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akzente informiert - GBM

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4 <strong>akzente</strong> dokumentiert<br />

„Wir werden immer solidarisch sein“<br />

Horst Parton (ISOR) auf der <strong>GBM</strong>-Delegiertenkonferenz<br />

Den Delegierten der <strong>GBM</strong> überbrachte<br />

bei ihrer Konferenz am 29.<br />

Mai in Berlin-Tegel der Vorsitzende<br />

der Initiativgemeinschaft zum<br />

Schutz der sozialen Rechte ehemaliger<br />

Angehöriger bewaffneter Organe<br />

und der Zollverwaltung der DDR<br />

e. V. (ISOR), Horst Parton, den Gruß<br />

und Dank seiner Organisation.<br />

Er führte u.a. aus:<br />

In der letzten Zeit verfolgen wir<br />

sehr aufmerksam die Eskalation<br />

der Verteufelung der DDR durch<br />

Politiker und die Medien, wie gewohnt<br />

mit ihrem Lieblingsthema<br />

„Stasi“. Nach ihrer Meinung dürfte<br />

Mitarbeitern der „Stasi“ und „stasinahen<br />

Vereinen“, zu denen regelmäßig<br />

die <strong>GBM</strong>, die GRH und auch<br />

ISOR gezählt werden, bei ihren „Geschichtsfälschungen“<br />

und für die<br />

„Verhöhnung und Beleidigung der<br />

Opfer“ kein Podium gegeben werden.<br />

Die <strong>GBM</strong>, die unsere uneingeschränkte<br />

Solidarität erfährt, bekam<br />

das mit den jüngsten Attacken deutlich<br />

zu spüren.<br />

Wir arbeiten mit anderen Vereinen<br />

und Verbänden seit vielen Jahren<br />

konstruktiv und erfolgreich zusammen<br />

und wissen deshalb, was wir<br />

voneinander zu halten haben. Deshalb<br />

können wir auch ohne jegliche<br />

Zurückhaltung unseren Standpunkt<br />

vertreten und deutlich zum Ausdruck<br />

bringen, wie die Einschüchterungstaktik<br />

unserer politischen Gegner<br />

funktioniert und was wir in diesem<br />

Zusammenhang von Gleichgesinnten<br />

erwarten.<br />

Natürlich dienen die oben geschilderten<br />

Aktionen immer wieder auch dazu,<br />

die Wichtigkeit der Knabe, Birthler<br />

& Co. zu unterstreichen. In Wirklichkeit<br />

geht es aber gar nicht so sehr<br />

um uns. Es geht um die Partei DIE<br />

LINKE, die zunehmend an Einfl uss<br />

gewinnt. Indem man dieser Partei<br />

das „Stasi“-Etikett anheftet, soll sie<br />

in eine Zwickmühle gebracht werden.<br />

Distanziert sie sich von „Stasi“-Vereinen,<br />

verliert sie etliche ihrer<br />

Stammwähler; solidarisiert sie sich<br />

mit ihnen, werden potentielle Wähler<br />

abgeschreckt.<br />

Wir erwarten seitens der Linkspartei<br />

unter diesen Bedingungen keine Liebeserklärung<br />

und haben sogar Verständnis<br />

für manche Zurückhaltung<br />

und Abgrenzungsmanöver, auch im<br />

Hinblick auf die Bundestagswahlen<br />

2009. Was wir allerdings erwarten,<br />

ist ein eindeutiges Bekenntnis<br />

zur Gültigkeit des Grundgesetzes für<br />

alle Bürger und ihre demokratischen<br />

Zusammenschlüsse. Das Grundgesetz<br />

kennt bei der Gleichheit vor dem<br />

Gesetz, der Meinungs-, Presse-, Versammlungs-<br />

oder Wissenschaftsfreiheit<br />

keine Ausnahmeregelungen für<br />

ehemalige Angehörige des MfS. Aus<br />

dem Briefwechsel Voltaires mit Fried-<br />

rich II,, der auch Friedrich der Große<br />

genannt wurde, ist das Zitat erhalten:<br />

„Ich bin ganz entschieden nicht Ihrer<br />

Meinung, aber ich würde mein Leben<br />

darum geben, dass Sie diese jederzeit<br />

äußern können.“ Wenigsten auf diesen<br />

gemeinsamen Nenner sollten wir<br />

uns verständigen.<br />

ISOR weiß in seinem Kampf um soziale<br />

Gerechtigkeit um die Verbundenheit<br />

der <strong>GBM</strong>, der GRH und vieler<br />

anderer Sozialverbände und Vereine.<br />

