pwc: Titel Szenario 1 Geschmiert läuft es nur mit Öl Ohne Öl läuft nichts <strong>in</strong> der Branche. Doch die hohen Rohstoffpreise werden Produktion und Handel verändern. Und vielleicht die Globalisierung beenden. Von Alexander He<strong>in</strong>tze „Bei e<strong>in</strong>em Ölpreis von 100 Dollar pro Fass ist der Lohnkostenvorteil von Asien dah<strong>in</strong>.“ Bernd Bischoff, Chef von Fujitsu Siemens pwc: | april 2008
Matthew Simmons ist e<strong>in</strong> Fantast. Das behaupten se<strong>in</strong>e Gegner. Er selbst sieht sich als Realist. Der Chef der auf Energie<strong>in</strong>vestments spezialisierten Firma Simmons & Co. aus der amerikanischen Ölstadt Houston ist e<strong>in</strong>er der am meisten beachteten Experten der Branche. Sim- mons ist sicher: Der Ölpreis wird <strong>in</strong> den kommenden Jahren auf 200 bis 250 Dol- lar pro Fass (159 Liter) steigen. „Bei 100 Dollar pro Barrel sprechen wir immer noch von bemerkenswert billigem Öl“, sagt der Öl-Augur. Se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung nach ha- ben die meisten Länder die Spitze ihrer Öl- produktion bereits überschritten oder s<strong>in</strong>d kurz davor. Ab 2010, so se<strong>in</strong>e Prognose, dürfte es dann <strong>in</strong> fast allen Ländern mit der Produktion nach unten und mit den Preisen deutlich nach oben gehen. Denn die Nachfrage nach dem schwarzen Gold bleibt hoch. Das Öl ist der Lebenssaft der Logistik. 0 Prozent des weltweit geförderten Öls wer- den gebraucht, um Personen und Güter zu transportieren. Ölpreise weit jenseits der 200-Dollar-Marke werden dramatische Auswirkungen auf die globale Logis- tik haben. <strong>Die</strong> Folgen könnten e<strong>in</strong>e Rolle rückwärts e<strong>in</strong>leiten, schreibt die Hambur- ger Berenberg Bank <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie. Sie befürchtet e<strong>in</strong>e Deglobalisierung statt wei- terer Arbeitsteilung. <strong>Die</strong> Produktion und der Verkauf der Waren würden im Wesent- lichen wieder lokal erfolgen. Hohe Prei- se und Wohlstandsverluste wären nicht zu vermeiden. In e<strong>in</strong>igen Branchen hat diese Bewegung schon begonnen. „Bei e<strong>in</strong>em Ölpreis von 100 Dollar pro Fass ist der Lohnkostenvorteil von Asien dah<strong>in</strong>“, sagt beispielsweise Bernd Bischoff, der Chef des Münchner Computerherstellers Fujit- su Siemens. Immerh<strong>in</strong> wird e<strong>in</strong> Computer etwa zweie<strong>in</strong>halbmal um den Globus geflo- gen, bevor er auf dem Schreibtisch steht. Für den Münchner Professor und Logistik- fachmann Horst Wildemann von der TU München wird ab e<strong>in</strong>em Preis von 200 Dol- lar pro Fass e<strong>in</strong> Umdenken <strong>in</strong> der Logistik zw<strong>in</strong>gend erforderlich se<strong>in</strong>. Dann, so sei- ne E<strong>in</strong>schätzung, werde sich vor allem der seit Jahren fortdauernde Trend zu immer mehr Kle<strong>in</strong>sendungen umdrehen. „Globa- le Transporte lassen sich dann nur noch für hochwertige Güter rechtfertigen“, pflichtet Christopher Jahns, Rektor der European Bus<strong>in</strong>ess School (EBS) <strong>in</strong> Oestrich-W<strong>in</strong>kel bei. Für den Transport würden die Waren stärker gebündelt, um e<strong>in</strong>e höhere Aus- lastung zu erzielen. Straße ade – Schiene und B<strong>in</strong>nenschiff wären die Wirklichkeit. pwc: | april 2008 Entwicklung der Rohölpreise von 1970 bis 2008 $ pro Barrel 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Quelle: www.tecson.de, HSH Nordbank Und auch die Just-<strong>in</strong>-Time-Philosophie hätte ausgedient. <strong>Die</strong> zeitgenauen Liefe- rungen würden durch mehr Zwischenlager