factum - Hochschule Ulm
factum - Hochschule Ulm
factum - Hochschule Ulm
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
tionen enthält nicht ohne Grund eine solch<br />
umfassende und tief in das Leben aller Nationen<br />
eingreifende Forderung. Heute mehr<br />
den je und deutlicher als in den Jahren der<br />
Veröffentlichung des Brundtlandt Berichtes<br />
in 1987 oder der Konferenz von Rio im Jahr<br />
1992 wissen wir um die ökologisch und in<br />
Folge sozial wie wirtschaftlich hochgefährliche<br />
Situation unserer gesamten globalen<br />
Zivilisation.<br />
Mit Nachdruck offenkundig wird dies durch<br />
die überwiegend vom Menschen verursachte<br />
globale Klimaerwärmung. Bergwanderungen<br />
zu den rapide abschmelzenden Gletschern in<br />
unseren Alpenregionen können hier einen<br />
ersten anschaulichen Erkenntnisgewinn<br />
vermitteln. Wenn es nicht gelingt, innerhalb<br />
der nächsten 40 Jahre, weltweit die Emission<br />
von C0 2 etwa zu halbieren, laufen wir in<br />
klimatisch völlig unkontrollierbare Situationen,<br />
die für das gesamte Leben auf der Erde<br />
unabsehbare Folgen haben werden. Dies ist<br />
neben der Bevölkerungsproblematik, dem<br />
Artenverlust insbesondere in den Regenwäldern,<br />
aufkommenden Seuchengefahren<br />
und dem Trinkwassermangel nur eine, aber<br />
vermutlich die dringendste Problematik der<br />
historischen Schwelle, an der unsere globale<br />
Zivilisation derzeit steht. Diese Situation lässt<br />
sich auch mit immer wieder aufkeimender<br />
Fundamentalkritik an der Diagnose der Klimaerwärmung<br />
durch häufig von Interessengruppen<br />
gesteuerte und meist außerhalb der<br />
Wissenschaftlergemeinde stehende Personen<br />
nicht ändern.<br />
Die <strong>Hochschule</strong>n sind in der Pflicht<br />
An dieser Stelle wird deutlich, warum das<br />
Leitbild der nachhaltigen Entwicklung eine<br />
der vordringlichsten Botschaften der <strong>Hochschule</strong>n<br />
sein muss: Der heute an den <strong>Hochschule</strong>n<br />
ausgebildeten Generation müssen<br />
das Wissen, das Bewusstsein, die Handlungsoptionen<br />
und die auf ihren Fachgebieten<br />
notwendigen Kompetenzen für nachhaltiges<br />
Handeln und Wirtschaften vermittelt werden.<br />
Wenn der älteren, heute beruflich aktiven<br />
Generation dies nicht gelingt, wird sie<br />
die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder<br />
mit einer heute in ihren Auswirkungen<br />
noch gar nicht absehbaren Hypothek belastet<br />
haben.<br />
<strong>factum</strong> fragt den Rat für Nachhaltige Entwicklung<br />
Widerspruch: Nachhaltigkeit ist umsetzbar!<br />
Man muss Nachhaltigkeit nicht erst „umsetzbar“ machen,<br />
um voran zu kommen. Tatsache ist: Das nötige<br />
Wissen ist vorhanden. Die Instrumente sind da. Die<br />
demokratischen Strukturen sind hinreichend, um schon<br />
heute Politik zur Zukunftsfähigkeit und für zukünftige<br />
Generationen zu machen. Zugegeben, in längerfristiger<br />
Sicht muss es zu institutionellen Reformen kommen,<br />
und wir werden ganz umfangreiche Änderungen dessen<br />
sehen, was wir heute als Entscheidungsroutine in<br />
Politik und Wirtschaft kennen. Aber der Hinweis auf das<br />
Ausbleiben dieser Änderungen darf kein Alibi für heutiges<br />