Wir haben stets Solidarität erhalten<br />

und werden selbst immer solidarisch<br />

sein. Wer diese Organisation angreift,<br />

greift auch ISOR an.<br />

Insgesamt müssen wir einschätzen,<br />

dass die endgültige Beseitigung<br />

des Strafrentensystems höchstwahrscheinlich<br />

nur auf juristischem<br />

Weg möglich sein wird. Da die politische<br />

Klasse der Bundesrepublik<br />

sich vorbehaltlos mit dem Feindbild<br />

MfS identifi ziert, so als sei der Kalte<br />

Krieg niemals beendet worden, schätzen<br />

wir illusionslos die hohen Hürden<br />

ein, die wir noch zu überwinden haben.<br />

Wir lassen uns davon nicht entmutigen<br />

und vertrauen in der festen<br />

Überzeugung, für eine gerechte Sache<br />

einzutreten, auf die Kraft unserer<br />

Solidarität. Gleichzeitig vertrauen<br />

wir auch auf die demokratische und<br />

rechtsstaatliche Gesinnung führender<br />

Juristen der BRD, deren Kompetenz<br />

und Sachverstand im Bundesverfassungsgericht<br />

konzentriert ist.<br />

Der Ausgang der Auseinandersetzung<br />

um den § 6 Absatz 2 des AAÜG ist<br />

von grundsätzlicher Bedeutung. Ohne<br />

uneingeschränkte Rückkehr zur<br />

Wertneutralität des Rentenrechts, ohne<br />

Aufhebung der willkürlichen, ideologisch<br />

motivierten Verknüpfung<br />

früherer Tätigkeiten mit objektiv begründeten<br />

Rentenansprüchen ist der<br />

Kampf um die Aufhebung der Strafrenten<br />

bei den ehemaligen Mitarbeitern<br />

des MfS nicht erfolgreich zu führen.<br />

Bekanntlich hatte der Bundestag im<br />

Juni 2005 bei der Neufassung des §<br />

6 Absatz 2 AAÜG die Rentenkürzungen<br />

mit einem angeblichen Weisungsrecht<br />

gegenüber dem MfS begründet.<br />

Nach einem Vorlagebeschluss<br />

des Sozialgerichts Berlin, dem zwischenzeitlich<br />

ein weiterer Vorlagebeschluss<br />

des Sozialgerichts Erfurt folgte,<br />

ist das Bundesverfassungsgericht<br />

gegenwärtig erneut mit der Prüfung<br />

dieser gesetzlichen Regelung befasst.<br />

ISOR hat sich – wie andere Sozialvereine<br />

auch – einer Anforderung des<br />

Bundesverfassungsgerichtes entsprechend<br />

in einer Stellungnahme zum<br />

Vorlagebeschluss des Sozialgerichts<br />

Berlin geäußert und – ebenso wie die<br />

anderen Vereine auch – auf die unseres<br />

Erachtens deutliche Verfassungswidrigkeit<br />

des § 6 (2) hingewiesen.<br />

Der Vorlagebeschluss der 35. Kammer<br />

des Sozialgerichts Berlin ist ein<br />

vernichtendes Urteil über ein schlampig<br />

abgefasstes Gesetz, das im Gegensatz<br />

zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes<br />

vom 23.6.2004<br />

Rentenkürzungen bei einem ausgewählten<br />

Kreis von SED- und Staatsfunktionären,<br />

Richtern und Staatsanwälten<br />

unabhängig von der Höhe<br />

ihres Einkommens lediglich mit der<br />

innegehabten Funktion begründet.<br />

Noch nicht einmal die vom Gericht<br />

geladenen Zeugen aus der Birthler-<br />

Behörde und der Ministerialbürokratie<br />

konnten ein Weisungsrecht des im<br />

§ 6 erfassten Personenkreises gegenüber<br />

dem MfS bestätigen. Sie konnten<br />

auch nicht erläutern, was unter einem<br />

System der Selbstprivilegierung<br />

zu verstehen sei. Nicht erklärbar ist<br />

auch, warum dieses im Bundestag<br />

unter dem Stichwort „Kaderrenten“<br />

fi rmierende Gesetz nur einen kleinen<br />

Teil der „höchsten Ebene“ der DDR<br />

erfasst und z.B. die Vorsitzenden der<br />

anderen Blockparteien oder leitende<br />

Wirtschaftsfunktionäre ausklammert.<br />

Insgesamt können wir einer Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichtes<br />

