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„Kultur betrifft alle“<br />
Steven Sloane über nachhaltige Kulturarbeit, ein<br />
Haus für die Musik und seine Liebe zum Basketball<br />
Das Gespräch führte Volker K. Belghaus<br />
Herr Sloane, Sie sind in Los Angeles geboren,<br />
haben später in Israel gelebt und gearbeitet,<br />
und waren weltweit als Dirigent tätig.<br />
Wie blickt ein Kosmopolit wie Sie auf das<br />
Ruhrgebiet?<br />
Ich bin, wie viele andere auch, als Fremder hierher<br />
gekommen. Nach vierzehn Jahren fühle mich hier<br />
Zuhause und identifi ziere mich mit dieser Region.<br />
Der Satz „Kultur durch Wandel“ trifft auch auf<br />
das Leben als Künstler zu. Ich bin vielleicht kein<br />
schlechtes Beispiel, was diese Idee angeht. (lacht)<br />
Was planen Sie für 2010?<br />
Zu meinem Themenfeld „Stadt der Künste“ gehören<br />
die „Performing Arts“. Besonders wichtig sind<br />
mir die Projekte, die von Akteuren aus der Region<br />
eingebracht werden. Wir wollen weg vom Begriff<br />
der „Hochkultur“. Kultur betrifft alle und muss<br />
auch alle integrieren. Eines der Hauptkriterien ist<br />
für mich Nachhaltigkeit. Was bleibt nach 2010? –<br />
Das ist eine zentrale Frage für unsere Programmarbeit.<br />
Wir müssen Infrastrukturen etablieren, die<br />
auch darüber hinaus Bestand haben. Dazu gehört<br />
auch „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi). Ein ganz<br />
überzeugendes Projekt, das nicht nur einen einmaligen<br />
Effekt hat. Das fi nde ich ganz wichtig:<br />
Was die kulturelle und insbesondere musikalische<br />
Bildung anbelangt, liegt genau in solchen Projekten<br />
die Zukunft unserer Region.<br />
Auf den Internetseiten der Bochumer Symphoniker<br />
kündigen Sie mit „Soundsafari“ Ähnliches<br />
an: „Wir entwickeln mit Kindern und Jugendlichen<br />
neue und überraschende Konzertmomente.“<br />
Was haben Sie da genau vor?<br />
In Bochum setzen wir bei unserer Arbeit auf Bildungsprojekte,<br />
wir haben gemeinsam mit dem<br />
Initiativkreis Ruhr „Petruschka“ auf die Bühne gebracht<br />
– ein Musikprojekt für Kinder und jüngere<br />
Leute. Auf die „Soundsafari“ sind wir sehr stolz,<br />
das ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Wir<br />
haben vor, alle Schulen in Bochum zu integrieren,<br />
dass sie regelmäßig bei uns sind und sich weiterbilden<br />
können. Im neuen Konzerthaus werden<br />
wir genug Raum haben, um diese Arbeit fortzusetzen.<br />
Das Haus soll der gesamten Bevölkerung<br />
offen stehen.<br />
Es gibt ja die Kritik, dass das neue<br />
Konzerthaus unnötig sei, da viele<br />
Nachbarstädte über ähnliche Häuser<br />
verfügen. Lautet nach „Jedem Kind<br />
ein Instrument“ die Devise jetzt „Jeder<br />
Stadt ein Konzerthaus“?<br />
Nein. Nur: Die Konzerthäuser in Dortmund<br />
und Essen sind vor allem mit Veranstaltungen<br />
und Gastspielen belegt. In Bochum<br />
geht es um eine feste Spielstätte und einen<br />
Probesaal für unser Orchester. Wir sind das<br />
einzige Konzertorchester in unserem Umkreis<br />
ohne Spielort. Wir haben in Bochum schlimme<br />
Arbeitsbedingungen. Wenn wir z.B. in Essen<br />
spielen, hört man erst, welches Potenzial dieses<br />
Orchester hat. Ich glaube, dass in dem Moment,<br />
wenn das Haus steht, die Menschen sehen werden,<br />
was sie da für einen Schatz haben – für<br />
unsere Stadt, für unsere Region und für unser<br />
Orchester.<br />
Die Kritiker sagen aber auch, dass die Bochumer<br />
Symphoniker die Jahrhunderthalle nutzen<br />
sollen, in der ja auch die RuhrTriennale stattfi<br />
ndet ...<br />
Die Jahrhunderthalle ist geeignet für außergewöhnliche<br />
Events. Sie ist überhaupt nicht geeignet<br />
für das normale Repertoire, das wir jede<br />
Woche spielen. Im Winter kann man wegen der<br />
Kälte dort gar nicht auftreten. Hinzu kommen<br />
die fünf Monate, in denen dort die RuhrTriennale<br />
stattfi ndet. Also was bleibt da übrig? Außerdem:<br />
Wenn es regnet, hört man das. Wir sind hier<br />
nicht in San Diego, wir brauchen einen Raum,<br />
dessen Akustik dem schlechten Wetter Rechnung<br />
trägt. Dafür kommt die Jahrhunderthalle<br />
nicht in Frage.<br />
Haben Sie noch andere Leidenschaften neben<br />
der Musik und der Oper?<br />
Ich bin leidenschaftlicher Basketballspieler beim<br />
VfL Bochum. Sport ist ein Großteil meines Lebens,<br />
neben meiner Familie natürlich. Das sind<br />
Dinge, wo einem die Seele brennt. Die Musik<br />
ist nur ein Weg, um mich auszudrücken; das<br />
passiert auch durch Sport, und vor allem<br />
Basketball.<br />
Sie stehen<br />
sonst als Dirigent, als Leitfi<br />
gur vor dem Orchester. Beim Basketball sind<br />
Sie Teil der Mannschaft. Ist das ein Ausgleich<br />
für Sie, weil Sie da mal nicht der Chef sind?<br />
Unbedingt! Das fi nde ich so toll am Basketball,<br />
das ist ein richtiger Teamsport. Mein Anliegen<br />
als Dirigent ist der Versuch, dass alle gemeinsam<br />
musizieren. Die Rolle des Dirigenten sollte es nicht<br />
sein, alles einfach zu bestimmen. Seine Arbeit ist<br />
zu inspirieren, und hoffentlich das Orchester dazu<br />
zu bringen, etwas gemeinsam zu gestalten.<br />
Herr Sloane, bis hierhin vielen Dank. �<br />
Steven Sloane ist Generalmusikdirektor der Bochumer<br />
Symphoniker und international gefragter Dirigent. Er<br />
wird 1958 in Los Angeles geboren, und siedelt im<br />
Alter von 23 Jahren nach Israel über. Dort dirigiert<br />
er alle führenden Orchester des Landes und arbeitet<br />
als Chorleiter. Es folgen Engagements in aller Welt,<br />
1994 wird er zum Generalmusikdirektor in Bochum<br />
berufen und wird 2004 für seine Aufnahme der Orchesterlieder<br />
von Josef Marx mit den Bochumer Symphonikern<br />
für den „Grammy“ nominiert. Seit 2006<br />
ist er Künstlerischer Direktor der „Stadt der Künste“<br />
bei der RUHR.2010.<br />
� www.ruhr2010.de<br />
� www.bochumer-symphoniker.de<br />
<strong>stadt</strong><strong>blatt</strong>: 1 | 2008 Februar - März 21<br />
Foto: Christoph Fein