Die Wirtschaft August 2015
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26 WISSEN & LEBEN<br />
Der Finger gehört<br />
nicht in die Nase<br />
Wer seinen Kindern gutes Benehmen beibringen möchte, muss nicht sofort zum Knigge greifen.<br />
Der Nachwuchs lernt am besten, wenn die Eltern gute Vorbilder sind.<br />
Rülpsen, pupsen, popeln – die Möglichkeiten,<br />
sich danebenzubenehmen,<br />
sind vielfältig. Und das betrifft<br />
nicht nur Dinge, die Ekel hervorrufen.<br />
Jemandem etwas wegzunehmen<br />
oder sich bei Missgeschicken nicht<br />
zu entschuldigen, fällt ebenso unter<br />
schlechtes Benehmen. Das muss man<br />
einfach wissen. Dabei sollten gutes<br />
Benehmen und die Regeln des Miteinanders<br />
Kindern nicht „andressiert“,<br />
sondern im Gegenteil ganz<br />
nebenbei spielerisch und selbstverständlich<br />
eingeführt werden. Das<br />
führt dazu, dass Benimmregeln sicher<br />
sitzen und damit auch jederzeit<br />
und in jeder Situation abrufbar, also<br />
automatisiert sind.<br />
Wenn Kinder bereits Regeln<br />
kennen, sollten<br />
Eltern auf deren Einhaltung<br />
achten und<br />
bei Verstößen klare<br />
Grenzen setzen. Das müssen nicht - eher<br />
abstrakt - der Taschengeldentzug oder<br />
das Fernsehverbot sein, sondern je nach<br />
Verstoß Konsequenzen, die mit der konkreten<br />
Situation im Zusammenhang stehen:<br />
„Du ärgerst andere Kinder auf dem<br />
Spielplatz – dann gehen wir jetzt nach<br />
Hause“, „Du quengelst an der Supermarktkasse<br />
– dann kann ich dich beim<br />
nächsten Mal nicht mehr mitnehmen“.<br />
Wichtig ist, den Worten auch wirklich Taten<br />
folgen zu lassen – ansonsten werden<br />
Kinder die Androhungen ihrer Eltern in<br />
Zukunft nicht mehr ernst nehmen.<br />
Viele Eltern neigen dazu, schlechtes Benehmen<br />
bei ihren Kindern sofort zu kritisieren.<br />
Doch anstatt Fehlverhalten zu tadeln,<br />
sollten die Kinder besser für das gelobt<br />
werden, was gut gelaufen ist. Das<br />
stärkt Sicherheit und Selbstbewusstsein.<br />
tern näher, wie sich der Weg ihres Kindes<br />
zum höflichen, rücksichtsvollen Menschen<br />
ebnen lässt. <strong>Die</strong> vorgestellten Tipps<br />
und Tricks sind kreativ, familiengerecht<br />
und vor allem alltagstauglich.<br />
Viele Institute wie Volkshochschulen<br />
oder Familienbildungsstätten bieten Benimmkurse<br />
an, speziell auf Kinder bestimmter<br />
Altersgruppe zugeschnitten. So<br />
hat z.B. das Haus der Familie in Münster<br />
in regelmäßigen Abständen den Kurs<br />
„Knigge für Kids“ im Programm, wo Kindern<br />
zwischen 5 und 10 Jahren die<br />
Grundbegriffe der Tischsitten, Begrüßungsregeln<br />
und allgemeine Umgangsformen<br />
vermittelt werden. Das spätere<br />
„Coaching“ müssen die Eltern zu Hause<br />
übernehmen, dazu gibt es eine entsprechende<br />
Vorbereitung.<br />
Auch zahlreiche Bücher beschäftigen sich<br />
mit dem Thema Benehmen. Eines davon<br />
ist „Knigge kinderleicht“ (Karolin Küntzel,<br />
Compact Verlag, 112 Seiten, 8-10<br />
Jahre, 7,99 Euro). Hier gibt es Tipps<br />
rund um das richtige Verhalten im<br />
Umgang mit anderen Menschen,<br />
sei es in der Schule,<br />
auf Reisen oder als Gast.<br />
Wie lautet die passende<br />
Begrüßung, welches<br />
Besteck verwendet<br />
man für<br />
welchen Gang,<br />
was verrät die<br />
Körpersprache<br />
und was ist<br />
Taktgefühl?<br />
Fallbeispiele, Quizfragen und ein Knigge-<br />
Spiel helfen beim Verinnerlichen. Wie<br />
