07. - 13. März 2012 ITB Berlin - Skål International Deutschland
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Aus der Rechtsprechung<br />
Frühjahrskur für die Reisebedingungen<br />
Von Rechtsanwalt<br />
Rainer Noll<br />
Das Thema „Reisebedingungen“, also die Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen für Pauschalreiseveranstalter,<br />
wird bei vielen Veranstaltern<br />
ausgesprochen stiefmütterlich behandelt und<br />
als lästig empfunden. Die überragende Bedeutung<br />
der Verwendung rechtlich einwandfreier<br />
Reisebedingungen und vor allem deren wirksamer<br />
Vereinbarung mit dem Kunden wird häufig<br />
verkannt. Reisebedingungen dienen nicht nur<br />
dazu, bestimmte Ansprüche und Rechtspositionen<br />
des Reiseveranstalters gegenüber dem<br />
Kunden überhaupt zu begründen, sondern<br />
auch zur Umsetzung zwingender Informationspflichten<br />
des Reiseveranstalters. Ohne rechtlich<br />
einwandfreie Reisebedingungen und deren<br />
wirksame Vereinbarung gibt es<br />
• keinen Anspruch auf irgendeine Vorkasse,<br />
weder eine Anzahlung noch eine Restzahlung<br />
vor Reisebeginn (diese ergibt sich<br />
nämlich nicht aus dem Gesetz!),<br />
• keine pauschalierten Stornokosten (im<br />
Gesetz stehen keine Prozentsätze und<br />
keine Zeitstaffeln!),<br />
• keine Haftungsbegrenzung,<br />
• kein Recht zum Rücktritt wegen Nichterreichen<br />
einer ausgeschriebenen Mindestteilnehmerzahl!<br />
Nicht nur diese, sondern auch andere Regelungsinhalte<br />
von Reisebedingungen sind für<br />
Reiseveranstaltungsunternehmen von wesentlicher<br />
wirtschaftlicher Bedeutung und sollten<br />
Veranlassung sein, deren Gestaltung und wirksame<br />
Vereinbarung mehr Aufmerksamkeit zukommen<br />
zu lassen. Das beginnt zunächst schon<br />
mit der Darstellung. Eine Vielzahl von Reisebedingungen<br />
in Katalogen und auf Internetseiten<br />
ist insgesamt schon deshalb unwirksam, weil<br />
sie in zu kleiner Schriftgröße und/oder in zu<br />
enger Schriftdichte wiedergegeben sind. Nach<br />
dem sogenannten „Transparenzgebot“ ist die<br />
Lesbarkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen<br />
und damit auch von Reisebedingungen<br />
Voraussetzung für die rechtliche Wirksamkeit!<br />
Zu klein oder sonst unleserlich abgedruckte<br />
Reisebedingungen sind komplett unwirksam<br />
und können mit dem Kunden in keinem Fall<br />
rechtswirksam vereinbart werden. Feste Werte<br />
für die Schriftgröße gibt es dabei nicht. Man<br />
muss jedoch davon ausgehen, dass Schriftgrößen<br />
unter 7 Punkt in Word-Kategorien und/oder<br />
enge Schriftdichten bei sogenannten „Narrow-<br />
Schriften“ kritisch bzw. unzulässig sind.<br />
Wesentliche Fehler werden auch bei Maßnahmen<br />
zur rechtswirksamen Vereinbarung von<br />
Reisebedingungen gemacht. Die gesetzliche<br />
Vorgabe (§ 6 Abs. 3 der Verordnung über Informations-<br />
und Nachweispflichten nach bürgerlichem<br />
Recht) und die Rechtsprechung sind völlig<br />
eindeutig. Reisebedingungen müssen dem Kunden<br />
vor Vertragsschluss vollständig übermittelt<br />
werden. Daraus folgt, dass die zunehmend vor<br />
allem in Flyern und Kurzprospekten verbreiteten<br />
„Querverweise“ unzulässig sind, also<br />
solche wie „es gelten die Reisebedingungen<br />
in unserem Hauptprospekt“, „es gelten die<br />
Reisebedingungen, die im Internet unter www.<br />
(...).de abgerufen werden können“. Ebenso<br />
unzureichend ist selbstverständlich eine Zusendung<br />
der Reisebedingungen erst auf Verlangen<br />
des Kunden und eine Zusendung der Reisebedingungen<br />
erst mit der Buchungsbestätigung.<br />
Aus diesen Vorgaben von Gesetz und Rechtsprechung<br />
ergeben sich in der Praxis bei<br />
Buchungen auf der Grundlage von Flyern und<br />
Kurzprospekten, in denen für den Abdruck<br />
der Reisebedingungen kein Platz ist und<br />
selbst ein auszugsweiser Abdruck im Regelfall<br />
keine Lösung darstellt, erhebliche Probleme<br />
für die rechtswirksame Vereinbarung<br />
von Reisebedingungen. Solche ergeben sich<br />
auch bei telefonischen Buchungen. Für beide<br />
Problemstellungen lassen sich rechtssichere<br />
Lösungsansätze finden, die aus Platzgründen<br />
in diesem Beitrag nicht dargestellt werden<br />
können. Entsprechende Informationen stehen<br />
jedoch bei den Fachverbänden und bei reiserechtlich<br />
qualifizierten anwaltlichen Beratern<br />
zur Verfügung. Im Übrigen gilt schließlich<br />
servIce<br />
für Reisebedingungen der Grundsatz, den<br />
jeder vernünftige Mensch hinsichtlich seiner<br />
persönlichen Gesundheit durch jährliche<br />
Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt oder<br />
beim Hausarzt beherzigt: Auch die Reisebedingungen<br />
sollten jeweils vor dem Neudruck von<br />
Katalogen oder auch jährlich einem „Checkup“<br />
unterzogen werden. Die Rechtsprechung ist<br />
hinsichtlich der zulässigen Inhalte und der zulässigen<br />
Formulierungen von Reisebedingungen<br />
ständig im Fluss. Geänderte Rechtauffassungen<br />
und neue Urteile werden hier in so rascher<br />
Abfolge veröffentlicht, dass eine jährliche<br />
Überprüfung guter Standard sein sollte.<br />
Eine abschließende Empfehlung: Das einfache<br />
Abschreiben von Reisebedingungen ist in jeder<br />
Hinsicht gefährlich. Einerseits werden die Fehler<br />
des Unternehmens, von dem abgeschrieben<br />
wurde, mit übernommen, und anderseits sind<br />
die Reisebedingungen nicht auf die individuellen<br />
Verhältnisse und Bedürfnisse des eigenen<br />
Unternehmens zugeschnitten. Schließlich<br />
unterliegen auch Reisebedingungen dem<br />
Urheberrecht. Deren ungenehmigte Übernahme,<br />
insbesondere wenn es sich um Spezialfassungen<br />
handelt, stellt regelmäßig eine Verletzung<br />
des Urheberrechts des Verfassers dar.<br />
RaineR noll ist Mitglied bei<br />
skål inteRnational stuttgaRt<br />
<strong>Skål</strong>-Journal DeutSchlanD 01-<strong>2012</strong> 19