14 Stalder, Fragmente I, 251 ff.15 Vgl. StA LU MB passim, Bussenlisten; StA LU Seh 489.16 Vgl. Kap. Verschuldung der bäuerlichen Liegenschaften, 4.6; Art. 191 des Landrechts erlaubtdie Deckung der Zinsschulden mit Heu.17 Schnyder, Geschichte II, 121; 2 Mass = ca. 3,5 1.18 Landrecht Art. 163.200


trieb. 19 An den übrigen Orten wurde der Auftrieb wohl den einzelnen überlassen.Dies führte denn auch bekanntlich regelmässig zu Klagen der Bannwarte,die sich über die Beschädigung des Waldes durch die ungeordnete Ziegenauffuhrbeschwerten. 20 Durch die Beschränkung der Weiderechte nach 1800wurde auch die Ziegenhaltung betroffen und war von da an rückläufig. 21Ein grosser Bestand von Milchkühen, die für die Alpkäserei die Milch lieferten,ermöglichte zugleich auch eine angemessene Schweinehaltung. 22 Der Abfallaus der Käseproduktion, die Schotte, machte die Schweinezucht billig undrentabel. 23 Stalder berechnete den Gewinn aus dem Schweinehandel einer Alp,die mit 30 Kühen befahren wurde, auf 150 Gl jährlich. Ein gedungenes Schweintrage in 20 Wochen ausserdem 8 Gl Alpzins ein.Die grosse Zahl der Schafe in den Viehzählungen erklärt sich durch die natürlichenGegebenheiten und die Anspruchslosigkeit der Tiere. Diese holen ihreNahrung in Gebieten, die dem Hornvieh unzugänglich sind, und da sie denganzen Sommer ohne Aufsicht herumlaufen können, kam der Älpler am Endedes Sommers ohne grosse Mühen zu Erträgen. «Man wintert wenig Schafe;der Älpler treibt bey angehendem Herbste die gemietheten Schaafe dem Eigentümerzu, und verkauft die seinen an verschiedene Fleischer in der Schweiz.» 24Einzelne Schafherden bevölkerten grosse Gebiete. Am Gipfel des Schimbergsommerte 1796 eine Herde von 400 Schafen 25 ; im Gebiet der Enzihütte,Schlund, Schratten weideten 544 Tiere, im Grön (Flühli) 300, in der Nesselwängund am Schaf berg 300. - Das Schaf war das Tier des reichen und handelsgewandtenBauern. Eine grosse Herde war die beste Absicherung gegen Verluste.Von den insgesamt 96 Schafherden zählten wohl mehr als die Hälfte wenigerals 50 Tiere, aber die Herden, zu denen mehr als 100 Tiere gehörten, machtenallein drei Viertel des ganzen Schafbestandes aus. - Die Tiere wurden nachSchnyder fast jedes Frühjahr «in ungemeiner Anzahl» von auswärts eingekauft.26 - Ihre Wolle war ein wichtiger Rohstoff. Die Tiere durften das Landbesonders in Zeiten gestörter Rohstoffzufuhr nicht ungeschoren verlassen,«damit die Kotonfabriken nicht in Abgang gerathen». 27Eine besondere Bedeutung innerhalb der Wirtschaft hatte die entlebucherischePferdezucht. Die Tiere waren wegen ihrer guten Eigenschaften gesucht, undCysat schrieb, die Pferde seien hier «ausbündig gutt, deswegen sie gern gekaufft19 Schnyder, Geschichte II, 122; Kaufmann J., Das ehemalige Weidrecht der Dorfgeissen imalten Escholzmatt; Studer O., Aus dem Landesarchiv des Landes Entlebuch, Urkundenbücher,Nr. 61, 102.20 Vgl. Kap. Die Waldwirtschaft im 18. Jahrhundert, 4.2 c).21 Bühler 77; Strüby, Alpwirtschaft 62 f.22 Stalder, Fragmente I, 258, 259; Strüby, Alpwirtschaft 61.23 Stalder, Fragmente I, 259.24 Stalder, Fragmente I, 260; Schnyder, Geschichte II, 20, 32; id., Berge I, 6,18; III, 12, 21.25 Stalder, Fragmente I, 216, 220; Tabelle: 213ff.26 Schnyder, Geschichte II, 118.27 Schnyder, Geschichte II, 119; Bühler 77; StA LU MB 5. April 1771 (Nr. 59), 15. Juni1773 (108, 109, 110), 12. August 1796 (172).201


würt». 28 - Marty stellt die Pferdezucht des Entlebuch neben die berühmtenEinsiedler-Pferde. Der Dreissigjährige Krieg war die Blütezeit des Pferdehandelsgewesen. Die wachsende ausländische Konkurrenz, die Ansprüche an die Zuchtund die geringe Einträglichkeit neben der Viehzucht führten zu nur noch geringenAusfuhrquoten während des 18. Jahrhunderts. 29 Die Obrigkeit, die durchden Rückgang der inländischen Pferdezucht eine Schwächung der militärischenKavallerie befürchtete, versuchte wiederholt, durch Mandaterlasse die Zuchtzu intensivieren. 30 Aus den Viehzählungen erhalten wir Auskunft über die Qualitäteinzelner Gebiete. So gab es ausgeprägte Rossalpen, die vermutlich unterNässe und schlechtem Boden litten. Dazu gehören die beiden Rotbachalpen:Neben 28 Kühen und 25 Rindern weideten hier 22 Pferde. Auf Wasserfallensömmerten 24 Rinder, 200 Schafe und 13 Pferde. Auf der Kleinen Finishüttenalpin den Kratzernbergen wurden im Sommer 1796 200 Schafe, 4 Gusti und2 Pferde gehalten; im Thürnli und auf der Stechelegg sömmerten 4 Kühe,5 Gusti und 10 Pferde. Man wird sich den entlebucherischen Alpaufzug deshalbnicht allzu eintönig vorstellen dürfen. Neben zahlreichem Hornvieh tauchtenSchafe, Pferde, Schweine und Ziegen im Herdenbild immer wieder auf.c) ErträgeZieger, Butter und Käse sind alte entlebucherische Landesprodukte. 31 Die Alpwirtschaftwar hauptsächlich für die Produktion von Käse und Zieger eingerichtet.Die intensiv betriebene Milchwirtschaft hatte - wie aus den Verhältniszahlender aufgeführten Viehzählungen hervorgeht - im 18. Jahrhundert nochden absoluten Primat.Die Ertragsaussichten wurden durch landläufig gewohnheitsrechtliche Bestimmungenabgesichert: Die Entschädigung der Alpzinsen für gedingtes Viehwurde nach der Milchleistung der Kühe festgelegt. 32 Von einer Kuh erwarteteman einen Ertrag von 4 Mäss pro Tag (8,5 1). Lag die Leistung unter dieserForderung, musste der Eigentümer 8 Tage vor oder nach dem St.-Johannes-Tag(24. Juni) benachrichtigt werden. Gab ein Tier beim Probemelken weniger als41 pro Tag, hatte der Besitzer des Tieres dem Älpler einen Weidzins zu zahlen. -Eine gute Milchleistung sicherte eine regelmässige Produktion, denn nach denAussagen von Schnyder und Stalder wurde der tägliche Milchertrag fast ausschliesslichfür die Herstellung der Alpkäse verwendet. 3328 Cysat, Beschreibung des Entlebuch 4; Schnyder, Geschichte II, 104.29 Marty 62, 63, 64; Strüby 28, 57ff.; Häusler I, 67.30 StA LU MB 1761 (142), 1762 (153), 1778 (170), 1780 (185), 1788 (21), 1796 (161); Exportverbote1794 (103), 1796 (161), 1798 (206); RP 9. Mai 1727, 179v.31 Gutzwiller; Merz, Alpwirtschaft 29ff, 117ff.; Glauser Iff.32 Stalder, Fragmente I, 233f.; Schnyder, Geschichte II, 115.33 Schnyder, Geschichte II, 117, 125; Stalder, Fragmente I, 231, 234, 238.202


100 Pfund Milch ergaben je nach der Milchqualität eine Ausbeute von zwischen7,5 und 8,5 Pfund «ausgetrockneten und gesalzenen» Käse. Das bedeutetnach Gutzwillers Angaben eine hervorragende Verwertungsqualität. 34 -Es wurden Käse in verschiedener Gewichtung produziert. Die kleinsten wogenzwischen 20 und 30 Pfund; als mittlere Grossen wurden die 30- bis 60pfündigenbetrachtet. Was darüber lag, wurde als schwerer Käse taxiert.Unabhängig von der Herdengrösse wurde der tägliche Milchertrag normalerweisezu einem einzigen Käse verarbeitet. Wie aus der Zusammenstellung derHerdengrössen hervorging, war mehr als die Hälfte der Alpkuhbestände nichtgrosser als zwischen 10 und 30 Tieren. Bei einer Milchleistung von angenommen9 1/Tag Hessen sich demnach nur kleinere Käse herstellen, die vielleichtzwischen 10 und 20 kg wogen. Die Produktion schwerer Käse war dem reichenAlpeigentümer vorbehalten. - Im 18. Jahrhundert wurden auf Entlebucher Alpenmit grosser Ausschliesslichkeit fette Hartkäse hergestellt. 35 Schnyder undStalder beschreiben die Herstellung ausführlich. 36 Stalder rechnete mit einemSommerertrag von 2 Zentnern Käse pro Kuh; daneben wurden noch ungefähr40 Pfund Zieger zusätzlich produziert. Die Käseproduktion eines Sommersdurfte aufgrund der vorhandenen Viehzählungen demnach ungefähr folgendeGrössenordnung eingenommen haben 37 :Tabelle 75 Entwicklung der entlebucherischen Käseproduktion 1692-1796Jahr Anzahl Kühe Käseproduktion (in q)1692 4485 8970178438 4009 8018177639 4547 90941788 4325 86501796 4476 8952Trotz stagnierenden Produktionsziffern hatten sich - aufgrund der Durchschnittsbewertungder Preise pro Zentner Käse 40 - die Einnahmen aus demKäseexport vom Ende des 17. Jahrhunderts bis um 1800 mehr als verdreifacht.Am Ende des 18. Jahrhunderts dürfte das wichtige Exportgut jährlich über200000 Gl ins Land gebracht haben.34 Gutzwiller 245.35 Durch Greyerzer und Sennen aus Saanen im 16. Jahrhundert verbreitet; dazu Gutzwiller21 f., Häusler II, 81 f., Glauser 3 f.86 Stalder, Fragmente I, 231, 234ff.; bei Schnyder, Geschichte II, 125 ff.37 Glauser 5f.38 StA LU Seh 921, «Es befinde sich aber zu dieser Zeit (3. 2. 1784) noch Vieh zum Futternausserhalb des Landes, man wisse aber nicht wie viel.»39 ZB LU, Ms 92 fol.40 Vgl. Kap. Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert, 5.3; Exportgüter, 5.1 a).203


Neben der Bedeutung als Konsum- und Exportgut hatte der Käse aber nochandere Auswirkungen auf die entlebucherischen Wirtschaftsverhältnisse. Nachdem Preis der Käse wurde der Alpzins für die im nächsten Jahr gedungenen Alpkühebestimmt. 41 Diese Berechnungsart war nicht ohne Risiken, da der Käsepreisim folgenden Jahr wieder starken Schwankungen unterworfen sein konnteund ein kleiner Geldertrag die Auszahlungen der Alpzinsen erschwerte. Soschrieb der Pfarrer von Entlebuch nach dem Krisenjahr 1771 ins Zehntenbuch,dass die Hoffnung der Älpler auf gute Erträge fehlgeschlagen habe: «Siebezahlten für Sommerzins 20 bis 24 Gl von einer Alpkuhe, weil sie wiederumverhoften, 20 Gl auss dem Centner Kees zu lösen. Sie kunten aber um Weihnachtennoch nit 14 Gl um den Centner erlösen.» 42Neben der Käseproduktion hatte die Herstellung von Butter eine gewisseBedeutung. Diese wurde aber vor allem im Winter auf den Heimgütern für denHausgebrauch produziert. 8 Mäss Milch ergaben 1 Mäss Rahm und dieses1 Pfund Butter. 43 Die Butterproduktion war weniger auf den Markt ausgerichtet,obwohl die Obrigkeit sich zur Versorgung der Bevölkerung intensiv für denButterabsatz in der Stadt einsetzte. 44 Die besonders in Notzeiten gestörteAnkenzufuhr musste regelmässig durch scharfe Mandate und Zitationen vonGeschworenen in die Stadt reglementiert werden. Als Ende der 60er Jahre derMangel akut war, forderte man eindringlich, die Butter nur in die Stadt zu liefern.Im Frühling und Herbst sollten aus dem Entlebuch überdies pro Kuh5 Pfund Butter in die Stadt geführt werden; lediglich für den Sommer gewährteman freien Butterverkauf und ungestörte Käseproduktion. 45 - Bei einem Heimviehbestandvon 4000 Tieren erwartete man also die Ablieferung von mindestens200 q Butter. Aus einem Verzeichnis des Butterumsatzes im Jahr 1769ist ersichtlich, dass aus dem Entlebuch aber lediglich etwas mehr als die Hälfte(105 q) einging. Wenn auch anzunehmen ist, ziemlich viel Butter sei auf anderenWegen zum Abnehmer gelangt, schlugen sich auch andere Umstände negativauf die Butterproduktion nieder. Die Aufzucht von Jungvieh verschlanggrosse Milchmengen. Die Herstellung von Fettkäsen minderte die Butterproduktionebenfalls beträchtlich. 46 Aber noch wesentlicher scheinen uns diesozialen Verhältnisse eingewirkt zu haben. Dem Durchschnittsbauer, derbekanntlich kaum mehr als drei Kühe im Stall hatte, war es aus Gründen einergesicherten Selbstversorgung nicht möglich, Marktprodukte herzustellen.Dem Grossbauer war die Butterproduktion, die ja von der Obrigkeit ständigenVerordnungen und hemmenden Restriktionen unterlag, nicht attraktiv. DerKäsehandel bot hier grössere Möglichkeiten und Einkünfte.Ähnliche Bedingungen hemmten den Viehmarkt, wo die allgemeine Preis-41 Stalder, Fragmente I, 233; Schnyder, Geschichte II, 149.42 Zehntenbuch Entlebuch, 1772.43 Schnyder, Geschichte II, 117. Aus 100 kg Milch demnach 3 kg Butter.44 Glauserllff.45 StA LU Protocoll der Victualien-Kammer, cod. 5650, 6.46 Gutzwiller 44; id., Luzernische Milchwirtschaft 155, 157; Merz, Alpwirtschaft 124f.204


entwicklung mit derjenigen auf dem Käsemarkt verglichen werden kann. 47 Diestarken Preisschwankungen machten eine auf den Markt ausgerichtete Viehhaltungnicht attraktiv. Ausserdem war gerade die einheimische Viehwirtschaftdurch die ungünstigen natürlichen Bedingungen krisenanfällig; Futtermangelin Krisenjahren senkte die Marktpreise, und in Zeiten des Überangebots anSchlachtvieh standen die Preise tief. Gerade in der geldbedürftigen Zeit - vonEnde September bis Weihnachten - war deshalb oft am wenigsten Geld zulösen. 48 - Der Viehexport unterlag besonders gegen Ende des Jahrhundertsrigorosen Ausfuhrbestimmungen. War das Angebot auf dem Markt durch Viehseuchen,die regelmässig auftraten, gestört, mussten die erlittenen Schäden mitgeldfressenden Neukäufen gutgemacht werden. 49 Der Bauer war in solchenZeiten den hemmungslosen Spekulanten und Fürkäufern ausgesetzt. 50Analog den Preissteigerungen in der ganzen Innerschweiz stiegen auch imEntlebuch die Handelspreise vor allem im letzten Jahrzehnt des Jahrhundertssehr stark an. Dazu hatte zu einem wesentlichen Teil die Verknappung desMarktangebots im Viehsektor beigetragen. Die unter dem Bevölkerungsdruckgestiegenen Verbrauchsgrössen und die restriktiven Massnahmen der benachbartenKantone, die unter dem Eindruck der eigenen Knappheit ihre Märktesperrten, störten Angebot und Nachfrage. So berichtete man aus dem Entlebuchseit 1761 regelmässig, Schmalvieh sei kaum mehr zu erhandeln und «ietzbey uns zimlich dür». 51 Die Marktpreise für Schmalvieh und Schweine warennun gewöhnlich «theurer als vorrem Jahr». Die Marktsperren einzelner Ortewirkten sich im Entlebuch gravierend aus. So hatte man nach 1794 in Escholzmattfür eine 4 Zentner schwere Kuh nun 50 Kronen «oder noch mehr» zubezahlen, «willen danmallen aus dem Bärngebiet nichts in Landt kombt».Aber auch in Entlebuch zahlte man zur gleichen Zeit für eine Kuh nun «wenigstens100 Gl».Es erstaunt daher nicht, dass die einheimischen wie ausländischen Viehmärktevon Entlebucher Bauern nur selten besucht wurden. 52 Unter solchen Marktbedingungenblieb vor allem dem Kleinbauer wenig Spielraum und Möglichkeit,seine wirtschaftliche Lage zu konsolidieren.d) Die Rentabilität der AlpwirtschaftDie gesamtwirtschaftlichen Erträge aus der Alpwirtschaft wurden durch dieBesitzverhältnisse und Nutzungsformen sehr stark beeinflusst. Denn (nach47 Vgl. ausführlichere Darstellung im Kap. Die Entwicklung der Preise im 18. Jahrhundert,5.3.48 Marty 74ff.49 Zu den Viehseuchen vgl. Bühlmann; Schwere Seuchenzüge im 18. Jahrhundert fielen in dieJahre 1710-1716, 1723, 1728/29, 1731/32, 1749-1751, 1768-1772, 1788-1794, 1798-1800.50 Vgl. Kap. Exportgüter, 5.1 a).51 StA LU Seh 905; (dür = teuer).52 Vgl. Kap. Exportgüter, 5.1 a).205


Schnyder) komme es sehr darauf an, «ob der Alper die Weyde eigenthümlichbesitze oder zu Lehen habe ; ob er meistens seine oder viele von andern empfangeneKühe auftreibe; ob er, und zwar einen merklichen, Schafberg und Pferdetriften,ob er gutes Vieh und damit keinen Unfall habe usw.». 53 - Der reicheBauer, der Talgut und Alp besass, hatte die Möglichkeit, zahlreiches Vieh zuüberwintern. 54 Der Àlpler hingegen verfügte nur über seine Alp und hatte imWinter in- oder ausserhalb des Amtes bei fremden Bauern zu überwintern.Hier musste er das Futter für sein Vieh ankaufen. Der Küher besass wederGrund noch Boden. Ihm gehörte ein Sentum, mit welchem er im Sommer eineAlp bezog oder sein Vieh einem Älpler verdingte. Im Winter hatte er seineHerde ebenfalls bei einem Bauern zu überwintern.Durch die einseitige Nutzung der Alp für die Käseproduktion waren dieErtragsaussichten durch die mit dieser Bewirtschaftung verbundenen Risikenverunsichert. Besonders die Älpler und Küher bekamen wirtschaftliche Rückschlägezu spüren, wenn sie nicht über einen gewissen Grad wirtschaftlicherUnabhängigkeit verfügten. Da - wie schon oben bemerkt - die Käsepreise dieWeide- und Kuhzinsen bestimmten, konnten auch kleine Preisschwankungenden Ertrag stark hemmen; ausserdem wirkte sich die Produktionskapazitätan Alpkäsen unmittelbar auf den Realwert der Liegenschaft aus. Mit demKäsepreis stieg deshalb auch der Schatzungswert der Alpliegenschaften unddamit auch die Pachtzinsen. Aufgrund der Entwicklung der Käsepreise nahmendeshalb die Pachtzinse innerhalb des 18. Jahrhunderts um fast das Zweieinhalbfachezu.Noch mehr als früher wurde damit die Möglichkeit einer Pachtübernahme dasPrivileg von bemittelteren Leuten, die sich über die Fähigkeit ausweisen konnten,bei negativ ausfallenden Ertragsabrechnungen die Fehlbeträge ersetzenzu können. Vor allem reichere Berner vermochten daher regelmässig EntlebucherAlpen zu besetzen, obwohl die Obrigkeit mehrmals dagegen einschritt. 55Diese Emmentaler, welche die Alpen wohl als Küher bewirtschafteten 56 ,kehrten trotz der Verwarnungen immer wieder ins Entlebuch zurück. 1700/01zahlten 5 Berner, 1724/25 deren 2 und 1749/50 schon 10, 1764/65 sogar 19 fürihre mitgebrachten Frauen Bussengelder. 1765/66 und 1771/72 wurden mehr als10 Alpen, vor allem im Gebiet um Marbach, von Bernern bewirtschaftet. 1794legten 20 je 6 Gl Frauenbussen in die Vogtkasse. 57 Die Alpkäserei machte dieBeschaffung des Geldes nicht allzu schwer, und die nahen Emmentaler Märkteerleichterten den Käsehandel. Ausserdem profitierten die Berner wie dieEntlebucher vom zollfreien Export. 5853 Schnyder, Geschichte II, 148f.; II, 103f., 125, 143; auch Merz 39ff.54 Bühler 74f.55 Vgl. Kap. Wanderungen, 3.5 c).56 Ramseyer 88; Schnyder, Geschichte II, 130. Es war den Bernern ausserdem verboten, ihreFrauen auf die Alpen mitzunehmen.57 StA LU Seh 492, «Alpp-Bussen von Berneren, so ihre Weiber bey sich gehabt».58 StA LU Staatsökonomieprotokoll, cod. 5135, 200.206


Den Älplern und Kühern konnten nicht nur von Seiten des Käsegeschäftesunliebsame Rückschläge erwachsen. Der Zwang, ihr Vieh auswärts überwinternzu müssen, setzte sie der Veränderlichkeit der Futterpreise aus, die ähnlich denLebensmittelpreisen saisonalen Schwankungen unterworfen waren. Die Möglichkeit,aus Futterverkäufen in Notzeiten Geld holen zu können, wurde oftbenützt und entgegen den Mandaten regelmässig im Herbst und Winter Heuausser Landes gebracht. Nach der Krise von 1770/71 verkaufte man vonDoppleschwand und Schupf heim gegen 400 Klafter Heu an Berner; in Escholzmatthatte das Ausfuhrverbot in der Gemeinde zu Unruhen geführt, und manforderte die Aufhebung des Mandates, da das Geld zur Tilgung der Zinsen undZahlungen dringend benötigt werde. 59 Die grossen Gültbelastungen wirktensich so auch im Bereich der Betriebsführung negativ aus.Schnyder und Stalder ereiferten sich unentwegt, die Landleute zu landwirtschaftlichenVerbesserungen anzuregen. Wenn man auch annehmen muss, ihreSchriften seien auch später von den Angesprochenen kaum je gelesen worden,so darf man doch vermuten, die intensive Beschäftigung der beiden Pfarrherrenmit landwirtschaftlichen Problemen habe sich hie und da auch in Bemerkungenvon der Sonntagskanzel herab niedergeschlagen. Ein Anlass zu pfarrherrlicherKritik bildete beispielsweise die Viehhaltung. Dem Futtermangel hätte ihrerAnsicht nach mit Einschlägen bei den Heimweiden und selbst auf den Alpenbegegnet werden können. 60 Schnyder rechnete den Leuten den Nutzen vor,«wenn aus Weyden mehrere Winterung gemacht würde». 61 Angenommen, einLandwirt sommere 16 Kühe, könne aber nur 4 davon überwintern, so ergäbensich folgende Erträge :36 Zentner Käse (à 15 Gl) 540 Gl12 Kuhzinsen (à 16 Gl) 192 GlErlös 348 GlDer Pfarrer schlug nun vor, einen Einschlag für 4 Kühe vorzusehen, dessenErtrag die Überwinterung von 8 Kühen ermöglichen würde. Der Landwirtwerde eben nur mehr 12 Kühe sommern, von denen er 27 Zentner Käse(405 Gl) erwarten dürfe. Das eigene Alpvieh trage daher immer noch 57 Glmehr ein, und vor allem ergäben sich im Winter von den 8 Kühen grössereNutzungsmöglichkeiten. - Solche Verbesserungen seien um so eher zu realisieren,da der Kartoffelanbau, der ertragssicherer und auch ertragsreicher ausfalleals der Getreideanbau, Land freigebe, das früher für das Getreide habe beanspruchtwerden müssen.59 StA LU Seh 489, 19./20. Aug. 1772. Klafterpreis 7 Gl 20 Seh bis 9 Gl 20 Seh; zu denBusseneingängen vgl. Seh 492.60 Schnyder, Geschichte II, 100; Stalder, Fragmente I, 257.61 Schnyder, Geschichte II, 157 ff.; «Man nennet die Wiesen oder Matten auch Winterheimathe.»93 ; Stalder, Fragmente I, 256.207


Die Ansätze zu einer Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion lagendemnach nicht so sehr auf dem Gebiet der Alpwirtschaft als vielmehr im Bereichder Zwischenregionen und der eigentlichen Talwirtschaft, wo nach Ansichtder Pfarrer die Reserven kaum ausgeschöpft wurden.Unter dem Bevölkerungsdruck erfuhr daher die sommerliche Talwirtschafteine bedeutende Wertsteigerung. «In allen Krachen, Abhängen und den entlegenstenOrten haben die Leute angebauet», bemerkt Schnyder 62 ; «binnen40 Jahren sollen die Winterheimathe um die Hälfte angewachsen seyn.»Trotz des intensiven Ackerbaus 63 wurden die übrigen Gebiete nach AnsichtStalders schlecht genutzt: «Der Entlebucher begnügt sich einzig, zu gewissenZeiten ein Stück Wiese umzuackern, den Boden wohl zu düngen, Gesträuchehie und da auszuhacken, zur Frühlingszeit die Steine von seiner Wiese aufzusammeln,und, wenn's wohl geht, hie und da einen Graben zu öffnen, um dasfaule Wasser abzuführen. Hie steht nun sein landwirtschaftliches Wissen stille;ihm eckelt's an jeder Neuerung; denn sie fo[r]dert Überlegung um sie zu fassen,Übung um sie glücklich auszuführen; und Leichtsinn, Trägheit und eine ArtWidersetzlichkeit sind Hirten fast etwas Angeborenes.» 64 - Ein besonderesAnliegen Schnyders und Stalders war die Verbesserung der Düngung und derAnbau neuer Gräser; Schnyder schlug für den Anfang vor, auf kleineren undgrösseren Grundstücken zu experimentieren und die Auswirkungen zu untersuchen.65 Er selber hatte mit neuen Gräsern in seinem Pfrundland 66 schonlängere Zeit Versuche angestellt und die Akklimatisierung der neuen Anpflanzungenbeobachtet. «Curé» Schindler hatte ihm «ein Pfund rother, holländischerKlee, gratis» zusenden und den Schüpfer Pfarrer wissen lassen, wannund wo der Samen angesät werden solle. 67 Die Esparsette empfahl er zumAnbau in «räuchern Land für Pfertfuotter». Sie trage erst nach dem drittenJahr gut aus. Falls Schnyder auch Versuche mit Luzerne anstellen wolle,könne er den Samen «zu Lucern durch den Basler Botten von Basel bekommen».Wer mit dem Kleeanbau Erfolg haben wolle, müsse unbedingt Stallfütterungund Jauchegruben einrichten.Doch mehr als 10 Jahre später vermerkte Stalder in seinen «Fragmenten»,von der Anlegung besonderer Futterkräuter, von Stallfütterung und Wasser-62 Schnyder, Geschichte II, 262; Bühler 91 f.63 Vgl. Kap. Ackerbau, 4.4.64 Stalder, Fragmente I, 199; über den Zustand der Entlebucher Alpen und Landwirtschaftvgl. Merz, Das Entlebuch 45 ff.65 Schnyder, Geschichte II, 46ff.; Stalder, Fragmente I, 200f.68 Plan im Pfarrarchiv Schüpfheim.67 ZB LU Ms 33/4, 31. Mai 1783.Zur Belehrung empfahl Schindler folgende Literatur:1. Brieff über die Stallfütterung, Bern, bej Emanuel Haller 1774.2. Anleitung zur Zubereitung, Sammlung und Vermehrung des Düngers vom Viech, Zürich,bej Füesslin et Compagnie 1769.3. Anleitung auf die Anwendung des Düngers etc., Zürich, bej Johann Caspar Ziegler, 1770.208


künde wisse man im Entlebuch wenig. Das gelte allerdings in gleichem Masseetwa für das Saanenland, das Berner Oberland und die Urschweiz. 68 Für soweitreichende Investitionen seien Versuche, Belehrungen und «Aufmunterungeneiner Ökonomischen Gesellschaft nöthig». 6 Im Entlebuch verhindere aberdas Bevölkerungswachstum, die grosse Verschuldung, das Fehlen von Industrie,die Abhängigkeit und Verschwendung einen Wohlstand, wie man ihn imEmmental und im Appenzell kenne, «wo neben der Viehbegangenschaft Industrieund Manufakturen» blühten. 70e) ZusammenfassungDie Entlebucher Wirtschaft wurde im 18. Jahrhundert von der Alpwirtschaftdominiert. Alpwirtschaftliche Betriebsführung und Ertragsausbeute lagen beiden Privateigentümern, denen beinahe das gesamte verfügbare Alpareal gehörte.Die Korporationsnutzung war nur von untergeordneter Bedeutung.Die Hauptbeschäftigung war auf Milchwirtschaft und Viehzucht ausgerichtet. -Am Ende des 17. Jahrhunderts wurden fast ausschliesslich Milchkühe auf dieAlpen aufgefahren; die meisten Herden zählten damals zwischen 10 und20 Tieren. - Im 18. Jahrhundert nahmen die kleineren wie auch die grossenHerdenbestände zu; am Ende des 19. Jahrhunderts dagegen wurden nur nochdie ertragreichen Käsealpen mit grossen Kuhherden bestossen, während aufden kleineren die Viehzucht im Vordergrund stand. - Neben dem Hornviehwurden Pferde, Schafe, Ziegen und Schweine gehalten, welche die Alpnutzungergänzten.Bei den Produktionsgütern stand der harte Fettkäse an erster Stelle. Jährlichwurden knapp 9000 q, die gegen Ende des Jahrhunderts einen Wert von über200000 Gl hatten, produziert. Der Käse wurde ausser Landes verkauft. - Butterund Zieger wurden weniger und vor allem für den Hausgebrauch hergestellt.Die Entwicklung der Konsumgüterpreise hatte im 18. Jahrhundert in verschiedenerHinsicht nachhaltige Auswirkungen, da die Wertbestimmung derAlpgüter nach ihrer Ertragsqualität erfolgte. Die Lehensfähigkeit wurde einPrivileg des reicheren (Berner) Älplers oder Kühers, der sich den krisenanfälligenMarktlagen gegenüber als widerstandsfähig ausweisen konnte. Ebensohatte auf dem Viehmarkt nur der handelsgewandte Viehhändler etwas zusuchen, da das Vieh in der zweiten Jahrhunderthälfte zu einem teuern undsogar raren Marktgut geworden war. Der Bauer wurde in seinen Unternehmungenvor allem durch seine übermächtige Verschuldung gehemmt. Derjährliche Bargeldbedarf für Zinsen verhinderte eine intensivere Bewirtschaftungseines Gutes, die mit Kapitaleinsatz verbunden gewesen wäre.68 Stalder, Fragmente 1,198 f.69 Stalder, Fragmente I, 202.70 Stalder, Fragmente I, 261.209


