26<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong>LeserpostKINDEREILieber Herr Pusch,aus dem sog. „Fall Hollburg“ scheint in der<strong>SFT</strong> ein nicht enden wollendes Fortsetzungsdramazu werden.Ich schlage vor, daß die Leser, die sichwirklich dafür interessieren, sich direkt anHerrn Anton oder Herrn Eisele wenden undüber den weiteren Fortgang im kleinen Kreisunterrichtet werden.Ist das Niveau der <strong>SFT</strong> wirklich für solcheKindereien geeignet?Mit freundlichen GrüßenCORIAN-VERLAG Heinrich WimmerAUSTRITTSehr geehrter Herr Plewka!Hiermit erkläre ich meinen Austritt aus demSFCD.Natürlich brauche ich das nicht zu begründen,möchte aber trotzdem ausführen:1. Nach Vollendung des 70. Lebensjahres am4.9.19<strong>84</strong> habe ich etliche Mitgliedschaften– überwiegend in wissenschaftlichen Vereinigungen– gelöscht, da mich weder dieProbleme noch die Personen mehr besondersinteressieren.2. Im SFCD hat mich stets die stark subjektivpersonale Tendenz gestört. Es interessiertmich wirklich nicht, wer sich mit wem angelegthat und welche – oft mehr oder wenigerpubertären – Komplexe da coram publico abreagiertwerden.3. Ich bin ein ausgesprochener Anhänger der„hard core“ SF und mag daher die oft sehrdreckige New Wave, die mit dem Weltraumkaum mehr etwas zu tun hat, nicht leiden.4. Das Eindringen und Überwuchern der„Fantasy“ in die SF stört mich besonders.Soviel Schwachsinn gedruckt hat es seltengegeben.5. Als Informationsorgan genügt mir im wesentlichendie <strong>SFT</strong>, die sich (unter kommerziellemAspekt, hi!) in den letzten Jahren sehrzu ihrem Vorteil gemausert hat – seit denAPO-Zeiten unseligen Angedenkens.6. Die Ausfüllung des mir soeben zugegangenenFragebogens erübrigt sich damit. Ichstelle aber anheim, diesen meinen Brief abzudrucken.Eine Kopie gebe ich ohnehin an den<strong>SFT</strong>, und eine weitere an Waldemar Kumming(Das waren noch Zeiten …Also verabschiede ich mich hiermit ganzohne Groll aus dem Fandom und wünsche(Fortsetzung von S. 25)1985 World’s Best SF), Bastei 24069, DM7,80. Der Band enthält die nach Meinungder Herausgeber besten Erzählungen desvergangenen Jahres. Eine im allgemeinenrecht verläßliche Auswahl, bei der auch dieAktualität der deutschen Ausgabe, die fastgleichzeitig mit dem amerikanischen Originalerscheint, beeindruckt. Und da Wollheimsich auch Verdienste um die nichtenglischsprachigeSF gemacht hat, sei ihmder etwas leichtfertige Umgang mit demWort „World“ verziehen.dem SFCD Blühen und Gedeihen – auchohne mich!Ihr/Euer Winfried PETRIx SFCD Nr. 2087.DEUTSCHE SFLiebe Freunde von der <strong>SFT</strong>!Man hört zur Zeit herzerfrischende Töne inder deutschen Literatur, die mit Recht dieFrage nach ihrer Bekenntnisfähigkeit stellen:„Die Maler sind eh die besten, die Maler undPopmusiker sind die besten, und die anderen,insbesondere die Literaten, die gibt es garnicht, weil die haben ihren Kopf voll mit derblääden Sensibilität und der Phantasie, odersie sind selbstironisch, und meistens sind sieobendrein das allerbläädste, nämlich engagiert.“So schreibt Rainald Goetz, und wersich einmal die Mühe macht dahinterzublicken,wird erkennen, daß hier Wahrheit in Szenegesetzt wird. Die Hochliteratur hat nichtsmehr zu sagen, sie ist dort am Besten, wo sieBeobachtetes mit bedingungsloser Klarheitfesthält Perspektiven zu weisen, ist eine Tugend,die eine Unterabteilung von Literaturleisten könnte, die sich nach und nach in dieseLücke hinein emanzipiert: <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>.Zu dumm, daß sie in den weitaus meistenFällen auf Analogiebildung hinausläuft, dennes wird geschrieben, was unter diesem Etiketterscheint, und es er scheint unter diesemEtikett, was sich so am Erfolgreichsten absetzenläßt. Kein Wort