Abrahamische Religionen im KinofilmEin Bild sagt mehr als tausend Worte…oder: Warum in Alsfeld das Projekt »Weißt du, wer ich bin?«im Kino stattfindetDer kleine Kinosaal mit seinen 70 Plätzenin Alsfeld ist voll besetzt. Eine Sensation<strong>für</strong> die Kinobetreiberin, die in deroberhessischen Kleinstadt volle Sälehöchstens bei Kassenschlagern erreichenkann, keinesfalls aber im Bereichdes Programmkinos. Und auch dasPublikum ist ungewohnt: Viele türkischstämmigeFrauen <strong>und</strong> Männer, aberauch viele ältere Frauen lassen sich aufdas Road-Movie nach Mekka ein.Gemeinsam haben die Jüdische GemeindeMarburg, die Türkisch-IslamischeUnion Alsfeld sowie das EvangelischeDekanat Alsfeld zur »GroßenReise«, dem ersten Kinoabend innerhalbdes Projektes »Weißt du, wer ichbin?« eingeladen.Schon die Idee, dass sich oberhessische»Aborigines« <strong>und</strong> türkisch-stämmigeMenschen am »dritten Ort« treffen,ist Teil des Konzeptes: religiöseMenschen mit ihrer Religion <strong>und</strong> Traditioneben nicht auf Moscheen, Synagogen<strong>und</strong> Kirchen mit ihren Gebeten <strong>und</strong>Gottesdiensten zu beschränken.Was das Kinopublikum dann aber zusehen bekam, wird auch ohne Worteweiterwirken: Der Konflikt zwischendem Nordafrikaner, der seit 30 Jahren inFrankreich wohnt, <strong>und</strong> seinem 18-jährigenSohn, der mit der Religion <strong>und</strong> denTraditionen seines Vaters nichts mehrzu tun haben will, nun aber seinen Vatermit dem Auto zur Wallfahrt nach Mekkabringen soll. – Aha! Konflikte zwischenden Generationen gibt es offenbar inallen Kulturen!Der Vater, so wie wir ihn überall wahrnehmen:der Sprache seiner neuen Heimatnur bedingt mächtig. Analphabet.Der typische Fließbandarbeiter, der sich78in seiner Religion offenbar ein Refugiumgeschaffen hat. Der Sohn hingegenstädtisch <strong>und</strong> modern orientiert. – Wieim wirklichen Leben.Je näher dann aber Saudi-Arabien <strong>und</strong>Mekka kommen, verkehrt sich dasVater-Sohn-Verhältnis: Die Kinobesuchernehmen plötzlich wahr, wie kompetentder nicht-lesek<strong>und</strong>ige Vater ist.Der Sohn hört seinen Vater erstmalsarabisch sprechen. Die Kinobesucherlernen mit dem areligiösen, muslimischenSohn die Bräuche der Wallfahrtein erstes Mal kennen.Überhaupt: Die Atmosphäre Mekkas,das geschwisterliche Miteinander derPilger aus aller Welt. – Offenbar gibt esein muslimisches Pendant zum katholischenPetersplatz in Rom.Der Sohn bleibt areligiös, es gibt kein»Damaskuserlebnis«. Auch hier erlebendie Kinobesucher das reale Leben.Unabhängig davon, wie viele am Folgetagzum Filmnachgespräch in die Moscheekommen: Diese Bilder werdenhängen bleiben: Die Würde des Vaters.Der fragende, erst abweisende, dannder Blick des Sohnes, der versucht zuverstehen. Das geordnete Chaos der pilgerndenMenschenmengen in Mekka.Die Landschaftsaufnahmen aus der Türkei<strong>und</strong> Saudi-Arabien. – Eine Begegnungmit einer unbekannten Welt.Begegnung erfolgt nicht nur überWorte. Wer Menschen verstehenmöchte, muss sie begleiten. Dies lässtsich kaum realisieren. Im Kinofilm aberkonnten Muslime <strong>und</strong> Christen