Nach Ansicht von Schnyder und Stalder war die Ertragsfähigkeit der EntlebucherLandwirtschaft noch nicht voll ausgelastet. Hauptsächlich in der Talwirtschaft,wo der Ackerbau viel Raum einnahm, schien ihnen eine Rentabilitätssteigerungmöglich. Stallfütterung, bessere Düngung, Meliorationen unddie Aussaat von Kunstgräsern sollten die Überwinterung von mehr Vieh unddamit die Marktunabhängigkeit sichern helfen. Die Lässigkeit der Bauern unddas starre Festhalten am Hergebrachten machte den Geistlichen aber oft vielÄrger.Die landwirtschaftlichen Reformbestrebungen kamen erst zu Beginn des19. Jahrhunderts langsam zur Ausbildung. Vor allem die Talschaft wurde einemlangfristigen Umformungsprozess unterworfen. Die Heimweiden konnten dankder Stallfütterung intensiv gedüngt werden. Mit dem Aufkommen der Talkäsereienund den Verbesserungen der Verkehrswege, welche die Marktbeziehungenerleichterten, konnte schliesslich auch auf den ausgedehnten Ackerbauverzichtet werden. Die Talwirtschaft wurde auf die Käsereiwirtschaft ausgerichtet;auf den Alpen trat an die Stelle der Milchwirtschaft die Viehzucht.4.8 Das SchulwesenDem Schulwesen wurde von den aufklärerisch gebildeten Pfarrherren für dieEntwicklung landwirtschaftlicher Erkenntnisse und des Reformwillens einwichtiger Platz eingeräumt. Die Bildung, welche bisher ausschliesslich einPrivileg der Oberschicht gewesen war, sollte vor allem die wirtschaftliche undsoziale Besserstellung der Bevölkerung erleichtern.Am Ende des 18. Jahrhunderts war das Analphabetentum noch weitverbreitet.Wären im Entlebuch um 1780 nur 10 Prozent der Bevölkerung des Lesensund Schreibens kundig gewesen, so hätten in jeder Gemeinde über 60 Männer -den weiblichen Personen wird damals wohl zuletzt ein Schulbesuch empfohlenworden sein - einen solchen Unterricht besucht haben müssen. Die Dürftigkeitder Hinweise und die äusserst seltenen Unterschriften der Soldaten in fremdenDiensten lassen selbst eine Annahme von 90 Prozent Analphabeten als nichtübertrieben erscheinen.Die Dringlichkeit der Einrichtung geordneter Schulen wurde in der zweitenJahrhunderthälfte von einzelnen Pfarrern stärker propagiert. Wohl hattenschulische Unternehmungen schon früher bestanden. 1 Einige wenige Interessierteaus dem Entlebuch holten sich an der «Normalschule» in St. Urban ihreAusbildung und unterrichteten als Privatlehrer. 2 Im allgemeinen war j<strong>edoc</strong>h1Zum Schulwesen vgl. Hug Anna, Die St. Urbaner Schulreform an der Wende des 18. Jahrhunderts;Ludin; In den BHK: Schmidlin; Felder; Schmid J., Die Schulen im Dorf Flühli;Schöpfer; Steiner; Duss; StA LU RP 23. Jan. 1754, 226v.2 Hug 221 ; zur Bedeutung von St. Urban für die Volksschulbildung vgl. auch Wicki H.,Zur Geschichte der Zisterzienserabtei St. Urban im 18. und 19. Jahrhundert 1700-1848.210


«sonst aller Orten nur der Brauch, dass der Pfarrer und die Geschworne, aufeinige Wochen im Winter einen Mann bestellten, der für die so wollten, Unterweisungim Schreiben und Lesen ertheilet». 3 - 1778 wurde auf Bemühen vonPfarrer Keller und Statthalter Zihlmann in Marbach die erste Schule im Entlebuchgegründet. 4 Dank einer Stiftung von 4600 Gl, zu welcher 172 Donatoren,darunter der Vogt von Trachselwald, beigetragen hatten 5 , erteilte der Ratbereitwillig die Erlaubnis zur Errichtung der Schulpfrund Marbach und legteeine Schulordnung vor. Die Gemeinde wählte den Lehrer 6 ; dieser wurde vomRat bestätigt und sein Verdienst mit 200 Münzgulden angesetzt. Die Schulehatte am 1. November zu beginnen. Als Programm sah man die Fächer Lesen,Schreiben und Rechnen vor. Während der Fastenzeit sollte am Morgen dieChristenlehre stattfinden und am Nachmittag noch 2 Stunden Schule gehaltenwerden. Jeden Abend nach Schulschluss war Rosenkranzgebet in der Kirche. -Nach Ostern dauerte die Schule bis zum allgemeinen Alpaufzug; erschienenweniger als 5 Kinder, begannen die Ferien. - Von St. Michael (29. September)bis zum 1. November wurde der alte Stoff repetiert und dann der Schulbetriebgemeinsam mit den Neulingen weitergeführt. - Das Beispiel in Marbach machteSchule. Doch beklagte sich Stalder, die Talente blieben nach wie vor «durchMangel an Aufmunterung und durch schlechte Schulanstalten unentwickelt». 7 -Die von jeder Pfarrgemeinde dürftig besoldete Schule daure nun etwa dreiMonate. Hie und da unterhalte man die Schulmeister ein halbes, bald ein ganzesJahr; aber auch dieser bessere Unterricht reiche nicht «über den Katechism'und ein bisschen Schreiben und Rechnen» hinaus; daher seien «gute Bücherfür die Bildung, für die Moral und das landwirtschaftliche Fach hier nochKontrebandwaare; meist zirkulieren alte Schweizer Kroniken oder Legendenund Gebetbücher aus der Einsiedlischen Offizin».Aus einem Bericht des Erziehungsrates über die Situation der Landschulen zuBeginn des 19. Jahrhunderts lassen sich die nach dem Jahr 1798 dem Schulwesenentgegengebrachten Schwierigkeiten ersehen. 8 - Man stand den neuenintensiven Bemühungen der Helvetischen Regierung, die die breite Kulturförderungals wichtiges Anliegen behandelte, mit grosser Skepsis gegenüber.Da an die Stelle der bisherigen freiwilligen Teilnahme am Unterricht der staatlichgeforderte Schulbesuch getreten war, befürchtete man unter dem Eindruckder Umsturzbewegungen, es könnte nun «eine neue, der Religion vielleichtgefährliche Lehre [...] nach und nach eingeführt werden». Einige Geistliche3 Schnyder, Geschichte I, 145.4 Felder W.5 «Verzeichnis derjenigen, die an die Schuell-Meisteri gestiftet haben», Archiv GemeindehausMarbach; «Regeln, nach denen der Grundriss eines Schulhauses vor Marbach einzurichten»,Unveröffentlichte Arbeiten von Pfarrer Schnyder von Wartensee, BHK 1 (1928) 92f.6 Erster Lehrer in Marbach war Johann Jost Bieri; das folgende ZB LU Ms 92 fol.7 Stalder, Fragmente I, 121 f.8 Berichte des Erziehungs-Raths des Kantons Luzern über den Zustand der Landschulen indiesem Kanton, Luzern 1801.211


efürchteten eine Beschränkung ihrer geistlichen Autorität und dass sie «durchEinsetzung der Inspektoren der Aufsicht über die Schulen enthoben» werdenkönnten. Die Eingriffe der Regierung in bislang kirchliche Bereiche und dieVerhandlungen über die Abschaffung der Zehnten kosteten die Obrigkeit dieMitwirkung einflussreicher Personen. - Von anderer Seite berichtete man nachLuzern, der Erfolg lasse auf sich warten, weil es Vorgesetzte gebe, die denZeichen der Zeit nicht zu folgen vermöchten und meinten, eine Regierung könnenie glücklicher sein, «als wenn man den Landmann in der Dummheit erhaltenkönne». Den «reichern Eigenthumsbesitzern» war die «Franzosenschule»verdächtig.Die Regierung war besonders auf die Mitarbeit der Pfarrer angewiesen. DerErziehungsvorsteher konnte sogar vom Ansehen der Schulen in den Gemeindenauf den Einsatz der Geistlichkeit schliessen.Den Berichten des Schulinspektors Pfarrer Stalder, des besten Aufsehers, dendas Entlebuch um diese Zeit haben konnte, ist zu entnehmen, dass das Schulwesenzu Beginn des 19. Jahrhunderts im Amt noch im argen lag. - In Schüpfheimund Escholzmatt existierte wohl je eine Amtsschule, in Entlebuch undMarbach eine Normalschule, in Flühli je eine im Dorf und eine bei den Glasernim Kragen; in Hasle und Romoos fanden hie und da Unterrichtsstunden statt,in Doppleschwand überhaupt keine. - Die Schulzeit dauerte in Schüpfheimvom Montag nach 3 Königen bis Anfang Fasten, in Escholzmatt von MitteDezember an etwa 10 bis 12 Wochen, in Flühli drei Wintermonate, in Romoosnach Weihnachten 4 bis 5 Wochen. - Von den insgesamt 1679 schulpflichtigenKindern besuchten lediglich 687 (41 %) den Unterricht. In Marbach erschienen24 Prozent der Kinder.Die Schulzeit fiel freilich in die ungünstigste Jahreszeit. Hoher Schnee, langeund schlechte Wege und ungünstige Witterung machten es vielen Kindern unmöglich,überhaupt zur Schule zu gelangen. Dazu kam die wegen der Kürzeder Tage kaum lohnende Schulzeit; der Unterricht dauerte nur wenigeStunden.Auch die sozialen Verhältnisse, in denen die Kinder aufwuchsen, waren einemgeregelten Schulbesuch nicht förderlich. Die Schulpflichtigen waren zu Hauseunersetzliche Arbeitskräfte. So berichtete Stalder, «die unterstützungslose Armuthso vieler dürftigen Familien, Wittwen und Waisen» sei eine der Hauptursachenfür das Wegbleiben der Kinder. «Von jeher bis itzt herrschte bey demArmenwesen die erbärmlichste Unordnung, Selbstsucht, Eigennutz, Hartherzigkeitu.s.w. - Daher, um einem Hungertode oder Bankerott vorzukommen,muss wenigstens ein Viertheil der Kinder durch Spinnen ihr Brod verdienen,und besonders dies Jahr, wo selbst die ersten und allerwichtigsten Lebensbedürfnissedes Entlebuchers überhaupt, ich meyne die Kartoffel, aus demLuzernischen Gäu und Bernergebieth mit schwerem Gelde hergeholt werdenmussten, welches bisher noch nie geschehen ist.» 9» Berichte 54f. (1799).212


Der Mangel an guten Schullehrern machte sich sehr nachteilig bemerkbar.Ihre Anstellung wurde von den Gemeinden weniger aufgrund der Ausbildungskenntnisseals der Lohnansprüche der Kandidaten getätigt. So kamen vor allemausgediente Soldaten und «alte Schulpraktici», die mit wenig Geld zufriedenwaren, in Betracht. - Die Schulstunden mussten in engen, unfreundlichen Privatwohnungen,welche einen klassenweisen Unterricht nicht zuliessen, abgehaltenwerden. Der Mangel an geeigneten Räumlichkeiten war allgemein. 1799besass lediglich Marbach ein eigenes Schulhaus; im Sigristenhaus in Flühlihatten 28 Kinder Platz, 109 hätten die Schule besuchen sollen. 10Doch dank der Initiative der ortsansässigen Pfarrherren gewann das Schulwesenlangsam an Ansehen. Einige tüchtige Lehrer, attraktiver Unterricht mitPreisverleihungen und Schulausflügen hatten unter der Bevölkerung und sonderlichbei den Kindern die Freude am Lernen geweckt. Die Sonn- und Feiertagsschulen,welche an den zahlreichen arbeitsfreien Festtagen eher besuchtwerden konnten, ermöglichten einen regelmässigen Schulbetrieb. - Fragwürdigblieben lange Zeit die Unterrichtsmethoden. Langweiliges Auswendiglernen undallzu komplizierte Lernübungen verdarben vielen Kindern die Lust. Dazukam das von Seiten der Eltern geäusserte Missbehagen gegenüber allem Gedruckten.«Mehrere wollen ihre Kinder nur unter der Bedingniss zur Schuleschicken, dass mit ihnen nicht übers geschriebene fortgefahren werde, und dassman sie nichts gedrucktes ansehen lasse», liest man im Bericht des Erziehungsrates.11 Die Erwachsenen gaben deshalb den Schülern oft Gülten, Kauf- undSteuerbriefe und andere, eigene Schriftstücke mit und liessen sie in den Schulenentziffern. Stalder berichtete 1815 über die Lehrerfahrungen, welche man mitden angewandten Methoden im Entlebuch gemacht habe. 11 Seit der Revolutionseien hier die Normal- oder St.-Urbaner Methode und die Zeller-Methodegebräuchlich gewesen. Keine entspreche den Bedürfnissen. Bei der ZellerschenMethode sei es ärgerlich, «wie viel nichtssagendes, verstandloses, albernes,unnöthiges, zeitraubendes und zeittötendes Zeug zuerst dem Kopf eingepfropftwerden [müsse], ehe das Kind nur zum eigentlichen Buchstabiren angeleitetwerden» könne. Dafür sei die zur Verfügung stehende Schulzeit viel zu kurz.Die komplizierten Lehrformeln schreckten nicht nur die Kinder, sondern auchdie Eltern ab, welche - wenn überhaupt - kaum in der Lage seien, den Kindernnachzuhelfen. Und «wozu doch das so langweilige [...] Tändeln mit den Vor-,Nach-und Stammsilben, mit den Halbmittellauten, mit den Gaumen-,Lippen-,Nasen-, Zahn- und Zungenlauten usw. für Landkinder, die meistens nur zumSpinnrad oder zur Wacht, zum Pflug oder zum Melken bestimmt sind?» -Stalder setzte sich energisch für die Wiedereinführung der Urbanermethodeein, mit welcher Eltern und Kindern das Buchstabieren und Lesen leichtergefallen sei. - Die Schwierigkeiten bestanden ausserdem darin, dass sich die10 Schmid J., Die Schulen im Dorfe Flühli 75. Vorerst sollten die alten Zehnt-Scheunen inSchulhäuser umgebaut werden." Hug 334ff.213


Lehrer allzu streng an die Lehrvorschriften hielten und wegen mangelnderAusbildung nicht in der Lage waren, die Lehrbücher in einem neuen schöpferischenProzess den Kindern in anregender Weise mitzuteilen.Den eigentlichen Zweck der Schulbildung, die Kinder zu selbständigem Handelnanzuregen und ihnen die Möglichkeit eigener Umweltgestaltung zu vermitteln,vermochten die Institute auch im frühen 19. Jahrhundert noch nichtzu gewährleisten. Die bedeutendste Leistung bestand darin, dass staatlicheHilfe und Unterstützung die Fortbildung der breiten Volksschichten ermöglichten.4.9 Zusammenfassung der ErgebnisseBei der Darstellung der entlebucherischen Landwirtschaft konnten die intensivenWechselwirkungen zwischen Bevölkerungsbewegung und Gestaltungder wirtschaftlichen Grundlagen eingehend betrachtet werden. Keine derbeiden Komponenten wäre ohne die andere denkbar.Die in langer Erfahrung geprägte Wirtschaftsführung wurde allerdings durchdie gewandelten demographischen Bedingungen zu neuen Ansätzen geführt,wobei Beharrungsvermögen und Anpassungsfähigkeit in den einzelnen Bereichenunterschiedlich zur Geltung kamen. Die wichtigste Umstellung gingauf dem Gebiet des Ackerbaus vor sich. Nach den in den schweren Krisender 90er Jahre im 17. und jenen am Ende des ersten Jahrzehnts im 18. Jahrhundertgemachten Erfahrungen war die Innovation des Kartoffelanbaus, dievor 1720 vor allem im unteren und mittleren Amt als abgeschlossen betrachtetwerden kann, der entscheidendste Vorgang. Die Einführung der Frucht, dievor allem von den ärmeren Leuten gefördert wurde, die mit der Kartoffel aufden ihnen zugeteilten «Pflanzplätzen» im gemeineigenen Hochwald die erstenErfahrungen gesammelt hatten, wirkte auf die bisherigen Anbaupraktiken imAckerbau so weit ein, dass nur mehr jene Getreidesorten mitgezogen wurden,die den klimatischen Bedingungen und den Bodenqualitäten am besten zugenügen vermochten. Trotzdem behielt der Ackerbau eine wesentliche Bedeutung,und noch am Ende des 18. Jahrhunderts Hess sich nach den vorliegendenZehntbüchern nicht ausschliessen, dass zum Teil sogar noch nach der altenForm der Dreifelderwirtschaft angepflanzt wurde. Ertragsmässig lag aber dieKartoffel klar vor den Getreideeingängen (vor allem Gerste, Hafer undRoggen). Die Bedeutung dieses vielseitigen Angebots konnte bei der Untersuchungder Ernährungsgewohnheiten herausgearbeitet werden. - Das Entlebuchzeigte sich demnach in der kulturlandschaftlichen Erscheinung mit heuteverglichen völlig anders. Die zahllosen abwechslungsreichen Ackeranlagenverschwanden erst im 19. Jahrhundert, als die Graswirtschaft im Tal zudominieren begann.Hinter dem Ausbau der Talwirtschaft, der unter dem Bevölkerungsdruck notwendiggeworden war, blieben Innovationen auf dem Gebiet der Alpwirtschaft214


weitgehend aus. Hier wurden vor allem Milchwirtschaft und Viehzucht nur insoweitbetrieben als es galt, eine rentable Käsewirtschaft zu gewährleisten. DerErfolg hing bei den privatwirtschaftlich organisierten Betrieben weitgehend vonden Kapazitäten der Bauern ab. Deren Lage konnte bei der Untersuchung derVerschuldungsgrössen der bäuerlichen Liegenschaften abgeschätzt werden. Derhohe Verschuldungsgrad, der in allen Betriebsgrössen festgestellt werden musste,behinderte produktive Ertragsbilanzen beträchtlich. Den kleineren, meistdurch Erbteilungen zersplitterten Unternehmen blieb allerdings ein weitgeringerer Spielraum als den grösseren, welche die Variabilität der Ernteerträgelangfristig besser ertrugen. Zahlreichen Leuten blieb unter dem Druck derZinslasten oft kein anderer Weg, als ihre Grundstücke zu veräussern; in ihrenWohnstätten wurde zuerst landwirtschaftsfremde Arbeit akzeptiert. Die Heimarbeitan Spinnrad und Webstuhl, von den Emmentaler Käsehändlern importiert,gab zahlreichen Leuten die Möglichkeit neuen Gelderwerbs.5. Handel und Gewerbe5.1 Voraussetzungen und BedingungenDie geographische Lage des Amtes Entlebuch behinderte die Entfaltung einesrentablen, vielseitigen Exportgewerbes ausserordentlich. Schlechte, ungepflegteStrassen konnten wegen der Überschwemmungsgefahren nur in höheren Lagenangelegt werden, wo die starke Zerklüftung und der unruhige Verlauf desGeländes den Transport erschwerten. 1 - Die intensive Selbstversorgung Hessdie ausländische Markttätigkeit zurücktreten. Die wenigen, im Lande nichterhältlichen Bedarfsgüter wurden auf den benachbarten Lokalmärkten eingekauft.So war das obere Amt hauptsächlich auf die bernischen Märkteeingerichtet, im unteren Amt deckte man den Bedarf im Mittelland und inder Stadt. Die Marktpolitik der benachbarten Orte hatte daher für das Entlebucheine wichtige Bedeutung. Wurden die Marktplätze - meist in den Notzeiten- für landesfremde Kunden geschlossen, so bekam ein Grossteil der Bevölkerungdie Störung des Warenangebots empfindlich zu spüren. 2 DerLandesproduktion wurde deshalb eine grosse Bedeutung zugemessen. Ihr vorteilhaftesAngebot konnte bei der Untersuchung der Ernährungslage qualifiziertwerden. 31 Bühler 87ff.; Glauser 2; Schnyders Karte verzeichnet den Verlauf der alten Landstrasse.Zum Strassenwesen vgl. Stalder, Fragmente I, 26; StA LU MB 1756 (89); Ludwig Berner bemerktenoch 1827: «Die schmale Strasse entbehrt ein Steinbett oder eine merkliche materielleUnterhaltung.» Bemerkungen auf einer Reise 64.2 Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d).3 Vgl. Kap. Ernährung, 4.5.215


Die Darstellung der Entwicklung der Aussenwirtschaft wird durch die Zollerleichterungenfür die entlebucherischen Landesprodukte erschwert. 4 - BeimVerlassen des Amtes in nördlicher Richtung war nur die Zollstätte in Wolhusen-Markt zu passieren, und bis 1774 kann der Handelsverkehr ins westliche Bernbiet,der zweifellos eine bedeutende Rolle spielte, nicht überblickt werden, daerst im Sommer 1775 bei Wissenbach an der Berner Grenze eine zusätzlicheZollstätte errichtet wurde. Hier aber war die Ausfuhr «am Viech, Käsen, undder für den Haussbrauch nöthiger Victualien, so wie nit minder die Alp-Fahrten» zollfrei. 5Die Darstellung des Handels kann daher im Rahmen dieser Arbeit nur komplementärenCharakter haben. Trotzdem seien die wichtigsten Export- undImportgüter in einem kurzen Abriss beschrieben.a) ExportgüterDie wichtigsten entlebucherischen Exportgüter stammen aus der Milchwirtschaft:Käse und Butter. 6Die Produktionsmenge des hergestellten Käses veränderte sich im 18. Jahrhundertnur geringfügig. Nach Abzug des Verbrauchs für den Eigenbedarf 7wurde die auf 400 bis 450 Tonnen geschätzte jährliche Produktion für den Verkauffreigesetzt. 8 - Der Käsehandel war hauptsächlich als Tauschhandel organisiert.Wein und Schnaps aus dem Elsass und der Westschweiz, Getreide ausdem Mittelland waren die beliebtesten Austauschgüter. Der grösste Exportanteilging ins benachbarte Emmental : «Die meisten Käse werden von Emmenthalernaufgekaufet, und dann, sammt den Emmenthaler Käsen, und unter demNamen derselben, weiters gefertiget», schreibt Schnyder. 9Die intensiven Handelsbeziehungen wurden durch die Heimindustrie nochgefestigt. Wie der Leinenhandel der Emmentaler, der durch ihren Käseexporteinen grossen Aufschwung genommen hatte, war die entlebucherische Heimarbeitdurch die Arbeitsmöglichkeiten, die durch den Import bernischer Rohstoffeangeregt wurden, möglich geworden. 10Durch die Verlegung der Organisation des Käsehandels grossen Formats insEmmental, wo man über weiterreichende Geschäftsbeziehungen verfügte,4 Bühler 89ff.; Glauser 9, 29, 32f.; Studer O., Aus dem Landesarchiv Entlebuch 13.5 StA LU Staatsökonomieprotokoll, cod. 5135, 171b; «Die Landleute im Entlebuch, weilsie an die neue Brücke im Truobschachen 5 gute Kronen gestürten, sind daselbst zollfrei»(1683), Studer 4 Nr. 112.6 Vg. Kap. Erträge, 4.7 c).7 Vgl. Kap. Ernährung, 4.5.8 Zur Organisation der Ausfuhr, der Zollbestimmungen im Nordverkehr vgl. Glauser 29 f.9 Schnyder, Geschichte II, 163.10 Vgl. Kap. Heimindustrie, 5.2 a); Glauser 32ff.; Werder: «Der Export von EmmentalerKäse soll damit begonnen haben, dass Langnauer Leinenhändler auf ihren Auslandreisen auchKäse mit sich führten.» 415.216


ging das Entlebuch eines die ganze Wirtschaftsstruktur befruchtenden, selbständigenExportgewerbes verlustig. Man überliess die unternehmerischenInitiativen fast ausschliesslich dem Nachbarn. «Im Emmenthale blühet vielHandelschaft», bemerkte Stalder 11 ; «wo Handelschaft viel Einwohner in Thätigkeitsetzt, ist mehr Zufluss fremder Gelder und mehr Umgang mit verschiedenenKlassen von Menschen ausser seinem engern heimatlichen Kreiseoder Verkehr anderswohin. Wo mehr Umgang mit verschiedenen Bewohnern,ist mehr Bekanntschaft mit Bedürfnissen ; und wo mehr Geld, ist mehr Heisshungernach Stillung derselben. Wo mehr Bekanntschaft mit Bedürfnissen undHeisshunger nach denselben, da schwelgt auch mehr Aufwand und Luxus,identifiziert gleichsam mit dem Handlungsgeiste.Im Entlebuch giebt's kein anderes Gewerb als mit Vieh, Pferden, Schaafen,Schweinen, Käs und Butter. Der Entlebucher, unbekannt noch mit mehrernGemächlichkeiten des Lebens und darum weniger herumgerüttelt durch ausserwesentlicheBedürfnisse, begnügt sich also mit seinem Eigenthum und denktnur an Verbesserungen, so weit es die Nothdurft fo(r)dert und selten anAussenverschönerungen, weil's ihm oft an Überschuss von Geld und öftersnoch an ästhetischer Reizbarkeit fehlt.»Nach Glauser war nur eine kleine Bevölkerungsgruppe mit dem Käsehandelbeschäftigt. 12 Lediglich kapitalkräftige, wohlhabende Leute konnten sichdem risikoreichen Handelszweig zuwenden. Meist verbanden sie ihre Geschäfteals Wein- und Spirituosenhändler mit der Ausfuhr entlebucherischerLandesprodukte, wogegen der Export ins Bernbiet fast ausschliesslich denBerner Händlern überlassen wurde, die als Lohnherren in der Heimarbeit auftretenkonnten. Die Leinenhändler waren deshalb meist mit den Käsehändlernidentisch. 13 Nicht wenige Entlebucher verschafften sich dennoch aus demKäsehandel Verdienst. Zahlreiche stellten ihre Leibeskräfte als Grempler zurVerfügung. Nach Schnyder gab es nicht wenige Männer, denen die Beförderungvon drei Zentner schweren Lasten kein Problem war. 14 Den Handelsherrenkam diese Möglichkeit der Warenbeförderung gelegen: Sie ersparten sichdamit die Zölle für Ross und Wagen.Eine alte Handelsware war auch die Butter, deren Auslieferung der strengenobrigkeitlichen Aufsicht unterworfen wurde. 15 Dieser Handel blieb eher dasHandwerk der kleineren, ortskundigen Leute, die das Produkt in ihren «Hütten»ausser Landes, seltener in die Stadt brachten. Die Fettkäserei und Kälbermastwirkten auf die Produktionsgrössen negativ, so dass die Butter besonders inKrisenzeiten zur Mangelware wurde und damit zu spekulativer Verkaufsabsichtreizte. 1611 Stalder, Fragmente I, 139 f.12 Glauser 30, 56ff.13 Glauser 33.14 Schnyder, Geschichte II, 134.15 Glauser 11 ff.16 Zum Problem des sog. Fürkaufs vgl. Wermelinger 58 ff.217