Abwarten sein. Wer heute nicht alle Möglichkeiten<br />
ausnutzt, begeht Raub an der Zukunft.<br />
<strong>factum</strong> fragt den BUND<br />
Die Warnung von Professor Bubenzer ist zutreffend:<br />
„Achtung – Nachhaltigkeit ist revolutionär“. Die derzeitige<br />
ausufernde Nachhaltigkeitsrhetorik in Politik<br />
und Wirtschaft jedoch verharmlost und gibt eher<br />
Entwarnung. Aber die Integration des Begriffs in den<br />
Sprachgebrauch heißt noch nicht die Umsetzung in den<br />
Praxisgebrauch. Alle Fakten zeigen, dass wir überall<br />
weit entfernt sind von einem Kurswechsel – sei es beim<br />
Schutz des Klimas oder der Biodiversität. Leider bereiten<br />
auch die <strong>Hochschule</strong>n in Deutschland ihre Studierenden<br />
nicht annähernd auf diese revolutionäre Herausforderung<br />
vor. Es gibt Ausnahmen – die <strong>Hochschule</strong> <strong>Ulm</strong> zählt<br />
dazu. Besonders positiv erscheint mir die ausgeprägte<br />
Umsetzungsorientierung und Verbindung der Ebenen<br />
von Bewusstseinsbildung, technischen Innovationen<br />
und Wirtschaftlichkeit.<br />
Der ehemalige Bundesforschungsminister<br />
Dr. Volker<br />
Hauff ist Vorsitzender des<br />
Rates für Nachhaltige<br />
Entwicklung.<br />
Zustimmung: <strong>Hochschule</strong>n sind in der Pflicht<br />
Volle Zustimmung zu der Einsicht von Hochschulangehörigen, dass die <strong>Hochschule</strong>n<br />
Teil der Lösung werden müssen. Sie sind es heute noch nicht. Anders als beim nunmehr<br />
ja schon historischen Umweltschutz der 70er Jahre spielen die Wissenschaftler<br />
in der Nachhaltigkeitspolitik unserer Tage keine führende Rolle. Ich halte eine solche<br />
Rolle aber erstens für möglich, zweitens für erforderlich, um Nachhaltigkeit mit mehr<br />
Innovation und qualitativ guter Ausbildung voranzubringen. Die Qualität des Lernens<br />
in Forschung und Lehre ist der Schlüssel. Die Kompetenz zum integrativen Denken<br />
muss im Mittelpunkt stehen. Jede <strong>Hochschule</strong> braucht eine selbst entwickelte und<br />
selbstreflektive Nachhaltigkeitsstrategie, um diese Aufgabe zu erfüllen und ihrer<br />
gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Volker Hauff<br />
Dr. Angelika Zahrnt ist<br />
Ehrenvorsitzende des<br />
Bundes für Umwelt und<br />
Naturschutz Deutschland.<br />
Trotzdem zwei kritische Punkte: Neben der generationenübergreifenden Gerechtigkeit<br />
ist für die Nachhaltigkeit auch die weltweite Gerechtigkeit essentiell. Wenn<br />
man die notwendige wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbeseitigung in den<br />
Schwellen- und Entwicklungsländern einbezieht, dann werden die Aussagen, wir<br />
müssten unseren „Wohlstand sichern“ fragwürdig. Ob technische Innovationen die<br />
„Hoffnung auf ein weiterhin gutes Leben ohne den drohenden Verzicht auf unsere<br />
heutige Lebensqualität“ erfüllen können, ist eher unwahrscheinlich. Deshalb ist es<br />
wichtig, auch über andere Formen eines guten Lebens nachzudenken – jenseits<br />
unserer heutigen Lebensqualität. Wir brauchen technische Innovationen und<br />
gleichzeitig einen anderen Lebensstil. Und wir brauchen <strong>Hochschule</strong>n, die sich<br />
dieser Aufgabe stellen - in Forschung, Lehre und Praxis. Angelika Zahrnt