zum § 6 (2) AAÜG mit Spannung<br />

entgegensehen. Nach allem menschlichen<br />

Ermessen kann das Bundesverfassungsgericht<br />

einen solchen gesetzgeberischen<br />

Unsinn nicht tolerieren.<br />

Dazu kommt, dass es sich selbst<br />

brüskiert fühlen muss, da die Aufl agen<br />

seines eigenen Beschlusses vom<br />

23.6.2004 völlig missachtet wurden.<br />

Ob die Entscheidung dazu noch<br />

in diesem Jahr oder erst 2009 fallen<br />

wird, ist gegenwärtig noch nicht absehbar.<br />

Sie wird zeitlich mit Sicherheit<br />

vor einer Entscheidung zum §<br />

7 AAÜG zu erwarten sein und wird<br />

uns gewisse Anhaltspunkte für unsere<br />

übrigen Zeitkalkulationen geben.<br />

Warten wir das Ergebnis also<br />

einfach ab.<br />

Mit dem fertiggestellten sozialwissenschaftlichen<br />

Gutachten zu „Einkommensentwicklung<br />

und Einkommensstrukturen<br />

der hauptamtlichen<br />

Mitarbeiter des Ministeriums für<br />

Staatssicherheit der DDR im Vergleich<br />

zu Segmenten des so genannten<br />

X-Bereiches (NVA und MdI) und<br />

zur Volkswirtschaft“ ist der Weg frei<br />

für die Wiederaufnahme von ruhenden<br />

Widerspruchs- und Klageverfahren<br />

und die Einreichung neuer Widersprüche<br />

und Klagen gegen die<br />

willkürliche Rentenkürzung für ehemalige<br />

Angehörige des MfS.<br />

Das nunmehr vorliegende Gutachten<br />

ist sachlich und zeitlich umfassend<br />

statistisch ausreichend gesichert, beruht<br />

auf amtlichen Daten, ist – soweit<br />

überhaupt sinnvolle Vergleiche zwischen<br />

dem militärischen und zivilen<br />

Bereich möglich sind – eindeutig und<br />

kann deshalb auf jegliche Vorbehalte<br />

verzichten. Es belegt überzeugend,<br />

dass die Einkommen im MfS im Vergleich<br />

zur Volkswirtschaft und auch<br />

zu den anderen bewaffneten Organen<br />

der DDR zwar höher waren, aber<br />

keinesfalls auf Selbstbereicherung,<br />

sondern auf gesetzlichen Regelungen<br />

beruhen, die außerhalb des MfS<br />

und gleichlaufend mit analogen Entwicklungen<br />

in der DDR beschlossen<br />

wurden.<br />

Zur Unterstützung unserer juristischen<br />

Argumentation wurde ein<br />

namhafter Verfassungsrechtler beauftragt,<br />

zusätzlich zu dem sozialwissenschaftlichen<br />

Gutachten ein<br />

verfassungsrechtliches Gutachten zu<br />

erstellen. Mit der Fertigstellung dieses<br />

Gutachtens rechnen wir noch in<br />

diesem Jahr, auf jeden Fall also noch<br />

rechtzeitig vor dem Einreichen unserer<br />

Klagen beim Bundesverfassungsgericht.<br />

Wir werden jetzt unter Einhaltung<br />

des Instanzenweges ca. 50 ausgewählte<br />

Musterverfahren möglichst<br />

schnell bis zum Bundesverfassungsgericht<br />

führen und hoffen dabei auch<br />

auf Beschleunigungseffekte durch<br />

Sprungrevisionen. Es ist auch denkbar,<br />

dass die Kammer eines Sozialgerichts<br />

oder der Senat eines Landessozialgerichts<br />

aufgrund der nunmehr<br />

vorliegenden Tatsachen an der<br />

Verfassungsmäßigkeit des § 7 AAÜG<br />

zweifelt und das zu entscheidende<br />

Verfahren dem Bundesverfassungsgericht<br />

zur Prüfung vorlegt, wie das<br />

im Falle des erwähnten Vorlagebeschlusses<br />

des Sozialgerichts Berlin<br />

zum § 6 Absatz 2 erfolgt ist.<br />

Mit den durch das sozialwissenschaftliche<br />

Gutachten belegten neuen<br />

rechtserheblichen Tatsachen, auf<br />

denen wir unsere juristische Konzeption<br />

und Argumentation aufbauen,<br />

haben wir allen Grund, optimistisch<br />

zu sein. Niemand kann aber versprechen,<br />

dass wir am Ende unseres juristischen<br />

Kampfes erfolgreich sein<br />

werden. Fest steht: Ohne Einsatz,<br />

ohne Anstrengungen, ohne unser gemeinsames<br />

Handeln, ohne Kampfgeist<br />

und Opferbereitschaft werden<br />

wir nichts gewinnen. Denken wir immer<br />

daran: Nicht das Beginnen einer<br />

Sache wird belohnt, sondern einzig<br />

und allein das Durchhalten. �<br />

I C A R U S 3/2008<br />

erschien im Juli. Eine Kolumne von Wolfgang Richter „Pluralismus oder<br />

Totalitarismus?“ leitet das Heft (60 Seiten) ein.<br />

ICARUS ist die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift der <strong>GBM</strong><br />

für soziale Theorie, Menschenrechte und Kultur.<br />

Bestellungen nimmt die Geschäftsstelle der <strong>GBM</strong>, Weitlingstr. 89, 10317<br />

Berlin entgegen (Einzelheft 4,90 Euro – Jahresabonnement 19,60 Euro).

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