Im Gegensatz zum Käseexport, der kaum einschneidenden Restriktionen unterworfenwar, sind bei der Untersuchung des Viehhandels die Eingriffe der Obrigkeit,welche den Marktablauf zu regeln suchte, sehr häufig.Wegen des unzureichenden Futterangebots für die Überwinterung des Viehswaren zahlreiche Bauern gezwungen, überzählige Tiere nach Ablauf der Alpzeitauf den Markt zu führen.Wie die Nachbarn, versuchte auch der Stand Luzern, den Viehhandel unterKontrolle zu bekommen. Da die Marktbestimmungen in erster Linie den inländischenBedarf an Fleischprodukten sicherstellen sollten 17 , waren zahlreicheMandate nichts anderes als Repliken auf Erlasse der benachbarten Stände, diesich in Krisenzeiten autark erklärten und jegliche Ausfuhr von Lebensmittelnunterbanden. Dann hielt Luzern «Gegen-Recht».Bei drohender Seuchengefahr riegelte man die Märkte ab. Das häufige Auftretender Seuche und die oft nicht kontrollierbaren Gerüchte über Seuchenzügegefährdeten den geordneten Ablauf des Marktgeschehens ausserordentlich.Einer besonders starken Kontrolle unterlag der Welschlandhandel, da die Gefahreiner Verseuchung von Italien her permanent am stärksten war. Der Kontaktmit diesem Gebiet führte ja direkt in die gefährdeten Gebiete um Venedigund den Fernen Osten, den Hauptseuchenherden der damaligen Zeit. 18So war auch in diesem Handelszweig der geldbedürftige Bauer ständig verunsichert.Wie wichtig aber diese Marktbeziehungen, besonders auf dem Viehsektor,waren, beweisen zahlreiche Mandate, in welchen den Entlebucherndie Ausfuhr ausnahmsweise bewilligt werden musste. Die Geschworenen beriefensich dabei regelmässig auf die hohen Zinsleistungen, die im Herbst zuerbringen seien. Da die Stadtherren wichtige Zinsherren seien, würden diese,wenn man dem Entlebuch nicht entgegenkomme, des Zinsgeldes verlustiggehen.Hauptanziehungspunkt für den entlebucherischen Viehhandel war der Herbstmarkt«auf Lauis» in Luzern, der am Ende der Alpzeit stattfand und zeitlichauf die Herbstmärkte im Tessin ausgerichtet war. 19 - Leider erhält man überdas Ausmass der Viehexporte und die langfristige Entwicklung des Marktgeschehensnur dürftige Auskünfte. - Für das letzte Viertel des Jahrhundertskönnen den Marktauffuhrlisten einige Hinweise entnommen werden. Die17 Marty 26ff.18 Zu den Seuchenzügen vgl. Bühlmann; Marty 22ff; Seuchenmandate: StA LU MB 1713(Nr. 202), 1738 (107), 1739 (131), 1742 (200), 1743 (217, Seuche im Elsass), 1744 (245, 246,250, 251, 253, Bern), 1748 (321, Schwyz), 1749 (340), 1763 (176), 1793 (84, 90), 1796 (179,180, 189), 1797 (194, 197, Basel, Lenzburg).Zur Viehhandelspolitik im 17. Jahrhundert vgl. Strüby 25ff.; Marty 26ff., 33ff., 38ff. Mehr als40 Mandate wurden im 18. Jahrhundert ausschliesslich zur Regelung des Viehhandels undExports erlassen. StA LU MB passim; Seh 489.19 Marty 48ff.; der <strong>Luzerner</strong> Markt «auf Lauis» fand zwischen dem 24. und 26. Sept. statt,die Lauiser Messe vom 8.-14. Oktober. Bielmann 121 ff.218


Bedeutung einzelner Märkte und die Zahl der aufgetriebenen Viehbeständelassen sich hier einigermassen abschätzen. 201787 betrug der Marktanteil des aus dem Entlebuch in Luzern aufgeführtenViehs bei einem Umsatz von etwas über 50000 Gl 31 Prozent oder 16000 Gl. -Im gleichen Jahr wurden aber später angesetzte Märkte im Amt und der näherenUmgebung kaum mehr besucht, ebenso die Winter- und Frühjahrsmärkte. 21 -1794 stammten 24 Prozent aller auf dem Lauisermarkt aufgeführten Küheaus dem Entlebuch; die verkauften Wochenstiere machten sogar einen Anteilvon 41 Prozent aus. Über 12000 Gl flössen ins Land zurück, die 19 Prozent desgesamten Marktumsatzes bedeuteten; 1795 brachten die Pferde (Marktanteil8%), Kühe (32%) und Stiere (37%) 24 Prozent des gesamten Geldumsatzes.Knapp 800 Stück Vieh gingen in diesem Jahr vom <strong>Luzerner</strong> Markt weg «überden Berg». Während auf den kleineren Regionalmärkten vor allem Viehhändleraus dem Aargau und dem Bernbiet Entlebucher Vieh ankauften, lieferten dieBauern auf dem <strong>Luzerner</strong> Markt an Grosshändler, die aus dem Zwischenhandelüber den Gotthard einträgliche Geschäfte zu tätigen versuchten. 22Carl Anton Wella aus dem Roncatal kaufte 1787 von Entlebuchern 11 Stiereund 1 Kuh; Josef Anton Gobo von Biotta, Jakob Maria Guscher aus dem Livinental,Carl Josef Forni und die beiden Franz und Florian Zelio (Celio) vonAmbri trieben als welsche Viehhändler Entlebucher Vieh über den Gotthard.Auch Einheimische wie Nikiaus Banz von Entlebuch betrieben das Geschäftin grossem Ausmass, und es ist verständlich, dass ihr Kaufgut vor allem ausden Händen von Entlebuchern stammte. 1787 kaufte Banz in Luzern von Entlebuchern44 Kühe und 6 Stiere zusammen. Einen ähnlich grossen Bestandhatte Josef Staldegger von Wolhusen übernommen.Nur wenige Bauern trieben mehrere Tiere auf den Markt, wie aus der folgendenZusammenstellung hervorgeht:Tabelle 76 Viehverkäufe durch Entlebucher auf dem Lauisermarkt in Luzern (1787)Anzahl des verkauften Kühe StiereViehs (Stück) 1 2 3 4 5 u. m. 1 2 3 4Anzahl Verkäufer 66 23 8 5 2 36 6 - 1Man kann aus den Verkaufsgrössen schliessen, den Bauern haben beim Viehverkaufmöglicherweise das Entgelt der Zinsen an die Schuldherren in derStadt im Vordergrund gestanden. Der Herbstmarkt erlaubte ausserdem, diefür den Winter notwendigen Lebensmittel und Hausgegenstände zu erstehen. -Grössere Bestände wurden fast ausschliesslich von den reichen Ortsvorgesetztenauf den Markt aufgeführt 23 , denn auf dem Lauisermarkt werde «sehr viel20 StA LU Seh 920, «Aufgangslisten».21 Zu den einheimischen Märkten: Schnyder, Geschichte II, 222, 230, 253, 275.22 Marty 65ff.; Bemerkungen zu alten Entlebucher Viehhändlern: Pannermeister Emmenegger67. Der Anteil der über den Sattel- zum Brünigpass weggeführten Tiere, der wichtiggewesen sein kann, lässt sich nach den Quellen nicht quantifizieren. StA LU MB 1747 (312).219


verlohren, und büsset mancher auf einmal mehr ein, als er in acht- und nochmehr Malen gewonnen hat», bemerkt Schnyder kritisch. 24 «Beym Untersuchenwürde man diesen Handlungszweig wohl nicht so fruchtbringend, als nachtheiligerfinden.»Aus den erhaltenen Marktlisten geht hervor, dass der Südhandel den erstenPlatz einnahm. Die Viehverkäufe ins Bernbiet, die ja bekanntlich durch strengeExportvorschriften beschränkt werden konnten, sind mangels Ausfuhrlistennicht einzuschätzen, doch dürfte der Verkauf in dieses Gebiet wie auch insluzernische Mittelland im Vergleich zum Welschlandhandel hintan gestandenhaben. 25 Die trotz allem geringe Zahl der Tiere, die in den Süden verkauft wurden,lässt eine gewisse Marktflucht der Entlebucher vermuten. Man darf deshalbannehmen, der Restbestand zur errechneten Differenz der Sommer- undWinterhaltung von 2000 Tieren habe sich weniger aus einer jährlich auf denMarkt abgeschobenen Grosse zusammengesetzt als vielmehr aus einer grossenAnzahl von gedingtem Vieh, das im Spätherbst wieder zu den auswärtigen Eigentümernzurückgebracht wurde.Aus allgemeinen Bemerkungen von Schnyder und Stalder darf man schliessen,Schweine und Schafe seien alljährlich im Herbst abgesetzt und im Frühlingneue Ware angekauft worden. Für die Schafausfuhr mussten häufig Ausfuhrbewilligungenerlassen werden; die Überwinterung der Tiere hätte die Bauernvor unlösbare Probleme gestellt. So durften 1778 trotz allgemeinem Exportverbot«die magern» Schafe aus dem Entlebuch weiterverkauft werden. 26 Undnachdem man 1795 erfahren hatte, es seien genug Schafe, Ziegen und Böckeim Land, bewilligte der Rat den Export von zwei Dritteln des ganzen Bestandesauf die Märkte. 27Pferde wurden vor allem auf dem August-Markt in Malters gehandelt.Neben der Viehwirtschaft hatten einzelne Gewerbe für den Export einige Bedeutung.Der Holzexport und die Köhlerei 28 gerieten aber infolge der verschärftenBestimmungen über die Nutzung der Holzreserven unter die obrigkeitlicheKontrolle. In der Köhlerei wurden Kohlen und Asche für die einheimischenBetriebe der Heimarbeit hergestellt. Die Bleichen und Färbereienbenötigten wegen der ungenügenden Einrichtungen sehr viel Rohmaterialien.Die Holzflösserei wurde vor allem auf der Ilfis in Richtung Berner Mittellandbetrieben. 2924 Schnyder, Geschichte II, 163.25 Marty 46ff.26 StA LU RP 11. Sept. 1778, 312r; RP 1779, 3. Sept., 63r.27 StA LU RP 3. Aug. 1795, 303r; RP 12. Sept. 1794, 293.28 Zur Köhlerei: Siegwart L., Die Kohlenbrennerei im Napfgebiet, Schweiz. Archiv fürVolkskunde 26 (1925) 81-89; zur Holzflösserei: Studer O., Die Holzflösserei im Entlebuch;Emmenegger E., Das Entlebuch in vergangener Zeit 100; Dahinden 510ff.29 Häusler I, 235 ff. Inwieweit der Holzexport auf der Waldemme Richtung Luzern vonBedeutung war, lässt sich schwer abschätzen, denn in Exportgesuchen treten fast ausschliesslichMarbacher Leute auf.220


Das wertvollste Exportgut blieben im ganzen Jahrhundert die entlebucherischenArbeitskräfte.b) ImportgüterTrotz der Selbstversorgung und der Möglichkeit, einzelne Güter auf denNachbarmärkten einzukaufen, war man im Entlebuch dauernd auf den Importvon grossen Mengen einzelner lebensnotwendiger Güter angewiesen. Salz,Getreide und Wein waren die wichtigsten. Dazu kamen am Ende des 18. Jahrhundertseinige Luxusartikel, die vor allem einzelnen Bevölkerungsschichtenunentbehrlich schienen.Von hervorragender Bedeutung war das Salz, welches für Mensch und Tierin grosser Menge erforderlich war. Die Konservierung der Lebensmittel, vorallem des Käses, beanspruchte eine regelmässig verfügbare Reserve. Der alteLandvogt Balthasar berechnete allein für den Salzimport eine jährliche Summevon 25000 Gl. 30 Bei einem Salzpreis von 4 Sch/Pfund 31 entsprach dies einemBedarf von 1250 Tonnen. Dubois, welcher für das Wallis im 16. Jahrhunderteinen Kopfverbrauch von 12 kg pro Jahr errechnete, hebt die Bedeutung desSalzverbrauchs für eine Landwirtschaft, die Viehzucht und Käseproduktionbetrieb, hervor. 32 Auf der gleichen Verbrauchsmenge basierend, ergibt sich fürdas Entlebuch für die Zeit um 1780 der hohe Bedarf von 1290 Tonnen. - DasSalz wurde vor allem in der Stadt gekauft oder gegen einheimische Produkteeingetauscht; der Import aus dem Bernbiet war eher gering. 33 Die Organisationdes Salzvertriebs auf der Landschaft wurde von Verkäufern, die der Ratbestimmt hatte, besorgt, nachdem man die Salzgrempler bis Ende der 60erJahre den Wiederverkauf hatte betreiben lassen. 34Von Bedeutung war auch der Import von Genussmitteln, wie man aus denUmgeldrechnungen der Landvögte ersehen kann. 35 Wein wurde hauptsächlichaus dem Elsass eingeführt. 1791 schrieb Orelli, es werde «nur Elsasser getrunken,den der Wirth eines Orths einkaufft und verhandelt; den der Privatmannhat keinen eigenen Wein». 36 Neben der Zollbelastung von 25 Seh pro Saummusste für Wein auch das Ohmgeld erlegt werden. 3730 ZB LU, Ms 92 fol.31 StA LU MB 1797 (202).32 Dubois 619.33 Hauser M., 15; Glauser 60; Schnyder, Geschichte II, 117; Segesser III, 13. Buch, 49ff.34 LR Art. 215, Ziff. 3.35 StA LU, cod. 305.36 Orelli 72; Schnyder, Geschichte II, 161; Segesser III, 13. Buch, 41.37 Segesser III, 13. Buch, 41.221


Leider verfügen wir nur über wenige Preisangaben für Wein; da die WirtschaftspreiseSchwankungen unterworfen waren, fallen genaue Angabennicht leicht. 1677 hatte «ein Mass Win» 15 bis 16 Seh gekostet, 1753 zahlte manangeblich 12 Seh 38 , während man für gleichviel Most knapp 5 Seh bezahlte.Die Preise wurden aber sehr stark durch die Qualität und vor allem die Transportkostenbeeinflusst, denn der Konsument bekam schlussendlich die Umgeld-und zahlreichen Zollabgaben zu spüren. Die Wirte mussten daher öftersangehalten werden, die Preisaufschläge nicht überborden zu lassen, und 1749wurde mandatweise verfügt, sie dürften pro Mass nicht mehr als 4 Seh Gewinnnehmen. 39 Für schlechtere Weine durfte nicht mehr als 16 Seh, für mittleren18 Seh und für Qualitätsware 20 Seh pro Mass angeschlagen werden. 40 Für denLohnempfänger bedeutete dies, dass der Wein immer mehr zu einem Luxusartikelwurde. Am Ende des Jahrhunderts hatte ein Handlanger einen ganzenTag lang zu arbeiten, um sich mit dem Lohn 1 Mass guten Weines kaufen zukönnen.Der Wein war durch den wachsenden Branntweinkonsum verdrängt worden.Seit dem Beginn des Jahrhunderts hatte die Obrigkeit ein unermüdliches Gefechtgegen die Ausbreitung des Branntweinimports zu bestreiten. Obwohlbereits 1706 ein Mandat gegen den Verkauf und das Trinken erlassen wurde 41 ,blieb verbotener Ausschank in den folgenden Jahren ein häufig geahndetesDelikt. - 1745 schien der Rat zu resignieren und klagte öffentlich, das Übel seikaum mehr wegzubringen; das Umgeld wurde auf 10 Seh pro Mass erhöht undder Ausschank nur den Wirten gestattet. An Leute unter 15 oder 16 Jahrendurfte die Spirituose nicht mehr abgegeben werden. 42 Hingegen wurde zugestanden,das Getränk sei «in gewissen Fahlen zur Artzney» für Mensch undTier unumgänglich nötig. 43 - Der eigentliche Einbruch fallt in die Zeit nach1770. 1776 und 1777 waren noch Mandate erlassen worden, die den Branntweinkonsumtotal verboten 44 , aber im nächsten Jahrzehnt hatte er sich imEntlebuch seit 1750 verdreifacht. Selbst der Zöllner von Wissenbach widerstanddem einreissenden Geschäft nicht. Wegen permanenter Trunkenheit musste er1782 entlassen werden. 45Die Steigerung der Einfuhren geht aus der folgenden Zusammenstellung derUmgeldeinnahmen hervor:38 Lebensmittelpreise 1677 in einer Kirchturmschrift der Pfarrkirche Hasle, BHK 4, 29;Lebensmittelpreise 1753 von Landvogt Peyer-Im Hof, BHK 18 (1945) 225.39 StA LU MB 1749 (333).4 ° StA LU MB 1773 (100).41 StA LU MB 1706 (149).42 StA LU MB 1745 (271).43 StA LU MB 1745 (274).44 StA LU MB 1776/77 (143,152,153), 1780 (180-184, Aufhebung des Verbots). Vgl. Staatsökonomieprotokoll,cod. 5135, 139v.45 StA LU Staatsökonomieprotokoll, cod. 5135, 196ff.222


Tabelle 77 Durchschnittliche jährliche Einnahmen an Umgeld für Wein und Branntweinim Entlebuch von 1700 bis 1797Wein Branntwein1700-1709 113 Gl*1710-1719 96 Gl*1720-1729 145 Gl*1730-1739 200 Gl*1740-1749 173 Gl*1750-1759 191 Gl 80 Gl1760-1769 268 Gl 79 Gl1770-1779 233 Gl 63 Gl1780-1789 338 Gl 219 Gl1790-1797 435 Gl** inkl. BranntweinAuf die durchschnittliche Einfuhrmenge für das Jahrzehnt 1780/89 berechnetergäbe der Umgeldansatz einen Jahreskonsum von knapp 13 1 Branntweinpro Kopf der Bevölkerung. Wenn man auch annehmen darf, an diesem Konsumseien Reisende und durstige Fuhrleute stark beteiligt gewesen, anderseitsaber festgestellt werden musste, dass Schnaps vor allem von den Heimarbeiterngetrunken wurde 46 , nimmt sich die errechnete Konsumgrösse erschreckendhoch aus. Der «Entlebucher Kafe» war für viele zum Hauptgetränk geworden !Da der Wein- und Branntweinausschank vornehmlich Sache der Wirte war,organisierten diese meist auch Zufuhr und Verteilung der importierten Güter. 47Die Geschäfte wickelten sich im Tausch ab. Wein wurde gegen einheimischeErzeugnisse geliefert. Diese Gegenfuhren entlasteten den Kapitalbedarf, senktendie Transportkosten und ermöglichten eine speditive Lieferung der Güter. -Johann Georg Müller von Neuburg beispielsweise brachte 1789 gegen 500 Mass(über 800 1) Branntwein ins Entlebuch. Davon tauschte er in Entlebuch 100Mass gegen Käse ein. 48 - Einzelne betrieben den Spirituosenumsatz als lukrativesSchleichhandelsgeschäft. 49Die Einfuhr von Getreide, die nach Schnyder und Stalder oftmals unumgänglichwar, erfolgte aus dem <strong>Luzerner</strong> Mittelland. Ein Nachweis für den quantitativenBedarf des Imports kann nicht erbracht werden, doch durften die Entlebuchernur in guten Jahren auf Zufuhren rechnen. 1770/71 war auch aus demeigenen Stand Luzern mit Unterstützung nicht zu rechnen gewesen.46 Vgl. Kap. Ernährung, 4.5.47 Glauser 30f.48 Weitere Beispiele bei Glauser 31 f.; StA LU Staatsökonomieprotokoll, cod. 5135, 268f.49 StA LU Beispiele im Staatsökonomieprotokoll, cod. 5135, 200r, 216r, 219r, 235r, 236r,239 v.223


5.2 Das einheimische GewerbeHandwerkliche Berufe wurden im Entlebuch im 18. Jahrhundert meist alsNebenberufe ausgeübt. Die Nachfrage nach solchen Diensten war bis ansEnde des 18. Jahrhunderts kaum gewachsen, da sich die Bauern in der Regelselber zu helfen wussten. Lediglich für die Ausführung von Grossaufträgen(wie Kirchenbauten) waren Handwerker gesucht; in diesen Fällen lässt sichaber kaum entscheiden, ob die Schmiede, Maurer, Schlosser usw. auch tatsächlichihre Arbeit vollamtlich ausübten oder ob sie mit ihren Mitgenossenals Fronarbeiter an den Bauten mitwirkten.Bei einer Umfrage am Ende des 18. Jahrhunderts wurden für die einzelnenGemeinden folgende Handwerker genannt 1 :Tabelle 78 Anzahl einiger Handwerksbetriebe im Entlebuch um 1800Sattler Hufschmiede Wagner FlaschnerEntlebuch 1 2 -Schüpfheim 1 2 1Hasle - 1 1Escholzmatt 2 2 2Flühli - 1 -Romoos - 1 -Doppleschwand - 1 -SchlosserTotal 4 10Alle seien unbemittelt hiess es dazu, und man verfüge kaum über Vorräte anRohmaterialien. - Die Hufschmiede nahmen bezeichnenderweise den erstenPlatz ein. Die Pferde beanspruchten regelmässige Pflege. Aber auch die übrigenBerufe kann man mit dem Transportwesen leicht in Verbindung bringen;Wagner und Sattler richteten Geschirr und Wagen zurecht.Die Bewilligung zur Ausübung eines Gewerbes war im 18. Jahrhundert nurschwer zu erlangen. Realrechte wurden von den alten Besitzern eifersüchtiggewahrt, und die Errichtung neuer Betriebe stiess sofort auf den Widerstandder konkurrenzneidischen Gemeinden. 2 Mangelnden Arbeitsmöglichkeiten imAmt mussten daher zahlreiche Leute mit Arbeitsübernahme in anderen Gebietenbegegnen. 3Gesuche um Eröffnung eigener handwerklicher Betriebe waren im 18. Jahrhundertrelativ selten, und nur wenige Gewerbe, die landesspezifischen wirtschaftlichenInteressen dienten, waren gesucht. - Andreas Zihlmann erhielt1 StA LU Akten 27/56 A.2 Vgl. Kap. Heimindustrie, 5.2 a); zur Bedeutung der Ehehaften vgl. Gmür 3.3 Vgl. Kap. Wanderungen, 3.5 c).224


1784 die Erlaubnis, in Escholzmatt eine Gerbe zu errichten. 4 - Dem Josef Limacherhingegen setzten sich die Gerbermeister des Amtes entgegen undverhinderten die Errichtung einer Gerberwerkstatt in Schüpfheim. 5 - JohannStadelmann durfte 1783 in Escholzmatt eine Schleife einrichten und zahltedafür dem Landvogt 10 Seh Zins. 6 Peter Brun hatte bereits 1751 in Schüpfheimeine solche Werkstatt eröffnen wollen, da man sonst ins Bernbiet gehenmüsse. 7 - In Entlebuch durfte Josef Banz 1778 eine Ziegelhütte bauen. 8 Denzahlenmässig grössten Anteil an ausserlandwirtschaftlichen Betrieben machtenbei dem festgestellten intensiven Getreideanbau verständlicherweise die Mühlenaus. 9 Die Müller scheinen hier aber nicht die einflussreiche Stellung eingenommenzu haben wie andernorts. Das mag auf den Umstand zurückzuführen sein,dass die meistangebaute Getreidesorte, die Gerste, ungemahlen Verwendungfand und damit den Gang in die Mühlen nicht anzutreten hatte.Unter den zeitgenössischen Gewerben nahmen einzelne eine besondere Stellungein, da sie - aus verschiedenen Gründen - unter starker obrigkeitlicherAufsicht und Förderung standen. Zu ihnen zählten die Salpeter sieder. Diesevom Rat ernannten Leute waren mit Vollmachten ausgerüstet, in den Ställennach dem Salpeter, der als ein der «hohen Lands-Obrigkeit zuständiges Regale»angesehen wurde, zu graben. 10 Im Entlebuch waren 1749 ungefähr 10Leute mit dieser für die Schiesspulverfabrikation des Standes Luzera wichtigenAufgabe betreut. - Eine bedeutungsvolle Arbeit leisteten auch die (waldschädigenden)Harzer, welche den Rohstoff für die Beleuchtungen sammelten. VomSeptember 1797 bis Mai 1798 lieferten die vier Entlebucher Harzer immerhin328 Pfund im Wert von knapp 70 Gl ins Zeughaus ab. Die Vier hatten demnachin der Zeit von 8 Vi Monaten für einen Taglohn von knapp 3 Seh gearbeitet.Es war ein Arm-Leute-Beruf.Das Glasgewerbe konnte dank obrigkeitlichem Schutz ein bedeutender Industriezweigwerden. 11 - 1723 waren die Gebrüder Josef, Peter und MichaelSiegwart aus dem Schwarzwald mit einem Geleitschreiben des Abtes vonSt. Blasien und mit Privilegien der luzernischen Obrigkeit ausgestattet, insEntlebuch eingewandert. In der ersten Zeit (1725-1735) stellte man vor allemGlaswaren (bemalte Teller, Krüge, Flaschen usw.) auf kunstgewerblicherBasis her. - In der Glashütte Sörenbergli (1741-1759) fabrizierten späterHans Georg und Anton Filiinger, Josef Bernhard, Anton Griner, Anton4 StA LU RP 28. Juli 1784, 197v; Gerbermandate vgl. MB passim.5 StA LU RP 28. Juli 1794, 178r; neues Gesuch: 28. März 1799 (Akten 27/62 D).6 StA LU RP 2. April 1783, HOv; Seh 489.7 StA LU Seh 489.8 StA LU RP 2. Febr. 1778, 236a.9 Bühler 85.10 Schmid J., Vom Salpeter zum <strong>Luzerner</strong>pulver; Segesser III, 13. Buch, 59 ff.11 Bühler 84f.; Siegwart L., Die Glasindustrie im Entlebuch 313ff.; weitere Literatur imSchrifttum 203 f.225


und Josef Siegwart, Josef Baumgartner und Josef Schmid gewöhnlichesHohlglas und Scheiben. Man arbeitete mit der Glashütte Schangnau (BE)zusammen, die während des Winters betrieben wurde. - 1741 wandertenerneut 10 Glasmacher mit Familien aus dem Schwarzwald ein und Hessen sichin Romoos nieder. - Die Glaser konnten sich zur Zeit der Einwanderung dankder Holzreserven konkurrenzlos die besten Standorte aussuchen. So wurden dieNiederlassungen vor allem direkt an den Bächen, die die HeranschafFung desHolzes erleichterten, errichtet. Die ersten Fabrikate, deren kunstgewerblicheQualität als hochstehend bezeichnet wurde, schufen den entlebucherischen Glashütteneinen guten Namen und waren den umliegenden Glasbetrieben einescharfe Konkurrenz. 12 Der zunehmende Holzmangel und der Unwille der einheimischenBevölkerung über die Privilegierung der Glasermeister machten aberdie Ausübung des Gewerbes immer schwieriger. 13 - Die Hütten wurden zuständigen Standortwechseln und intensiverer Zusammenarbeit gedrängt. Waren1745 noch vier Hütten in Betrieb, so blieb 1781 nur noch die Glashütte Kragenübrig, die zur Massenfabrikation von Hohlgläsern überging. Nachdem jederGlasermeister bisher auf eigene Rechnung gearbeitet hatte, wurde der Betriebnun kollektiv geführt.Die alten Glashütten waren einfache Holzbaracken. Ihr wertvollster Bestandteilwar der Glasofen, der aber nur für einige Monate in Betrieb stand und dannerneuert werden musste. 14 Die Öfen benötigten etwa das Doppelte bis Dreifachejener Menge Brennholz, die im 19. Jahrhundert gebraucht wurde. ZurHerstellung von 100 kg Glas waren ungefähr 100 m 3 Holz nötig. Als Rohmaterialkam im waldreichen Entlebuch Holzasche und die später daraus gewonnenePottasche in Betracht, wobei die Pottasche (K2CO3) die Hauptrolle spielte.Holzaschen und Aschen einiger Pflanzen bildeten die alleinigen Rohmaterialienfür die Gewinnung der Pottasche, die in der Kalzinier- oder Sudhütte hergestelltwurde. Für 100 kg war die Veräscherung von 180 m 3 Holz nötig; dazu kamendann noch 5 bis 6 m 3 zum Sieden und Kalzinieren. Die Pottasche wurde nununter sehr hoher Temperatur geschmolzen und lieferte beim Erstarren undErkalten das Glas.Die Glasindustrie hatte auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region deshalbkeine grössere Einwirkung, weil sich die Glaser gegenüber den Einheimischenziemlich stark abkapselten. Sogar Holzfäller wurden aus dem Schwarzwaldhergeholt. In der Bevölkerungsliste von 1782 Hess der Pfarrer in Romoos dieDistanz zu den «Fremden» merken : Er führte die Glaser von den Einheimischengetrennt auf. Die 151 Glaserleute machten nach dieser Zählung an der Dorfbevölkerungeinen Anteil von 15 Prozent aus. - In der Marbacher und SchangnauerHütte waren dagegen mehr Leute beschäftigt, so dass Leonzi Huber1769 die Glaserleute für den Ankenmangel verantwortlich zu machen suchte:12 Häusler I, 224.13 Vgl. Kap. Wald, 4.2.14 Grossmann 250 ff.226


«Es seyen in der Fabrique in beyden Glashütten bey 700 Personen ohne dieGlastrager zu ernehren.» 15 - Im Kragen in Flühli bildeten die Glaser ein Dorfim Dorf. Hier hatten sie eine Kapelle 16 , ein Wirtshaus, ein Badhaus 17 und 6 Familienhäuser18 gebaut. In einem Akkord mit den Escholzmattern sichertensich die Glaser gegen Zins Grund und Boden für die Sommerung von 10 Tieren,die ihnen die Lebensmittel lieferten. 19 Das kärgliche Angebot erweiterten siemit der Pflege einiger Reben am Kragenberg. 20 Der Wein war wohl so sauer wiedie Arbeit.a) Das Aufkommen der HeimindustrieIm Entlebuch war Spinnen und Weben eine alte Nebenbeschäftigung, da aus derGarnverarbeitung selbstversorgend die wichtigsten Bekleidungsstücke und diefür die kalte Winterszeit notwendigen wärmenden Bettücher und Decken hergestelltwurden. - Der verkehrstechnisch ungünstig gelegenen Region erlaubtedie Obrigkeit die Errichtung von Färbereien und Tuchwalken, welche die Verarbeitunggewöhnlicher Landtücher ermöglichten. Die Rohstoffe Flachs, Werchoder Risten wurden aus der eigenen Landwirtschaft gezogen. 1692 beispielsweisegingen in Romoos 20 Pfund Risten, in Schupf heim 61 Pfund Werch und10 Pfund Flachs als Zehntablieferungen ein. 21 1764 verzeichnete der EntlebucherPfarrer im Zehntbuch 200 Pfund Flachs; der Schüpfer Zehntertrag betrugfür 1782 etwa 78 Pfund Werch und 142 Pfund Flachs. 22 - Ursache desBrandes im Pfarrhaus Romoos, bei welchem auch das Taufbuch verloren ging,war bekanntlich auf dem Ofen getrockneter Flachs gewesen. 23Im Laufe des 18. Jahrhunderts gewann das Heimgewerbe an Bedeutung. DieVoraussetzungen seiner Wertsteigerung sind aus einigen früheren Kapitelnleicht herzuleiten. Schon Braun hat auf die Wichtigkeit der natürlichen undrechtlich-sozialen Voraussetzungen für den Industrialisierungsprozess hingewiesen.24 - Obwohl die Heimindustrie im Entlebuch keine gleichermassen veränderndeAuswirkung auf die Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur zeitigte,weil sie über den Rang eines Nebengewerbes nicht herauszuwachsen vermochte,weisen einige Parallelen in der Ausbreitung des Heimgewerbes auf ähnlicheVoraussetzungen wie im Zürcher Oberland hin.Der schwer lastende und besitzbedrohende Geldbedarf für die Zins- und15 StA LU Protocoll der Victualienkammer, cod. 5650, 20r.16 Bühler 86.17 Siegwart L., Die Glasindustrie im Entlebuch 323.18 Schnyder, Geschichte II, 246.19 StA LU Seh 490.20 Bühler 23.21 Bodmer 32, 159f.; Walken in Entlebuch (1651), Schüpfheim (1658); die Gespinsterträgevon 1692 werden von den Pfarrherren als gering bezeichnet, StA LU Seh 907.22 Zehntenbücher Entlebuch, Schüpfheim.23 Anniversaria Ecclesiae, Pfarrarchiv Romoos.24 Braun 20ff.227


