Umwelt- und Erlebnispädagogik: Im Hörsaal und unterwegs
Umwelt- und Erlebnispädagogik: Im Hörsaal und unterwegs
Umwelt- und Erlebnispädagogik: Im Hörsaal und unterwegs
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Interview August<br />
„Die Schweden sind viel positiver eingestellt“<br />
Harald Gegner, ein Alumni der Sozialen<br />
Arbeit Benediktbeuern, lebt<br />
seit zehn Jahren in Schweden. Für<br />
das Sommersemester 2012 ist er als<br />
Lehrbeauftragter nach Benediktbeuern<br />
zurückgekommen. <strong>Im</strong> Interview<br />
beschreibt er die Unterschiede<br />
zwischen dem deutschen <strong>und</strong> dem<br />
schwedischen Sozialsystem <strong>und</strong><br />
erklärt, weshalb Studierende eine<br />
Auslandserfahrung machen sollten.<br />
Weshalb sind Sie damals nach<br />
Schweden ausgewandert?<br />
Harald Gegner: Ich bin meiner jetzigen<br />
Frau – ein Norwegerin, die in<br />
Schweden studiert hat – gefolgt. <strong>Im</strong><br />
Rückblick war das ziemlich blauäugig.<br />
Ich habe nach dem Studium einfach<br />
mein Auto vollgepackt <strong>und</strong> bin<br />
ohne Sprachkenntnisse losgefahren.<br />
Wie ist Ihnen der Start in Schweden<br />
gelungen?<br />
Harald Gegner: Zuerst habe ich natürlich<br />
einen Sprachkurs gemacht<br />
<strong>und</strong> musste das schwedische System<br />
kennenlernen. Über Praktika im<br />
psychiatrischen Bereich sowie in der<br />
Betreuung von Behinderten ist mir<br />
der Einstieg gut gelungen. Ich habe<br />
herausgef<strong>und</strong>en, dass die Kinder-<br />
<strong>und</strong> Jugendhilfe in Schweden – anders<br />
als in Deutschland – öff entlich<br />
<strong>und</strong> nicht an einen Träger geb<strong>und</strong>en<br />
ist. So habe ich verschiedene<br />
Bewerbungen bei den Landkreisen<br />
abgegeben.<br />
War es schwierig, eine Anstellung<br />
in der Sozialen Arbeit zu<br />
bekommen?<br />
Harald Gegner: Eigentlich nicht. <strong>Im</strong><br />
Jugendamt habe ich die Möglichkeit<br />
bekommen, während eines Praktikums<br />
zu zeigen, was ich kann <strong>und</strong><br />
dass ich wirklich dabei sein möchte.<br />
Nach drei Monaten wurde ich als<br />
Sozialarbeiter angestellt. Die Unterstützung<br />
war sehr groß – man hat<br />
mir einen Lehrer zur Seite gestellt,<br />
der mir vor allem beim Schreiben<br />
der Gutachten sehr geholfen hat.<br />
Nach einem Jahr wurde meine Stelle<br />
entfristet <strong>und</strong> ich wurde Teamleiter<br />
von zehn Sozialarbeitern.<br />
Sie haben auch noch weiter<br />
studiert?<br />
Harald Gegner: Mir hat sich immer<br />
die Frage gestellt, ob ich eine wissenschaftliche<br />
Laufbahn anstreben<br />
oder mich in einem Unternehmen<br />
weiterentwickeln möchte. Daher<br />
habe ich berufsbegleitend in L<strong>und</strong><br />
meinen Master gemacht. Zum Glück<br />
wurde mein deutsches Studium voll<br />
anerkannt. Lediglich die rechtlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen Schwedens musste ich<br />
noch nachlernen. Seit drei Jahren<br />
bin ich nun Abteilungsleiter im Jugendamt<br />
L<strong>und</strong> <strong>und</strong> dort für die ambulante<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe sowie<br />
Krisenintervention zuständig.<br />
Aus welchem Gr<strong>und</strong> haben Sie den<br />
Kontakt zur KSFH wiederaufl eben<br />
lassen?<br />
Harald Gegner: Ich habe natürlich<br />
sehr gute Erinnerungen an meine<br />
Studentenzeit in Benediktbeuern<br />
<strong>und</strong> fand die Idee sehr interessant,<br />
einen Austausch zwischen der KSFH<br />
<strong>und</strong> Schweden zu initiieren. Seit<br />
zwei Jahren gibt es bereits Studienfahrten<br />
der KSFH nach L<strong>und</strong>. Mit<br />
dem Lehrauftrag habe ich nun zum<br />
einem die Möglichkeit, meiner Familie<br />
Deutschland nahezubringen,<br />
zum anderen kann ich den Studierenden<br />
die Unterschiede zwischen<br />
den beiden Sozialsystemen zeigen.<br />
Welches sind Ihrer Meinung nach<br />
die gravierendsten Unterschiede?<br />
Harald Gegner: Auf mich wirkt das<br />
deutsche System viel komplizierter<br />
<strong>und</strong> so schwierig, dass es kaum anwendbar<br />
ist. Das schwedische System<br />
ist einfacher <strong>und</strong> praktikabler<br />
– also besser für die Praxis aufbereitet.<br />
Zudem gibt es in Schweden viel<br />
mehr Ressourcen für die Sozialarbeit<br />
<strong>und</strong> viel weniger Diskussionen<br />
über die wirtschaftlichen Aspekte<br />
der Jugendarbeit. In Schweden<br />
Harald Gegner<br />
2012<br />
wird viel strenger kontrolliert als in<br />
Deutschland. Es gibt eine eigene Behörde,<br />
die regelmäßig die Einrichtungen<br />
der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe<br />
koordiniert. Beschlüsse werden in<br />
Schweden schneller gefasst – die<br />
Meinung ist oft einheitlich. Dabei<br />
darf man natürlich nicht vergessen,<br />
dass Schweden ein viel kleineres<br />
Land ist als Deutschland – dadurch<br />
ergeben sich natürlich diese Unterschiede.<br />
<strong>Im</strong> Allgemeinen sind die<br />
Schweden viel positiver eingestellt<br />
als die Deutschen, die gerne mal<br />
jammern.<br />
Weshalb ist der Blick in ein anderes<br />
Land so wichtig für die<br />
Studierenden?<br />
Harald Gegner: Man sieht die Sozialarbeit<br />
in ihrem gesellschaftlichen<br />
Kontext <strong>und</strong> kann dann zum Beispiel<br />
erkennen, dass das System,<br />
das wir haben, auch zu uns passt. In<br />
dem man sich mit einem anderen<br />
System befasst, lernt man sein eigenes<br />
noch besser kennen. Natürlich<br />
kann man sich auch ein paar Dinge<br />
abschauen. In Deutschland ist zum<br />
Beispiel vieles sehr strukturiert <strong>und</strong><br />
geordnet – hier ist natürlich die Frage,<br />
ob die Schweden das überhaupt<br />
für sich wollen.<br />
10