14<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong>NackterHinternganzen Kindertruppe. Als JOEY hat Josheiniges zu erleben. Sein (Film-) Vater istgestorben. Danach entwickelt der 9jährigeeine faszinierende aber auch unheimlicheBegabung: er kann Gegenständemit den Kräften seines Geistes bewegen.So läßt er Teller, Stühle und allerleiSpielzeug durch die Lüfte schweben.Einigermaßen unheimlich aber ist seinzweites Talent: mit einem roten Telefonkann er Kontakt zu seinem verstorbenenVater aufnehmen. Das wäre alles nichtso schlimm, wenn da nicht das allgegenwärtige,das abgrundtief Böse im Dunkelnlauern würde – und zwar in Formeiner dämonischen Bauchrednerpuppe.Daß das alles wie eine Mixtur aus POL-TERGEIST und ET anmutet, stört denselbstbewußten Schwaben nicht: „DieLeute in Deutschland haben einfachzuviel Angst, irgend etwas nachzumachen“.Emmerich will eben Filme drehen, die er selber gern im Kino sehen würde.Bisher liegt er jedenfalls genau richtig.Er hat eine bundesdeutsche Marktlückeentdeckt, die er jetzt füllen will.Seit Fritz Langs Stummfilm FRAU IMMOND nämlich scheinen die deutschenRegisseure – mit Ausnahme vielleichtvon Rainer Erler – ganz abgekommenzu sein vom Genre des phantastischenKinos. Genau hier greift Emmerich ein:hatte sein ARCHE-HOAH-PRINZIPnoch einen Gegenwartsbezug mit politischenElementen, so ist die Story seinesneuen Films nur noch dem HollywoodschenSynthetik-Kino Marke Spielbergzuzuordnen. Jedenfalls haben die schwäbischenFilm-Enthusiasten immer nocheinen finanziellen Überlebenskampf zuführen und einen Wettlauf gegen dieZeit zu bestehen. Die Drehzeit nämlichist längst überschritten und auch sonstverzögert sich so einiges an der JOEY-Produktion. Deshalb kann der Film auchnicht wie geplant am 12. Juli starten,sondern wird erst im September in diebundesdeutschen Kinos gelangen.Emmerich produziert seinen Filmmit seiner hauseigenen Produktionsgesellschaft„Centropolis“-Film zusammenmit dem „Filmverlag der Autoren“.Fördergelder gab es diesmal wenigerals beim letzten Film. Eine finanzielleSpritze kam nur aus Berlin von derFilmförderungsanstalt. Wie hoch dennnun genau die Produktionskosten sind,darüber schweigen sich alle aus. In derBranche munkelt man zwischen drei undacht Millionen. Auch diesmal hat RolandEmmerich seine ganzen Freunde um sichgeschart: an der Kamera wieder EgonWerdin (auch ehemaliger Student derHFF); und ebenfalls wieder ist Allround-Talent Hubert Bartholomae für die Musikund die mechanischen Special-Effectszuständig. Seiner Hand entstammtübrigens der ständig piepsende Roboter„Charly“, der in JOEY für Klamauk undKapriolen sorgen wird. Der StuttgarterElektronik-Diplom-Ingenieur Bartholomaeist gefragt im Kino-Geschäft undSaturn City(Saturn 3, USA 1980)Regie: Stanley DonenBuch: Martin AmisKamera: Billy WilliamsMusik: Christopher Palmermit Kirk Douglas, Farrah Fawcett,Harvey Keitel, Douglas Lambert, EdBisbopLaufzeit: 88 MinutenAllzuweit ist es von der Opulenzklassischer Musicals zum Ausstattungswahnmoderner SF-Filme ja nicht. KeinWunder also , daß Stanley Donen dasfuturistische Dekor seiner Amokroboter-Fabel recht geschickt zu servieren weiß.Der Rest indes ist kalter Klischeekaffeemit ALlEN-Aroma: Irgendwo auf einemSaturnmond forschen da ein väterlicherWissenschaftler und seine blondgelockteAssistentin in trauter Zweisamkeit vorselbst für die TAUSEND AUGEN vonEx-Filmkritiker Hans-Christoph Blumenbergkomponierte er den Soundtrack.Vorerst ist man mit dem Drehen fertig.Die Tricktechniker in Berlin – übrigenswie die meisten im Filmteam auchnoch „Twens“ – haben jetzt das Sagen.Sie werden dafür verantwortlich sein,daß später im Film die Dämonen undUngeheuer auch zu sehen sind.Nach Angaben von Wolf Armin Langeentstehen die meisten Tricks mit der altbewährten