Die Wirtschaft August 2015
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4 MACHER &<br />
Münster Marketing/air-klick.de<br />
„Wir müssen ganz massiv gegens<br />
Michael Radau, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Westfalen-Münsterland, wünscht sich eine größere Wertschätzung<br />
Schulterschluss auf. Entwicklungen abmildern und Rahmenbedingungen verbessern –die Kommunen im Münsterland sin<br />
Brennt für den Handel: Michael Radau<br />
Das Konsumklima im Land<br />
ist gut. Und doch erlebt der<br />
Handel einen Wandel, der<br />
sich am Bild vieler Innenstädteund<br />
Ortszentren ablesen<br />
lässt: <strong>Die</strong> Zahl der Fachgeschäfteist<br />
rückläufig. Online-Handel und Filialisierung<br />
befördern die Strukturveränderung.<br />
Muss man sich damit abfinden? Michael<br />
Radau, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes<br />
Westfalen-Münsterland,<br />
plädiert für einen Schulterschluss<br />
auf kommunaler Ebene. „Das Wegbrechen<br />
von Handel wird sich fortsetzen,<br />
wenn wir nicht ganz massiv gegensteuern“,<br />
erklärt er in einem Gespräch mit<br />
Wolfgang Kleideiter.<br />
Vor einigen Tagen hat NRW-Wissenschaftsministerin<br />
Svenja Schulze<br />
bei Ihnen im Markt in Münster<br />
einen Praktikumstag absolviert.<br />
PR-Gag einer Politikerin?<br />
Radau: Nein, wir haben ihr ermöglicht,<br />
als Hilfskraft in der Frühschicht von7bis<br />
14 Uhr in unseren Tagesablauf einzutauchen,<br />
inklusive Schleppen und Nachräumen.<br />
Das warfür die Ministerin aus meiner<br />
Sicht eine guteErfahrung, weil sie die<br />
Leistung des Handels und der dort Beschäftigten<br />
einmal aus einer neuen Perspektivekennenlernen<br />
konnte. Es ist sehr<br />
wichtig, dass gerade auch die Politik den<br />
Handel stärker wertschätzt und ein offenes<br />
Ohr für unsereThemen hat. Für einen<br />
schnellen PR-Auftritt hätten wir uns nicht<br />
hergegeben.<br />
Gibt es aus Ihrer Sicht im Verständnis<br />
der Politik für den Handel denn<br />
ein Defizit?<br />
Radau: Ja, ich sehe großen Nachholbedarf.<br />
Politik, Verwaltung, Gesellschaft<br />
müssen wieder stärker erkennen, wie<br />
wichtig der stationäre Handel für das<br />
Stadtleben ist. Und wir müssen hier intensiver<br />
und auf vielen Feldern den Dialog<br />
führen. Auch durch solche Aktionen<br />
wie den Praktikumstag einer Ministerin,<br />
die schon im Vorfeld ein offenes Ohr für<br />
uns hatte.<br />
Schauen wir ins weite Münsterland.<br />
Man wird den Eindruck nicht los,<br />
als hätten manche Orte sich damit<br />
abgefunden, dass der Handel nach<br />
und nach aus den Innenstädten verschwindet.<br />
Man darf doch nicht<br />
ernsthaftdie Hände in den Schoß legen?<br />
Radau: Wir erleben eine bedrückende<br />
Nachlässigkeit bei der Betrachtung dieser<br />
Situation in vielen Klein- und Mittelstädten.<br />
Kaum einer in den verantwortlichen<br />
Positionen in Politik und Verwaltung hat<br />
wirklich erkannt, was daauf Dauer auf<br />
die Orte zukommt. Das Wegbrechen von<br />
Handel wird sich fortsetzen, wenn wir<br />
nicht ganz massiv gegensteuern. Dabei<br />
gibt es nicht den einen Schuldigen. Ich<br />
plädiere dafür, dass sich all Kräfte gemeinsam<br />
die Situation anschauen und<br />
dann entscheiden, wie sie Entwicklungen<br />
abmildern und Rahmenbedingungen<br />
verbessern können.<br />
Was kann ein Bürgermeister im<br />
Münsterland konkret tun?<br />
Radau: Er muss mit dem Handel, den<br />
Handelnden, den Gremien und Verbänden<br />
sprechen und nach gemeinsamen Lösungen<br />
suchen. Aber er muss auch offen<br />
sein für Veränderungen.<br />
MICHAEL RADAU<br />
Der gebürtige Münsteraner Michael Radau ist seit den 1980er Jahren im Naturkosthandel<br />
aktiv. Nach dem Abitur und einem Studienaufenthalt inden USA<br />
leistete er1983 Pionierarbeit im Bioladen „Kornblume“ in Münster, den er 1985<br />
übernahm. ImJahr darauf eröffnete ereine zweite Filiale. Infolge der Fusion<br />
mit der Biogarten Naturkost Handels GmbH im Jahr 1992 verantwortete Radau<br />
als geschäftsführender Gesellschafter vier Filialen.<br />