zweiMuslime auf ihrer Reise von Frankreichnach Mekka begleiten. Eine Woche spätereinen Karthäuser-Mönch auf seinerReise durch Indien <strong>und</strong> Indonesien. Undletztlich eine jüdische Familie auf derSuche nach ihren jüdischen Identitäten– innerhalb oder außerhalb der jüdischenReligion.Das ProjektBeteiligte ReligionsgemeinschaftenChristinnen <strong>und</strong> Christen, Musliminnen<strong>und</strong> Muslime, Jüdinnen <strong>und</strong> JudenZiele• Möglichkeit zur Selbstreflexion bieten(Selbstbild)• einen Eindruck vom religiösen Alltagslebender beteiligten Religionenvermitteln (Fremdbild)• gemeinsames Gespräch über Religionim Alltag führen <strong>und</strong> dabei Gemeinsamkeitenwie Unterschiede, sowiedie jeweiligen Rahmenbedingungenbeleuchten• das Interesse einer möglichst großenAnzahl von Menschen wecken <strong>und</strong>darüber hinaus einen kontinuierlichen,interreligiösen Kreis initiierenAktivitätenDas Projekt möchte über das MediumKino(spiel)film eine möglichst großeAnzahl von Interessierten erreichensowie zugleich Angebote <strong>für</strong> die inner<strong>und</strong>außerschulische <strong>Jugend</strong>- <strong>und</strong> Erwachsenenbildungentwickeln.1. Vorbereitungstreffen der beteiligtenReligionsgemeinschaften2. Öffentliche Filmreihe im KinocenterAlsfeld: 3 Filme zum Leitthema»Religion im Alltag«
3. Filmnachgespräch in Räumlichkeitender jeweiligen Religionsgemeinschaft.Leitfragen: Selbst- <strong>und</strong>Fremdbild sowie Wiedererkennendes Selbst- bzw. Fremdbildes imFilm4. Dokumentation der Nachfolgeveranstaltungsowie Aufarbeitung alsKurzreader <strong>für</strong> schulische <strong>und</strong> außerschulische<strong>Jugend</strong>- <strong>und</strong> Erwachsenenbildung5. Nach Möglichkeit aus den Schritten1 bis 4 Bildung eines interreligiösenTeams <strong>für</strong> den Einsatz in der schulischen<strong>und</strong> außerschulischen <strong>Jugend</strong>-<strong>und</strong> Erwachsenenbildung6. Vorbereitung einer neuerlichen Filmreihedurch KooperationspartnerInnenbzw. evtl. interreligiöse Teams,Wiederholung der Schritte 1 bis 4Ansprechpartner: Ralf MüllerEvangelisches Dekanat AlsfeldFachstelle Bildung <strong>und</strong> ÖkumeneAlsfelder Str. 4036304 AlsfeldTel.: (06634) 911 49 18Fax: (06634) 911 49 20Mail:ralf.mueller@alsfeld-evangelisch.deInternet: www.alsfeld-evangelisch.deDie Dokumentation des Kinoprojektes»Weißt du, wer ich bin« befindet sichzum Download unter www.alsfeld-evangelisch.de(unter »Ökumene«)Zielgruppen• gläubige Menschen unterschiedlicherReligion• »Cineasten«, die ein <strong>für</strong> die Regionuntypisches Programmkino gebotenbekommen• »religiöse Vagab<strong>und</strong>en«: Interessiertean der Welt der Religionen, diejedoch nicht an eine Religionsgemeinschaftgeb<strong>und</strong>en sind.Durch das Medium Kinofilm erwartenwir, überwiegend jüngere Erwachseneanzusprechen.Das Projekt zielt deutlich auf die Auseinandersetzungmit religiösen <strong>und</strong> interreligiösenFragestellungen im weitestenSinne <strong>und</strong> geht hier<strong>für</strong> unkonventionelleWege.79