darüber, daß die <strong>Science</strong><strong>Fiction</strong> mehr sein kann als eine Aufeinanderfolgevon Topoi, daß sie als Arbeitsmethodedienen könnte!Betrachten wir doch einmal unsere Situation.Was haben wir heute? Eine deutsche<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>, die Motive variiert, dastechnische Moment vermindert oder betont,den Schwerpunkt auf Heldenmut oder Innerlichkeitlegt, eigentlich so ziemlich alles tut –solange es nicht den Vorgaben wider spricht.Gute <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> muß gleichermaßeninhaltlich und formal bestechen und sich verkaufen.Heißt es. Klar, aber als Literatur derZukunft, die sie doch sein will, muß sie sichauch den Problemen des Menschen in der Zukunftstellen, seiner Situation des Eingebettetseinsin die Technik, seinem Verhalten, demAusdruck seines Seelenlebens. Hier liegt ihreigentlicher Anspruch, der von den Autorendeutscher Provenienz noch allzu ungenügendeingelöst wird. Ungeachtet der Vorbilder,die wir unablässig in höchsten Tönen loben.Lem, Brunner & LeGuin, das klingt wie einekuriose Firmenbezeichnung, in dieser Dreifaltigkeitkommen sie uns meistens über dieLippen. Wir stellen ihnen Namen wie Ballardund Sladek zur Seite, müssen aber verdutztfeststellen, daß wir in der deutschen Schubladevergebens kramen. Zwar gibt es Tendenzenin diese Richtung, doch oft kann diekünstlerische Ausgestaltung nicht mit demInhalt mithalten, nicht selten deshalb, weildas immer häufigere Auftreten eigentlichvielversprechender Autoren, die mit demSchreiben ihren Lebensunterhalt verdienen,ihnen außer der Produktivität des Unkonventionellenauch noch die Kreativität raubt.Wenn ich mir das vor Augen halte, kommeich auf ein paar grundsätzliche Forderungenan die deutsche <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>. Verfaßtwerden sollte sie möglichst von Autoren, diekeinen Marktzwängen unterworfen sind undsich genügend Zeit für den einzelnen Textnehmen können. Das erfordert finanzielleUnabhängigkeit. Darüber hinaus sollten siesich anfangs nur der Kurzgeschichte widmen,da sie einen überschaubaren Umfang hat undes einfacher erscheinen läßt als der Roman ,die notwendigen inhaltlichen und formalenKorrekturen vorzunehmen. Der Ruf nachmehr und besseren Romanautoren erfolgtimmer noch zu früh. Woher sollen sie kommen,wenn man ihnen nicht die Zeit läßt, dasMetier zu erkunden, und sie stattdessen amerikanischenVorbildern in die Arme treibt? Esmuß möglich gemacht werden, die Anlageneinzelner vielversprechender Autoren sichentfalten zu lassen, ihnen bewußt zu machen,welche Fülle an Möglichkeiten ihnen die<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> bietet. Die in den Verlagenbeheimateten Redakteure und Lektoren kommendafür aufgrund von Arbeitsüberlastungund ökonomischen Erwägungen nicht in Frage.Man sollte jedoch einmal überlegen, obnicht die Landestreffen der SF-Schaffendendas richtige Podium wären, ob nicht der eineoder andere erfahrene Publizist ein frischesTalent in seine Obhut nehmen könnte? Allerdingswäre es erforderlich, damit bald zubeginnen, denn wenn der Genrenachwuchssich seiner literarischen Möglichkeiten nichtbewußt wird, werden die künftigen gutenBücher nicht im Herzen der <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>geboren sein. Der Gettocharakter des Genreswird wieder zunehmen und es in dem Maß,wie ernsthafte Autoren abwandern, zu einermüden Alternative des Westerns verkommenlassen.HerzlichstEuer Michael NagulaREZENSIONENGenau in dem Augenblick, in dem ich michentschloß, einige interessante Neuerscheinungender deutschen <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> zu rezensieren, kam die Märznummer der SCIENCEFICTION TIMES auf meinen Tisch, und ichkonnte die Rezensionen