Götz und Christine ziehen um: Zimmer frei! - WDR.de
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Wer abends auf <strong>de</strong>m Heimweg<br />
Profit im Radio gehört<br />
hat, wur<strong>de</strong> höchstwahrscheinlich<br />
besser über die<br />
Wirtschaftskrise informiert als in<br />
<strong>de</strong>n ard-Nachrichtensendungen.“<br />
Zu diesem Ergebnis kommen die<br />
Autoren einer Bachelor-Arbeit an<br />
<strong>de</strong>r Technischen Universität (TU)<br />
Dortm<strong>und</strong>. Die Journalistik-Stu<strong>de</strong>nten<br />
Tobias<br />
Jobke <strong>und</strong> Fabian Kurz<br />
analysierten dafür die<br />
Berichterstattung <strong>de</strong>s<br />
wdr-Wirtschaftsmagazins<br />
Profit während <strong>de</strong>r<br />
Finanzkrise in <strong>de</strong>n Jahren<br />
2007 bis 2010.<br />
„Das Lob können wir gut gebrauchen“,<br />
kommentiert Uwe Möller<br />
das Ergebnis; er ist seit 2005 Leiter<br />
<strong>de</strong>r Programmgruppe Wirtschaft<br />
(PGW) im wdr-Hörfunk.<br />
Er habe die bei<strong>de</strong>n Dortm<strong>und</strong>er<br />
Stu<strong>de</strong>nten zunächst gar nicht<br />
unterstützen wollen. Denn ihre<br />
Arbeitshypothese lautete: „Die<br />
Hörfunk-Wirtschaftsredaktion<br />
<strong>de</strong>s wdr hat die Eurokrise in ihrer<br />
Dimension unterschätzt.“ Und<br />
allzu negativ erschien Möller auch<br />
<strong>de</strong>r Titel, <strong>de</strong>n Tobias Jobke<br />
<strong>und</strong> Fabian Kurz<br />
gewählt hatten:„Bankrotterklärung<br />
fürs<br />
Radio?“ hatten<br />
die bei<strong>de</strong>n formuliert,<br />
nach<strong>de</strong>m eine<br />
an<strong>de</strong>re Studie (finanziert von <strong>de</strong>r<br />
gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-<br />
Stiftung, Frankfurt) zuvor zu nie<strong>de</strong>rschmettern<strong>de</strong>n<br />
Ergebnissen<br />
gekommen war.<br />
Die Autoren Hans-Jürgen Arlt <strong>und</strong><br />
Wolfgang Storz hatten in ihrer Arbeit<br />
„Wirtschaftsjournalismus in<br />
<strong>de</strong>r Krise“ die tagesaktuelle <strong>de</strong>utsche<br />
Wirtschaftsberichterstattung<br />
untersucht. Schwerpunkt waren die<br />
Beiträge von Qualitätszeitungen wie<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
<strong>und</strong> Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung, dpa-<br />
Basisdienst sowie in Tagesschau<br />
<strong>und</strong> Tagesthemen – vor, während<br />
<strong>und</strong> unmittelbar nach <strong>de</strong>r Finanz-<br />
krise 2007/2008. Das erschrecken<strong>de</strong><br />
Ergebnis damals: Der Wirtschaftsjournalismus<br />
hat „als Beobachter,<br />
Berichterstatter <strong>und</strong> Kommentator<br />
<strong>de</strong>s Finanzmarkts <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Finanzmarktpolitik<br />
bis z<strong>um</strong> offenen Ausbruch<br />
<strong>de</strong>r globalen Finanzkrise<br />
schlecht gearbeitet.“ Arlt <strong>und</strong> Storz<br />
sprechen in diesem Kontext von<br />
„Pfusch am Bau.“<br />
Pfusch, <strong>de</strong>r sich auch auf<br />
die nicht untersuchte Hörfunk-Berichterstattung<br />
aus<strong>de</strong>hnte? Für Tobias Jobke<br />
<strong>und</strong> Fabian Kurz eine<br />
fast logische Konsequenz.<br />
Z<strong>um</strong>al bei<strong>de</strong> über jahrelange<br />
Praxiserfahrung verfügen. Jobke<br />
absolvierte von 2009 bis 2011 ein<br />
Volontariat beim wdr <strong>und</strong> arbeitet<br />
heute als <strong>frei</strong>er Mitarbeiter u. a. für<br />
die wdr-Wissenschaftsredaktion<br />
<strong>und</strong> die 1live-Nachrichten. Kurz<br />
mo<strong>de</strong>rierte u. a. bei antenne koblenz<br />
<strong>und</strong> radio mk <strong>und</strong> ist heute<br />
Redakteur beim Nachrichten-Sen<strong>de</strong>r<br />
n-tv.<br />
„Argusaugen“<br />
Entsprechend vorinformiert,<br />
lässt sich die negative<br />
Gr<strong>und</strong>haltung<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n erklären:<br />
„Warner, die<br />
sich etwa kritisch<br />
mit einigen Finanzmarktinstr<strong>um</strong>entenause<br />
i n a n d e r s e t z t e n ,<br />
