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Heft Seckau heute 830311_Heftlayout - Abtei Seckau

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sich darin aufhält, eine beruhigende und erhebende Wirkung aus, er regt an, sich auf die vorhandene<br />

Harmonie einzulassen, die sein Inneres durchdringen und reinigen will.<br />

Was haben die Auftraggeber, die Kunstschaffenden und die Baumeister beabsichtigt, wenn<br />

sie entschieden, ein Labyrinth in den Boden der Kirche einzufügen? Sie folgten der Jahrhunderte<br />

hindurch lebendigen Tradition, den Lebensweg des Menschen in diesem aussagekräftigen<br />

Symbol abzubilden. Die vielfachen Kehren und Wendungen, durch die der Weg<br />

von außen nach innen, von der Peripherie zur Mitte führt, weisen auf die verschlungenen<br />

Bewegungen hin, die sich als unumgänglich erweisen, um am Ziel anzukommen. „Der<br />

Mensch ist immer mehr, als er von sich weiß. Er ist nicht, was er ein für allemal ist, sondern<br />

er ist Weg“ (Karl Jaspers).<br />

Die in Ravenna (San Vitale), Amiens, Chartres, Bayeux, Chalon-sur-Marne, Toulouse, Lucca,<br />

Pavia (San Michele), Piacenza (San Savino), Pontremoli, Bristol (Deckenrelief), Rathmore<br />

(Irland) und an vielen anderen Orten bis <strong>heute</strong> bestehenden Labyrinthe bezeugen die<br />

Absicht, Menschen anzuregen, ihren Lebensweg anhand dieses einladenden Symbols zu<br />

reflektieren und zu ordnen. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts und der davon beeinflusste<br />

Rationalismus verbauten sich durch die einseitige Betonung der Vernunft den Zugang<br />

zur Sprache und Ausstrahlung dieses Hinweises auf die untrennbare Einheit von Verstand,<br />

Herz und Gefühl. Die Folge davon zeigte sich in der vollständigen oder teilweisen Zerstörung<br />

und Entfernung von bedeutenden Labyrinthen in Frankreich, Deutschland und Italien.<br />

Eine neuerliche Entdeckung und Wiederbelebung der bis in das Altertum zurückreichenden<br />

Tradition hat seit einigen Jahrzehnten zur Errichtung einer bemerkenswerten<br />

Anzahl von Labyrinthen in zahlreichen Ländern geführt. Sie sind in Kirchen, Gärten, Feldern<br />

und offen zugänglichen Plätzen entstanden. Die Kunst der Steinlabyrinthe, die in<br />

besonders in Skandinavien, an den Ost- und Nordseeküsten sowie in England weit verbreitet<br />

war, hat in unserer Zeit wieder zu neuen Schöpfungen angeregt.<br />

Der Weg und das Ziel<br />

Wer ein Labyrinth oberflächlich und aus der Distanz betrachtet, könnte den Eindruck<br />

bekommen, als würde sich alles im Kreis bewegen. Ständig um einen Mittelpunkt zu rotieren<br />

und nicht voranzukommen, ist aber keineswegs Sinn und Bedeutung dieses für die<br />

Menschwerdung so wichtigen Symbols. Es geht vielmehr darum, sich auf ein Ziel hin auszurichten<br />

und es unentwegt anzustreben. „Die ein gutes Leben beginnen wollen, sollten<br />

tun wie einer, der einen Kreis zieht: Hat er den Mittelpunkt gut angesetzt, so wird die<br />

Kreislinie gut“ (Meister Eckhart). In das Zentrum stellen die einzelnen Schöpfer des Labyrinths<br />

die verschiedensten Figuren und Gestalten, Sinnsprüche und Blumen oder einen<br />

Freiraum, den jeder leer lassen oder nach Belieben füllen kann. Die Auseinandersetzung<br />

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