über die betreffendenBücher nun lesen. Angesichts der gegenwärtigkontrovers geführten Diskussion überdie neue deutsche <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> – manchebestreiten ja, daß es sie überhaupt gibt – interessierenmich offen gestanden andereMeinungen oft mehr als meine eigene, auchoder gerade dann, wenn sie stark voneinanderabweichen. Was nun die Rezensionen,die ich gelesen habe, betrifft, so gibt es nebengrundsätzlicher Übereinstimmung mit denMeinungen der Kritiker immerhin noch soviel Divergenz bzw. Ergänzungsbedürftigkeitder dort vertretenen Ansichten, daß ich es mirnicht verkneifen kann, an dieser Stelle als Lesermeine Meinung zu sagen.Das erste Buch ist AIPOTU von NorbertLoacker (München 19<strong>84</strong>, Heyne TB 4123),sicher einer der besten deutschen Sciencc<strong>Fiction</strong>-Romane der letzten Jahre, jedenfallsder beste, den ich gelesen habe. Bei äußerstsparsamem Einsatz und genau kalkulierterVerwendung sprachlich-literarischer Mittelerreicht der Autor ein Höchstmaß an erzäh-
<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> 5/<strong>84</strong> 27lerischem Effekt. Der Rezensent LudwigRief hat das Buch in fast allen Punkten sobesprochen, wie ich es auch rezensiert hätte(auch hinsichtlich seiner Kritik), so daß mirim Grunde nur noch zu sagen bleibt, daßdieser Roman sich durch stilistische und psychologischeKonsequenz in einem Maß auszeichnet,das wiederum auch seine Grenzenund Gefährdungen aufzeigt. Wenn der Autorein streng behaviouristisches Experiment mitallen Voraussetzungen und möglichen Folgendarstellt, bewegt er sich auf der Ebene der Rationalitätund des kausalen Determinismus.Wenn er uns aber den Sinn des Experimentsverschweigt und uns über die Experimentatoren(offenbar mit Absicht) im unklarenläßt, dann verläßt er diese Ebene und machteinen gewaltigen Sprung ins Irrationale.Aus den Versuchspersonen werden Menschen,und das Experiment verwandelt sichin eine Schicksalstragödie vor alltäglichemHintergrund, deren Geheimnisse bis zuletztungelöst bleiben. Aus dieser Spannung zwischenRationalität und Irrationalität, aus derlogisch-psychologischen Ambivalenz bei derDarstellung menschlichen Zusammenlebensauf engstem Raum (Schiff als Versuchsstation),durch die Sprengung des Modellcharaktersder menschlichen Gesellschaft und ihreReduktion auf Urtriebe erwächst zweifellosdie ungewöhnliche Wirkung von AIPOTUauf den Leser. Es wird jedoch auch deutlich,daß es dem Autor für die Darstellung einerechten Tragödie oder Katastrophe vor alleman der Kraft der wirklichen Menschendarstellungund Charakterzeichnung mangelt. Alleseine Figuren wirken bis zum Schluß marionettenhaftund eigentümlich blaß, eben wieVersuchspersonen, die sich den Bedingungeneines Experiments unterworfen und ihrMenschsein a priori aufgegeben haben.Das zweite Buch, zu dem ich die Meinungdes Rezensenten Michael Nagula ergänzenund in einigen Punkten korrigieren möchte,ist DAS SPINNENLOCH (Frankfurt a.M.19<strong>84</strong>, Suhrkamp st 1935), ein Band mit Erzählungendes bekannten Bremer AutorsGerd Maximovic. Maximovic hat das stilistischeNiveau seines ersten Bandes DlE ER-FORSCHUNG DES OMEGA-PLANETENdurchaus gehalten, in einigen Punkten sogarverbessert bzw. durch psychologische Finessenbereichert. Die teilweise grobsinnlichen,ja gewalttätigen Horroreffekte früherer Erzählungensind einer manchmal subtilen,beinahe surrealistischen Seh- und Darstellungsweisegewichen (Das Spinnenloch. DerPlanet Eden). Stärker als bisher versucht sichda Autor in der Darstellung tiefenpsychologischerPhänomene, Archetypen. Träumeund verbindet sie mit Betrachtungen über dasäußere Universum, wobei die Innen- und Außenweltjeweils als Spiegelbild der anderenerscheinen.Die beste und eigenartigste Erzählungdes