Michael Radau erkannte frühzeitig die Bedürfnisse der Kunden abseits des klassischen<br />
Bioladenklischees. Daher entwickelte er das Konzept des SuperBioMarktes<br />
als Bio-Vollsortimenter und eröffnete 1993 den ersten SuperBioMarkt in<br />
Münster. Inden folgenden Jahren entwickelte Radau seine Idee zu einem Filialkonzept<br />
mit mehr als 20 Märkten und 600 Mitarbeitern in Nordrhein-Westfalen<br />
und Niedersachsen weiter. Radau leitet das Unternehmen, das 2001 in die SuperBioMarkt<br />
AG umfirmiert wurde, als Vorstandsvorsitzender.<br />
Ehrenamtlich ist Michael Radau seit 2004 Vorsitzender des Einzelhandelsverbands<br />
Westfalen-Münsterland. Seit 2013 steht er als Präsident dem Handelsverband<br />
NRW vor. Seit einem Jahr ist er zudem Vizepräsident des Handelsverbands<br />
Deutschland (HDE). Den Vorsitz Handelsausschuss der IHK Nord Westfalen<br />
hat er seit 2007 inne.<br />
Aber viele Kommunen verfügen<br />
doch bereits über Einzelhandelskonzepte<br />
...<br />
Radau: Viele haben sie nicht. Und jene,<br />
die über sie verfügen, schreiben sie oft<br />
nicht in dem notwendigen Maße fort beziehungsweise<br />
handeln nicht danach. Es<br />
gibt Fälle, in denen ein Investor mit<br />
einem Einkaufszentrum winkt und neue<br />
Arbeitsplätze verspricht. Schon wird das<br />
Konzept in der Auslegung gedehnt.<br />
Wie wäre es mit kleinen Schritten,<br />
um Strukturen zu verändern?<br />
Radau: Tatsächlich gibt es viele Ansätze<br />
–von der Erschließung über die Parksituation<br />
bis hin zu verkaufsoffenen Sonntagen.<br />
Eine Umsetzung garantiert nicht,<br />
dass der Handel in einem Ort sich wieder<br />
richtig beleben wird. Aber wenn ich all<br />
das nicht beachtete, dann nimmt garantiert<br />
die Geschwindigkeit der Erosion<br />
massiv zu. Also auch im Kleinen gegensteuern,<br />
stets an die Attraktivität der<br />
Stadt oder des Stadtteils denken.<br />
Händler berichten häufig von behördlichen<br />
Zwängen und Einengung.<br />
Ist das so?<br />
Radau: Versuchen Sie einmal als Schuhhändler<br />
vorder Tür ein Schild aufzustellen,<br />
um auf besondereAngeboteinIhrem<br />
Geschäft hinzuweisen. <strong>Die</strong>se einfache Sache<br />
wirdmanchmal zu einem komplexen<br />
Vorgang hochstilisiert. Oder denken sie<br />
an die Debatten über einen freien WLAN-<br />
Zugang in den Innenstädten. Dafür gibt<br />
es jetzt einen Gesetzesentwurf, der realitätsfern<br />
ist, weil er wieder deutliche Hürden<br />
bei der Anmeldung vorsieht. Im Ergebnis<br />
wird dadurch ein Zentrum, das<br />
man beleben will, für die junge Generation<br />
nicht attraktiver.<br />
Aber der Handel entscheidet doch<br />
auch selbst, ob er an den Ortsrand<br />
oder in die Innenstadt geht.<br />
„Man<br />
ganz<br />
Radau: Bedingt, denn die F<br />
tion in den Innenstädten läss<br />
Geschäfte gar nicht zu. Ein<br />
kommt heuteoft nicht mehr<br />
dratmetern aus. <strong>Die</strong> Aufgabe<br />
munen besteht hier darin, m<br />
tümern gemeinsam Flächen<br />
tren zusammenzubringen,<br />
siedlungen oder Erweiterun<br />
zu machen. Aber auch die ö<br />
nungen, die Bauordnung<br />
und gegebenenfalls<br />
Brandschutzaspekte<br />
müssen flexibler<br />
gehand-<br />
Michael<br />
habt werden. Am<br />
Anfang muss der<br />
Wille stehen, dieses<br />
Ziel zu erreichen – un<br />
Furcht vor den Hürden.<br />
Sollten Kommunen also<br />
ein Unternehmen denke<br />
Radau: Absolut, sie haben<br />
klientel und müssen ihr Han<br />
sen Bedürfnisse ausrichten.<br />
sen auch bereit sein zu inve<br />
kann dadurch geschehen, d<br />
Förderung des Handels im O<br />
mit entsprechender person<br />
wortlichkeit versteht. Das g<br />
Dezernat Xoder Ymit einer<br />
den-Stelle, sondern man be<br />
Budget und personelle Ress<br />
braucht einen Kümmerer,de<br />
sungen und die richtigen L<br />
menbringt.<br />
Gibt es Beispiele, wo so e<br />
funktioniert?<br />
Radau: Bei einem Treffen d<br />
delsausschusses in Billerbe<br />
das Gefühl, dass man sich<br />
lich für den Handel stark ma<br />
darum bemüht, verschiede<br />
bedingungen zu verbessern<br />
Also auch eine Taktik