Schuldendeckung war zweifellos ein treibendes Element für die Hinwendungauf ausserlandwirtschaftliche komplementäre Betätigung, für welche sich jabesonders die lange Winterszeit anbot. 25 In dieser Saison war auch das Angebotan auswärtigen Arbeitsplätzen äusserst gering, nachdem schon in den Sommermonatenviele Arbeiterinnen und Arbeiter als Saisonaufenthalter kurzfristigausser Landes weilen mussten. Obwohl die fremden Dienste im 18. Jahrhundertnoch eine bedeutende Rolle spielten, vermochten sie den einheimischenArbeitsmarkt nur wenig zu entlasten. - Einflussreicher als diese Faktoren wurdenaber auch im Entlebucher-(wie im Zürcher-)Gebiet die rechtlich-sozialenBedingungen, welche das Aufkommen der Heimarbeit und deren grosse Verbreitungzu fördern vermochten. - Die der Hochwaldteilung folgenden rigorosenAbsperrmassnahmen gegen Neueinbürgerungen, die in allen drei Ämternähnlich forciert betrieben wurden, schufen ein politisch-soziales Proletariat,welches von der Organisation und Nutzung des Allgemeingutes ausgeschlossenblieb. 26 - Zu den Bei- und Hintersassen gesellte sich die Schicht der verarmtenLandleute, die wegen der Beschränkungen, welche ihnen ihre Mitlandleutein der Hochwaldnutzung auferlegten, nach ergänzender Beschäftigung suchenmussten. Den Bei- und Hintersassen waren ausserdem Wohnortswechsel inandere Ämter untersagt.Die betriebswirtschaftlichen Bedingungen erleichterten den Zugang zumGewerbe. Die von Anbauvorschriften freien Entlebucher Bauern konnten Hanfund Flachs nach eigenem Gutdünken und Bedarf anpflanzen. - So hatten von187 Haushaltungen im Jahr 1782 123 oder 66 Prozent Flachs oder Werch verzehntet27 ; nach Haushaltgrössen waren die Anteile wie folgt vertreten:Tabelle 79 Flachsanbau in Schüpfheim nach Haushaltgrössen (1782)Haushaltgrösse Flachsanbau(Personen) ja nein1 - 12 8 83 5 114 25 105 22 126 22 87 16 108 6 49 810 711 313 1 1_Total 123 64_as StA LU Akten 27/56 A, Umfrage der helv. Regierung, 1. Jan. 1799, (Fabriken, Manufactured);Vgl. Kap. Die Wanderungen, 3.5 c); Bitzi A., Probst Matthias Riedweg 242.26 Ähnliche Verhältnisse herrschten im Emmental: Vgl. Geiser K., Handel, Gewerbe undIndustrie im Kt. Bern, passim; Kap. Das Armenwesen, 3.5 d); Das Hochwaldwesen, 4.3.27 Zehntenbuch Schüpfheim.228


In den kleineren Haushaltungen wurde eher auf Flachsanbau verzichtet als inden grösseren. 56 Prozent der Flachsernten sind für die Haushalte mit 4, 5 oder6 Personen zu verzeichnen, 52 Prozent mit 3, 4 und 5 Leuten unterliessen denAnbau, während man diesen in allen grossen Haushaltungen intensiv pflegte. -Das Heimgewerbe erhielt damit in den kinderreichen Familien eine wichtigeBedeutung und die Arbeitskraft der jungen Leute wurde schon frühzeitig eingesetzt.War anfänglich Hanf- und Flachsverarbeitung lediglich zur Deckung desEigenbedarfs betrieben worden, so scheint sie im Laufe des Jahrhunderts durchdie Ausweitung der Handelsbeziehungen - vor allem ins Bernbiet - einemächtige Steigerung erfahren zu haben, wobei sich die Entlebucher Beziehungenzum bernischen Markt aus den von jeher engen marktwirtschaftlichenBindungen an das Emmental in natürlicher Weise entwickelten. 28 Die beidenRegionen profitierten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts von der Verschiebungder Hauptzentren der Leinenverarbeitung aus der Ostschweiz in den unternAargau und in die östlichen, ländlichen Gebiete des Standes Bern. 29 - Währendim Aargau auch die Verarbeitung von Baumwolle bedeutend war, betrieb dasdurch Flachs- und Hanfanbau mit Rohstoffen versorgte Emmental fast ausschliesslichLeinenweberei, welche dank obrigkeitlicher Unterstützung raschaufblühte. 30Im luzernischen Gebiet war die strenge Handhabung der zünftischen Ordnungder grösste Hemmschuh für die Entwicklung einer eigenen lebensfähigenIndustrie. Luzern war zwar keine Zunftaristokratie, aber auf wirtschaftlichemGebiete galt die zünftische Ordnung des Handwerks so gut wie in den eigentlichenZunftstädten. 31 - Auch auf der Landschaft wurde die Verbreitung vonGewerben durch die Interessenvertretungen von Gesellschaften und zunftähnlichorganisierten Handwerkergemeinschaften erschwert. Dem wachsendenBedürfnis nach einheimischen Unternehmen wurde nur zögernd entsprochen;die Konzessionäre, welche bereits eine Bewilligung innehatten, beharrten eifersüchtigauf ihren Vorrechten und behinderten das Aufkommen von weiterentuchverarbeitenden Betrieben. - So wurden zur Führung einer Färberei LehrundWanderzeit und Prüfungsanforderungen genau festgelegt. 32 - FranzKoch in Entlebuch wurde der Betrieb einer Färberei nur unter der Bedingunggestattet, dass er sich «nach Handtwercks Bruch und Recht» verhalte. 3328 Fassbind, Schappe-Industrie 35; zu den Bemühungen der Stadt Luzern für die (rnisslungene)Einführung der Textilindustrie vgl. Fassbind, Schappe-Industrie 35ff.; Fassbind,Das in Luzern verunglückte Florettseidengewerbe 1702-1723; Bodmer 182: Bircher nimmtdas Bestehen von Heimindustrie neben der Alpwirtschaft und Ackerbau zum Anlass, dasEntlebuch nicht mehr zum Hirtenland zu zählen. Bircher 6.2 9 Bodmer 205, 223, 173ff.; Bein 59, 61 ; Steiner, Gericht Reinach 246ff.; Siegrist 36ff.30 Bodmer 162, 204f.; Bein 13, 17, 40, 45ff., Bemühungen der Ökonomischen Gesellschaft47; vgl. auch Pfarrerberichte von 1764; Feller III, 131 ff., 540ff.; Schneider H, 31 f.3i Gubler 66.3 2 Gubler 66f.; StA LU RP 6. Juli 1731, 341 r.33 StA LU RP 11. Febr. 1733, 171 v.229


1719 war L. Stadelmann die Errichtung einer «öffentlichen Färb» verbotenworden; er durfte nur «gleich anderen Landlüthen im Landt Entlibuech färben».34 - Christian Glanzmann, der 1759 die Entlebucher Färberei gekaufthatte, beklagte sich vor dem Rat, die Meisterschaft der Färber wolle ihn «zünftig»machen, obwohl er sich von den Entlebucher Geschworenen habe sagenlassen, dass das Land zunftfrei sei. 35 Und Franz Hofstetter in Entlebuch wurdedie Färberei nur zugesprochen, wenn «er nach Handwerks Brauch und Rechten,die Färberprofession lehrnen, sich aufdingen, ledigsprechen, wanderen undzum Meister machen lassen» werde. 36 - Schupf heim, wo 1777 eine neueTuchwalke gewünscht wurde, erlitt durch die Einsprachen der Escholzmatterund Entlebucher vorerst eine Abfuhr, da der Ort schon eine Walke besitze. 37Das Entlebuch erscheint um 1770 als eine der bernischen Landschaft vorgelagerteindustrialisierte Zone, in welcher fast ausschliesslich die Spinnerei undWeberei von Leinwandtüchern vorherrschte. Die Hauptgeschäftsadern führenins Emmental mit den Zentren um Langnau, weiter nach Burgdorf, Herzogenbuchsee,Langenthai und in den unteren Aargau. 38 Emmentaler waren beimErlernen des Handwerks behilflich: Hans Zihlmann von Marbach trat 1776vor den <strong>Luzerner</strong> Rat, um die Errichtung einer «Garn-Baue» zu erbitten 39 ;er wolle «selbe einem Berner auf gewisse Jahr» verpachten, der «ihne sodanne indem Garnbauen unterrichten werde». - Im unteren Entlebuch wurde Baumwolleverarbeitet, die von Verlegern aus dem <strong>Luzerner</strong> Mittelland und demAargau eingeführt wurde. Sogar aus dem Elsass wurde Rohstoff angenommen.40 - Die expansive Entwicklung der Heimindustrie machte die Einführunglokaler Märkte notwendig. 1777 bewilligte der Rat einen öffentlichen Markt,der probeweise und für ein Jahr lang «wegen der im Land verarbeiteten Baum-Wollen» abgehalten werden könne. «Zu Behuf dasiger Spinnern» wurde späterin den drei Ämtern ein wöchentlicher Markt gestattet. 41Wer betrieb die Heimarbeit? «Vorzüglich trägt die Spinnerei mit Baumwolle,Hanf- und Flachswerricht, besonders für die ärmere Klasse, die sich damitganz abgiebt, sehr viel ein», schreibt Stalder. 42 Vor allem jene Bevölkerungsschichten,die «oft nicht so viel Wiesengrund besitzen, durch dessen Nutzbarkeitsie sich, und Weib und Kind, nebst der Auslage der darauf haftendenGültzinsen ernähren können», fanden in der Heimarbeit ihr Brot. Neben an-34 StA LU RP 24. Mai 1719, 52r.35 StA LU RP 19. Mai 1759, 66 r.36 StA LU RP 23. Mai 1764, 196v; Hofstetter war «in der Strumpf und Kappenfabriquemit denen Herren Balthasar und Grinen von Solothurn associert».37 StA LU RP 29. Dez. 1777, 220v; 10. Jan. 1778, 225r; 23. Jan. 1778, 231 v (Bewilligung)38 Bodmer 205; Gubler 68ff.; Wartmann, Blatt I.39 StA LU RP 28. Febr. 1776, 292r.40 Bodmer 223; Siegrist 47; Bein 49.41 StA LU RP 29. Dez. 1777, 220v; alle 14 Tage Donnerstag-Markt in Schüpfheim; RP13. März 1786, 31 r.42 Stalder, Malerische Skizze über das Land Entlebuch 63; Fragmente I, 206 ff.230


deren handwerklichen Gelegenheitsarbeiten betätige man sich als Schneiderund Weber «für den entlebucherschen Kotton sowohl als Leinwand, wolleneZeuge, Strümpfe und Mützen». Die Frauen (und oft auch die Männer) würdennach der Feldarbeit mit ihren Kindern Hanf, Flachs und Baumwolle spinnen,«deren Ertrag den reicheren Bauermädchen köstlichere Kleider, [.. .] ärmernFamilien bald reichlichen, bald kärglichen Unterhalt abwirft, je nachdem dasGarn beym Emmenthaler- und Aargäuer-Handler einen Absatz findet. Oft(besonders zur Winterszeit), machen die Spinnerinnen einander freundlicheBesuche, sitzen beysamen bis in die späte Nacht, trillern lustige Lieder oderfaseln mit einander von Dorfneuigkeiten und ihren Geliebten, indess sie denblitzschnellen Faden belecken, und das kreisende Rad denselben hineinschnurrt.»- Der Verdienst aus der Heimarbeit komme nicht nur den notleidendenArmen zugute, berichteten im Jahr 1777 Pannermeister, Siegler,Weibel und Geschworene des untern Amtes. 43 Das Geld werde auch «vonvillen geringen Bauers Leuten so mit filen Kindern behafftnet und anmit zuomoffter Zins und Zaligen erlegen könen» verdient; «wo ansonsten schon mancheruff die Gant gekommen» wäre; ohne Spinnerei bekäme man das ganze Amtvoller Bettelgesinde und vielleicht würde «manckhes kleins Hangbürly veruffahlen».- Weber gebe es «sehr viele», schreibt Schnyder, «aber fast alle sindnur so, so eingerichtet, und bringen es gar nicht weit». 44Als sich die Handelsbeziehungen in die anderen Stände so stark ausweitetenund die Einheimischen wohl infolge des weniger gut organisierten Gewerbesdie Konkurrenz empfindlich zu spüren bekamen, griff die Obrigkeit ein undschränkte die Annahme von Arbeit von Seiten Fremder drastisch ein. 45 Falls«jemand von unserer Burgerschaft unseren Angehörigen auf der LandschaftSeiden, Baumwollen oder anderes zu kämlen, spinnen oder sonsten zu verarbeitenübergeben wollte, (solle) ein solcher Burger vor den Fremden denVorzug haben». - 1777 wurde durch ein Mandat der Verkauf von Baumwollgespinstenausser Landes verboten und bestimmt, diese seien an die einheimischenTuchmacher abzugeben. Die Spinner dürften die ihnen anvertrauteWare ausserdem nicht verkaufen. Pro Amt wurde nur ein einziger Trager oderFergger geduldet, wo sich Tuchmacher befänden gar keiner. Gleichentagswurde die Annahme fremder Webereien zum Bleichen und Färben verboten,da der Mangel an Holz und Aschen eine Ausweitung des Gewerbes nicht mehrzulasse. - Im unteren Entlebuch reagierte man auf diese Beschränkungen undgelangte an den Landvogt und trug ihm vor, «wie dass sich in unserem AmptEntlebuoch hin und wider ville Arme und Weisslinge» wegen dieses Baumwollmandatsbeklagt hätten : «Dass wan solche Bauwullen von Stat oder Land nur43 StA LU Seh 489, 13. Febr. 1777.44 Schnyder, Geschichte II, 161, 160, 154.« StA LU MB 1765 (198), 1777 (148, 149, 150), 1786 (244), 1794 (128); Seh 489, 13. Febr.1777; Staatsökonomieprotokoll, cod. 5135, 140f., 142v. Zur Zollorganisation: 200r, 202v,21 Iff.231


alleinig von einem Herrn solte uss gegeben warden und angeschafft», seienLohneinbussen zu befürchten. Man könne sich dann seinen Lohngeber nichtmehr aussuchen und die bestbezahlte Arbeit annehmen. Bisher hätten sich dieArmen und Waisen vor allem bei den guten Lohnherren eingefunden und«offt in der Wuchen mit ein halben oder gantzen Pfund zuo den Ussgeberenkomen könen» und «von solchen dass Spinnerlöndle» empfangen, «damit sysich überige Tagen der Wuchen ussbringen und dess Bäteis Entgehen möchten».Neben den Armen traten auch einige Verleger auf und brachten vor, «dasssy die Bauwulen hin und wider an sich bringen, alwo sy vermeinte, am Meistenzuo bekomen, damit sy den notdürfftigen Spinern auch desto mehrer Spinerlohngeben könnten [...]». Das sei ihnen nur möglich, weil sie sich mit kleineremVerdienst zufrieden gäben, «selbsten uff- und abfüöhren und trägen könen,auch an den Spessen genauer laben». - Wie aus einem zwei Monate später verkündetenMandat hervorgeht, versuchte die Regierung aufgetretene Missbräuchezu beseitigen. Misstrauen wurde vor allem den Zwischenhändlern entgegengebracht,welche die Verlegerpreise für Baumwolle unterboten und dadurcheiner Monopolisierung der Handelszentren und Verlegerorganisationenentgegenwirkten. 46 Den Spinnern wurde zwar erlaubt, für Fremde oder Einheimischezu arbeiten; sie sollten j<strong>edoc</strong>h «die rohe Ware selbst abholen und dasGespinnste an seine Behörde, nämlich dem Eigenthümer zurück tragen und denLohn abzuverlangen verbunden» sein. Der Zeitverlust falle durch den Besuchder nächstgelegenen einheimischen Händler und Wochenmärkte kaum insGewicht. Als Träger dürften nur diejenigen auftreten, welche von einheimischenHändlern bestellt waren oder solche, «welche auf eignen Kredit oderVerlag sich mit der Spinnerey abgeben wollen». Diese dürften nur im eigenenLand und auf den vorgeschriebenen Wochenmärkten auftreten. 47Obwohl das Entlebuch von Luzern verschiedentlich auf die Einhaltung derMandate hingewiesen wurde, pflegte es intensive Beziehungen zum standesfremdenEmmental und überliess die verlegerische Organisation fast ausschliesslichden Bernern. Anton Lauber von Romoos beispielsweise hatte bei SamuelBizius und Oswald Probst von Langnau Flachs übernommen und an armeLeute zum Spinnen verteilt. 48Über die aus Spinnerei und Weberei erzielten Einnahmen steht nur spärlichesZahlenmaterial zur Verfügung; diesem ist aber zu entnehmen, dass die Heimindustrieeine gewichtige Rolle einnahm. - In den beiden oberen Ämtern werdeweniger Baumwolle gesponnen, wird aus dem unteren Amt berichtet; hier aberwürden «ville thaussent Guldin an Silber und Gold in dass Ampt härein körnen».49 - In Escholzmatt und Marbach, wo (nach Stalder) das feinste Flachsgarngesponnen wurde, gab es Mädchen, die an einem Pfund Flachs 40 bis46 In Bern «Nothkäuffer» genannt: Fetscherin W., 122.47 Märkte: Stadt (Dienstag), Willisau (Mittwoch), Sursee (Donnerstag).48 StA LU Turmbuch, cod. 4835, 26. Aug. 1772, 244v.StA LU Seh 489, 13. Febr. 1777.232


50 Batzen Spinnerlohn verdienten. Es gebe Familien, die aus der Heimarbeit ineinem Jahr zwischen 200 und 300 <strong>Luzerner</strong> Gulden zögen. Der Pfarrer schätzteden Jahresertrag auf 40000-50000 Gulden, «und oft noch mehr». 50 Balthasarist dazu eine «oeconomische Tabelle» zu verdanken, aus welcher sich der Stellenwertder Heimarbeit innerhalb der gesamten Entlebucher Produktion ersehenlässt. 51 Danach ergaben sich folgende Ertragsbilanzen:Tabelle 80 «Haushaltsrechnung» für das Amt Entlebuch am Ende des 18. JahrhundertsEinnahmen in Gl in Prozent- Käse 150 000 54- Spinn- und Leinenweberei 80 000 28- Viehverkauf, Italientrieb 50 000 18Total 280 000 100Ausgaben- Zinsen 180 000 72- obrigkeitliche Gebühren, Bussen 24 000 10- Salz 25 000 10- Korn, Kleidung, Tabak, Spezereiwaren «nebst mehrernandern dergleichen nöthig und unnöthige Dinge» 20 000 8Total 249 000 100überschuss 31000Mehr als ein Viertel der Einnahmen resultierte aus der Heimindustrie; nebenden Erträgen der Landwirtschaft belegte diese Sparte mit 40 Prozenten desKapitaleingangs einen wichtigen Anteil. - Aber beinahe drei Viertel aller Einnahmenwurden durch Zinszahlungen wieder verschluckt.Nach pfarrherrlicher Ansicht hätten zwar die Entlebucher die Erträge aus derHeimindustrie noch bedeutend steigern können ohne dadurch die Landwirtschaftschädigen zu müssen. 52 Das wäre zu erreichen gewesen, «wenn der Entlebucherdas selbst thun würde, was der Emmenthaler und Aargäuer mit so vielVortheil thut; nämlich das gesponnene Garn selbst weben, das Stück bleickenlassen und dann damit Handelschaft treiben. Aber die gemächliche Ruhe desHirtenstandes, und eine angeborne fröhliche Trägheit hindern fast jeden andernspekulativen Kunstfleiss, der nicht in die Verwandtschaft seines Gewerbes einschlägt.»50 Stalder, Fragmente I, 208, 209; Malerische Skizzen über das Land Entlebuch 63. - DerTaglohn eines Handwerkers beläuft sich zu dieser Zeit auf ungefähr 30 Batzen.Leider erfährt man aus den bernischen Arbeiten, die in diesem Kapitel benutzt wurden,über den Leinenhandel, den Anteil und die Bedeutung der entlebucherischen Produktion fürden bernischen Markt wenig.51 Balthasar J. A. F., Manuskript für seine «Merkwürdigkeiten», ZB LU, Ms 92 fol, 156 ff.Die Berechnung sei «zimlich ideal».52 Stalder, Fragmente I, 140f., 209.233


5.3 Die Entwicklung der Preise im 18. JahrhundertBereits im Abschnitt über die Bevölkerungsentwicklung musste regelmässigauf die hervorragende Bedeutung der Preise hingewiesen werden. 1 In diesemKapitel sollen nun einige Preisreihen verschiedener Produkte (Getreide, Käse,Vieh) einer gesamthaften Betrachtung unterworfen werden, damit die Tendenzder allgemeinen Preisentwicklung im 18. Jahrhundert aufgezeigt werden kann.Die Getreide waren die einflussreichsten Preismacher. «Elles jouent le rôle de«variable dominante» dont les fluctuations ont un caractère «moteur» quant aucoût de la vie.» 2Für die Untersuchung der Entwicklung der Getreidepreise können wir über einbeachtliches Informationsmaterial verfügen, da im Staatsarchiv Luzern fürfast hundert Jahre geschlossene Preisreihen der wichtigsten Getreide vorliegen. 3Die Helvetische Regierung hatte eine Zusammenstellung der durchschnittlichbezahlten Getreidepreise angefordert, die von Beamten der einzelnen Kaufhäuserund Stifte ausgeführt wurde. Für das Gebiet des Amtes Entlebuchmusste nun allerdings der Bericht aus einem anstossenden Gebiet zu Hilfegenommen werden, da für das Amt selber keine langfristigen Angaben gefundenwerden konnten. Die Preisangaben aus dem kleinen Weiler Schwarzenbachbei Wolhusen, welcher kaum einige Kilometer ausserhalb des Amtes liegt,dienten dabei als Unterlagen.Nun spiegeln aber diese Listen die realen Marktverhältnisse nur unklar wider,da ja die Getreideerträge bekanntlich - je nach Ernteausgang - sehr starkensaisonalen Schwankungen unterworfen waren. Bereits vor dem Einbringen derErnte wurden die Früchte einer intensiven Preisspekulation ausgesetzt. ImGefolge einer Missernte erwartete man den Ausgang der nächsten mit grosserSpannung. Die Obrigkeit hatte in solchen Zeiten dauernd gegen allzu frühesEinernten zu kämpfen. Schlechte Ernteerträge hatten eine starke Preishaussezur Folge, welche sich vom Ernteausgang bis in den nächsten Frühsommer rapidsteigerte. Die Auswirkungen von solchen kurzfristig angespannten Preislagenauf die Bevölkerungsentwicklung und die damit verbundene ausserordentlicheBedeutung des Erntejahres ist bereits dargestellt worden. 4 Die benützten Datensind daher nur als Mittelwerte anzusehen und täuschen über die Marktrealitätenhinweg. Trotzdem dürfen sie für die Betrachtung der langfristigen Preisentwicklungbenützt werden, da ja nicht mehr das Einzelereignis im Vordergrundsteht. - Die langfristige Entwicklung kann aus den entsprechenden Graphikendeutlich herausgelesen werden 5 , etwa die Periodisierung von Zeiträumen mit1 Vgl. Kap. Die Sterblichkeit in Krisenzeiten, 3.4 c).2 Poitrineau 393 f.3 «Verzeichnis der von verschiedenen Orten eingegangenen Preise der ZehendpflichtigenFrüchten von 1700-1800», StA LU Akten 27/1 D; Tabelle 81.4 Vgl. Kap. Das Erntejahr, 3.1 b); Die Sterblichkeit in Krisenzeiten, 3.4 c); Das Jahr 1770/71,3.4 d).5 Graphik 23.234


Tabelle 81 Mittlere Korn- und Hafebach bei Wolhusen (in !Korn Hafer1700 732 4841701 534 3781702 641 5301703 535 4541704 481 4161705 4481706 430 3501707 430 3451708 676 3201709 676 5351710 722 5701711 580 4901712 820 6921713 886 6801714 780 5901715 640 5301716 590 49517171718 500 3331719 456 3101720 560 5051721 585 5201722 580 5161723 490 3901724 400 3501725 3301726 500 3301727 490 3401728 485 4501729 5451730 550 4701731 610 4761732 584 5201733 575 4741734 602 5201735 668 5941736 560 4501737 560 4501738 720 5801739 710 6151740 710 5941741 720 5601742 720 5501743 596 4901744 756 6001745 676 5701746 800 6001747 800 6001748 668 5601749 960 760Korn Hafer1750 880 7201751 720 5601752 740 7201753 660 5401754 560 4801755 620 4101756 620 5201757 780 6951758 740 5501759 590 4001760 400 3601761 580 4401762 540 4801763 580 5801764 680 6801765 820 8201766 800 6801767 840 7201768 800 5201769 920 7601770 1320 8801771 740 6201772 720 4801773 800 5201774 760 5201775 740 5601776 660 5201777 880 6801778 880 6201779 625 4801780 660 5901781 795 5801782 820 7001783 720 5801784 870 7301785 800 6201786 820 5401787 840 6401788 880 7601789 1300 7201790 990 7201791 840 6801792 1000 9001793 1440 8401794 1300 11901795 1260 11801796 820 7401797 880 7601798 7601799 6701800235


o•oCOHOONCNHO-coCNHO-ENCNO.


minimalen und maximalen Preissätzen. 6 Eine erste Welle hoher Preislagenbegann etwa 1708 und dauerte bis nach 1715; nach einer kurzen depressivenPeriode folgte die zweite Welle hoher Preise, die bis Ende der 40er Jahre andauerte.Das niedere Preisniveau zwischen 1750 und 1764 wurde von einerdritten Welle von Preissteigerungen gefolgt, die - zwischen 1775 und 1785kurz unterbrochen - nach den vorliegenden Daten bis ans Ende des 18. Jahrhundertshinaus anhielt.Die Entwicklung der Käsepreise im 18. Jahrhundert konnte den Kirchenrechnungsbücherneiniger Pfarreien entnommen werden. 7 Die Pfarrherren bemerktenzu den jährlich eingenommenen Käsezinsen meist auch den gängigen Pfundpreis.Diese Angaben wird man wiederum kaum als marktkonform betrachtendürfen, da die Käse - wie die anderen Lebensmittel - beträchtlichen saisonalenSchwankungen unterworfen waren. - Auch diese Preisreihe verläuft ähnlichderjenigen anderer Lebensmittel und weist auf die steigende Preistendenz inallen Bereichen hin.Tabelle 82 Mittlere Käsepreise von 1720 bis 1800 anhand einzelner Kirchenrechnungsbücherim Entlebuch (in Schilling pro Zentner)SchüpfheimSchüpfheim1720 330 1740 4001721 ... 1741 4301722 ... 1742 4601723 300 1743 4001724 300 1744 4301725 350 1745 4301726 360 1746 4501727 330 1747 5001728 330 1748 5001729 340 1749 4601730 360 1750 5001731 350 1751 5001732 1752 4701733 360 1753 5001734 360 1754 5001735 360 1755 5001736 ... 1756 5001737 1757 5001738 360 1758 5001739 1759 5006 Graphik 24. Indexwahl 1721-1745 nach Sucher van Bath 98.7 Tabelle 82; Graphik 25.237


Schüpfheim Hasle Mittel1760 500 450 4751761 500 450 4751762 450 450 4501763 500 450 4751764 530 450 4901765 600 450 5251766 600 550 5751767 600 550 5751768 600 550 5751769 600 550 5751770 600 6001771 700 600 6501772 750 600 6751773 600 600 6001774 550 500 5251775 500 500 5001776 600 550 5651777 650 500 5751778 650 700 6751779 650 700 6751780 600 550 5651781 700 600 6501782 700 660 6801783 700 700 7001784 700 660 6801785 7001786 7001787 7501788 8001789 650 Romoos1790 650 670 6601791 750 670 7101792 800 670 7351793 700 670 6851794 800 800 8001795 900 900 9001796 1000 1000 900 9601797 1000 800 900 9001798 1050 1000 900 9801799 . . .1800 600 800 700Tendenz nach Zehnjahresdurchschnitten:1720-1729 330 Schilling Index 1001730-1739 350 1061740-1749 445 1351750-1759 500 1521760-1769 520 1581770-1779 605 1831780-1789 680 2061790-1799 820 248Quelle: Kirchenrechnungsbücher der Pfarreien Schüpfheim, Hasle, Romoos.238


CM«-4(MOoCOHOr-ioOVOI—oinoOnr--oaHo a o a O a a O a o a a o a oa o\ CO t— VO tn «* o l\J «s o OX CO h- VOC\) H «H •-H ■-I H H H •-I •-H »-»►VW□aH239


