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SFT 5/84 - Science Fiction Times

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10<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong>HORSTHEIDTMANNDAS WORTALS SCHILDDie beiden letzten Bücher der DDR-Schriftsteller Johanna und Günter Braunsind sicher nicht das, was der Stammleserutopisch-phantastischer Literatur hierzulandeals leichte, entspannende Lektüreerwartet. In beiden Bänden tauchen utopischeund phantastische Details undVersatzstücke nur noch am Rande auf.Die Brauns gehörten auch mit früherenArbeiten nicht zu den Autoren, die demLeser phantastische Fluchtwelten angebotenhaben, in denen dieser seinen Alltagssorgenentfliehen konnte , sondernsie haben sich, zwar phantastisch gewandet,mit der Gegenwart, mit aktuellenFragen und Problemen auseinandergesetzt.Die beiden neuen Titel sind in nochstärkerem Maße als Gegenwartsliteraturanzusehen, und da die Verfasser aus derDDR stammen, setzen sie sich vor allemmit der dort erfahrenen Gegenwart, mitder gesellschaftlichen Realität in derDDR auseinander. Das Phantastischewird somit für die Brauns hier mehr nochals in früheren Büchern zum Instrument,um Kritik zu verfremden, aber auch zuüberzeichnen, zu übersteigern. Darauskönnen sich für westdeutsche Leser Zugangsschwierigkeitenergeben, die Textewirken sperrig. Nicht nur die Feinheitender Kritik, z. B. satirische Anspielungen,sondern die Dimensionen der hier artikuliertenKritik überhaupt, lassen sichangemessen wohl nur von jemandem erkennenund nachvollziehen, der mit Alltagund Gesellschaft in der DDR vertrautist. Wenngleich also das Publikum in derDDR diese Texte anders lesen würde(bisher konnten beide Bücher nur in derBRD erscheinen), so erzählen die Braunsvielschichtig genug, um dem hiesigenLeser subjektive, individuelle Zugangsmöglichkeitenzu erlauben.Der Roman „Das kugeltranszendentaleVorhaben“ beginnt recht realistisch,wird aber von Anfang an mit ironischerDistanz erzählt, die sich dann mehr undANMERKUNGENZUNEUEN WERKENVONJOHANNAUNDGÜNTER BRAUNJohanna Braun und Günter BraunDAS KUGELTRANSZENDENTALEVORHABEN. Phantastischer RomanSuhrkamp Taschenbuch 948Phantastische Bibliothek Band 109Frankfurt/M. 1983,215 S.DIE UNHÖRBAREN TÖNEPhantastische Berichte an die BehördeSuhrkamp Taschenbuch 983Phantastische Bibliothek Band 119Frankfurt/M. 19<strong>84</strong>, 131 S.mehr ins Satirische ausweitet: RichardSchrimm, ein älterer und etwas eigenbrötlerischerMitarbeiter der Gepäckabfertigungdes (fiktiven) Bahnhofs Grasleben-Horkenstedt (irgendwo in derDDR), empfangt mit seinem japanischenRadiorecorder einen seltsamen Senderaus der Südsee. Schrimm hört Stimmenin einer ihm unbekannten, und wie sichherausstellt auf der Erde nicht existenten,Sprache, er nimmt Sendungen auf,versucht sich die unverständlichen Lautezu erschließen und zu übersetzen. DemGepäckabfertiger gelingt die Annäherungan die fremde Sprache, er wird daraufhinin eine phantastische Welt, auf dieKugel-37-a versetzt, wo „Menschler vonder Familie der intelligenten Unteroberflächensiedler“leben.Die Kugel-37-a-Gesellschaft bautauf dem Wort auf. Die Menschler habenals Besonderheit ihre Sprache zueiner phantastisch-grotesk überzeichnetenBehördensprache weiterentwickelt.Wenn dort jemand schriftlich den Besitzvon etwas bestätigt bekommen hat,dann besitzt er es für übergeordnete Instanzentatsächlich, auch wenn er es inWirklichkeit nicht besitzt, und wenn „anden Feldern auf korrosionsgeschütztenSchildern geschrieben steht“, daß „dieindustrielle Gurkenernte ( ... ) hervorragend“ist, dann kann sie niemals schlechtsein. Auf Kugel-37-a wird Sprache „gefonformt“,d. h. erwartete Aussagen werdendurch übergeordnete Instanzen vorgeformt,damit die Menschen nicht mehr„ihr Gehirn durch quälendes Eigendenkenstrapazieren“ müssen. Der AbfertigerSchrimm muß u.a. bei einem Institutfür Sprachgebildebau und -nutzung Verbalienabgeben, d. h. Sprachhülsen oderbürokratische Wortkonstrukte wie z. B.VAKUUM- RÖHRENBAHN-SPEZI-AL-BEFÖRDERUNGSBEDINGUN-GEN. Solche Wortmaterialien werdenvon den dort Herrschenden benötigt,

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