hatten in <strong>de</strong>n Jahren<br />
vor <strong>de</strong>r Krise schlechte<br />
Karten“, so Fabian<br />
Kurz. Für ihn <strong>und</strong><br />
seinen Mitautor Jobke<br />
gehörte daher zu <strong>de</strong>n<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Fragen,<br />
ob Profit <strong>und</strong> damit<br />
die wdr-Hörfunk-<br />
Wirtschaftsredaktion<br />
ebenfalls <strong>de</strong>m bis<br />
2007, 2008 vorherrschen<strong>de</strong>n<br />
Mainstream<br />
folgte <strong>und</strong> Krisenszenarien<br />
klein re<strong>de</strong>te<br />
o<strong>de</strong>r die beginnen<strong>de</strong><br />
Finanzmarktkrise mit<br />
Argusaugen begleitete.<br />
Uwe Möller überzeugten all diese<br />
Überlegungen zunächst nicht.<br />
Seine erste Reaktion: „Die wollen<br />
doch nur ihre negative Sicht untermauern.“<br />
Nach kurzem Austausch<br />
mit Kollegen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten<br />
habe er sich dann doch zur Kooperation<br />
entschlossen. Und<br />
ihnen Zugang z<strong>um</strong> wdr-Archiv<br />
verschafft.<br />
„Differenziert“<br />
Gr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>r Dortm<strong>und</strong>er Studie<br />
sind die Sendungen <strong>de</strong>s wdr 5-<br />
Wirtschaftsmagazins Profit in <strong>de</strong>n<br />
Jahren 2007 bis 2010. „Untersuchungsgegenstand<br />
waren jedoch<br />
ausschließlich die Beiträge, die<br />
sich primär mit <strong>de</strong>r Finanzkrise<br />
beschäftigten“, sagt Tobias Jobke.<br />
In <strong>de</strong>n heißen Phasen waren das<br />
etwa „zehn von 23 Sen<strong>de</strong>minuten“,<br />
erinnert sich Wolfgang Otto,<br />
stellvertreten<strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r PGW<br />
im wdr-Hörfunk <strong>und</strong> Teamleiter<br />
<strong>de</strong>r Profit-Redaktion.<br />
Diese 60 wöchentlichen Minuten –<br />
Profit läuft sechs Mal pro Woche;<br />
montags bis samstags, jeweils 18:05<br />
bis 18:30 – haben die 15 Wirtschaftsredakteure<br />
<strong>de</strong>s Hörfunks gut genutzt.<br />
Laut <strong>de</strong>r Dortm<strong>und</strong>er Studie<br />
konnten Profit-Hörer „während<br />
aller Phasen ein differenziertes<br />
Bild <strong>de</strong>r Krise inklusive <strong>de</strong>r ver-<br />
schie<strong>de</strong>nen Ebenen, auf <strong>de</strong>nen sie<br />
sich abgespielt hat, erfahren.“ Beson<strong>de</strong>rs<br />
gelobt wird in <strong>de</strong>r Studie<br />
die „Taskforce Wirtschafts- <strong>und</strong><br />
Finanzkrise“ – eine aus vier Redakteurinnen<br />
<strong>und</strong> Redakteuren<br />
bestehen<strong>de</strong> Gruppe, die ab 2009<br />
für alle wdr-Wellen zusätzliche<br />
<strong>und</strong> ergänzen<strong>de</strong> Themen<br />
<strong>und</strong> Beiträge lieferte. „Und die<br />
je<strong>de</strong>rzeit bei Bedarf kurzfristig<br />
wie<strong>de</strong>r aktiviert wer<strong>de</strong>n kann“, ergänzt<br />
Uwe Möller: „Denkbar wäre<br />
die Taskforce wie<strong>de</strong>r im Umfeld <strong>de</strong>s<br />
20. März – das ist <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m<br />
Griechenland neue Milliar<strong>de</strong>n benötigt,<br />
<strong>um</strong> nicht Pleite zu gehen.“<br />
Einziger echter Kritikpunkt <strong>de</strong>r<br />
Jounalistik-Stu<strong>de</strong>nten an Profit:<br />
„Statt einige überflüssige, wenig<br />
einordnen<strong>de</strong> Korrespon<strong>de</strong>nten-<br />
Berichte, z<strong>um</strong> Beispiel aus Griechenland,<br />
zu sen<strong>de</strong>n, hätte die<br />
Redaktion noch stärker auf die<br />
Fachkompetenz ihrer Redakteure<br />
setzen sollen“, so Tobias Jobke. Im<br />
I<strong>de</strong>alfall müsste die Redaktion,<br />
„einen Wirtschaftsredakteur<br />
aus Köln nach<br />
Griechenland schicken, <strong>um</strong><br />
so einen kompetenteren<br />
Korrespon<strong>de</strong>nten-Bericht zu<br />
bekommen“, so Fabian Kurz.<br />
Das hat die PGW zwar im<br />
Einzelfall schon praktiziert. Mehr<br />
Geld <strong>und</strong> mehr Redakteure wer<strong>de</strong><br />
es laut Uwe Möller<br />
jedoch trotz <strong>de</strong>r tollen<br />