Schilling1100Graphik 251000 , .900 ..800 ••Mittlere jährliche Käsepreise im Entlebuchvon 1720 bis 1800 (Zentnerpreise)700600 .,500 ..400 .,300 .. +J^-AS"1720 1750 1740 17 So 1760 1770 T78I 1790 13Die Viehpreise entwickelten sich seit dem 17. Jahrhundert wie folgt 8 :Tabelle 83 Mittlere Viehpreise von 1608 bis 1798 in der Innerschweiz (in Gl)Kühe Rinder Ochsen Pferde Kälber1608 22 21 17 36 51614 24 22 20 35 51618 27 26 25 38 71622 31 30 27 40 81627 42 37 37 46 101632 48 44 36 55 141638 57 50 38 77 221644 63 53 41 82 231648 65 50 38 76 171655 39 35 - 60 -1665 31 - 34 53 121672 38 28 26 64 241683 40 43 28 68 261688 36 27 24 58 131692 34 25 22 60 61698 35 23 18 56 41702 33 20 19 53 71716 41 34 23 66 91726 42 37 24 64 101735 47 43 30 73 201747 56 51 - 85 251750 70 62 43 100 341755 76 71 44 110 381765 75 59 37 104 301775 87 72 48 108 401785 91 79 - 120 471790-96 120 102 - 140 361798 145 127 76 139 328 Zusammengestellt nach Marty 77 f. (Mittelwerte). Graphik 26.00240


Seit 1760 kann die Entwicklung im Entlebuch mit einheimischem Zahlenmaterialbelegt werden 9 :Tabelle 84 Viehpreise im Entlebuch 1760-1800 (in Gl)Kühe Kälber1761 52 81765 59 8.20.1766 66 81768 61 91774 57 91777 53 91779 76 101781 56 9.20.1784 75 121787 76 14.20.1788 73 131789 71 131791 72 131793 76 141795 97 18Mit der Reduktion aller Preisreihen auf einen gemeinsamen Index kann dielangfristige Preisentwicklung klarer herausgearbeitet und differenziert werden.Ausserdem lässt sich der Zeitpunkt des «Preisaufbruchs» ziemlich genau feststellen.10Tabelle 85 Entwicklung der Getreide-, Käse- und Viehpreise seit 1720/29 nach Indexwerten(Index: 1720/29 = = 100)1720/ 1730/ 1740/ 1750/ 1760/ 1770/ 1780/ 1790/1729 1739 1749 1759 1769 1779 1789 1799Korn 100 119 144 134 135 158 166 207Hafer 100 124 141 135 146 142 156 211Käse 100 106 134 151 157 183 206 248Vieh (Kühe) 100 112 133 174 179 207 217 286Pferde 100 114 133 164 163 169 188 219Tabelle 86 Entwicklung der Kornpreise in verschiedenen europäischen Ländern 11(Index: 1731/40 = 100)1731/40 1801/10England 100 250Österreich 100 259Deutschland 100 210Oberitalien 100 205Frankreich 100 163Entlebuch 100 170 (1788/97)9 StA LU Seh 905; die Preise sind bezogen auf eine Kuh von 4 q Gewicht, ein Kalb von60 Pfund.10 Graphik 27.11 Nach Abel, Agrarkrisen 183 f.241


03•HX!CDOco>OCD•H■)MD.£U•Hvo >(MI).X M•H U-C HD.4»(0 -PM -HL3 SM «co T)■ •a Msz c «a •H


300 T280 ..Graphik 27Entwicklung der Getreide-, Käse- und Viehpreiseseit 1720/29 (nach Indexwerten)260240Käse220 ■200 .180Hafer160140 .120 ■1001720 /29 1730 /39 1740 A9 1750 /59 1760 /69 1770 /?9 'l780 /89 ' 1790 /99Die Korn- und Haferpreise zeigen eine sehr ähnliche Tendenz. Den ersten grossen«Preissprung» machten die beiden Getreide nach dem dritten Jahrzehnt,den zweiten nach 1770, und im letzten Jahrzehnt bedeutete der Indexwert von207 die Verdoppelung innerhalb von 80 Jahren. - Beim Käse muss eine verblüffendeÜbereinstimmung festgestellt werden. Nach 1740/49 ging aber dieZunahme schneller voran als bei den Getreiden: Im Jahrzehnt 1780/89 standder Index bereits auf 206, und 1790/99 hatten die Preise innerhalb des Untersuchungsraumesum das Zweieinhalbfache zugenommen. - Für die Viehpreise243


kann ein gleichlautender Tendenzverlauf konstatiert werden. Hier fiel diegrösste Zunahme bereits ins Jahrzehnt 1750/59. - Bei den Entlebucher Preisenverläuft die Entwicklung von 1760/69 = 100 auf 103 (1770/79), 117 (1780/89)und 137 im letzten Jahrzehnt.Beim europäischen Vergleich - in dem die Entlebucher Zahlen allerdings nochein Jahrzehnt zurückliegen - liegt unsere Kornpreisreihe sehr nahe bei denWerten Frankreichs, Oberitaliens und Deutschlands. - Aus der Zusammenstellungist ersichtlich, dass die Getreidepreise erst nach den 70er Jahren stärkeranzusteigen begannen; bei den Preisen für Käse, Kühe und Pferde setzte derAufwärtstrend bereits in den 50er Jahren ein.Labrousse hatte bei seinem «Esquisse du mouvement des prix» 12 die überraschendeFeststellung treffen müssen, dass sich in den Preisentwicklungen dereuropäischen Staaten im 18. Jahrhundert eine verblüffende Übereinstimmungin den langfristigen Bewegungen abzeichnete und stellte fest: «On est surpris[. ..] de constater que, malgré l'insufficance des communications entre les marchésdes divers pays, les mouvements des prix affectent une même allure d'ensembleinternationalement.»Für eine bessere Beurteilung dieser Entwicklung haben wir die Getreidepreisemit Preisreihen aus dem bernischen Aargau 13 und Lausanne 14 verglichen undtrotz regionaler Unterschiede durch Indexierung einen überraschenden Einklangfestgestellt. Das zeigt unter Einbezug weiterer, ausländischer Daten«l'étroite parenté entre les économies du blé d'Europe occidentale» 15 . DieseTatsache erlaubt, in vorsichtigen Ansätzen Erklärungsversuche, die in andernRegionen angeboten wurden, auf die Entwicklung der Preisansätze im Entlebuchzu übertragen, obwohl hier wenige Quellenhinweise aufgefunden werdenkonnten und Preisuntersuchungen aus nahe benachbarten Gebieten noch kaumvorhanden sind.So erklärte Abel die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sinkende Preistendenzmit einer allgemeinen Agrardepression, die zum Teil im ersten Vierteldes 18. Jahrhunderts noch andauerte. 16 - Der 30jahrige Krieg hatte ja auch imEntlebuch Auswirkungen gezeitigt; auf die katastrophale finanzielle Lage derLandwirte und die auf diesen Zeitpunkt datierbare Ausgangsposition für dieschwere Verschuldung der entlebucherischen Betriebe ist bereits hingewiesenworden. 17 Aus den hohen Zinslasten resultierten schlechte Ertragsbilanzen.12 Labrousse I, XVII; Chevallaz 149; Head-König, Veyrassat-Herren ; Histoire économiqueet sociale de la France, Tome II, «Les bons prix agricoles du XVIIIe siècle» 367ff., bes. 391 bis396; vgl. auch Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft 51 ff., 155ff., 168, 309, 246,176, 239, 246, 301.13 Pfister 258-264.M Chevallaz 140-142.15 Chevallaz 144.16 Abel, Agrarkrisen 177 ff.17 Vgl. Kap. Verschuldung, 4.6.18 Léon 193.244


Dazu kam ein allgemein verbreiteter Geldmangel. Das Volk litt unter einer«famine monétaire». 18 Diese hatte (nach Abel) ihre Ursache in der verringertenEdelmetallproduktion. Der geringe Geldumlauf drückte auf das Preisniveau.Dazu muss der Bevölkerungsentwicklung gedacht werden, die am Ende des 17.und zu Beginn des 18. Jahrhunderts als stationär, wenn nicht rückläufigbezeichnet werden kann. 19 Der mangelnden Nachfrage antworteten niedrigePreise.Die angeführten Ursachen der Edelmetallgewinnung und der Bevölkerungsentwicklungkönnen im Laufe des 18. Jahrhunderts genauer abgeschätztwerden. Die Bedeutung des Konsumbedarfs auf die Preislagen kann mit denVeränderungen der demographischen Entwicklung nach 1730 nachdrücklichbelegt werden. Die Edelmetallproduktion stieg dank der Neuerschliessung mexikanischer,südamerikanischer und europäischer Gruben an und führte zueinem Überangebot an Geldern ; beide Faktoren trugen zur Verminderung desGeldwertes bei. 20Gegen die Preissteigerungen und fühlbare Geldentwertung wandten sich imLaufe des Jahrhunderts zahlreiche Organisationen und Schriftsteller. - Unterdem Eindruck der zunehmenden Preisspannungen auf dem Markt wurde eineVerbesserung der Bodengrundlagen und Anbauflächen besonders von denökonomischen Gesellschaften propagiert. Bekanntlich haben auch im Entlebuchdie beiden Pfarrer Schnyder und Stalder unter persönlichem EinsatzReformprojekte für die Vergrösserung der landwirtschaftlichen Erträge vorgeschlagen;doch war ihr Bemühen wenig erfolgreich. Erst am Ende des18. Jahrhunderts konnte Stalder berichten, man habe nun seit einiger Zeit,«da die Lebensprodukte sich immer mehr vertheuern und die Bevölkerung immermehr anwächst», begonnen, «Verbesserungsgedanken allmählig Platz zu geben».21Die Ursachen für die Preisentwicklung im 18. Jahrhundert bedürfen noch einergenaueren regionalen und kantonalen Untersuchung. Im Vordergrund derBetrachtung sollen hier die Auswirkungen auf die betroffenen Leute stehen. Dielandwirtschaftlich tätige Bevölkerung suchte auf ausgedehnten Anbauflächendas Lebensnotwendige selbst zu produzieren und entging dadurch den Preiszwängender Marktsituation. Von diesem Verhalten kann die Schicht derHeimarbeiter eher ausgenommen werden, obwohl sie bekanntlich ihr Heimgewerbemit landwirtschaftlicher Betätigung verband. 22 Die mit Bargeld entlöhntenLeute waren wohl die ersten regelmässigen Marktkunden. Braun hatauf die Wirkungsgewalt der geldbesitzenden Heimarbeiter hingewiesen, und derauf «eingebildeten Bedürfnissen» beruhende Einbruch neuer Lebensmittel19 Vgl. Kap. Die Bevölkerungsentwicklung im 18. Jahrhundert, 3.5.20 Abel, Agrarkrisen 186ff.21 Stalder, Fragmente I, 248. Bei Stalder nicht hervorgehoben.22 Vgl. Kap. Heimindustrie, 5.2 a). Interessanterweise Hessen sich Kartoffelpreise kaumfinden, auch dies ein Hinweis auf die starke Selbstversorgung.245


konnte bereits berührt werden. 23 Kaffee, Schnaps, Kleider, «Toback», «Specereywaren»wurden gesuchte Marktgüter. - Den obrigkeitlichen Versuchen, denGeldmarkt, der regelmässig von Münzen minderer Qualität überschwemmtwurde, in den Griff zu bekommen, war, nach der Häufigkeit der diesbezüglicherlassenen Mandate zu schliessen, kaum Erfolg beschieden. 24 Die dem Geldanhaftende Wertunsicherheit und die unberechenbare Variabilität der Preisansätzemussten daher auf den Geldempfänger negative Auswirkungen zeitigen.Man gab das Geld aus, wenn man es besass und glaubte dadurch, möglichenEinbussen zu entgehen. Daraus erwuchs den Heimarbeitern in Zeiten hoherLebensmittelpreise Not, und man darf annehmen, die erhöhte Zahl der Totenin den Jahren nach 1780 habe vor allem aus der Schicht der betroffenen Heimarbeiterresultiert.Aus der Betrachtung der Preisentwicklung kann auch die Investitionstätigkeitder einheimischen Gültherren näher beleuchtet werden. Angesichts der wachsendenGeldentwertung dürften ihnen langfristige Kapitalanlagen in Bauernbetriebeattraktiv erschienen sein. Die Güterbelastung wurden demnach im18. Jahrhundert durch die allgemeine Lage der Preise in den verschiedenenSektoren noch begünstigt. Dem Geldwertzerfall wurde mit einer intensivenInvestitionstätigkeit zu begegnen versucht.Die allgemeine inflationäre Preisentwicklung schien zwar die Schuldner zubegünstigen, aber man darf mit Sicherheit annehmen, dass gerade die hochverschuldeten Bauern trotz leichter gewordenen AbZahlungsschwierigkeitenzu den ersten gezählt werden müssen, die unter dem psychologischen Druckihrer immobilen wirtschaftlichen Lage, ihre Güter verliessen und sich denaufkommenden Industriezentren zuwandten.Der Taglöhner sah sich in einer ähnlichen Lage wie der Heimarbeiter. Währenddieser aber nach seiner Leistung entlöhnt wurde, arbeitete der Taglöhner nachfestgesetztem Entgelt. 25 Untersuchungen über die Situation der Lohnarbeiterhaben ergeben, dass sie zu den ersten Opfern der Preisentwicklung wurden, dadie der Löhne mit der rapiden Zunahme der Lebenshaltungskosten nichtSchritt hielt. 26 Schnyder bemerkte, die Lohnarbeiter hätten in Zeiten, wo «nichtviel zu erwerben und die Nahrungsmittel theuer» seien, «recht übel» zu leiden. 27Da die Heimarbeit vornehmlich von Frauen und Mädchen betrieben wurde,blieb deshalb temporäre Auswanderung vornehmlich den männlichen Arbeitskräftenvorbehalten. 2823 Braun 90ff.24 StA LU MB passim; vgl. auch die Sammlung von Münzmandaten auf der UniversitätsbibliothekBasel (Geigy 2306); Segesser II, 255, 265ff., 347ff., III, 13. Buch, Iff.25 Auswertbare Daten über die Lohnentwicklung fanden sich im Entlebuch leider nicht;in den meisten Fällen musste eine Verbindung mit Naturalentgelt angenommen werden.26 Abel, Agrarkrisen 186; Histoire économique et sociale de la France 672.27 Schnyder, Geschichte II, 157.28 Vgl. Kap. Wanderungen, 3.5 c).246


Neben den Lohnarbeitern wurden im Verlaufe der zweiten Jahrhunderthälfteauch die Kleinbauern sehr betroffen. Ihr einziger Reichtum war die Ernte. Dielandwirtschaftlichen Betriebe, durch hohe Verschuldung in der Existenz gefährdet,warfen im Verhältnis zu den Aufwendungen zu wenig ab; die imVergleich zu früher höheren nominalen Geldeinkommen wurden durch erhöhteLebenskosten nivelliert, und Verluste von Vieh, Erntegut oder verdorbenenLebensgütern wogen nun schwerer. Langfristig war nur den Mittel- undGrossbauern eine rentable Betriebsführung möglich.Die rapide Steigerung der Preise wurde durch obrigkeitliche Eingriffe zudrosseln versucht. Seit den 60er Jahren wurde der Markt immer stärker obrigkeitlichemEinfluss unterworfen. Nachdem in früheren Zeiten Erklärungen undder Erlass von Mandaten meist mit temporären Versorgungsschwierigkeitenzusammengefallen waren, wurde nun die Beobachtung des Marktgeschehenszur dauernden Beschäftigung. 1768 wurde die Errichtung der Victualienkammerbeschlossen, die mit einer Untersuchung beauftragt wurde, «warum dermalennicht allein die Lebensmittel, sondern auch alle andern Sachen, so zur Bekleidungund sonsten vonnöthen seyend, in so hoch und theueren Preis sichbefinden». 29 Die Kommission hatte festzustellen, was das Land produziere undkonsumiere und wie gross in der Stadt der Getreide-, Fleisch-, Butter- undübrige Bedarf an Lebensmitteln wöchentlich und jährlich sei. Diesen Untersuchungenfolgten intensivere Restriktionen. Fürkauf und zwischenstaatlicherHandel wurden unter scharfe Kontrolle gebracht und die Preise für wichtigeLebensmittel, wie Milch, Rahm, Butter, Fleisch, Wein usw., kontrolliert.Der Kommission war auch die Aufgabe übertragen, in Krisenjahren die Versorgungsicherzustellen und Lebensmittelkäufe zu organisieren. 30 - Mit denobrigkeitlich organisierten Gegenmassnahmen wurden aber die Marktverhältnisseeher noch verunsichert. Die Fürkaufverbote, Preisbindungen, Importbemühungen,Marktsperren, Mandate gegen Bettel, Luxus usw. verstärktendie Nervosität der Betroffenen. Die Märkte wurden damit vorerst eher stärkerspekulativen Machenschaften ausgesetzt. 315.4 ZusammenfassungDie Selbstversorgung im Entlebuch war eine bewusste Reaktion auf die geographischund verkehrstechnisch ungünstige Marktlage. Auf dem Importwegewurden vor allem unentbehrliche Lebensmittel beschafft: Salz, Wein (späterSchnaps), in Zeiten des gestörten inländischen Angebots Getreide. DieseGüter wurden meist im Austausch mit Entlebucher Landesprodukten verhandelt.Den wertmässig grössten Exportanteil hatte der Käse. Dieser wurde alsEmmentaler Käse vor allem über die bernischen Händler, die im Entlebuch29 StA LU Victualien-Kammer-Protocoll, cod. 5650, 1.30 Vgl. Kap. Das Jahr 1770/71, 3.4 d); Meyer.31 Vgl. Wermelinger 58ff.; Kap. Die bäuerliche Gesellschaft, 6. c).247


zugleich gerne als Importeure der für die Heimarbeit nötigen Rohmaterialienauftraten, verkauft. Neben der rückläufigen Butterausfuhr war die Viehwirtschaftbedeutungsvoll. Infolge der geringen Futterertragskapazität musste alljährlichein grosser Bestand an Alpvieh, Schafen und Schweinen auf dieHerbstmärkte abgeschoben werden.Die starke Zunahme von Arbeitsaufträgen in den für die landwirtschaftlicheBetriebsführung notwendigen Sekundärbereichen machte die Eröffnunggewerblicher Betriebe notwendig. - Lediglich den Glasern wurden dabei(obrigkeitliche) Erleichterungen gewährt. Wer sich um die Errichtung vonGerben, Schleifereien, Färbereien, Bleichen usw. bemühte, stiess oft auf denheftigen Widerstand der Gemeinden und Einzelpersonen, die auf ihren altenRealrechten beharrten. - Arbeitsbeschaffung von dieser Seite war daher imAmte selber kaum zu verwirklichen. Deshalb blieb die entlebucherischeArbeitskraft das wichtigste Exportgut. - Erleichterungen schuf die Heimarbeit,welche wegen der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse amEnde des 18. Jahrhunderts rasche Verbreitung fand. Neben der Alpzeit konntenun auch die lange arbeitsextensive Winterszeit in den Arbeitsprozess einbezogenwerden. Zahlreichen Familien bedeutete die Heimarbeit eine sinnvolleBeschäftigung, die ohne grossen Aufwand und geldraubende Investitionenübernommen werden konnte. Den verschuldeten Bauern und bodenarmenSchichten bedeutete sie eine Sicherung der Existenz.Das Suchen nach neuen Verdienstmöglichkeiten war durch die allgemeinePreisentwicklung im 18. Jahrhundert gefördert worden. Die Index-Preisreihenfür Getreide, Käse und Vieh zeigten eine über die Landesgrenzen hinaus sogarübereinstimmende Tendenz: Die Getreidepreise stiegen innerhalb von 80 Jahrenum das Doppelte, diejenigen für Käse und Vieh um das Zweieinhalbfache. DieIndexwerte nach Jahrzehnten Hessen dabei den Preisaufbruch deutlich erkennen.Bis um 1750 war der Preisanstieg in allen Bereichen ziemlich identisch.- Von 1750 bis 1769 blieben die Werte für Getreide und Käse stationär odergingen sogar zurück. Die langfristig eher niedrigen Getreidepreise erlauben dieAnnahme, in diesen zwei Jahrzehnten seien gute Ernteerträge die Regel gewesen.Diese begünstigten die auffallende Bevölkerungsentwicklung, die infrüheren Kapiteln dargestellt worden ist.6. Die bäuerliche Gesellschaft. Probleme der MentalitätDas Verhalten einzelner oder von Interessengruppen musste bisher verschiedentlichhervorgehoben werden und gab Anlass zu Hinweisen auf die besonderePrägekraft von endogenen und exogenen Faktoren, auf Äusserungen undVerhaltensweisen, die man als epochaltypische Mentalitätsstruktur der Entlebucherim 18. Jahrhundert bezeichnen könnte. Es soll daher im folgenden versuchtwerden, diese Triebkräfte zu bestimmen und den Wirkungsgrad auf diebreiten Volksmassen abzuschätzen. Zu den endogenen Faktoren zählen wir248


alle jene Einflüsse, die sich aus der spezifischen Situation der klimatischenVerhältnisse, des Wohnorts, der Lebensumstände kurz: der Umweltbedingungenergeben; zu den exogenen die Bildungskräfte, die von aussen an dieBevölkerung herangetragen wurden, wie die Religion mit ihren möglichen Formender Beeinflussung und Lenkung menschlichen Tuns und Verhaltens.Schliesslich sind dazu auch die Kontaktnahmen mit Leuten anderer Gebiete,sei es durch Handel, Migration oder fremde Dienste, zu zählen, die als Informationsträgerneuen Gedankengutes und veränderter Lebensauffassung auftretenkonnten.a) Die Prägekraft religiöser BetätigungWie für die Sicherstellung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse das Erntejahrdas eigentliche Entlebucher-Jahr war, so zeichnete das Kirchenjahr mit seinenFestkreisen und Gebräuchen das religiöse Leben der Einwohner. - Bereits inder Taufe wurde in der Namengebung die Hinwendung zu einem Lebensprogrammangedeutet, das durch das «Vorleben» des Namensheiligen seinebesondere Prägung erhalten sollte. - Um 1720 messen die Kinder (in Schüpfheim)meist Johann (jeder dritte Bub) und Josef, Anna und Maria (jedes zweiteMädchen). Andere, hie und da gebräuchliche Taufnamen entsprachen denam Ort verehrten Kirchenpatronen und Feiertagsheiligen. - Das Festhaltenan Taufnamen von Personen, welche innerhalb der Heilsgeschichte einenwichtigen Platz eingenommen hatten, zeigt sich in eindrücklicher Weise: DieNamen der Hl. Familie (Josef, Maria) und der an der Passion Christi Beteiligten(Johannes, Magdalena) können auch mit häufig besuchten Wallfahrtsorten inVerbindung gebracht werden. Im nahe gelegenen Werthenstein stand die VerehrungMariens im Vordergrund. 1 Der Wallfahrtsort Heiligkreuz ob Schüpfheimwar der Mittelpunkt des entlebucherischen Glaubenslebens, die LeidensgeschichteChristi der Angelpunkt des einheimischen Glaubensverständnisses. 2An den Heilig-Kreuz-Tagen versammelte sich hier das Entlebuchervolk. DieGottesdienstgemeinde zählte dann oft über 5000 Menschen. Die Wirkungreligiösen Brauchtums konnte auch im Kapitel der Eheschliessungen festgestelltwerden. Man hielt fast ausnahmslos an den vom Festkreis des Kirchenjahresausgenommenen Terminen fest und heiratete vor allem vor oder nach derFasten- oder Adventszeit. 31Werthenstein war um die Mitte des 18. Jahrhunderts der zweitgrösste Wallfahrtsort derSchweiz. HBLS 7, 498.2 Zur Geschichte des Wallfahrtsortes: Jann A., Heilig Kreuz im Entlebuch.3 Vgl. Kap. Die Verteilung der Taufen, Eheschliessungen und Sterbefälle auf das Jahr,3.1 c). - Inwieweit im übrigen das Einhalten der Fastenvorschriften für eine grössere Sterblichkeitoder Krankheitsanfälligkeit verantwortlich gemacht werden kann, ist schwer zu entscheiden.Die Sanitätskommission hatte mehrmals in Bittgesuchen den Bischof um Erleichterungenim Fleischgenuss während der Fastenzeit gebeten, z. B. 1795. Sanitätsprotokoll 1794 bis1797, StA LU cod. 2515, 61 f.249


Grosses Gewicht auf den allgemeinen Lebensrhythmus übten zweifellos diearbeitsfreien Festtage aus. Ein dichtes Geflecht allgemeiner und ortseigentümlicherFeiertage skandierte den Arbeitsablauf. In einem Mandat des KonstanzerBischofs wurden 1723 nicht weniger als 81 offizielle Festtage (inkl. Sonntage),ohne die ortsüblichen Patrozinien, genannt. 4 Im Entlebuch waren dazu derTag der Heiligen Margrit, Theodul, Fridolin, die zwei Heiligkreuztage und dieletzten drei Tage in der Karwoche gebotene Amts-Feiertage. Dazu kamen inder Pfarrei Doppleschwand zusätzlich noch 9 Feiertage, in Entlebuch deren 5,in Hasle und Romoos 4, in Schüpfheim 3, in Escholzmatt 2 und in Marbachder Nikiaustag. Das bedeutet pro Jahr um die 90 Feiertage, an denen nichtgearbeitet wurde und die sich ziemlich gleichmässig auf die Alpzeit und dieÜberwinterungsperiode verteilten. Durchschnittlich war also jeder vierte Tagein Feiertag. - Die grosse Zahl arbeitsfreier Tage und die starke Beanspruchungder Bevölkerung wurde von zahlreichen Reisenden und zeitgenössischenSchriftstellern für das Zurückbleiben der Region in bezug auf Industrialisierungund landwirtschaftliche Reformarbeit verantwortlich gemacht. Ludwig Bernerschrieb 1827: «Da gestern ebenfalls Feyertag (Jakobi) und vorgestern Sonntaggewesen, welche sie auf gleiche Weise zugebracht haben mochten, so löste dieseBeobachtung bei uns ziemlich schnell das Rätsel, warum der Entlebucher inBeziehung auf Landeskultur und Hauswirthschaft [...] weit hinter demEmmenthaler zurücksteht.» 5Noch andere Zeichen weisen auf die starken religiösen Bindungen hin, denensich Entlebucher fügten und die sie als lebensgestaltende Kräfte assimilierten.Berichte aus Gerichtsakten können zahlreiche Hinweise auf religiöse Praktikenvermitteln. 6 Über den knapp 60jährigen Heinrich Muri, der 1780 den Freitodgewählt hatte, berichtete dessen Ehefrau beispielsweise in eindrücklicher Bescheidenheit:Ihr Mann sei am betreffenden Donnerstagmorgen früh aufgestandenund habe mit ihr gemeinsam das Morgengebet gesprochen ; «dann asse(er) ein wenig Brod, waschte und bezeichnete sich mit dem Weichwasser, sagteihr Gutten Tag und Behüte Euch Gott und die Liebe Mutter [...], stekte alsosein Rosenkranz in Sack und gienge furth.» - Zahlreich waren geweihte Zeichenund Embleme, die man immer auf sich trug und denen schütz- und heilbringendeFunktionen beigemessen wurden. Beim ertrunkenen Hans Lischer und der AnnaBaumeler fand man ein Skapulier 7 um den Hals; Josef Limacher, im Notjahr1770 verhungert und erfroren, trug einen Rosenkranz bei sich. Das älteste,13jährige Kind habe beim Auffinden seines toten Vaters gellend «Jesus, Mariaund Josef» geschrien, berichtete ein Knecht. - Bei Maria Zemp hatte man einenRosenkranz, ein Skapulier und ein kleines bleiernes Kreuzlein gefunden, als sie4 Bölsterli221ff.5 Berner L., Bemerkungen auf einer Reise 64 f.e StA LU Seh 755.7Skapulier = 2 viereckige Wollstücke, die an einem Band über die Schultern bis zur Brustherabhängend getragen werden, u. a. von Bruderschaftsmitgliedern, Lexikon für Theologieund Kirche, 9. Bd., 815.250


aus der Emme gezogen wurde. - Bei der Barbara Lötscher fand man gleichesund «ein Püntelein von gesegneten Sachen samt zwey Malefizwurtzen und einemkleinen, gelben Wachskerzlin». Der Hang zu Aberglauben sei zwar nicht sehrgross, schreibt Schnyder. 8 Die Entlebucher seien «gut Römischkatholisch.Man kann auch so überhaupt zum Lobe dieses Volkes sagen, dass es andächtigund im Gottesdienste fleissig, dabey nicht schwärmerisch» sei, meinte derPfarrer.Die religiöse Betätigung wurde besonders in wirtschaftlichen Notzeiten intensiviert.Bittprozessionen, Rosenkranzgebete und Andachten häuften sich. Nachdem Hungerjahr 1770 betete man zur Abwendung neuen Unheils inmittenhöchster Teuerung «allerorthen in Kirchen und Kreüzgängen», berichtet derPfarrer von Entlebuch. 9 «Über 600 Pfarrkinder wohnten der Procession zumHeiligkreuz bey»; bewegt schildert er den Prozessionszug, dem er voranschritt:«medios per imbres maxima multitudo hominum, qualis in templo mihi numquamantea visa fuit et sequabatur sperata serenitas cum divite segete videbaturlongissimus ordo virorum detectis capitibus, elevatis ad Coelum oculis moribusqueper continuos pluvios procedere et in hac summa necessitate eratcerte spectaculum lachrimis dignum.» Das allgemeine Elend hätte die ganzeBevölkerung zu Gebet und Busse vereinigt: «und der liebe Gott erhörte uns,das Wetter folgte 10 Tag gut zum Heüwen und das ganze Jahr verstrich ohneHagel.»Zur Abwendung von Ungewitter, Missernte und Not wurde im 18. Jahrhunderteine Heerschar von Heiligen und Nothelfern angerufen, und die spezifisch entlebucherischenFeiertage wurden besonders auf diese Anlässe ausgerichtet 10 :Tabelle 87 Feiertagsheilige im EntlebuchMargrithTheodulBarbaraAgathaAnnaSebastianJohannes und PaulusMarkusJakobus maiorAegidusPatronin gegen HagelBlitzschlagu. a. gegen jähen Tod, Blitzschlag, Gewitter, Feuer, Fieber, PestFeuer, Gewitter, Hungersnotfür glückliche GeburtPest, ViehseuchenBlitz, Gewitter, Hagelfür gute ErnteWetterpatron, KornPatron der stillenden Mütter, des Viehs; gegen Dürre, Feuer,Sturm usw.8 Schnyder, Geschichte II, 177; zur Behandlung Andersgläubiger vgl. Brändly; Schacher J.,<strong>Luzerner</strong> Akten zur Geschichte der Täufer 1, 113, 173; id., Geschichte der luzernischenTäufer: Entlebuch 224ff.9 Zehntenbuch Entlebuch. Die Prozession fand anfangs Juli statt.10 Wimmer, passim.251