Blue-Screen, außerdem sollauch der Bau einer computer-gesteuertenKamera à la Dykstraflex funktioniert haben.Die deutschen Techniker jedenfallswollen den Amerikanern die Stirn bieten,und was an Geld fehlt, soll eben mitEinfallsreichtum reingeholt werden.Was Emmerich aber vor allem wurmt,ist die Meinung der etablierten Filmkritik.Die können einfach mit ihm nichtsanfangen und bezeichnen ihn – nur weiler nicht im Studio dreht – als Bastler.So nannte die Münchner Filmkritik-Zarin Ponkie das schwäbische Team als„Bastel-Genies im Weltraumspielzeugladen“.So einfach sollte man es sichje· doch nicht machen, immerhin meintEmmerich nicht gerade bescheiden:„Wir drehen hier mit Tricks und einerLichtquantität, die übersteigt bei. weitemdas Equipment von BOOT“. Man wirdsehen.sich hin, werfen zwischendrin obskureGlückspillen ein und träumen dabei vomGarten Eden.Bis das Idyll jäh gestört wird, als einAstronaut des Weges kommt und einenRoboter der neuen „Halbgott“ -Seriemitbringt, ein furchtbar unpraktisch aussehendesBarockgestänge mit Plastikröhrchen,durch die irgendwelche blauenund roten Flüssigkeiten sprudeln. Undjeder echte Frankenstein-Fan weiß natürlich,wie sowas enden muß: Richtig, derAstronaut entpuppt sich als drogenumnebelterMörder, der Roboter flippt aus,seziert den Bösewicht und lüstet fortander heftig kreischenden Blonden nach,bis er am Ende in die Luft gesprengtwird.Fazit: Im Weltraum nichts Neues. Außervielleicht dem ungewohnten Anblickvon Kirk Douglas’ nacktem Hintern.Norbert Stresau
<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong> 15RezensionenMichael K. IwoleitRUBIKONFrankfurt/Westberlin/Wien 19<strong>84</strong>Ullstein SF 31091, 157 S., DM 5,80ln dem planetenumspannenden Meervon Rubikon 3 hat man Spuren außerirdischenLebens entdeckt; ein fünfköpfigesForschungsteam wird ausgeschickt,dieses Phänomen näher zu erforschen.Nachdem sich die drei Männer und zweiFrauen nach einiger Zeit nicht mehr gemeldethaben, bricht Protagonist BertTraven auf. Ihm offenbaren sich Spurenmutwilliger Zerstörung; einer der Wissenschaftlerhat Selbstmord begangen,eine Frau ist psychisch völlig verstört,zwei sind verschollen. Mit Hilfe desTechnikers Ben Chip, der als einzigesExpeditionsmitglied einigermaßen unbeschadetaufgefunden wird, rekonstruiertTraven aus Tagebuchaufzeichnungen,Forschungsberichten und Chips Erinnerungenmühsam den Expeditionsablauf,und nach und nach enthüllt sich ihm dieGeschichte des mißglückten Versuchseiner Kontaktaufnahme zwischen zweiSpezies, deren Unterschiedlichkeit mansich extremer nicht vorstellen kann.RUBIKON ist der erste Roman vonMichael K. Iwoleit, und wie fast jeder Romanerstlingweist er einige Schwächenauf, .die insbesondere beim Plot und derinneren Logik des Handlungsablaufes zuTage treten. Stanislav Lems SOLARIShat bei der Grundkonstruktion Pate gestanden,und das mehr, als dem Romanin dieser Hinsicht eigentlich gut tut. DieCharaktere sind oft nur auf ihre Typenreduziert, als Wissenschaftler üben sieihren Beruf nicht nur aus, sie stellen fastschon die Wissenschaften dar. Das machtihre menschlichen Reaktionen teilweiseunglaubwürdig, was wiederum Einflußauf die zentrale Problematik des Romanshat: wie sind die Grenzen der menschlichenAufnahmefähigkeit und desmenschlichen Verstandes beschaffen?Der Verstand hat sich ein meßbares, wissenschaftlichnachvollziehbares Weltbildgeschaffen, ein menschliches Weltbild,vom Homo Sapiens für den Homo Sapienserrichtet. Ist es da nur folgerichtig,daß es bei dem Kontakt mit einer fremden,andersartigen Lebensform versagenmuß? Oder ist es möglich, mit Drogenund transzendentalen Übungen dieseGrenze zu überschreiten, ohne sich dabeider Selbstvernichtung preiszugeben?Diese und andere Fragen wirftIwoleit auf, aber das tut er mit einerSprache und einer