Bandes mit der Überschrift „Das Ding,das vom Himmel fiel“ ist geradezu als einehommage à Kleist zu bewerten. Das spätmittelalterlichePanorama und die Atmosphäredes „Michael Kohlhaas“ werden hier bisins Detail treffend nachgezeichnet und nichtüberzeichnet, wie der Rezensent meint. Die(wiederum ambivalente) Wirkung dieses erzählerischenKabinettstücks liegt ja geradedarin, daß diese Welt blinden Aberglaubensdurch die Existenz eines Außerirdischen –eben jenes Dings, das vom Himmel fiel – ausden Fugen gerät. Der Rezensent hat hier m.E. zu Unrecht die Diversifikation des Inhalts,bedingt durch eine Mischung heterogener erzählerischerElemente, dem Autor als Mangelan Form oder Stilbruch angelastet. Schließlichmöchte ich noch einiges zu Ulrich HorstmannsDAS GLÜCK VON OMB’ASSA(Frankfurt a. M. 1985, Suhrkamp st 1088)bzw. zur Rezension von Klaus W. Pietreksagen. Offensichtlich haben manche RezensentenSchwierigkeiten, sprachliche Satireals Gesellschaftskritik zu lesen, und verlangenvom Autor da „action“ und ausgedehnteDetailschilderungen, wo er gerade Interaktionauf bestimmte Sprachmuster und semantischeEbenen reduzieren will. Auch ist es einewachsende Unsitte, den Inhalt von Büchernüber die genrespezifische Zuordnung odergar vom Klappentext her zu beurteilen. Ichhalte die umgekehrte Reihenfolge in jedemFall für besser und vor allem für die richtige.Horstmann, der sicher kein Erzähler im strengenSinne, sondern eher ein sehr geistreicher,sprachgewandter Essayist ist, mit Sladekoder Aldiss zu vergleichen, tut beiden SeitenUnrecht. Der „literarische Wasserkopf“Horstmanns ist bestimmt nicht größer als derso manchen amerikanischen <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>-Autors, der seine außerirdischen Szenerienmit prahlerischem Jargon und pseudo-wissenschaftlichemVokabular so unzureichendausstattet, daß die Hohlräume und der erzählerischeLeerlauf erst richtig spürbar werden.Das Element des Außerirdischen, das derRezensent als Idee weiter ausgestaltet sehenmöchte, hat Horstmann in unserer Alltagsweltund die vom Bewußtsein produziertenDenkschablonen deutlich integriert. Aus meinerSicht ist ihm gerade dadurch eine Synthesezweier scheinbar unvereinbarer Elementemit satirischer Außenwirkung gelungen.Mit freundlichen GrüßenIhr Dietrich WachlerIMPRESSUMSCIENCE FICTION TIMESMagazin für <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>und FantasyHERAUSGEBERHans Joachim Alpers, Uwe Anton,Hans-Ulrich Böttcher, Werner Fuchs,Ronald M. Hahn, Walter Jost, JoachimKörberREDAKTIONRedaktionsleitung: Harald Pusch, Bundesstr.66, D-5107 SimmerathFeature-Redaktion: Marcel Bieger,Wilh.-Mauser-Str. 8, D-5000 Köln 30Rezensions-Redaktion: Uwe Anton,Gemarker Str. 10, 5600 Wuppertal 2Nachrichten-Redaktion: Hans-UlrichBöttcher, Qualenbrink 7, D-4 780 LippstadtMitarbeiter dieser Ausgabe: Prof. Dr.Wolfgang Marx, Dr. Hans D. Baumann,Dr. Horst Heidtmann, Joachim Müller,Norbert Stresau, Uwe Luserke, EdithNebel , Axel Zweck, Andreas Decker,Walter Udo Everlien, Robert Feldhoff,Michael Nagula, Ludwig Rief, Klaus W.Pietrek.Grafische Gesamtgestaltung: BrunoStiegler, AugsburgTitelbild: Gabriele BerndtVERLAGCORIAN-VERLAG Heinrich WimmerBernhard-Monath-Str. 24 aD-8901 MeitingenTcl. 08271/5951Anzeigen: siehe VerlagVertrieb: siehe VerlagEinzelpreis: DM 6,00Abonnementpreis: DM 64,00 einschl.MWSt. und Porto (Inland), DM 74,00plus Porto (Ausland)Für unverlangte Manuskripteinsendungenwird keine Gewähr übernommen.Rücksendung im Regelfall nur bei beigefügtemFreiumschlag. NachgekennzeichneteBeiträge geben ‚nicht zwangsläufigdie Ansichten der Redaktionwieder. Alle Beiträge sind, soweit nichtanders vermerkt,- Copyright (c) 1985 bySCIENCE FICTION TIMES.Satz: Composersatz Christine Spitko,MeitingenDruck: Schoder, Gersthofen