Diese übermässige Beanspruchung durch religiöse Feiern blieb nicht ohneAuswirkung. Die Pfarrer klagten über lauen Gottesdienstbesuch, die Kinderlehrenwürden versäumt, und den Messen wohne man mit Vorliebe vom Kirchhofaus bei. Die Besuchspflicht würde «mit unanständigem Schwätzen, Marktenund Tauschen» erfüllt. 1763 wurde daher eine Reduzierung der Festtage beschlossen.11 Für 24 ursprüngliche Feiertage forderte der Bischof nur mehr denBesuch der Messe und erlaubte das Arbeiten. Dieser Erlass stiess aber im Entlebuchauf heftigen Widerstand; und nach dem Krisenjahr 1770 schrieb man nachLuzern, das allgemeine Elend und die ausgestandene Not seien nichts anderesals die Strafe Gottes für die Abschaffung der Feiertage. Unter der Bevölkerungsei das Verlangen nach ihrer Wiedereinführung allgemein.Man wird eine solche Einstellung kaum als Arbeitsunwilligkeit oder Faulheitkennzeichnen dürfen. Die ausgeprägte Hinwendung zur Betrachtung der Passionsgeschichte,die Leidensbereitschaft und Lebensnot kam der entlebucherischenMentalität offenbar besonders entgegen. Anstelle aktiver Religiositätstand eher das passive, erduldende Verharren. Die Umweltbedingungen hattendiese Lebenseinstellung geprägt. Die geographische Isolierung, die kaum veränderbarewirtschaftliche und soziale Lage, die permanent am eigenen Leibempfundenen unberechenbaren Naturgewalten förderten eine Glaubenshaltung,in welcher sich Religiöses mit Abergläubischem oft seltsam mischte. 12Die natürlichen Nöte wurden in der religiösen Betätigung in einer engenSymbiose sinnfällig zum Ausdruck gebracht. - Vom Glockenläuten erhoffteman Abwendung von Hagelschlägen 13 ; Vieh, Häuser und Alpen wurden jedesJahr gesegnet und im abendlichen Alpsegen die Abwendung von Unglück undNot erbetet. - Neben den religiösen Bewältigungsversuchen der undurchschaubaren,rätselhaften und für grosse Bevölkerungsteile oft mit entsetzlichen Folgenverbundenen Naturgewalten wob man das Gefühl des Ausgeliefertseins andie bösen, zerstörerischen Kräfte in eine Sagenwelt guter und böser Geister. 14Den Bewohnern der entlebucherischen Landschaft war der Tod ständig präsent.Das Sterbegeläute klang fast täglich in den Ohren. Die Lebensverhältnisseschienen labil; Missernten und Teuerung bedeuteten eine direkte Gefährdungder eigenen Existenz. Dem Hinschied der jungen Erdenbürger stand man machtlosgegenüber; ja in Zeiten der Not war man oft nicht unglücklich über denTod eines Familienangehörigen, der nun die Versorgung nicht mehr belasteteund den Zurückbleibenden das Überleben sicherte. - Das Kindersterbenwurde nicht allzu hart empfunden; man glaubte die Toten des Himmels gewiss,besonders auch die jungen Mütter, welche innerhalb von sechs Wochen« Schnyder, Geschichte I, 146.12 «Die geistigen Triebkräfte lassen sich nicht loslösen von den Dingen, denn alle Abstraktionist dem volkstümlichen, konkretisierenden Denken fremd.» Weiss 298.i3 «Wenn es zum dritten Mal gedondret, so soll (der Sigrist) am Gloggenseyl syn.» Studer O.,Pfarrer und Volk im Entlebuch im Mittelalter, 192.14 Zum Sagenwesen vgl. Weiss 288ff., 312ff.; allgemeine Literatur im «Schrifttum».252


nach einer schweren Geburt verschieden. 15 In der Erwartung eines besserenLebens im Jenseits, frei von Beschwerden und Elend, waren Krankheit undTod überwindbare Schranken. In der Nachfolge auf dem Kreuzweg Christierhofften die Menschen die ewige Belohnung; das Hess das Bemühen erlahmen,der Verbesserung der eigenen Lage mit persönlichem Einsatz zu begegnen.b) Die Gestaltung der UmweltDer Lebensablauf war mit der Beschaffung der notwendigen Lebensmittel undder Sicherung der Existenz von Hab und Gut ausgefüllt. Die Betätigung hattedurch dieses Bemühen einen stark zweckgerichteten, sachbezogenen, einfachenCharakter. - Die Essensgewohnheiten waren eintönig. 16 - Die Bekleidung derLeute entsprach nicht den idealisierenden Beschreibungsversuchen der reisendenZeitgenossen, die die Bewohner der Alpenwelt nur in der einheitlichenSennentracht sahen. - So wurde der erfrorene Josef Limacher mit einer gestreiftenwollenen Kappe, einem «Tschoppen», einem roten «Libli» darunterund sehr schlechten leinernen Hosen, Strümpfen und Schuhen aufgefunden. 17Maria Zemp trug eine «schwarze Jüppen mit Samet, ein Fürtuch 18 mit weissenStreifen und einem roten Sidenbändli eingefasst, ein rothes Wullhembd, einGöller von Flanellen mit schwarzen Bluomen, halb gebleichtes Hembd, wieauch Strumpfhosen mit schlechten Schnüören umbunden und boss blätzeteSchuh mit Neglen beschlagen». Die Frauen pflegten sich im Winter kaumwärmer anzuziehen, schreibt Schnyder 19 , und die Männer würden selbst in dergrössten Kälte die Brust selten bedecken.In den Häusern, die im 18. Jahrhundert vielen zu eng wurden, lebte man nahebeisammen. Die Einrichtung der Alphütten war auf die praktischen Bedürfnisseeingerichtet. 20 Man trat zuerst in die Tenne ein, welche flächenmässig dengrössten Raum einnahm. Hier hing das Alpkessi am Turner, stand der Trog fürdie Schotten; an den Wänden waren die hölzernen Haushaltgeräte aufgereiht.Über dem Tenn wurde das Holz aufgestapelt und gedörrt. Kamine hatten deshalbkeinen Platz. Dem Rauch des Herdfeuers blieb nur der Ausgang durch dieTüre. Im Milchgaden oder Milchkeller wurde die Milch bis zur Verarbeitungaufbewahrt. - Die Stube war klein und wurde bei kalter Witterung mit einemOfen warm gehalten. Nicht überall war ein Nebengemach für das Sennenpaareingerichtet. Die Kinder und das Gesinde schliefen in der Stube oder im kleinendarüberliegenden Estrich oder auch in einem «sonderbaren kleinen Gemache," Müller 209.16 Vgl. Kap. Ernährung, 4.5.17 StA LU Seh 755.18 Fürtuch: Schürze; Göller: Hals-(Brust-)tuch; Flanell: charakteristisches Gewebe; bossblätzet: schlecht geflickt, Idiotikon 1, 1199; 2, 217, 218; 5, 287; 12, 270.19 Schnyder, Geschichte II, 167, 169.20 Schnyder, Geschichte II, 145ff.; vgl. auch seine Karte. Bühler beschreibt die Hausformenausführlich, 151 ff.253


das sehr eng ist, und Karrbeth genannt wird». Die Kinder schliefen gemeinsamin einem Bett. - Die Talheimate waren weitläufiger eingerichtet. Küche, Speisegaden,Stube, Nebengemach lagen im ersten Stockwerk; darüber wurden dienotwendigen Zimmer eingerichtet. Der Bau war aus Holz, lediglich die Kellerwurden untermauert. Die Wohnverhältnisse gestalteten sich hier infolge derErbteilungen und Auskäufe recht kompliziert, und meist wohnten die Grosselternim gleichen Haus und nahmen damit auf die Erziehung der Kinder unmittelbarenEinfluss. 21 Die Gebäulichkeiten für das Vieh und das landwirtschaftlicheMobiliar scheinen mit grosser Aufmerksamkeit gepflegt worden zusein. Die Verarbeitung der Milch erforderte Sauberkeit. Die Lagerungsräumeund Vorratslager beanspruchten viel Platz. Kerzen und harzbestrichene Holzspänedienten als Lichtspender.Mit der Einführung der Heimarbeit wurde auch die Stube zum Arbeitsplatz.Die Bevölkerungszunahme löste eine intensive Tätigkeit in der Gestaltung derUmwelt aus. Rodungen und Neusiedlungen wurden notwendig, damit demBevölkerungsdruck und den anwachsenden Bedürfnissen an Wohnraum undLebensmitteln entsprochen werden konnte. Der Entlebucher habe mit demAnbau von Wiesen, «mit Aushackung der gar zu vielen Waldungen, mit Ausrottungdes schädlichen Gehölzes, und hie und da mit Urbarmachung derWayden» grosse Rodungsarbeit verrichtet, betont Stalder. 22 Von den Wiesensei «fast der vierte Theil seit hundert Jahren in Winterungen verwandelt»worden. In Romoos nahmen die Winterheimate innert 40 Jahren um dieHälfte zu. 23 Die Güterteilungen und Häuserneubauten waren gegen Ende desJahrhunderts so häufig geworden, dass Beschränkungen im Wohnungsbaunötig wurden. 1783 forderte der Rat, dass «mit denen an den Hochwäldern zuerrichtenden neuen Häusern eingehalten werde». 24 Auf Einsprache der Geschworenenwurden weitere Neubauten der Bewilligungspflicht unterstellt 25 ,und zwei Jahre später wurde bestimmt, dass die Häuser nicht näher als 30 Klafteran den Rand des Hochwaldgebietes herangebaut werden dürften. 26c) Die bäuerliche GesellschaftDie einheitliche Berufsstruktur und die Bildungskraft der natürlichen Bedingungenschmiedeten die bäuerliche Gesellschaft zusammen und begründetenein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl. «Alle duzen sich, vom lallenden Kind21 «A chaque nouvelle formation d'esprit un pas en arrière se fait donc [...] De là vient,avant tout, n'en doutons pas, le traditionalisme inhérent à tant de sociétés paysannes.»Bloch 12.22 Stalder, Fragmente I, 129.23 Schnyder, Geschichte II, 262.24 StA LU RP 22. Aug. 1783, 159r.25 StA LU RP 19. Nov. 1783, 176r.26 StA LU RP 25. Mai 1785, 385r.254


is zum Greisen (Ortsbeamtete, und bisweilen gar alte Leute ausgenommen)»,berichtet Stalder. 27Bereits im Kapitel über die Heiratsbeziehungen konnte auf die enge Verflechtung,die intensiven Verwandtschaftsbeziehungen, die sich wie ein Netz über dieganze Region ausbreiteten, hingewiesen werden. In einzelnen Gemeinden wardieses Verhalten zudem durch eine grosse Zahl von Eheschliessungen, diewegen der engen Verwandtschaftsgrade nur mit besonderer Dispens eingegangenwerden konnten, aufgefallen. 28Doch lässt sich - im Vergleich mit der Korporationsgemeinde Uri - eine gewisseIndividualisierung des entlebucherischen Verhaltens nicht verkennen. Weil imEntlebuch das Engagement in korporativer, gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungschwach blieb, waren die Möglichkeiten in der eigenen Wirtschaftsführungoffener. Nur im Bereich des Strassenbaus, der Bachverbauungen und der altenVerpflichtung, dass jeder Landmann jährlich einen Tag lang im Hochwald zuroden habe, sind Gemeinschaftsaufgaben erkennbar ; in zahlreichen Ermahnungenmusste aber das schläfrige Verhalten der Angesprochenen beklagt werden.Die privatwirtschaftliche Konkurrenz konnte daher mit tiefergreifenden Folgenins Spiel gebracht werden. - Die Gemeinden führten sogar ein ausgeprägtesEigenleben; dies wurde bei festlichen Gelegenheiten auf humorvolle Art betont.An den Fastnachtstagen, welche im sog. Hirsmontag gipfelten, wurdendie benachbarten Gemeinden nicht ungern in Spottversen angeprangert undlächerlich gemacht. In Scheingefechten stritten die Jungen gegeneinander. 29Jede Gemeinde kannte einen geläufigen Spottvers über die anderen. 30 An denSchwingfesten traten die in Ausscheidungskämpfen Selektionierten gegendie Vertreter der anderen Gemeinden an. 31 - Ausserhalb des Amtes hingegenpflegte man gemeinsam aufzutreten. Die Bereitschaft und Intensitätgemeinschaftlichen Unternehmertums manifestierte sich in einzelnen Bereichendeutlich. Selten rückte ein einzelner als Soldat in fremde Dienste ein. Er wurdeentweder von Brüdern oder Bekannten aus dem Entlebuch begleitet. - Zu denErnteaushilfen schloss man sich gruppenweise zusammen; die Organisation desEinsatzes und die Verhandlungen über Lohn und Verköstigung wurden einemeinzelnen anvertraut; am Arbeitsplatz aber arbeitete, ass und schlief manzusammen.Die wirtschaftliche und soziale Situation einzelner Bevölkerungsschichtenprägte deren Lebensverhältnisse und Lebensäusserungen sehr stark. KriminelleDelikte waren oftmals Ausfluss wirtschaftlicher Existenznot, in der sichdie Leute nicht mehr anders zu helfen wussten. Die hohe Verschuldung för-27 Stalder, Fragmente I, 87, 78 ff.28 Vgl. Kap. Die Herkunft der Eheleute, 3.2 d).29 Schnyder, Geschichte II, 135ff.; Stalder, Fragmente II, 78ff.; StA LU Seh 468; Schnyder,Berge II, 29 ff.30 Röösli.31 Stalder, Fragmente II, 74ff.; Pfyffer 539f.255


derte die Resignation und erstickte aktives Unternehmertum und langfristigeVersuche, dem Elend zu entgehen. Dem Auf und Ab guter und schlechter Erntejahreund unsicherem Einkommen entsprachen die zwischen Lust und Unlustzu Verbesserungen und Reformen schwankenden Gemütslagen. - Die Notförderte asoziales Verhalten. In Krisenjahren waren in fast allen Bereichen derKriminalität zunehmende Verfehlungen zu konstatieren. Die Elendstatistikweist aus, dass sich Eigentumsdelikte (Diebstahl, Betrug, Frevel am Gemeingut,Gebrauch falscher Gewichte usf.) häuften; bei den durch die labile Ernährungssituationbetroffenen Leuten mussten Ausbrüche aggressiver Art wieRauf- und Schlaghändel festgestellt werden. - Besonders eindrücklich ist derallgemeine Solidarisierungsprozess, der in solchen Notjahren ganze Bevölkerungsteilezu gemeinsamen Aktionen führte. Nicht nur bei religiösen Vereinigungen,Prozessionen, Messen und Bussandachten sind solche massenpsychologischenBewegungen bekannt: Unter dem Eindruck der Not wurde dieErnte vor der Reife eingebracht, ohne Rücksicht auf maximale Erträge mitHeuen und Emden bei Witterungsbedingungen, die man aus einer Fülle vonWetterregeln voraussah, begonnen. - Nach der katastrophalen Ernte von1770 fing man überall bereits zwischen Weihnachten und Neujahr an, dieÄcker zu bestellen! 32 - Aus solchem Verhalten ist auch die Flucht zu übersteigertenLebensmitteleinkäufen zu erklären. Die rein prohibitiven obrigkeitlichenBemühungen, gegen den Fürkauf einzuschreiten, hatten vor dem Hintergrunddieser massenpsychologischen Ausbrüche kaum Aussicht auf Erfolg. 33Auch das rechtliche Gefälle innerhalb der Bevölkerung muss in diesem Zusammenhangwieder erwähnt werden. - Die Gruppe der Hintersassen, die vonden Nutzungsrechten im Hochwald, wie sie die alten, privilegierten Landgeschlechterbesassen, ausgeschlossen blieb, hatte mit ihren Vorstössen vor dereinheimischen und städtischen Obrigkeit keinen Erfolg, obwohl sich im Laufeder Auseinandersetzungen der Solidarisierungsprozess in ihren Reihen verstärkte.34 Die Misserfolge erzeugten Spannungsfelder und Polarisierung. Als1751/52 einige der Benachteiligten Reform versuche unternahmen, wurden sie«wegen gehaltener Zusammenkunft wider die Landleut» empfindlich gebüsst. 35- Auch die ärmeren Landleute litten unter dem Regiment der reicheren, die nachdem Vorbild der Städter im Stile einer Dorfaristokratie ihre Interessen zu wahrensuchten. Die Verknüpfung von politischem Mandat und wirtschaftlicherPosition geht aus den Verhandlungen über die Verteilung der Hochwaldrechtedeutlich hervor. - 1700 traten beispielsweise namens der Vierziger und Landleutefolgende Personen gegen die «Abgesandte deren Hinder- oder Beisassenim Land Entlibuoch» an : Pannermeister Melchior Emmenegger, LandeshauptmannHans Stadelmann, Landfähndrich Peter Renggli und Landsiegier Hans32 Zehntenbuch, Entlebuch.33 Wermelinger 58 ff.34 Schnyder, Geschichte II, 94, 192 f.35 StA LU Seh 492, Bussenlisten der Landvögte.256


Jakob Bieri. 36 - 1797 vertraten die Alt-Hochwaldvögte Josef Emmenegger undJohann Eicher die Ansichten «der reicheren Classe» und verhalfen ihren Interessenzum Durchbruch. 37Die unsicheren wirtschaftlichen Verhältnisse beschleunigten die Veränderungeninnerhalb der sozialen Schichtungen. Im 18. Jahrhundert lagen dabei die Möglichkeiteneher im Bereich der Abstiegsmobilität. Die ärmeren Leute bekamendie Wirkungen von Krisen stärker zu spüren als die wirtschaftlich gefestigten.Die Verschlechterung der Einkommenslage für die Taglöhner, die Zinsbelastungender Mittel- und Kleinbetriebe förderten die Verarmung. Einzelschicksalebelegen diese Entwicklung. Heinrich Muri schied durch Selbstmord aus demLeben, weil er «nit mehr genug zu leben» habe; ausserdem habe er «sich umbetwa 200 Gl verbürget». 38 Ein Escholzmatter erhängte sich «aus Gram über dieKrankheit des Vaters und der Angehörigen» und weil er «keinen Rappen Geltmehr» besass. 39 Apathie, Melancholie, dumpfe Erlösungssehnsucht scheinennicht selten ausgebrochen zu sein. Man erklärte solche Erscheinungen als«Krankheit des Geschlechts und des Geblüts».7. Zusammenfassung der ErgebnisseAls Richtlinie für die vorliegende Untersuchung ist die Frage formuliert worden,wie eine ländliche Bevölkerung ihre sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisseunter dem Druck einer rapiden Bevölkerungszunahme gestalten und bewältigenwürde.Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich im Entlebuch die Einwohnerschaftinnert 200 Jahren mehr als verdreifacht. Die Entwicklung war durchhohe Geburtenziffern begünstigt worden, da die Frauen, die in jungen Jahrenheirateten, in einem raschen Intervallwechsel noch am Ende des Jahrhundertsdurchschnittlich 7 Kinder zur Welt brachten und ihr Fruchtbarkeitspotentialhäufig bis ans Ende der Fertilität auswerteten. Dieses Verhalten war durch diehohe Säuglings- und Kindersterblichkeit massgeblich geprägt worden. - Infrüheren Zeiten waren die Sterblichkeitsziffern vor allem durch die Pest, dieregelmässig wiederkehrenden Missernten und Notjahre in die Höhe getriebenworden. Die Intensität der Selbstversorgung, an der im Entlebuch auch nochim 18. Jahrhundert festgehalten wurde, verstärkte diese Anfälligkeit. - DieEinführung des Kartoffelanbaus, der seit dem ersten Jahrzehnt bezeugt ist,wurde zu einem wichtigen Faktor für den Rückgang der Sterblichkeit. Die36 StA LU Seh 490; vgl. Kap. Das Armenwesen. 3.5 d); Das Hochwaldwesen, 4.3.37 StA LU Seh 490.3 8 StA LU Seh 755.39 StA LU Seh 755.257


ertragssichere Frucht bedeutete eine ausserordentliche Qualitätssteigerung derErnährungsbasis. Die Säuglinge konnten davon zweifellos bereits in der pranatalenPhase profitieren. Die Säuglingssterblichkeit, die innerhalb von 100Jahren um 10 Prozent zurückging, war an einer Schwelle angelangt, die wohlnur noch durch Verbesserungen auf dem Gebiet der Hygiene und der Medizinüberschritten werden konnte.Die Bevölkerung hatte sich in ihrem Fruchtbarkeitsverhalten den gewandeltenBedingungen nicht angepasst. Dadurch entstanden Spannungen im wirtschaftlichenund sozialen Bereich. - Das Wechselspiel zwischen Bevölkerungsgrösseund Nahrungsspielraum wurde dabei zum wichtigsten Faktor. NutzbaresProduktivareal war vorerst noch zur Genüge vorhanden. Rodungen und Neuerschliessungenbislang ungenutzter Flächen waren besonders im Gebiet desHochwalds möglich. Hier brachen aber die rechtlichen und sozialen Voraussetzungennachteilig durch. Die reicheren Landleute absorbierten ihre Anteileund Rechte; die minderbemittelten Landleute und rechtlosen Hintersassenhatten der Nutzungsmöglichkeiten zu entbehren. Der Abbau der Armengenössigkeit,der mit einer verstärkten Inanspruchnahme dieser Rechte möglich gewordenwäre, wurde dadurch in den einzelnen Ämtern versäumt. Trotzdem versuchtendie benachteiligten Landleute hartnäckig, ihrer Rechte teilhaftig zuwerden. Mit der Nutzung der ihnen zugeteilten minderwertigen Hochwaldgebieteleisteten sie an den Ausbau des Produktivareals einen hervorragendenBeitrag.Von grossem Nachteil waren die unglücklichen Versuche, mit untauglichenMitteln den Nachfragebedarf im Bereich der Lebensmittelversorgung zu dekken.Anstatt mit verbesserten Anbaupraktiken und landwirtschaftlichen Reformenden neuen Bedürfnissen nachzukommen, wurden investitionsbedürftigeUnternehmungen gemieden, Ertragssteigerungen auf dem Weg des geringstenWiderstandes versucht. Besonders im Bereich der Waldwirtschaft konnten dienachteiligen Folgen beobachtet werden. Der unverminderte Waldabbau hattenicht nur eine verhängnisvolle Störung des landesinternen Energiehaushalteszur Folge, sondern war langfristig eine schwere Schädigung der entlebucherischenKulturlandschaft. Die durch die Kahlschläge hervorgerufenen Überschwemmungenverunsicherten die Ernteerträge. Zahlreiche Gebiete wurdenmateriell abgewertet.Dass das Entlebuch im untersuchten Zeitraum den Eindruck einer entwicklungsgehemmtenRegion erweckt, hängt mit einer Reihe endogener und exogenerFaktoren zusammen. - Die klimatischen und geographischen Bedingungenscheinen das Amt in wirtschaftlicher Hinsicht besonders zu benachteiligen. DieBetätigung in einer Wirtschaft, die trotz grossen Arbeitsaufwandes nur geringeErträge lieferte, hemmte das Wachstum. Der kurzen arbeitsintensiven Sommerszeit,die meist auf den Alpen zugebracht wurde, stand die arbeitsgeringe Zeitdes Winters gegenüber, in welcher sich für die wirtschaftliche Fortentwicklungkaum Gelegenheiten boten. Diese Rhythmisierung des Arbeitseinsatzes prägtedas allgemeine Arbeitsverhalten in entscheidendem Masse. - Ebenso hinderte258


das Festhalten an der intensiven Selbstversorgung, welche die Konsumgewohnheitenbeeinflusste, unternehmerische Initiativen. Die marktunabhängige Eigenproduktionförderte den Trend zur Abkapselung. Der Wirtschaftsbetrieb war jaallein auf die Sicherung der eigenen Bedürfnisse ausgerichtet. Die psychologischeAuswirkung der kurzfristigen, auf maximal ein Jahr ausgerichtetenProduktion erscheint logisch : Man unterliess es, langfristig zu planen ; und damitwurde auch jeder Anreiz zu landwirtschaftlichen Reformen im Keimeerstickt.In dieser Untersuchung konnte besonders die Wirkungsbreite und Bedeutungder bäuerlichen Verschuldung dargelegt werden. Die im 30jährigen Kriegerworbene Güterbelastung nahm im 18. Jahrhundert unter dem Druck der gewachsenenAnsprüche noch zu. Die Investitionen für die Erschliessung vonneuem Wohn- und Lebensraum und besonders für die durch das einheimischeErbrecht verursachten Auskäufe wurden zahlreichen Bauern, besonders aufden Klein- und Mittelbetrieben, eine deprimierende Last. Der Abfluss derZinsgelder aus dem Land entblösste den einheimischen Kapitalmarkt. Nutzniesserwurden im Laufe des Jahrhunderts vermehrt auch einheimische einflussreicheBauern.Die Einstellung zur Arbeit und zum wirtschaftlichen Erfolg wurde in ausgeprägtemMasse von der religiösen weltanschaulichen Haltung geformt. Diezahlreichen arbeitsfreien Feiertage skandierten den Arbeitsrhythmus. DieUmweltbedingungen, die kaum veränderbare wirtschaftliche und soziale Stellung,die permanent am eigenen Leib empfundenen unberechenbaren Naturgewaltenförderten eine eher passive, dulderhafte Glaubenshaltung; diesesAkzeptieren der eigenen Lage bekräftigte die soziale Trägheit. Eine Weltanschauung,in der die irrationalen Kräfte das Übergewicht gewannen, musste aufdie existentielle Lage der Leute ihre Auswirkungen haben. Denn für eine Verbesserungder Lebensqualität wäre in erster Linie ein rationales, weitsichtigesWirtschaftsdenken erforderlich gewesen.Die wirtschaftliche und soziale Lage der Einwohnerschaft ist also durch einenmonokausalen Sachverhalt nicht erklärbar; zahlreiche institutionelle und verhaltensmässigeFaktoren wirkten zusammen. Für die Lösung der wirtschaftlichenund sozialen Probleme einer unterentwickelten Region muss daher dieGesamtheit der Erscheinungsformen ins Auge gefasst werden.Der wirtschaftlichen Schwächung war um so schwieriger zu begegnen, weil dasbenachbarte Emmental eine starke Sogwirkung auf das Entlebuch ausübte.Vom Bernbiet aus boten sich denn auch entscheidende Möglichkeiten für dieVerbesserung der entlebucherischen Sozial- und Wirtschaftsstruktur. DieEinführung der Heimarbeit in der Mitte der zweiten Jahrhunderthälfte bedeutetetrotz der gesteigerten Abhängigkeit eine Chance für die wirtschaftlicheEntwicklung, weil sie wichtige Faktoren für die weitere Verarmung eliminierte.Die Förderung der Heimarbeit genügte aber nicht. Erst die Veränderungen,die sich im 19. Jahrhundert im Bereich der Verkehrs- und Marktbeziehungen259


ergaben, förderten die allgemeine Umstrukturierung der ungenügenden Wirtschaftssysteme.Die Alpwirtschaft wurde auf Viehzucht umgestellt; der Ausbauder Talwirtschaft für die Milchwirtschaft, die den Ackerbau ablöste, der durchdie Importmöglichkeiten zurückgestellt werden konnte, entsprach den entlebucherischenErfordernissen. Durch die ungleichen Möglichkeiten der Arbeitsbeschaffungund Einkommenssteuerung, die in der Heimindustrie und der Landwirtschaftaber weiter bestanden, wurden auch im frühen 19. Jahrhundertzahlreiche Entlebucher zum Verlassen ihrer Heimat gedrängt. Sie fanden inder neuen Heimat ihren Unterhalt in Landdiensten oder als Industriearbeiter.a) RésuméCette étude se propose d'analyser quelques problèmes nés de l'accroissementrapide de la population d'une région préalpine de la Suisse centrale, ainsi queles conditions sociales et économiques y adhérantes. Au cours de deux sièclesla population de l'Entlebuch s'est doublée par rapport à celle du milieu duXVII e siècle. Cette évolution a été favorisée par les taux de natalité élevés.Les femmes qui se mariaient jeunes accouchaient sept enfants en moyenne. Lesintervalles intergénésiques étant de peu de durée les naissances se suivaientde très près. Ces femmes donnaient naissance à des enfants jusqu'à la limiteextrême de la ménopause. Cette attitude formait le contrepoids du taux élevéde la mortalité infantile et juvénile très prononcé. Au temps de jadis les tauxde mortalité atteignaient un niveau élevé surtout à cause de la peste, du manquede soins, des mauvaises récoltes répétées et des crises démographiques. L'importancede l'autoconsommation, maintenue au XVIII e siècle, augmentait lavulnérabilité de l'approvisionnement alimentaire. L'introduction de la pommede terre pendant les premiers vingt années du XVIII e siècle avait fait baisser lestaux de la mortalité et avait fait monter ceux de la fertilité. Il en résultait unevéritable amélioration qualitative de l'alimentation. Il est probable que lesenfants en retiraient avantage déjà à la phase prénatale. Le taux de la mortalitéinfantile qui diminuait par la suite de 10% en cent ans attaignait un seuilqui ne pouvait plus être dépassé que par l'amélioration de l'hygiène et le progrèsde la médecine.Mais la population n'adaptait pas sa conduite aux données nouvelles. Ils s'enrésultaient des tensions soutenues aux domaines économiques et sociaux.L'interdépendance entre le nombre de la population et la capacité alimentaireatteignait une gravité accrue, bien que tout d'abord la superficie productivene manquait guère. Dans les fonds communaux des essartages étaient encorebien possibles.Mais voici que les conditions juridiques et sociales commençaient à jouerleur rôle. Les gens riches et les vieilles familles du pays («Landleute») consommaienteux-même les fruits de leurs lots; leurs compatriotes moins aisés et lesmanants («Hintersassen») n'avaient pas la chance de profiter des biens publics260


et communaux. Le décroissement du paupérisme, qui aurait été possible parl'accessibilité de tout le monde aux biens communs, ne pouvait pas être réalisé.Cependant les gens pauvres du pays insistaient sur leurs droits. Dans les terrainspeu productifs qu'on leurs concédait ils contribuaient d'une manière remarquableau développement de la superficie productive. On n'essayait de satisfaireles besoins alimentaires de la population que par des moyens inaptes. Au lieud'améliorer les cultures et de réformer les pratiques agricoles on évitait desinvestissements suffisants. On voulait obtenir des rendements meilleurs par lechemin du moindre effort. On en constate les conséquences désastreuses surtouten matière d'économie forestière, car la destruction inconsidérée des forêtsne troublait non seulement le ménage de l'énergie, mais menaçait en outre ledomaine des cultures. Les inondations causées à la suite de l'abatage des boismettaient en danger les récoltes et la valeur de nombreuses terres était enbaisse.A cause de facteurs endogènes et exogènes la région prenait l'aspect d'un payssousdéveloppé. Les conditions climatiques et géographiques du district de l'Entlebuchdevinrent défavorables à l'élancement prompt de l'économie. La grandefatigue en relation inverse avec le petit rendement de la terre empêchait toutaccroissement. Le temps long de l'hiver avec ses menus travaux nécessaire auménage était opposé à la saison courte de l'été que l'on passait en peinant sur lesalpes. Ce rythme avec ses transhumances disposait défavorablement les gensà l'égard du travail. Le conservatisme en matière d'autoconsommation influençaitles coutumes des consommateurs et mettait obstacle à l'initiative dansles entreprises tout en favorisant une tendance à l'isolement. L'économien'envisageait plus que la mise en sûreté des intérêts les plus personels et lesplus immédiats. Les conséquences psychologiques d'une production qui netend que de satisfaire les besoins d'une seule année sont évidentes : on renonceà faire des projets à long terme, et toute incitation à des réformes agricolesest découragée de fond en comble.L'endettement des entreprises paysannes en était un effet caractéristique. Lescharges foncières contractées depuis la guerre des 30 ans augmentaient au coursdu XVIII e siècle à la suite des exigeances accrues de la vie. Les investissementspour la mise en valeur des terres essartées transformées en lieux d'habitationou en espace vital, ainsi que les saultes successorales causées par le droit localen matière de succession, pesaient surtout sur les entreprises de taille moyenneou modeste. L'évasion des capitaux faisait écouler ailleurs les intérêts simplesou composés. Dès le XVIII e siècle des propriétaires indigènes et influents profitaientde la même manière de l'endettement des petits paysans.Les convictions religieuses et la pensée philosophique ont modelé en grandpartie l'attitude en face du travail et par là la réussite économique des entreprises.De nombreuses fêtes chômées ont déterminé le rythme du travail. Lesconditions du milieu, l'état social et économique qui semblait presque immuableet les phénomènes imprévisibles et souvent redoutables de la naturefaisaient persister une mentalité passive et patiente qui ne souffrait que trop261