Erzählstruktur, die füreinen Erstlingsroman schlichtweg beeindrucken.Ihm gelingt es von der erstenbis zur letzten Seite eine eher trockeneThematik so spannend und packend darzustellen,daß man die Mängel diesesRomans bereitwillig hintan stellt. In diesemZusammenhang ist zu hoffen, daßes Iwoleit gelingen mag, sich von seinenVorbildern Lern und Dick zu lösen, damiter zu der thematischen Eigenständigkeitfindet, die ihm hier noch fehlt.Andreas DeckerAlan Dean FosterAUCH KEINE TRÄNEN AUSKRISTALL(Nor Crystal Tears)München 1985, Heyne 4160, 286 S.,DM 6,80Deutsch von Heinz NagelRyozenzuzex, Mitglied einer Thranxgenannten intelligenten Insektenart, hatein Problem: im Gegensatz zu seinenAltersgenossen, die sich rechtzeitig vorEintritt in die Erwachsenenwelt für dieKarriere eines Chemikers, Ingenieursoder Polizisten entscheiden können,weiß er nicht, was er mit seinem Lebenanfangen soll. Doch eines Tages stößt einRaumschiff seines Volkes auf ein UFO,in dem merkwürdige zweibeinige Wesengefunden werden, die nicht nur von derNatur mit Innenskeletten (!) ausgestattetsind, sondern den Thranx überdies feindlichgesonnen scheinen. Und für Ryowird klar: um eine friedliche Koexistenzzwischen den beiden Arten herzustellen,bedarf es eines Botschafters mit außergewöhnlichenFähigkeiten – und dieserBotschafter ist er.Mehr als zehn von Fosters bisherigenRomanen spielen bereits im „ Homanx-Universum“; zum überwiegenden Teilerschienen die deutschsprachigen Ausgabenbei Heyne. Der vorliegende Bandist in der Chronologie der Ereignisseder erste, wenn er auch erst über einJahrzehnt nach anderen in Fosters Privatweltspielenden herauskam. WelcheMotive Foster auch immer bewogen, ihnnachzuschieben – der Drang, der <strong>Science</strong><strong>Fiction</strong> eine interessante Variantedes „first contact“ hinzuzufügen, kannebensowenig darunter gewesen sein wieder Wille, eine nichtmenschliche Gesellschaftglaubwürdig darzustellen oder ausihrer Perspektive, mit ihren Augen denMenschen zu sehen und zu beschreiben.Vielmehr greift er einen Gedanken wiederauf, mit dem schon Perry Rhodanvor über zwanzig Jahren die Völker derErde vereinte: den nämlich, daß es notwendigist, sich gegen einen prinzipiellbösen Anderen zusammenzuschließen.Waren es dort die „Springer“ und andere,so sind es hier die echsenartigen AAnn,die sich einen Spaß daraus machen, zwischenFrühstück und Mittagessen maleben eine Siedlung der Thranx zu überfallenund einige Kinder und Frauen niederzumetzeln.So kann der Roman, der im übrigennicht nur in der Skizzierung der politischenVerhältnisse, sondern auch in seinenCharakterzeichnungen zu eher naivenÄußerungen neigt, zudem nicht alsAufruf zu Toleranz im Umgang mit demFremden gelesen werden, läge diese Botschaftvon seiner Struktur her auch nahe:setzt die Bereitschaft, andere Anschauungen,Einstellungen, Gewohnheitengleichberechtigt neben den eigenen geltenzu lassen, doch stets die Möglichkeitzur freien Entscheidung voraus – in Zeitender Not enger zusammenzurücken,„Sachzwängen“ folgend den Anderen zudulden, kann wohl kaum als Tugend bezeichnetwerden.Walter Udo EverlienPaul 0 . WilliamsDIE ZITADELLE VON NORDWALL(The Breaking ofNorthwall)München 1985 , Heyne 4151, 379 S.,DM 9,80Deutsch von lrene HolickiDIE ENDEN DES KREISES(The Ends of the Circle)München 1985, Heyne 4152, 368 S.,DM 7,80Deutsch von Irene HolickiEinige der bemerkenswertesten Texteder SF sind post doomsday-Romane.Denken wir an George Stewarts LEBENOHNE ENDE (Earth Abides, 1952) undWalter M. Miller jr.‘s LOBGESANGAUF LEIBOWITZ (A Canticle for Leibowitz,1959); an DER UNTERGANGDER STADT PASSAU (1975) von CarlAmery und Sterling E. Laniers HIEROSREISE (Hiero‘s Journey, 1973).Den beiden ersten Bänden des PEL-BAR-Zyklus -in Vorbereitung sind fürGermany deren mindestens sieben! –