Studienergebnisse<br />
nicht geben. „Überall<br />
muss gespart wer<strong>de</strong>n,<br />
da sind wir froh, wenn<br />
wir keine Planstellen<br />
verlieren“, ergänzt<br />
Wolfgang Otto.<br />
Derzeit produziert<br />
die 22-köpfige PGW,<br />
bestehend aus 15 RedakteurInnen<br />
– in <strong>de</strong>r<br />
Mehrzahl erfahrene<br />
Journalisten (Durchschnittsalter<br />
50) mit<br />
BWL o<strong>de</strong>r VWL-Stu-<br />
di<strong>um</strong> – <strong>und</strong> sieben<br />
Sekretärinnen/Sachbearbeiterinnen,<br />
r<strong>und</strong><br />
DAS THEMA<br />
„Wie können wir als Wirtschaftsredaktion Erklärungen<br />
<strong>und</strong> Orientierung in einer unsicheren Zeit geben?“<br />
Zwei Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r TU Dortm<strong>und</strong> haben untersucht,<br />
ob die wdr 5-Wirtschaftssendung Profit ihren<br />
Ansprüchen genügt. Ihr Ergebnis: Sie hat die aktuelle<br />
Finanzkrise früh erkannt,<br />
darüber sehr pluralistisch<br />
berichtet.<br />
Klartext in <strong>de</strong>r Krise<br />
Demonstration von Aktivisten <strong>de</strong>r Occupy-Frankfurt-Organisation vor <strong>de</strong>r Europäischen Zentralbank in Frankfurt: Protest gegen Finanzkrise <strong>und</strong> Wirtschaftskrise. Foto: imago/Peters<br />
e<br />
Foto: wdr/Michel<br />
Uwe Möller, <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r Wirtschaftsredaktion (Mitte), sein Stellvertreter<br />
Wolfgang Otto (l.) <strong>und</strong> Wirtschaftsredakteur Ulrich Ueckerseifer.<br />
$<br />
2 000 Beiträge pro Jahr – Ten<strong>de</strong>nz<br />
steigend, „weil sich unsere Fachkompetenz<br />
im Haus immer stärker<br />
her<strong>um</strong>spricht“ – so Euro-Experte<br />
Otto – „<strong>und</strong> Kollegen immer häufiger<br />
auch als Experten<br />
für an<strong>de</strong>re Sendungen<br />
angefragt wer<strong>de</strong>n.“<br />
Neben Profit (Marktanteil<br />
montags bis <strong>frei</strong>tags<br />
lag 2010 bei 0,6 %;<br />
das entspricht 100 000 HörerInnen)<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>n weiteren PGW-<br />
Sendungen Quintessenz, Servicezeit<br />
(bei<strong>de</strong> wdr 2), In unserem Alter<br />
(wdr 4) sowie Service Verbraucher<br />
<strong>und</strong> – mit an<strong>de</strong>ren Redaktionen<br />
– auch Privat-Radio arbeiten die<br />
Wirtschaftskenner zu<strong>de</strong>m vermehrt<br />
auch mit 1live zusammen.<br />
Trimediales Format<br />
Erst im Sommer 2011 hatte die<br />
wdr-Studie „Ohne Moos nix los<br />
– wie junge Menschen über Geld<br />
<strong>und</strong> Finanzen <strong>de</strong>nken“ offenbart,<br />
dass großes Interesse für<br />
Finanzthemen bei jungen<br />
Menschen zwischen 14 <strong>und</strong><br />
29 Jahren existiert. Als Reaktion<br />
darauf entwickelt<br />
<strong>de</strong>r wdr gemeinsam mit<br />
<strong>de</strong>m Journalistik-Institut<br />
an <strong>de</strong>r TU Dortm<strong>und</strong> unter<br />
Fe<strong>de</strong>rführung <strong>de</strong>r PGW <strong>de</strong>rzeit<br />
unter an<strong>de</strong>rem ein trimediales<br />
Format für junge Wirtschaftsthemen<br />
– für Internet, 1live <strong>und</strong><br />
einsfestival.<br />
Heiko Schlierenkamp<br />
Der Tipp:<br />
Eine Diskussion über die Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Grenzen von Finanzberichterstattung<br />
<strong>und</strong> über die<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r Dortm<strong>und</strong>er <strong>und</strong><br />
Frankfurter Studie fin<strong>de</strong>t im wdr<br />
am 23. März, ab 14:00, in <strong>de</strong>n Arka<strong>de</strong>n<br />
(Ra<strong>um</strong> 5040) statt. Dabei sein<br />
wer<strong>de</strong>n Prof. Frank Lobigs, Leiter<br />
<strong>de</strong>r Dortm<strong>und</strong>er Studie „Bankrotterklärung<br />
fürs Radio?“, <strong>und</strong><br />
Dr. Wolfgang Storz, Verfasser <strong>de</strong>r<br />
Studie „Wirtschaftsjournalismus<br />
in <strong>de</strong>r Krise“. Anmeldungen nimmt<br />
die PGW entgegen (0221-2202355;<br />
uwe.moeller@wdr.<strong>de</strong>).<br />
<strong>WDR</strong>PRINT · März 2012 3