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une situation renforcée par l'indolence sociale, ennemie de toute initiative. Unmonde d'idées, selon lesquelles les forces irrationelles prédominaient le destin,faisait peser ses effets sur la condition existentielle de la population. Pourl'amélioration du niveau de la vie une pensée rationelle et prévoyante aurait étéindispensable. Les écoles publiques qu'on a fondées vers la fin du siècle deslumières auraient pu envisager ce but.La situation sociale et économique de la population n'est pas l'effet d'une seulecause. Des facteurs institutioneis et moraux ont contribué ensemble à cet effet.Une solution des problèmes sociaux et économiques d'une région sousdéveloppéen'est possible que si l'on envisage la totalité des phénomènes observables.On ne pouvait combattre d'autant moins la précarité économique de l'Entlebuchparce que l'Emmental voisin exerçait une attraction très forte. C'était lacampagne bernoise qui offrait des possibilités d'améliorations structurales del'économie de la paysannerie lucernoise. Des relations économiques intensesfavorisaitent le progrès économique de FEntlebuch plus pauvre. L'introductiondu travail à domicile dans l'industrie textile par les marchands de fromageproduisit des résultats excellents dès la deuxième moitié du XVIII e siècle, carcette méthode de travail diminuait la pauvreté encore trop répendue.Mais le seul développement du travail à domicile ne suffisait guère. Il fallait leschangements dans les relations des marchés et du trafic du XIX e siècle pourtransformer à fonds la structure économique du pays. Ainsi on passait dansl'économie alpestre de la production laitière à l'élevage, pendant que dans lesvillages de la vallée on commençait à introduire la production laitière quiremplaçait l'agriculture concurrencée par les importations augmentées.Mais à cause des possibilités inégales de l'offre de travail et à cause du pilotagedes revenus qui continuaitent d'exister en matière des travaux à domicile et dansl'agriculture, beaucoup de gens de FEntlebuch ne trouvaient une existenceassurée qu'en emigrant. Dans leur nouvelle patrie ils pouvaient essayer des'assurer une existence soit dans l'agriculture comme valets, soit dans l'industriecomme ouvriers.b) SummaryAs a guiding rule for the present study the question has been set forth, how therural population in a pre-alpine area would shape and master their social andeconomic conditions under the pressure of a rapid population increase.Since the middle of the 17th century, within 200 years, the inhabitants of theEntlebuch (canton of Lucerne, Switzerland) had more than trebled. Thisdevelopment has been favoured by high birth rates, due to early marriage ofthe women, who in high frequency of intervals often profited of their fertility263


potential up to the end of their fertility. This attitude had been substantiallycaused by the high mortality rates of infants and children. The marked selfsupply,which in the Entlebuch has still been retained in the 18th century, hasincreased the susceptibility to bad harvests. The potatoe-growing became animportant factor for the decrease in mortality. This yield-safe produce representedan extraordinary quality increase in the nutrition base. Without anydoubt, the infants could profit thereby already in their pre-natal phase. A 10%decrease in the infants' mortality within 100 years had a great influence on thedevelopment of the population. The mortality rate had reached a threshold,which could be surpassed only by improvements in the fields of sanitation andmedicine.The population had not adjusted their attitude towards fertility to the changedconditions. Thereby resulted tensions in the economic and social fields. - Thereciprocity between population size and range of nutrition possibilities had bythis become an important factor. At first, sufficient usable production areaswere still available. Wood clearing and opening up of hitherto unproductiveareas were still possible, particularly in the region of public property. Yet herethe legal and social preconditions brought about disadvantageous situations.The richer gentry absorbed their shares and rights, while the peasants ofmoderate means and not-landed people lacked the possibilities of utilization.The reduction of poor-relief, which would have become possible by means ofincreased laying claim to this right, has been omitted in the individual offices.In spite of this, the injured peasants stubbornly tried to partake of their rights.By the opening up of the low grade alpine forest areas they contributed in anoutstanding manner to the extension of the productive regions.A great disadvantage resulted from the unfortunate attempts to cover thedemand concerning the food supply by inadequate means. Instead of improvedcultivating techniques and reformatory efforts in agriculture investment needingenterprises were avoided, proceed increases were to be brought about by the wayof the least resistance, in order to meet the new demands. Especially in theforestry the detrimental consequences could be observed. The undiminishedwood clearings resulted not only in a fatal disturbance of the country-internenergy economy but also in a longlasting grave damage to the arable groundsof the Entlebuch. The inundations, due to the areas devoid of vegetation,caused risks to the harvest yields.A couple of endogenous as well as exogenous factors were responsible for theimpression of the Entlebuch of the 18th century representing a handicappedregion. The climatic and geographical conditions appeared to disadvantageouslyaffect the district, particularly concerning its economic conditions. Working inan economic field where in spite of great working efforts only small yields wereobtained hampered the growth. The short summer period of intensive working,mostly spent on the alps, was counterbalanced by the winter with only littlework, and granting hardly any opportunity for further economic development.This rhythm of working efforts influenced the general approach to working264


to a decisive extent. - Likewise, the retaining of intensive self-supply, whichhas its effect on the consumers' habits, hindered the initiative of enterprisers.The market-independent home production promoted the trend of locking-in,as the economy was exclusively oriented towards satisfying the proper needs.The psychological effect of the short period production, oriented as a maximumtowards a one year's production, appears to be the logical consequence thereof.It was omitted to plan ahead for a long period of time, and thus also anyimpulse for agricultural reforms was choked in the germ.In this study particularly the broadness of effect and importance of the ruralindebtedness could be demonstrated. The encumbrance of the estates, acquiredduring the 30 years' war, still increased under the pressure of growing demandsin the 18th century. The investments for the opening up of new living andresidential areas, and particularly due to the buying-out caused by the nativehereditary law, became a depressing load on many peasants, especially on smalland medium size farms. The flow-off of interest money from the land bared thedomestic capital market. In the course of that century the native influentialfarmers became to a greater extent the beneficiaries.To a marked extent the approach to working and to economic success has beenshaped by religious and philosophical attitudes. The numerous idling holidaysscanned the working rhythm. The ecological conditions, the hardly changeableeconomic and social positions, the unpredictable elemental powers sensed onone's own body promoted a rather passive, enduring attitude of faith. Thisacceptance of one's own situation strengthened the social inertness. A philosophyof life where the irrational powers tipped the balance must have had itsinfluence on the existential situation of the people, as for an improvement oflife's quality first of all a rational, farsighted economic way of thinking wouldhave been required. Thus, the economic and social situation of the populationis not explicable by a mono-causal state of facts. Various institutional factorsas well as factors of attitude combine in their effects.The economic weakening was the more difficult to overcome as the adjoiningEmmental (canton of Berne) exerted a strong suction effect on the Entlebuch.It was from this Bernese region that finally decisive possibilities for the improvementof the social and economical structures of the Entlebuch wereoffered. The introduction of homework (spinning and weaving) in the secondhalf of the century represented, in spite of the increased dependence, a chancefor the economic development, because it eliminated important factors forfurther pauperization.However, the furtherance of homework did not suffice. Only the changes duringthe 19th century brought about in the field of traffic and market relations promoteda general reconstruction of the unsatisfactory economic system.The alpine farming was converted into cattle breeding. The development of thefarms in the valleys to dairy-farms met the requirements of the Entlebuch. Bythe differences in the opportunities for working and income-steering, whichhowever continued to exist between the home-industry and farming, in the265


early 19th century many inhabitants of the Entlebuch were pressed to leavetheir native country. In the new homeland they found a livelihood as farmhandsor factory-workers.Translated by Susan HäuslerAbstracts (für EDV)Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Dissertation. Bevölkerungsgeschichte.Voralpine Region Entlebuch, Schweiz, im 18. Jahrhundert. Quellenlage.Pfarrbücher. Grobauszählung. Saisonale Verteilung der Taufen, Heiraten undSterbefalle. Bevölkerungsstatistik. Aussereheliche Geburten. Ledigenziffern.Heiratsalter. Bevölkerungsstruktur. Volksdichte. Wanderungen. Fremde Dienste.Saisonarbeit. Familienrekonstitution. Fruchtbarkeitsziffern. Geburtsintervalle.Geburtenkontrolle. Geburtenbeschränkung. Säuglings-, Kindersterblichkeitsziffern.Bevölkerungskrisen. Pest. Infektionskrankheiten. Hungersnot.Armenwesen. Ernährung. Schulwesen.Landwirtschaft. Forstwirtschaft. Korporationen. Ackerbau. Getreide. Zehnt.Kartoffeln. Verschuldung (Gült). Alpwirtschaft. Viehhaltung. Erträge. Rentabilität.Handel. Gewerbe. Export. Import. Käse. Butter. Vieh. Getreide.Wein. Branntwein. Heimindustrie. Textilgewerbe. Preise. Korn-, Hafer-,Käse-, Viehpreise. Mentalität. Religion. Umweltbedingungen. Volkskunde.266


PersonenregisterD = Doppleschwand H = HasleEch = Entlebuch M = MarbachEtt = Escholzmatt R = RomoosF =* Flühli S = SchüpfheimAbel Wilhelm 190,244,245Antaler Hans 43Aregger Julius 197Balmer Melchior, Ett 189Balthasar Jakob Carl 165Balthasar Josef Anton Felix 7, 188, 221,233Banz Josef, Ech 225Banz Ludwig 125Banz Nikiaus, Ech 219Baumeler Anna 250Baumeler Hans, Ech 94Baumgartner Josef, Glaser 226Berner Ludwig 250Bernhard Josef, Glaser 225Bickel Wilhelm 112Bielmann Jürg 36, 74,173 f., 179Bieri Barbara, Ech 133Bieri Hans, Ech 133Bieri Hans 122Bieri Hans Jakob, Landsiegier 257Bieri Hans Jakob, H 167Bieri Josef, Ett 189Bieri Margreth, Ech 133Bieri Peter 125Bitzi Jakob 132Bitzi Melcher, S 167Bitzi Melcher 150Bitzi Peter, Ech 133Bucher Adam, Ech 133Bucher Anton, Ech 120Bucher Hans 125Bucher Hans Melcher, Kerns 129Bucher Jakob 119Bucher Melcher, Ett 150Bühler Catharina 132Bühler Hans Ulrich 132Bühler Josef 115,141,163,181Bühler Josef 124Burnet Frank Macfarlane 105Celio Florian, Franz, AmbriConnellK. H. 171219Custer Anna Maria, R 102Cysat Renward 109, 141, 158, 159, 201Drake Michael 171Dubois Alain 221Duss Hans, S 131Duss Maria, S 193Duss Maria, S 131Eicher Johann, alt Hochwaldvogt 257Emmenegger Caspar, Landsiegier, S 167,168Emmenegger Josef, alt Hochwaldvogt 257Emmenegger Melchior, Pannermeister 256Erni Josef 94Felder Jakob, S 148Filiinger Hans Georg, Anton, Glaser 225Fleury Michel 11Forni Carl Josef, Ambri 219Frödin John 195Furrer Josef, S 131Ganiage Jean 61Geschworene 4, 5,100,101,109,204,211,218, 231, 254Giger Maria, Ech 102Glanzmann Christian, EchGlanzmann Maria 49Glauser Fritz 217Gobo Josef Anton, BiottaGöldlin Bernhard LudwigGoubert Pierre 41, 78, 87Gräni Catharina 1322302197Graf Johann Baptist, Bündner 129Griner Anton, Glaser 225Griner Hans Georg, R 102Grotzen Anni 132Guscher Jakob Maria, Livinental 219Gut Melchior 132Gutzwiller Karl 203Haas Josef, Ett 121Haas Magdalena 42Häfliger Anna Maria, R 102Häfliger, Pfarrer, Neudorf 193Heini Kaspar, R 102Heinrich Mathe Jakob, EinsiedelnHenry Louis 11,40,55,61,76Hirzel Hans Caspar 7129267


Hofstetter Franz, Ech 230Hofstetter Melch, alt Weibel, Ech 133Hofstetter Peter, D 167Huber Leonzi, M 226Hug Klaus 132Jegeri Johanna, Ech 133Jenni Steffen, Statthalter, R 167Kaufmann Josef 119Kaufmann Klaus 121Keller, Pfarrer, M 211McKeown T. 104Koch Jakob, Hans, Klaus, R 191Koch Klaus, R 43Koch Klaus Franz, Ech 229Köberle Josef, Wasserburg 129Köchli (Landjäger), M 128Konstanz, Bischof 9, 109, 250, 252Kreit Ulrich, H 147Kriegel Heinrich 125Krügel Catharina 132Labrousse Ernest 244Landacher Johann 119Landesbote 5Landesfähnrich 5Landeshauptmann 4Landpfeifer 5Landschreiber 5, 182 ff.Landshorner 5Landstrommler 5Landvogt 4, 5, 147, 165f., 231Lang Beat Franz Maria, Chirurgus 91Lanti, Kardinal, Rom 125Lauber Anna Maria 122Lauber Anton, R 232Lauber Franz, M 121Lauber Josef 122Lauber Leonzi, M 147Le Roy Ladurie Emanuel 3 f.Limacher Josef, S 102, 250, 253Limacher Josef, S 225Lipp Hans u. Familie 132Lischer Hans 250Lischine Jakob, Glaser 129Lötscher Barbara 251Lötscher Franz 125Lustenberger Franz, Josef, Ech 191Lustenberger Geschwister, Ech 189Luzern- Erziehungsrat 21 Iff.- Landwirtschaftliche Gesellschaft 7268- Rat 9, 100, 120, 134f., 154f., 165f.,211, 222, 225, 230, 231- Viktualienkammer 100, 247Malthus Thomas Robert 61Marbacher Klaus, Ett 150Marbacher Maria 132Marbacher N. 122Marty Albin 202Mengis Matthias 91Merz Franz 151Meuvret Jean 88Meyer Catharina, R 102Moheau 33Müller Johann Georg, Neuenburg 223Müllimann Martin, Ett 129Muri Heinrich 250, 257Muri Peter 167Myrdal Gunnar 193Niffeler Maria 132Ökonomische Gesellschaften 168, 209,245Orelli, Landschreiber 121, 221Pannermeister 4Pfarrer 6, 42, 92f., 99f., 101 f., 107, 108,109, 111, 138, 164, 165 ff., 204, 211, 226,227, 237, 251, 252Portmann Hans, Ett 90Portmann Hans 193Portmann Josef 125Portmann Josef 193Portmann Klaus 132Portmann Lude, Siegler, Ech 133Portmann Peter 132Portmann Peter, Ett 149Propst Oswald, Langnau 232Reck Judith 132Renggli Hans, Weibel 167, 168Renggli Hans, Ett 150Renggli Hans Marti, Bannwaldvogt 149Renggli Hans Marti, Pfarrer, Ech 167Renggli Klaus, Peter, Werni 168Renggli Peter, Landsfähnrich, Ech 133,256Richenberger Hans 168Richolin Magdalena, Ett 129Roos Anton, R 102Ruwet J. 33


Schaller Jagy, Ett 150Schindler, Pfarrer 208Schmid Josef, Glaser 226Schnider Josef, Klaus 191Schnider von Wartensee Josef Xaver 6f.(Kurzbiographie)Schobinger Johann Jakob, Pfarrer, S 167Schreiber (Amt) 5Schruffenegger Barbara 132Schüpfheim, Kapuziner 6Schüppach Michael 91Schütz Anna Maria, R 102Schütz Johann 125Schütz Xaver, D 121Senn Mathe, Tiroler 129Sermoneta, Fürst, Rom 125Sidler Otto 183Siegler (Amt) 231Siegwart Josef, Peter, Michael, Glaser 225Siegwart Josef, Anton, Glaser 225 f.St. Blasien, Abt 225Stadelmann Franz, M 91Stadelmann Hans, Landeshauptmann 256Stadelmann Johann, Ett 225Stadelmann Josef, Ett 90Stadelmann Josef, M 91Stadelmann Josef 94Stadelmann L. 230Staldegger Josef, Wolhusen 219Stalder Franz Josef 7 f. (Kurzbiographie)Stalder Josef 132Steffen, Familie 119Studer Hans, S 121Studer Klaus Josef 121Studer Magdalena 132Studer Maria 132Studer Michel 189Suter Hermann 124Thalmann Barbara 193Thalmann Hans, D 148Thalmann Melchior, Ett 189Thalmann Chirurgus, S 104TheilerUli 168Trachselwald, Vogt 120,211Trient, Konzil 9, 52Trüb, Benediktiner 141Ulmi Klaus 193Unternährer Josef, H 121Unternährer Melchior, Ech 133Uri, Landsgemeinde 101Vierzehner (Amt) 4Vierziger (Amt) 4, 5, 153Vogel Jakob, Ech 121Weibel(Amt) 5,231Wella Carl Anton 219Wicki Martelé, Ech 133Widbrächtiger Josef, R 102Wissig Barbara 132WrigleyE. A. 75Wunderli Sebastian 42Yelly Barbara 132Zelio s. CelioZemp Johann, S 125Zemp (Landjäger), Ech 128Zemp Maria 250, 253Zihlmann Andreas, Ett 224Zihlmann Hans, M 230Zihlmann Josef 132Zihlmann Josef, M 49Zihlmann Nikiaus 125Zihlmann Statthalter, M 211Zürich, Naturforschende Gesellschaft 7Zurkillen Franz, Jost, Klaus 120269


OrtsregisterVgl. Einleitung des Sachregisters.Aargau 229, 230, 231, 233, 244Airolo 101Altdorf 101Auneuil 47Appenzell 209; T: 10- Innerrhoden 163Basel 122, 208Bellinzona 101Bern (Stand) 100, 229Bern (Stadt) 121Bernbiet 92Berner Oberland 209Beromünster 7Bretagne/Anjou T: 35Brienz 168Buchrain 49Burgdorf 230Crulai 47, 60, 61 ; T: 30; G: 12Danzig 89Deutschland 89;T:86Doppleschwand- Armenwesen 131 ff.; T: 54, 55, 56- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f.; T: 8- Bevölkerungsentwicklung 27, 107ff.;T: 3, 49, 50; G: 7- Bevölkerungsgrössen T: 44, 47- Herkunft der Eheleute 49, 50, 51, 54- Krisenjahre 92, 93- Pocken 104- Quellen 10; T: 1, 2- Quotient Taufen/Heiraten 40 ff. ; T : 7- Säuglingssterblichkeit T: 36- Volksdichte 115ff.; T: 51 ; G: 21- Feiertage 250- Gewerbe T: 78- Heimarbeit 136- Hochwald 145, 148- Kartoffelanbau 166- Schule 212- Viehbestände T: 70- Zehnten T: 59Einsiedeln 129, 202270Elsass 121,126f., 138,168, 171, 216, 221,230;T: 53Emmental 2, 73, 191, 193, 194, 206, 209,216f., 229, 230, 231 f., 233, 247f., 250England T: 86Entlebuch, Amt- Bevölkerungsgrössen T: 44, 45- Säuglingssterblichkeit T: 37Entlebuch, Dorf- Armenwesen 131 ff. ; T : 54, 55, 56- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f.; T: 8- Bevölkerungsdichte 115 ff . ; T : 51 ; G :21- Bevölkerungsentwicklung 23, 39, 42,55, 107ff.;T:3, 49, 50; G: 2- Bevölkerungsgrössen T: 44, 47- Dispensehen T: 15- Empfängnisse in Krisenzeiten 94ff.;T: 39; G: 19c- Heiraten in Krisenzeiten 97 ff. ; T : 40- Heiratsalter 47- Herkunft der Eheleute 49, 50, 51- Intergenetische Intervalle 73- Krisenjahre 89, 91, 92, 93, 99, 100,101- Lebenserwartung 106- Ledige 44- Pocken 104- Quellen T: 10; 1, 2- Quotient Taufen/Heiraten 40ff.;T:7- Saisonale Verteilung der Taufen, Heiraten,Sterbefälle 30ff., 33ff., 36ff. ;T: 4, 5, 6; G: 8, 9, 10- Sterblichkeit- Säuglingssterblichkeit 84; T: 36- in Krisenzeiten 99; T: 41- Kindersterblichkeit 86f.; T: 38- Sterbetafel T: 43- Voreheliche Empfängnisse 72, 73- Wiederverheiratungen T: 18- Feiertage 250- Gewerbe 225, 229f.; T: 78- Hochwald 145- Kartoffelanbau 166, 169- Landwirtschaftliche Zustände 186,189, 191, 201, 223- Viehbestände 201 ; T: 69, 70- Religiöses Leben 251- Schule 212


- Zehnten 160f., 169, 227; T: 58, 59Entlebuch, unteres Amt 5, 130, 155, 215- Heimarbeit 231- Hochwald 134f., 143, 157; T: 57- Kartoffelanbau 165 ff.- Landschreiberprotokolle 184 ff.Entlebuch, Helvetischer Distrikt 8Escholzmatt, Amt 5, 215- Heimarbeit 232- Hochwald 143, 155,157, 192; T: 57Escholzmatt, Dorf- Armenwesen 131ff.; T: 54, 55- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f.; T: 7-Dichte 115ff.;T: 51; G: 21- Dispensehen T: 15- Entwicklung 21, 23, 39, 107ff.; G: 3- Grossen T: 44, 47- Herkunft der Eheleute 49, 50- Krisenjahre 90, 93- Pocken 104- Quellen 10; T: 1, 2- Quotient Taufen/Heiraten 40ff.;T:7- Säuglingssterblichkeit 85; T: 36- Saisonale Verteilung der Taufen, Sterbefälle30ff., 36ff.; T: 4, 6; G: 8,10- Struktur 133 ff., T: 48, 49, 50- Wiederverheiratungen T: 18- Feiertage 250- Gewerbe 225; T: 78- Heimarbeit 232 f.- Hochwald 144, 145, 149- Kartoffelanbau 166- Landwirtschaftliche Zustände 150,151,186, 189, 200, 205, 207- Viehbestände T: 69, 70- Schule 212- Zehnten T: 59Ferner Osten 218Flühli- Armenwesen 138; T: 56- Bevölkerung- Einwohnerzahlen 112; T: 44, 47- Entwicklung 42, 107ff.- Quellen 42; T: 1-Struktur 113ff.;T:49- Volksdichte 115ff.; T: 51; G: 21- Gewerbe T: 78- Glaser 225 ff.- Landwirtschaft 201- Viehbestände 201, 202; T: 69, 70- Schule 212, 213- Zehnten T: 59Frankreich 36, 244; T: 86Freiamt 121Freiburg (Kt.) 92, 121Gäu s. Luzern, MittellandGenf 61Göschenen 101Grossdietwil 42Hasle- Armenwesen 131 ff.; T: 54, 55- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f.; T: 7- Bevölkerungsstruktur 113 ff. ; T: 48,49,50-Dichte 115ff.;T: 51; G: 21- Dispensehen T: 15- Empfängnisse in Krisenzeiten 94ff.;T: 39; G: 19a- Entwicklung 23f., 39, 107ff.; T: 3;G:4- Grossen T: 44, 47- Heiraten in Krisenzeiten 97ff.; T:39;G : 19a- Heiratsalter 47- Herkunft der Eheleute 49, 50, 51;T: 13- Kindersterblichkeit 87; T: 38- Krisenjahre 89, 92, 93- Quellen 10; T: 1, 2- Quotient Taufen/Heiraten 40 ff. ; T : 7- Saisonale Verteilung der Taufen, Heiratenund Sterbefälle 30ff, 33ff,36ff.;T:4, 5, 6;G:8, 9, 10- Sterblichkeit in Krisenzeiten 99; T:41- Wiederverheiratungen T: 18- Feiertage 250- Gewerbe T: 78- Hochwald 135, 145, 147- Käsepreise T: 82- Kartoffelanbau 166- Schule 212- Viehbestände T: 69, 70- Zehnten T: 59Heiligkreuz 107, 249Hergiswil (NW) 49Herzogenbuchsee 230Innerschweiz T : 83 ; G : 26Italien 101, 218Jura 180271


Kanada 60; G: 12Kerns 50, 129Konstanz, Diözese 5, 9Kriens 49, 92Langenthai 230Langnau (BE) 21, 91, 101, 230, 232Lauiser Markt 218 ff. ; T : 76Lausanne 244London 122Lothringen T: 53Luzern (Kt.) 112, 168, 186, 218, 223Luzern (Stadt) 2, 4, 6, 7, 49, 121, 143,204, 215, 217Malters 6, 49, 220Marbach- Armenwesen 131 ff., 138; T: 54, 55, 56- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f.; T: 8- Bevölkerungsstruktur 113ff.; T: 48,49,50-Dichte 115ff.; T: 51; G: 21- Dispensehen 51 f. 55; T: 14, 16- Einwohnerzahlen T: 44, 46, 47- Empfängnisse in Krisenzeiten 94ff.;T: 39; G: 19b- Entwicklung 27, 39, 107ff.; T: 3; G: 5- Familienrekonstitution 55ff.; 76f.- altersspezifische eheliche Fruchtbarkeitsziffern56; T: 19; G: 12- Ehedauer T: 20, 66- Familiengrössen 64ff.; T: 20- Fruchtbarkeitsziffern nach Heiratsalterund Altersgruppen 62 f. ; T :22; G: 13- Geburtenfolge 63f., 66ff.; T: 23,24, 25; G: 14- Intergenetische Intervalle 66ff.;G:15- Erstgeburt-Zweitgeburt 74- Heirat-Erstgeburt 73f.; T: 28,29- spätere Intervalle 75 f. ; T : 30- Voreheliche Empfängnisse T: 72;26, 27- Heiraten in Krisenzeiten 97ff.;T:40- Heiratsalter 45 ff., 64; T: 9, 10, 11,12; G: 11- Herkunft der Eheleute 49, 50, 51, 54- Krisenjahre 91, 93, 102- Ledige 44 f.-Pocken 104; T: 42; G: 20- Quellen 10; T: 1, 2272- Quotient Taufen/Heiraten 40 ff., 64;T:7- Saisonale Verteilung der Taufen, Heiratenund Sterbefälle 30ff., 33 ff.,36ff.;T: 4, 5, 6; G: 8,9, 10- Sterblichkeit- geschlechtsspezifisch 86- in Krisenzeiten 99; T: 41- Säuglingssterblichkeit 78 ff., 106,139; T: 31, 32, 33, 34, 35; G: 16,17, 18- Wiederverheiratungen 53; T: 17, 18- Feiertage 250- Gewerbe 226, 230; T: 78- Heimarbeit 232- Hochwald 135, 144f.- Landwirtschaft 136, 206- Milchzuckerfabrikation 146- Schule 211, 212, 213- Viehbestände T: 69, 70- Zehnten 164f.;T: 59Mexiko 245Nesviz 125Neudorf 193Neuenburg 121, 223Oberitalien 244; T: 86Obwalden 3Österreich 244; T: 86Ostschweiz 229Paris 121Petersburg 89Pfaffnau 49Preussisch-Pommern 127Région parisienne T: 35Rom 125Romoos- Armenwesen 131 ff.; T: 54, 55, 56- Bautätigkeit 254- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f. ; T : 8-Dichte 115ff.;T: 51;G:21- Dispensehen T: 15- Entwicklung 27, 39, 43, 107ff.; T:49, 50; T: 3; G: 6- Grossen T: 44, 47- Heiraten in Krisenzeiten 97ff. ; T: 40- Herkunft der Eheleute 49, 50, 51, 54- Kindersterblichkeit T: 38- Krisenjahre 89, 92, 93, 99, 101, 102- Lebenserwartung 106