ersetzt, wenn die Transportpreise über den Lagerkosten lägen. Bei Massenwaren liegt die Grenze höher, vielleicht erst bei 300 Dollar. So etwas ent- scheiden letztlich die Kunden. „Solange sie die Preiserhöhungen schlucken, schlagen wir die Kosten drauf“, sagt e<strong>in</strong> Mitarbei- ter e<strong>in</strong>es großen Speditionsunternehmens. <strong>Die</strong>se Schmerzgrenze ist aber noch nicht erreicht. „Der Transport e<strong>in</strong>es T-Shirts von Ch<strong>in</strong>a nach Europa kostet gerade e<strong>in</strong>mal 2 Cent“, sagt Klaus-<strong>Die</strong>ter Ruske, Logis- tikexperte bei <strong>PricewaterhouseCoopers</strong> (PwC). Selbst bei e<strong>in</strong>er Verdopplung dürf- ten die Auswirkungen demnach ger<strong>in</strong>g se<strong>in</strong>. Hippe Turnschuhe aus Vietnam und e<strong>in</strong>e Flasche südafrikanischer We<strong>in</strong> kosten dann eben noch e<strong>in</strong> paar Cent mehr. In der Größenordnung ist das ke<strong>in</strong> Problem. Steigende Ölpreise verteuern nicht nur den Transport über die <strong>Welt</strong>meere, son- dern auch den auf den letzten Abschnit- ten der Lieferkette, vom Zielhafen bis zur Verkaufsstelle. <strong>Die</strong> meisten Praktiker sehen bei diesen nationalen Verkehren weder <strong>in</strong> der Bahn noch im Schiff e<strong>in</strong>e Alterna- tive zur Straße. Wie sollte die auch aus- sehen? Andere Transportmittel dürften es schwer haben, etwa bis zu Abnehmern wie Aldi, Lidl und Co. zu gelangen. <strong>Die</strong> Flexibi- lität des Lastwagens sei nach wie vor das unschlagbare Argument, um am Transport- weg Straße festzuhalten. Umso wichtiger ist es deshalb für die Unternehmen, <strong>in</strong> diesem Bereich durch moderne Technik und <strong>in</strong>telli- gente Organisation Energiekosten e<strong>in</strong>zuspa- ren. Transportunternehmen wie der US-Rie- se UPS geben Milliardensummen dafür aus, die Routen ihrer Fahrzeuge zu optimieren, um Leerfahrten zu verh<strong>in</strong>dern. <strong>Die</strong> Spediti- onen kaufen neue, spritsparende Lastwa- gen. Schiffe dagegen fahren e<strong>in</strong>fach lang- samer oder tanken dort, wo das Bunkeröl noch billiger ist. Doch das Ende der Sparmöglichkeiten ist irgendwann e<strong>in</strong>mal erreicht. Deshalb wird bereits fieberhaft an neuen Modellen gear- beitet. Automobilhersteller wie Volvo bas- teln beispielsweise an Hybridlastern, die die <strong>Die</strong>seltechnik mit e<strong>in</strong>em Elektromotor verb<strong>in</strong>den. Das Hamburger Unternehmen Skysails experimentiert mit riesigen Se- geln, von denen sich Schiffe auf dem Meer ziehen lassen können, um Energie zu spa- ren. Das erste kommerzielle Frachtschiff mit solch e<strong>in</strong>em zusätzlichen Zugdrachen- antrieb ist bereits seit Dezember auf See. Das alles stimmt Ingrid Göpfert, Profes- sor<strong>in</strong> für Logistik an der Philipps-Universi- tät Marburg, zunächst e<strong>in</strong>mal optimistisch: „Manchmal s<strong>in</strong>d es schier aussichtslose Situationen, die erst geniale Ideen hervor- br<strong>in</strong>gen lassen.“ Trotz der aufziehenden Gefahren reagiert die Industrie bislang aber nur zögerlich auf die aktuelle Situation und mögliche Perspektiven. Nach E<strong>in</strong>schätzung der Lo- gistikexperten der Berenberg Bank neig- ten viele Manager e<strong>in</strong>fach dazu, weiter- h<strong>in</strong> strategische Zickzackkurse zu fahren. Trotz zweier Ölkrisen, der Golfkriege und dem absehbaren Ende der Ölförderung ließe sich kaum e<strong>in</strong>e Neuausrichtung als Antwort auf wechselnde Energietrends erkennen. Das Fazit der Banker: <strong>Die</strong> meis- ten Manager schauen e<strong>in</strong>fach nur zu und warten ab.