versprochen, kinderleicht zu lesen, anschaulich<br />
und gut verständlich.<br />
Einen ähnlichen Weg geht der Moses-<br />
Verlag mit seinem Kartenset „50 Benimmtipps<br />
für freche Flegel und kleine<br />
Gören“ (Moses, ab 8 Jahren, 5,95 Euro).<br />
Mit der Kartenbox werden die Grundlagen<br />
des guten Benehmens verständlich<br />
und vor allem witzig erklärt. Warum ist<br />
es wichtig zu wissen, was sich gehört und<br />
was erlaubt ist? <strong>Die</strong> Karten schildern Alltagssituationen,<br />
wie sie jeder schon einmal<br />
erlebt hat, und zeigen höfliche Wege,<br />
sich beispielsweise für schrecklichscheußliche<br />
Geschenke zu bedanken,<br />
einer ungeliebten Kussattacke zu entkommen<br />
oder jemanden dezent darauf<br />
hinzuweisen, dass sein Körpergeruch<br />
problematisch ist. E-Mail- und Handy-<br />
Etikette<br />
werden ebenso thematisiert wie Tischmanieren,<br />
Fleckenmonster, Kaugummikauen<br />
oder das richtige Melden am Telefon.<br />
Was gutes Benehmen ist, wird von Land<br />
zu Land allerdings ganz unterschiedlich<br />
gesehen. Michaela Schonhöft hat in<br />
ihrem Buch „Kindheiten: Wie kleine<br />
Menschen in anderen Ländern groß werden<br />
(Pattloch, 384 Seiten, 19,99 Euro)<br />
untersucht, wie Eltern weltweit ihre Kinder<br />
erziehen und auch, welche Rolle dabei<br />
das Benehmen spielt. „Lieber Vater,<br />
erlauben Sie mir bitte, fernzusehen.“ In<br />
Deutschland klingt so ein Satz merkwürdig.<br />
„Aber in Frankreich gibt es einige Familien,<br />
in denen die Kinder die Eltern mit<br />
Sie anreden“, erzählt Michaela Schonhöft.<br />
<strong>Die</strong> Eltern aus einem Land sind natürlich<br />
nicht alle gleich. Aber es gibt<br />
Trends. „In Frankreich zum Beispiel geht<br />
es insgesamt durchaus strenger zu“, sagt<br />
Michaela Schonhöft. „Gutes Benehmen<br />
am Tisch ist vielen Eltern<br />
dort sehr wichtig“.<br />
Beate Schräder<br />
Unterstützung auf dem Weg, ihren Kindern<br />
gutes Benehmen beizubringen, finden<br />
Eltern in zahlreichen Medien - und<br />
können dabei sogar unter Umständen<br />
selbst noch etwas lernen.<br />
Ob Toben im Supermarkt, Kampf um die<br />
Schaufel auf dem Spielplatz oder Baggy-<br />
Jeans zu Omas 80. Geburtstag – es gibt<br />
unendlich viele Gelegenheiten, sich danebenzubenehmen.<br />
Was gutes Benehmen<br />
ist, müssen Kinder eben erst lernen.<br />
Hilfe dabei verspricht zum Beispiel die<br />
Internet-Seite stil.de: Wie können Eltern<br />
bei Fehlverhalten pädagogisch klug reagieren,<br />
Werte vermitteln und dabei<br />
noch die eigenen Nerven und die anderer<br />
Leute schonen? Unter anderem anhand<br />
eines „Kinder-Knigges“ und eines „1*1<br />
für knifflige Situationen“ bringt stil.de El-<br />
DAS SOLLTEN KINDER LERNEN<br />
Generell:<br />
•„Mein“ und „dein“ unterscheiden<br />
•„Bitte“ und „danke“ sagen<br />
•Grüßen und Zurückgrüßen<br />
•Um Entschuldigung bitten, falls ein Missgeschick passiert<br />
•Andere ausreden lassen<br />
•Hand vor den Mund beim Gähnen<br />
•„Du“ und „Sie“ bei Erwachsenen unterscheiden<br />
•Sich an Abmachungen halten<br />
Bei Tisch:<br />
•Vor dem Essen Hände waschen<br />
•Warten, bis alle anfangen zu essen<br />
•Geräuschlos essen<br />
•Mit Besteck essen<br />
•Nicht mit dem Essen spielen<br />
•Sitzen bleiben, bis alle fertig sind<br />
Quelle: stil.de<br />
Gutes Benehmen wird Kindern nicht in die Wiege gelegt. Eltern sollten deshalb Regeln aufstellen und Grenzen setzen.<br />
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