- Pocken 104- Quellen 9, 10; T: 1, 2- Quotient Taufen/Heiraten 40ff.;T:7- Säuglingssterblichkeit T: 36- Sterblichkeit in Krisenzeiten 99;T:41- Feiertage 250- Gewerbe T: 78- Glaser 226- Heimarbeit 136, 232- Hochwald 145- Käsepreise T: 82- Kartoffelanbau 166- Köhlerei 146- Landwirtschaftliche Verhältnisse 136,191- Schule 212- Viehbestände T: 69, 70- Zehnten 227; T: 59Rüti 49Ruswil 50, 128Saanenland 209Sainghin-en-Mélantois T: 30Samen 22Schangnau 226Schüpfheim, Amt 5- Heimarbeit 232- Hochwald 143, 155, 157; T: 57Schüpfheim, Dorf- Armenwesen 130ff.; T: 54, 55- Bevölkerung- Aussereheliche Geburten 42f.; T: 8- Bevölkerungsstruktur 113ff.; T: 48,49,50-Dichte 115ff.;T: 51; G: 21- Dispensehen T: 15- Empfängnisse in Krisenzeiten 94ff.;T: 39- Entwicklung 11 ff., 23, 39, 55, 98,107ff.;T:3;G: 1- Grossen T: 44, 47- Heiraten in Krisenzeiten 94 ff. ; T : 39- Herkunft der Eheleute 49, 50, 51- Intergenetische Intervalle 73- Kindersterblichkeit 87; T: 38- Pocken 104- Quellen 10; T: 1, 2- Quotient Taufen/Heiraten 40ff. ; T : 7- Sterblichkeit in Krisenzeiten 99; T:41- Struktur 113ff.; T: 48, 49, 50- Saisonale Verteilung der Taufen, Heiratenund Sterbefälle 30ff., 33ff.,36ff.;T:4, 5, 6;G:8,9,10- Voreheliche Empfängnisse 72, 73- Wiederverheiratungen T: 18- Ernährung 171 ff.- Feiertage 250- Gewerbe 225, 230; T: 78- Haushaltgrössen 174, 228f.; T: 62, 63,79- Hochwald 144, 145, 147, 148, 154ff.- Kartoffelanbau 166, 169, 170; T: 62- Käsepreise T: 82- Landwirtschaftliche Zustände 186,207;T: 69, 70- Namengebung 249- Schule 212- Viehbestände T: 69, 70- Zehnten 162f., 164, 169, 171 ff., 227,228; T: 59, 60Schwabenland T: 53Schwarzenbach b. Wolhusen 234Schwyz 129Schwyz (Kt.) 196Silenen (Uri) 47, 60, 74; G : 12Solothurn (Kt.) 121, 146Solothurn (Stadt) 49, 122Sotteville-les-Rouen T: 30, 35St. Gotthard (Pass) 101, 219St. Urban 210Stans 22Strassburg 6Südamerika 245Sursee, Kapitel 5Sursee (Stadt) 22Tamerville (F) 60, 61Trient 9,39Trois villages (F) 47, 53, 60, 61, 75Tunis 60, 61; G: 12Unterwaiden 129Uppsala 89Uri 36, 61, 101, 173f., 179, 255 s. a.SilenenUrseren 101Urschweiz 209Venedig 218Vogesen 169Waadt 121Wallis 121; T: 53Wangen 129273


Wasserburg 129Werthenstein 2, 249Westschweiz 216Wien 125Willisau 93, 128Wissenbach (Zoll) 216Wolhusen 6, 50, 93, 216SachregisterInstitutionen (Vereine, Gesellschaften, Behördenusw.) befinden sich im Personenregister.Die Zahlenfolge bedeutet: Seitenzahl, T:Verweis auf die Nummer einer Tabelle,deren Standort - wie auch derjenige einerGraphik (G) - im Verzeichnis S. IX gefundenwerden kann.Aberglauben 251, 252, 256Abortus 75, 96Ackerbau 7, 141, 158ff., 169ff., 171,173 f., 208, 210, 214Adventszeit 33, 40, 249Älpler 172, 206f., 209Agrarkrisen 190, 244 s. a. KrisenjahreAllmendorganisation s. Hochwald, NutzungAlpkäserei 206, 209 s. a. KäseAlpsegen 252Alpwirtschaft 33, 116, 118, 120, 141, 155,159, 177, 194ff., 197, 209f., 214f.; T: 69,71, 73, 75Amenorrhoe 75, 77Anaemien 181Analphabetentum 210Anbaupraktiken 159f., 161 ff., 165, 169,171,174,183,214, 228; T: 60s. a. AckerbauAppellation 5Arbeitsmarkt 118, 122, 228, 248Armenverhältnisse 99f., 101 f., 106, 122,129ff., 135, 136, 137, 138f., 169, 172f.,180, 212, 257; T: 54, 55, 56Armenverordnungen 129 f., 133 f., 136Armenwesen 6, 119, 127ff., 136; T: 54,55,56Auftriebsrechte 143ff., 153ff., 157 s. a.Hochwald, NutzungAusfuhr s. ExportAuskäufe 183, 190ff., 194, 254Aussereheliche Geburten 42 f., 54, 73,133;T: 8274Auswanderung 30, 40, 41, 44, 48, 108,122, 125ff., 138, 168, 246; T: 53Badhaus 227Bäcker 100Bannwälder 143 f., 147, 149 s. a. WaldBannwarte 144, 148f., 152, 201Baubeschränkungen 254Bauernkrieg 41, 126, 138, 153, 155, 168,182, 194Baumwollverarbeitung 229 ff.Bautätigkeit 116, 136, 143, 146, 189, 208,254Beeren 145 s. a. einzelne SortenBehörden 4 ff.Beisassen 5, 108, 118f., 153ff., 228; T: 55Besitzverhältnisse 119f., 132f., 134f., 138,142, 143, 152, I53ff., 157, 163, 172, 180,181, 192f., 195, 206, 209, 215, 230Betreibung 183Betriebsführung 135, 141, 152, 164, 165,189, 195f., 207f., 209, 248Betriebsorganisation 118, 161, 228Betteljagden s. LandjäginenBettler, Bettelwesen 21, 42, 102, 127 ff.,129, 132, 192Bevölkerung-Dichte 115ff., 138; T: 51; G: 21- Entwicklung 52, 54, 73, 78, 85, 89, 91,103, 107ff., 118, 135, 139f., 141, 146,147, 152, 154, 156, 170, 171, 181, 189,194, 245, 248- Geschichte 7 ff.- Grossen T: 44, 45, 47- Struktur 21, 55, 78, 86, 99ff., 113f.,138, 192, 257; T: 48, 49, 50, 54, 55, 56Bevormundung 5Bewölkung 3Blattern s. PockenBleichen 146, 148, 220, 233, 248Bohnen 93, 158, 162, 176; T: 64 s. a. Gemüseanbau


Brachzeig s. ZeigBranntwein 216, 222f., 246, 247; T: 77Brauchtum 8, 248 ff.Brei s. MusBrot 91, 100, 172, 173Bussen 4, 47, 168, 182, 206; T: 80Bussengericht 4Butter 100, 177, 202, 204, 209, 216f.,226, 247, 248Calcium 177Charakter der Entlebucher s. MentalitätChirurgen 21, 53, 102Démographie s. BevölkerungDemographische Methoden 8 ff., 40f.- Grobauszählung 11 ff.- Krisen 88ff., 106, 140; G: 19a, b, cs. a. Krisenjahre- Quellen 9 ff.Desertion 123, 125Dialekt s. MundartDinkel 160ff., 163, 171, 173, 177; T: 58,59, 60, 61, 80 Preise s. KornpreiseDispensehen s. Heiraten, DispensehenDissenterie 100Dreifelderwirtschaft 162, 171, 214Dreissigjähriger Krieg 168, 182, 202, 224Dreizelgenwirtschaft 161, 165Drillinge 43Drogist 123Düngung 169, 208, 210Edelmetallgewinnung 245Egartenwirtschaft 159, 165Ehebücher 9f., 39; T: 1Ehedauer s. Heiraten, EhedauerEherecht 52Ehereform 9, 52Eheschliessungen s. HeiratenEheversprechen 73Ehrklagen 5Eicher 163; T: 61Eier 91, 179Eigentumsdelikte s. KriminalitätEinbürgerungen 5, 119f., 127, 138, 144,158, 228Einkommensbedingungen 93 f., 136, 182,190, 230, 232ff., 257Einschläge 135, 159, 207Einwanderung 144Einzelhofwirtschaft 141Eisen (Vitamin) 177, 179 f.Eiweisshaushalt 177Emd 164Emigration s. AuswanderungEmmer 160, 162, 163, 177; T: 61Empfängnisse- i.A.: 43, 73, 75- saisonale Verteilung 30ff.; T: 4; G: 8- in Krisenzeiten 94ff., 75, 85f., 88ff,103, 106, 140; T: 39; G: 19a, b, cEnergiehaushalt 146, 152Epidemien 27 f., 30, 87, 88 f., 91, 99,103 ff., 123Erbrecht 45, 47, 183, 192- folge 44,45,47, 54,116,190ff, 192,194- teilungen 156, 190ff., 215, 254Erbsen s. GemüseanbauErdbeeren 172Ernährung 99, 140, 169f., 171 ff., 214,215, 227, 253, 256Erntejahr 3, 27ff., 40, 92ff, 99, 234, 249,256Ernten 3, 36, 92, 256Erträge 108, 151, 157f., 163ff, 174ff.,183, 190, 194, 202ff, 206ff., 209f., 215,233, 234, 244; T: 58, 59 s. a. AckerbauErziehung 254Esparsette 208Exporte 100, 136, 146, 148, 149, 157,182, 200, 202f., 205, 206f., 209, 215ff.,231, 247, 248Färbereien 146, 148, 220, 227, 229 f., 248Familiengrössen 40ff., 53, 64ff., 77, 139,174; T: 20, 24, 25Farnilien-Rekonstitution 40,45, 54, 55 ff.,78Fastenzeit 33, 40, 249Fauna 145Feiertage 213, 250f.; T: 87Fenk 167Fettkäserei s. KäseFieber 91 s. a. KrankheitenFinanzen 5, 188Findelkinder 133Fischerei 143Flachs 93, 163, 174, 227, 229; T: 79Flaschner 224; T: 78Fleisch 91, 172, 201, 218, 247Föhn 3Foetaltode 75, 96Freizügigkeit 118 f., 129Fremde Dienste s. SolddiensteFrondienste 5, 255Fruchtbarkeit275


- i. A.: 22f., 39f., 41, 42, 56ff., 65, 75ff.,91, 103, 108, 111, 113, 139f., 171 ;T: 2- Ziffern:- altersspezifische eheliche: 56, 61, 62;T: 19, 21; G: 12, 13- nach Heiratsalter 62; T: 22;G: 13- Verhalten 61Frühgeburten 67f., 75Fürkauf lOOf., 205, 247Fusterli 172Futtermittel 94, 157,159,167, 199f., 205,206f., 218, 248Gäste 5Gant 231Geburten, saisonale Verteilung 33; T: 4;G:8Geburtenbeschränkung 61, 76Geburtenfolge 41, 61, 63f., 66ff., 76f.,103, 139f.; T: 23, 26; G: 14 s. a. IntergenetischeIntervalleGeburtenkontrolle 33, 40Geburtshilfe 91 s. a. Hebammen; MedizinGeld 94, 106, 108, 122, 133, 136, 138,181 ff., 192, 200, 206f., 209, 212, 215,217, 227f., 245, 248Gemeingut s. HochwaldGemüseanbau 91, 93, 94, 158f., 162, 172,173, 174, 176f., 179Geographie d. Entlebuchs 2 ff., 42, 44,50, 115, 215, 247Gerben (Betrieb) 129, 225, 248Gerber 123Gerichtsverhältnisse 4 f., 182Gerste 91, 92,101 f., 159ff., 161 ff., 163ff.,169f., 171, 173, 174ff., 214, 225; T: 58, 59,60, 61, 63, 64Geschlechtsverhalten 73, 75, 96f.Geschlechtsverkehr s. GeschlechtsverhaltenGespinste 18Getreide- Anbau 158ff., 164f., 168, 171, 221,223, 247- Ausfuhr 100- Preise 88f., lOOf., 106, 234ff., 248; T:61, 85; G: 23, 24, 27 s. a. einzelneGetreideGewerbe 129, 136, 146f., 215ff., 224ff.,248;T: 78Gewitter 3,150f., 165Gewürze 180276Glasbläser 123Glaser 112,123,129,145,146f., 151, 212,225f., 248Goldschmied 123Grempler 217, 221Grippe 36, 91 s. a. KrankheitenGrund und Boden 5Gülten 5, 164, 181 ff., 213 s. a. VerschuldungGültherren 183, 187, 246; T: 68; G: 22Güterteilungen 45, 73,108,116,136, 156,183, 190ff., 194, 215, 254 s. a. ErbteilungenHafer 101, 158, 160ff., 163,171,173,177,214; T: 58, 60- Preise 88f., 234ff.; T: 81, 85; G: 23,27Hagel 3, 27, 92f., 136, 160, 164, 165, 169,189, 194, 252Handel 106, 159, 168, 202, 205, 206, 209,215ff., 229, 231 f., 249Handwerker 78, 129, 224ff.Harzer 148, 225Haushaltgrössen 170f., 174f., 228f.; T:63,79Haushaltrechnung für das Amt EntlebuchT:80Hausschlachtungen 179Hebammen 53, 81Heidelbeeren 172Heimarbeit 33, 99, 107, 108, 136f., 158,163, 172f., 193, 194, 212, 213, 215, 216,217,220,223, 227ff., 245,246,247f., 248,254;T: 80Heimatscheine 129, 133Heimweiden 197, 207, 210; T: 70, 71Heiraten- Alter bei der Heirat 45ff., 54, 63, 139;T:9, 10, 11, 12; G: 11- Dispensehen 51f., 55, 255; T: 14,15 16- Ehedauer 66, 99; T: 20- Herkunft der Eheleute 49ff., 54f., 119;T: 13- Heiratsverhältnisse 21 ff., 39,44f., 49ff.,73, 111, 119, 253; T: 2- in Krisenzeiten 88, 94, 97ff., 140; T:40- saisonale Verteilung 33 ff., 249; T: 5;G:9- Wiederverheiratungen 52ff., 54, 55;T: 17, 18,Helvetische Umfragen 109, 135f., 234Heu 164,207


Hintersassen 5, 118f., 131, 133, 134f.,144, 153ff., 228, 256f.;T:55Hirse 160, 162Hirsmontag 8,255Hochwald 5, 108, 127, 141, 153, 164- Erträge 157 ff. s. a. Erträge- Nutzung 42, 92, 119f., 134ff., 138f.,142ff., 147ff., 152, 153ff., 169, 192,195, 197, 199, 209, 214, 229, 256f.;T: 57, 71Holz s. WaldHolzfällerei 52 s. a. WaldHolzflösserei 146, 152, 221Honigkrapfen 173Hufschmiede 224; T: 78Huldigung 4, 8Hungersnot 4, 88, 98ff., 101 f., 161, 167Hutmacher 123Hygiene 53, 81Jagd 143, 179Jauchegruben 208Junker s. StadtjunkerIdiotikon 8Immigration s. EinwanderungImmunisierung 87, 105Importe 101, 193, 216, 221 ff., 247Industrialisierung 122, 124, 146, 209, 226Infektionskrankheiten 53, 81, 87, 107,140;T: 42Innovationen 165, 167, 169f., 171, 189,193, 214, 248Intergenetische Intervalle 66ff.- alle 75f., 77; T: 27, 30- Erstgeburt-Zweitgeburt 74f., 77; T: 27- Heirat-Erstgeburt 73f., 77; T: 27, 28,29; G: 15- nach dem Hinschied eines Säuglings 76- s. a. GeburtenfolgeInvestitionen 181, 188, 209, 246 s. a.KapitalanlagenKabis 167Käse- 123, 143, 164, 172, 173, 177, 180, 193,196, 201, 202ff., 204, 206f., 209, 215,216, 217, 221, 223, 247; T: 64, 75, 80- Preise 204, 237ff., 248; T: 82, 85; G:25,27Käsereien 212, 229Käufe 119, 156, 181, 183, 191Kaffee 173, 180, 223, 246Kalorienhaushalt 177, 180Kapital- Anlagen 139, 181, 246- Besitz 135, 181, 187, 245f.- Markt 188Kartoffeln 92f., 94, 99, 101 f., 158, 161 ff.,163, 165 ff., 171 ff., 174ff., 177, 179, 207,212, 214; T: 58, 60, 61, 62, 63, 64Kartographie 7, 144Kavallerie 202Kerngerste 160Kiltgang 8, 72 f.Kindersterblichkeit s. Sterblichkeit, KindersterblichkeitKirchenbauten 107, 138, 141, 146, 224Kirchenjahr 249Kirchenrecht 166Kirchenrichter 6, 166Kirchgemeindeversammlungen 166Kirchliche Verhältnisse 4 ff.Kirschen 167Kleeanbau 208Kleidung 86, 231, 246, 247, 253 ; T : 80Küma 2ff, 7, 30, 40, 89, 92ff., 141, 150,151, 164f., 214, 249Klimatologie 3Klöster 6, 187; T: 68; G: 22Köhlerei 146, 149, 220Kommunion, Kommunikanten, Nichtkommunikanten86, 108, 109; T: 46,48Konvertiten 50, 129Konzeptionen s. EmpfängnisseKornpreise 88f., 234ff.; T: 81, 85; G:23, 24, 27Korporationswesen s. HochwaldKrankheiten 36, 75, 81, 89, 91, 99, 104,132, 257Kreditwirtschaft 181, 187, 232Kriege 27f., 41, 182, 136Kriminalität 94, 106, 255Krisenjahre 4, 6, 22, 23, 27, 30, 39f., 41,52, 78, 85, 86, 87, 88ff., 92ff., 103f.,106f., 126f., 130, 133, 139f., 159, 167,168, 170, 189f., 200, 204, 205, 207, 209,214, 215, 217, 218, 223, 247, 250, 251,252, 256, 257; T: 3Kühes. Viehbestände- Milchleistung 100, 176, 202Küher 206f., 209Kunstgräser 210 s. a. einzelne SortenLandesorganisation s. BehördenLandesverweis 6, 47, 125Landjäginen 127 ff.277


Landleute 5, 106, 131, 133, 134f., 139,143, 144, 152, 153ff., 229, 256f.; T: 55Landrecht 4, 47, 120, 138, 142, 143 f.,152, 153ff., 190, 192, 195, 200, 202Landrechte (Hochwald) 144, 153 ff. s. a.Hochwald, NutzungLandschreiberprotokolle 182 ff.Landwirtschaft 141 ff. s. a. einzelne BereicheLandwirtschaftliche Reformen 7, 108,118, 124, 135f., 152, 165ff., 193, 207f.,210, 217, 245, 250, 256Lebenserwartung 48, 86, 87f., 106f., 111,113, 139Lebenshaltungskosten 246Lebensmittel 36, 75, 91 f., 132, 169f.,227, 247- preise 39, 88ff., 94, 100, 106, 136, 167,172, 207, 246, 247, 253Ledige 44f.,54,73,115,134,154,156;T:17Legitimation 43Lehensverhältnisse 5, 94, 102f., 118, 119,120, 129, 135, 141, 143, 154, 206, 209Leinen weber 123Leinwandwirtschaft 229Letztgeburt s. GeburtenfolgeLiegenschaften 7, 206; T: 65, 66, 67;Quellen: 182 ff.Löhne 118, 121, 136, 154, 191, 211, 213,217, 222, 23Iff., 246f.Luzerne 208Mandate 6Marktverhältnisse 89, lOOf., 106, 136,141, 159, 180, 200, 201, 204f. s 206,209f., 215, 217ff., 221, 229ff., 234, 245,247Mast 217Maurer 123, 129, 224Medikamente 91, 222Medizin 52f. s 81, 85, 91, 100Mehl 101, 172Mehrlingsgeburten 43Meliorationen 210Mentalität 7, 52, 88, 103, 123, 124, 151,166f., 168, 193, 194, 208, 231, 233, 247,248 ff.Metzger 123Milcherträge: Kühe s. Kühe; Ziegen s.ZiegenMilchwirtschaft 141, 158f., 172ff., 176f.,196, 199, 202, 209f., 215, 247, 253; T: 64Milchzuckerfabrikation 146Mineralstoffe 180278Missernten 27f., 30, 41, 89, 91f., 92ff.,136, 140, 170, 180, 189, 251, 252 s. a.KrisenjahreMost 222Mühlen 225Müller 21, 100Mundart 8Mus 172, 173Musiker 123Nährstoffe 177; T: 64Nährwert 171, 174Nahrung 33, 36, 86, 91 f., 108, 145, 169f.,171 ff. s. a. ErnährungNahrungsmittelversorgung 33, 36, 81, 85,87, 88, 89, 92ff., 99ff„ 106, 107, 133, 138Namengebung 249Naturalwirtschaft 183Niacin 177Niederlassung 5, 119, 128f., 138Niederschläge 3, 150f., 163Nottaufen 10, 85Obst 91, 164, 172, 173Öffentliche Ämter 4L, 42, 153 s. a. BehördenOhmgeld 128, 164, 221; T: 77Ovulation 75, 76, 77Pacht 119, 135, 206Pässe (Ausweise) 127, 128Patriziat (Stadt) 187, 194Pest 11, 21 f., 23, 88 f., 98, 139, 140Pfarreien 5 f.Pferde 182, 199, 200, 206, 209, 217, 219,220; T: 57, 70, 71- zucht 157, 160, 201 f.- preise T: 83, 85; G: 26, 27Pflegschaft 133Pfrund 92, 208Pilze 145, 179Pocken 103ff.; T: 42; G: 20 s. a. InfektionskrankheitenPolitische Verhältnisse 4 ff.Polizei 128Preise 6, 36, 88, 92, 93, 94, lOOf., 106,119, 136, 140, 173, 190, 200, 202, 204f.,206f., 209, 221, 232, 234ff., 248Produktivareal 115ff., 132, 133ff., 138146, 152;T: 51Proteine 177Prozesswesen 5Quellen 8ff., 39, 45, 50, 55f., 67, 76, 78,86, 90, 94, 106, 122f., 126, 129f., 139,


162, 163, 171, 174ff., 182ff., 214, 218,220, 234, 237, 250; T: 1, 2Quotient Taufen/Heiraten 40f., 64; T: 7Rahm 172,247Realrechte 224,248Realteilung 45Reben 227Reformation 120Reis 101, 172Rekuperation 89, 91, 101, 103Religion 30, 33, 249 ff.Rentabilität 205 ff., 210Riboflavin 177Rinder s. ViehbeständeRodungen 118, 141, 149, 152, 154, 169,195, 254, 255Roggen 101, 160f., 163, 171, 173, 177,214; T: 58, 59, 61Rüben s. GemüseanbauRuhr 100Rutzen (Schwingen) 8Saatgut 93, 101, 176Sagen 252Saisonale Verteilung der Taufen, Heiratenund Sterbefälle 30ff., 40; T: 4, 5, 6;G: 8, 9, 10Saisonarbeit 44, 49, 50, 55, 120ff., 127,138, 169, 173, 221, 224, 255Salpetersieder 225Salz 180, 221, 247; T: 80Sammelwirtschaft 172, 179, 180Sattler 224Schafe 176, 197, 200, 201, 206, 209, 217,220, 248; T: 70, 71Schätzungen 5, 163, 183, 206Scheingefechte 255Schiesspulverfabrikation 225Schleifen (Betriebe) 225, 248Schlosser 224; T: 78Schmiede 224; T: 78Schottenzucker 173Schulen 7, 8, 128, 210ff.Schumacher 123Schweine 196, 200, 205, 209, 210, 217,220, 248Schwingen 8, 179, 255Schwörtag 4, 149Seiler 123Selbstmorde 257Selbstversorgung 2, 89, 140, 141, 159,161, 165, 174, 179, 180, 193, 204, 215,216, 221, 228, 246, 247Sexualproportion 86Sexualverhalten 72Siedlungsverhältnisse 115, 118, 122, 141,138, 167, 195Sommergüter 118,134,143, 165, 207, 254Solddienste 108, 120, 122ff., 138, 169,181, 210, 228, 246, 249, 255; T: 52Spengler 129Spinnen s. HeimarbeitSpirituosen 173, 217 s. a. BranntweinStadtjunker 182, 188; T: 68; G: 22Stallfütterung 208, 210Steinhauer 21Sterbebücher 9 f., 39; T: 1 s. a. QuellenSterbetafel T: 43Sterblichkeit 21 ff., 39f., 78fT., 88, 91,106, 108, 139f., 171, 252; T: 2- ausserehelich Geborene 43- geschlechtsspezifische 44, 86- in Krisenzeiten 85, 99ff., 103, 106,140; T: 41; G: 19a, b, c, 20- Kindersterblichkeit 77, 86ff., 104, 107,252f.; T: 38; G: 20- Säuglingssterblichkeit 76, 78 ff., 104, 106-endogene 81ff.;T:35-exogene 81 ff., 106; T: 35- Verteilung der Hinschiede auf daserste Lebensjahr 80fif, 106; T: 32,33, 34; G: 17, 18- Ziffern 78ff., 106, 139; T: 31, 36,37; G: 16- saisonal 36ff.; T: 6; G: 10- Sterblichkeitsziffern i. A. 41, 43, 78,111, 113, 140Sterilität 74, 76Steuern 107,130,143,164f., 167,191,213Stiere 219Stillen (v. Kindern) 75, 76, 77, 82Strassenbau 5, 146, 210, 255Strumpfmacher 123Strumpfwarenhändler 123Suppen 173Tabak 246; T: 80Taglöhner 136, 172, 246, 257Talwirtschaft 208, 210, 214, 254Taufbücher 9f., 39; T: 1Tauschbriefe 183Temperaturen 3, 151Teuerung 89, 92ff., 99ff., 103, 136, 180,251, 252Thiamin 177Torf 148Transportwesen 101, 141, 152, 215, 217,222f.279


Triebrechte 153 ff. s. a. Hochwald, NutzungÜberschwemmungen 27, 89, 150f., 165,189, 194, 215Überwinterung (v. Vieh) 199, 207, 210,218, 220; T: 74Umgeld s. OhmgeldUmweltbedingungen 249, 251, 253 ff.Unfälle 52Unruhen 125, 165ff., 207, 211f.Urbarisierung 108, 134, 139, 143, 152,191 f.Vegetationszeit 3, 159f.Verfalltermin (f. Zinsen) 183Verhaltensweisen 8,30,49,96f. s. a. MentalitätVerkehrsverhältnisse 106,141, 227, 247Verleger (Heimarbeit) 232Verlosung (v. Landrechten) 155Vermögensverhältnisse 181 ff.Verschuldung 126, 135, 146, 151, 152,153, 181ff, 207, 209, 215, 227f., 244,246, 247, 248, 255f.; T: 65, 66, 67Versorgungskrisen 88 ff., 140Verwaltung s. BehördenVerwandtschaftsverhältnisse 51 f., 130,132, 253Vieh- Ausfuhr 100, 216f., 218ff.; T: 76- Bestände 8, 94, 157, 176f., 183, 196ff.,202, 209, 219, 248; T: 57, 69, 70-74- Märkte 205, 209, 218f., 248; T: 76, 80- Preise 234, 240ff., 248; T: 83, 84, 85;G: 26, 27- Seuchen 27 f., 205, 218- Wirtschaft 141, 152, 158f., 180, 195,199, 204, 206f., 207, 209f., 215Viehhändler 219; T: 76Visitation (Früchte-) 100Vitamin A 177f., 180Vitamine 177 f., 180Volksfeste 8Volkszählungen 7, 8, 78, 108ff., 174f.;T:44Voreheliche Geschlechtsbeziehungen 43,67 ff.Vorkaufrecht 120Waagmeister 21Wagner 224Wahlen 4, 6Waisen 130, 133, 231Wald 142 ff., 152, 201, 220, 226280- nutzung 142ff., 152Walken 227,230Wallfahrtsorte 55, 249 s. a. einzelne OrteWanderungen 40, 49, 50, 54f., 88, 116,118f., 195, 246, 249 s. a. Auswanderung,EinwanderungWasenmeister 21Weben, Weber s. HeimarbeitWeiderechte 142 s. a. Hochwald, NutzungWeidzins 202Wein 168, 173, 216, 217, 221 f., 227, 247;T:77Weizen 163, 173, 177; T: 59, 61- preise 88 f.Welschlandhandel 218f.; T: 76, 80 s. a.ViehmärkteWerch 163, 174, 227Wiederverheiratung s. Heiraten, WiederverheiratungWintergüter 118, 134, 143, 208, 254Wirte 222,223Witterungsverhältnisse 2ff, 89f., 92ff,170, 189Wochenbett 53Wohnverhältnisse 7, 86, 132, 158, 174,249, 253 f.Wolle 201Wucher 100Würdigungen (v. Liegenschaften) s. SchätzungenWuhren 5, 144, 146, 255Zäune 149Zehnten 6, 92f., 161 ff, 163,164f., 165ff.,171, 174ff., 191, 212, 227; T: 58, 59, 62s. a. ErträgeZeichnerlohn 154Zeig 168, 159Ziegelhütten 225Ziegen 102, 143 f., 149, 155, 172, 200f.,209, 220Zieger 172, 173, 176f., 202, 209; T: 64Zimmerleute 123Zinsen 89, 103, 150, 151, 154, 164f., 183,188f., 191, 200, 202, 204, 209, 215, 216,218, 219, 225, 227f., 231, 233, 244, 257;T:80Zivilstand 52ff; T: 17, 18Zoll 164, 206, 216, 217, 221Zubereitung von Speisen 169 f., 179Zucker 180Zunftwesen 229Zwiebeln s. GemüseanbauZwillinge 43


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