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subtitel. Berlinale 04 - Teresa Urban

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»Schnittstellen«»Schnittstellen«16Ae Fond Kiss Mischen Impossible. Zwei Liebende, zwei Kulturen.Regie: Ken Loach Blond, begabt und katholisch meets dunkel, begabt undGroßbritannien 2003 hinduistisch. Abendländische Klaviermusik will sich mitarabisch angehauchter Diskomusik paaren. Dazwischenjedoch ein Graben tiefen Unverständnisses. Zwei Kulturen werden hierals nicht-kompatibel dargestellt. Jegliche Kompromisse, Ve r s c h m e l z u n g e noder Annäherungen sind ausgeschlossen. Der strengen und verfahrenenTradition der Pakistanis wird ein stockkonservativer Katholizismus derEngländer gegenübergestellt. Die Liebe erscheint als einziges Bindeglied.Hört sich fast schon wie eine Romeo und Julia-Variante an, ist es abernicht: Casim, ein junger pakistanischer DJ, fängt eine Beziehung mitRoisin an, die an einer katholischen Grundschule Musik unterrichtet. Ergerät damit zwischen zwei Fronten, von denen eine – egoistisch, unbeweglichund kompromisslos – Roisin darstellt, und die andere – ebensostarr, unverständig und intolerant – seine Familie. Die einzige Bewegungin diesem Film stellt Casim dar, indem er wagt, die Fronten zu überschreiten,wodurch sie aber keineswegs aufgehoben werden. Noch darfsich Casim am Ende wirklich glücklich wähnen. Auch wenn der Film ansich gut gemacht ist, kann ich mit so einer pessimistischen, starren undreaktionären Perspektive weder klarkommen noch sie für wirklich realhalten. Unbefriedigend.J.W.Über die kulturelle Identität. Wie schlau, allem voran das Identitätsproblemder 2. Migrantengeneration einfach durch die großartige Spracheeiner Jugendlichen zu formulieren, die vor ihrer Klasse referiert. Taharaist eine in England geborene Pakistani, eine Muslimin auf einer katholischenSchule und bekennender Fan der lokalen Rugbymannschaft. IhrBruder Casim wird sich in Taharas MusiklehrerinRoisin verlieben, deren Beziehungweder von Roisins Arbeitsgeber, der katholischenKirche, noch von Casims Familie akzeptiertwerden kann. Zumal Casim auch einerPakistani versprochen ist, die er in wenigenWochen heiraten soll.Man mag dies schon oft als Sujet eines Filmesgesehen haben. Und doch geht es hier um vielmehr als eine einfache Liebesgeschichte imKonflikt unterschiedlicher Herkunft, sondernum eine präzise Beobachtung unterschiedlichsterkulturelle Räume und Identitäten in einerMultikulturellegesellschaft sowie deren Schnittstellen,der 2. und 3. Migrantengeneration. Wiesteht es denn nun um die kulturelle Identitätdes Westens bzw. Mitteleuropas? Loach ist soklug, dies nicht formulieren zu müssen. Ganznebenbei schafft er es, nur im Vorübergehen,mittels weniger Bilder und durch die Auswahlder richtigen Symbole dies zu erzählen. Mantanzt im Club zu orientalischer House Musik.Casim sitzt im Cafe, neben ihm ein weißerMittelstandsjunge im Superfly T-Shirt. (Superfly,einer der ersten Blaxploitation Filme, dessenSoundtrack eine der bekanntesten Platten vonCurtis Mayfield ist.) Die Jugend- und Popkulturschafft sich durch Vereinnahmung und Ad a p t i o nanderer Kulturen, deren Strategien, Symbolen,Musik usw. in der eigenen Kultur einen neuenperformierten kulturellen Raum. Ob als Strategiezur Abgrenzung oder unbewusst. Und alswäre es unbewusst, doch so exakt der Ausschnittder Kamera gewählt ist, fliegen dieseBilder an einem vorbei. Es gilt, die Symbole unddadurch auch unsere eigene Prägung als MitteloderWesteuropäer zu entschlüsseln. Daherwirkt es schon fast logisch, dass die Beziehungbeider Protagonisten da am unbekümmertstenfunktioniert, wo sie frei ihrer eigenen kulturellenRäume sind bzw. der kulturelle Raum, indem sie sich befinden, am virtuellsten ist: ImPauschalurlaub in der Türkei.Der im Film wohl meist gesagte Satz ist »duverstehst mich nicht.« Die verzweifelte Aussagenachdem all die Erklärungen und Auflistungenan Beispielen zur Erläuterung des eigenenStandpunktes und der eigenen Position, trotzihrer klaren Aussage und Formulierung, imSande verliefen oder eben einfach aufUnverständnis stoßen. Dabei ist es aber garnicht so, dass das Argument der einen Parteiunverständlich wäre. Der Zuschauer hat gesehenund verstanden. Der Zuschauer hat aberauch gesehen und verstanden, warum auf deranderen Seite nicht verstanden wird. Weil ausder Sichtweise der einen kulturellen Welt undder darin kulturell geprägten Identität einVerständnis hierfür einfach nicht möglich ist.Nicht wenn es um die Liebe geht. Noch vielweniger um die eigene.Wie kann man da für die tolerante WesteuropäerinRoisin kein Verständnis haben, ebenkeine Tolaranz gegenüber Casims Famile zuzeigen, geht es doch um ihr Herz und ihre aufrichtigeLiebe zu Casim? Wie kann man esCasims Familie übel nehmen, die Beziehungnicht zu dulden? Steht doch hier der so mühsamaufgebaute kulturelle Raum, die pakistanischeGemeinschaft, auf dem Spiel. Eben derRaum in dem die Migrantenfamillie ihre eigeneKultur nach Innen bewahren konnte und nachAußen in einer untoleranten GesellschaftSchutz findet. Man kann Casims Schwesternicht einfach Intriganz vorwerfen, wenn sieversucht, Roisin zu überzeugen sich von ihm zutrennen, versucht sie doch nichts weiter als ihrhöchstes Gut, ihre Familie, vor dem Zerfall zubewahren. Man kann nicht mal dem PriesterBorniertheit vorwerfen, dafür zu sorgen, dassRoisin auf Grund ihrer außerehelichen Beziehungzu einem Pakistani, als Lehrerin an einerkatholischen Schule, entlassen wird. Würde erhier nachgeben, würde sich das gesamteKonstrukt seiner Kirche auflösen.Man kann all dies nicht, weil die große Kunstdes Films darin besteht – und das macht »AeFond Kiss« eben so viel besser als alle anderenFilme selbiger Thematik – für alle Partei zu ergreifen.Man versteht, weil man vorbehaltlos anall diese Menschen herangeführt wurde.Scheinbar nebenbei schafft es Loach, Vorurteileund Klischees der ersten und zweitenMigrantengeneration zu erklären, weil er dieGründe, Ursachen und Rechtfertigungen diesereinfach passieren lässt, bevor sie überhauptaufgegriffen werden. Und zwar auf eine sympathische,liebevolle Art und Weise fern jeglicherSozialromantik. Was bleibt ist die Erkenntnis:Die Multikulturelle Gesellschaft ist wie dieLiebe: Ein fortlaufender Prozess zwischenSelbstaufgabe und Selbstbewahrung. J.W.H.17

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