05.12.2012 Aufrufe

Journal - Stadt und Land

Journal - Stadt und Land

Journal - Stadt und Land

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

NoStALGiSCHeS<br />

20<br />

Abschied mit lautem Knall!<br />

7. September 1950:<br />

Vor 60 Jahren endete die ereignisreiche<br />

Geschichte des Berliner <strong>Stadt</strong>schlosses<br />

Rrrrums! Eine dumpfe Explosion<br />

lässt am 7. September 1950<br />

mit einem ohrenbetäubenden<br />

Knall die <strong>Stadt</strong>mitte Berlins erzittern.<br />

Mauern wanken, knicken ein <strong>und</strong> wirbeln<br />

Unmengen von Staub auf. Große<br />

Teile des Berliner Schlosses sinken in<br />

Trümmer. So begannen auf Befehl des<br />

(Ost)Berliner <strong>Stadt</strong>sowjets die Sprengungen<br />

eines Bauwerks, das im Zweiten<br />

Weltkrieg schwer gelitten hatte,<br />

aber dennoch restaurierbar gewesen<br />

wäre. Alle Einwendungen führender<br />

Architekten gegen den Abriss, ja selbst<br />

der Protest der Deutschen Akade-<br />

mie der Wissenschaften, scheiterten<br />

am Willen von SED-Generalsekretär<br />

Walter Ulbricht, die „Zwingburg der<br />

Hohenzollern“ zu vernichten.<br />

23 Jahre lang ein<br />

Aufmarschplatz<br />

Das ist nun 60 Jahre her. Mit dem<br />

Schloss starb ein zentraler Bau der<br />

Berliner Architektur, der fünf Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

Geschichte widerspiegelte.<br />

Die Namen Andreas Schlüter, Eosander<br />

von Göthe, Carl von Gontard,<br />

Friedrich August Stüler, Eberhard von<br />

Ihne waren mit diesem Kunstwerk<br />

von Weltrang verb<strong>und</strong>en. „Das<br />

Schloss“, so ein Aperçu, „lag nicht in<br />

Berlin, Berlin war das Schloss“.<br />

Nach dem Abriss wurde das Areal<br />

23 Jahre als Fest- <strong>und</strong> Aufmarschplatz,<br />

Politikertribüne <strong>und</strong> Parkplatz<br />

genutzt. Am 23. April 1976 fand die<br />

feierliche Eröffnung des Palastes der<br />

Republik nach 32-monatiger Bauzeit,<br />

statt. Ab dem 25. April war er für die<br />

Öffentlichkeit zugänglich.<br />

Das Desaster um<br />

den „Münzturm“<br />

Geschichte! In der Tat. Sie reicht<br />

zurück bis 1443, als Kurfürst Friedrich<br />

II., genannt „Eisenzahn“, mit<br />

dem Bau begann. Im Schloss wandelte<br />

Königin Luise über die Flure, im<br />

Schloss nächtigte 1806 der Franzosenkaiser<br />

Napoleon, vom Balkon des<br />

Portals IV. rief Karl Liebknecht am<br />

9. November 1918 die „sozialistische<br />

Republik“ aus <strong>und</strong>, <strong>und</strong>…<br />

Eine Schlossgeschichte durfte bei<br />

<strong>Stadt</strong>führungen nicht fehlen. Das Desaster<br />

um den „Münzturm“, mit dem<br />

sich König Friedrich I. nach seiner<br />

Krönung im Jahre 1701 ein Denkmal<br />

setzen wollte. Der Schlossturm sollte<br />

300 Fuß (r<strong>und</strong> 105 Meter) hoch werden<br />

<strong>und</strong> ein Glockenspiel sowie ein<br />

Wasserreservoir enthalten. Andreas<br />

Schlüter, beauftragt mit dem Bau, unterschätzte<br />

den sumpfigen Untergr<strong>und</strong>.<br />

Kaum hatte der Turm seine<br />

volle Höhe erreicht, begann er sich zu<br />

neigen. Alle Versuche, ihn zu stabilisieren,<br />

scheiterten, bis er 1706 abgerissen<br />

werden musste. Der Turmbau verschlang<br />

soviel Geld wie der gesamte<br />

Schlossaus- <strong>und</strong> Umbau.<br />

Alles vorbei, alles verloren? Nein!<br />

1950, im Jahr des Abrisses, tönte DDR-<br />

Ministerpräsident Otto Grotewohl:<br />

„Jetzt schreien alle, <strong>und</strong> wenn das<br />

Schloss weg ist, kräht kein Hahn mehr<br />

danach.“ Er irrte. Die Mauer fiel, <strong>und</strong><br />

im Jahr 2002 entschied der B<strong>und</strong>es-<br />

Kommt jetzt ein Spielplatz<br />

für die Kinder der Welt?<br />

tag: Das Schloss, Juwel des Barock,<br />

wird wiederaufgebaut! Im Juni dieses<br />

Jahres war die B<strong>und</strong>esregierung durch<br />

Finanzkrise <strong>und</strong> Sparmaßnahmen gezwungen,<br />

den Beginn des Wiederaufbaus<br />

auf 2014 zu vertagen.<br />

Der berühmte Architekt Daniel Libeskind<br />

hingegen möchte auf keinen<br />

Fall an dieser Stelle ein Schloss haben;<br />

er würde den Park in einen Spielplatz<br />

für die Kinder der Welt verwandeln. n<br />

StADt UND LAND • Mieter <strong>Journal</strong> Nr. 30 • September 2010

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!