UNSICHTBARES ADLERSHOF
UNSICHTBARES ADLERSHOF
UNSICHTBARES ADLERSHOF
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<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong><br />
eingereicht von: Tina Hilbert<br />
MAGISTERARBEIT<br />
Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Geographisches Institut<br />
Bornholmerstraße 78<br />
10439 Berlin<br />
Gutachter: Prof. Dr. Marlies Schulz<br />
Berlin, den 12.12. 2005<br />
Geographisches Institut<br />
Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Prof. Dr. Harald Bodenschatz<br />
Institut für Soziologie<br />
Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie<br />
Technische Universität Berlin
1<br />
<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong>
Gliederung<br />
<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong><br />
Gliederung ................................................................................................ 2<br />
Abbildungsverzeichnis ............................................................................ 3<br />
Tabellenverzeichnis ................................................................................. 3<br />
Bildverzeichnis ......................................................................................... 4<br />
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... 5<br />
1 Einleitung ................................................................................. 6<br />
2 Verortung ............................................................................... 11<br />
2.1 Exkurs 1: Ich sehe was, was du nicht siehst - Das Sichtbare vs.<br />
das Unsichtbare ................................................................................ 11<br />
2.2 Exkurs 2: Der Hannoveraner Bahnhof .............................................. 13<br />
2.3 Exkurs 3: Anmerkungen zur Schnittstelle Kunst - (Stadt)Raum -<br />
Wissenschaft..................................................................................... 16<br />
2.4 Exkurs 4: Adlershof – Ein Ort der Verheißung? ................................ 21<br />
3 Methodische Vorgehensweise ............................................. 31<br />
3.1 Qualitative Sozialforschung............................................................... 31<br />
3.2 Methodenmix der Sozialraumanalyse ............................................... 32<br />
3.2.1 Problemzentriertes Interview ........................................................................ 33<br />
3.2.2 Mentale Karten.............................................................................................. 37<br />
3.2.3 Fotostreifzug/ Rundgang .............................................................................. 40<br />
4 Ablauf der Untersuchung ..................................................... 42<br />
4.1 Interviewpartner ................................................................................ 42<br />
4.2 Interviewführung................................................................................ 45<br />
4.3 Datenauswertung .............................................................................. 48<br />
5 Das Sichtbare: Auswertung.................................................. 51<br />
5.1 Bewegung und Verhalten im Raum .................................................. 52<br />
5.2 Wahrnehmung der baulichen und städtischen Struktur .................... 58<br />
5.3 Wahrnehmung einzelner Akkumulationspunkte................................ 60<br />
5.4 Darstellung der Akkumulationspunkte............................................... 66<br />
6 Das Sichtbare: Fazit .............................................................. 77<br />
7 Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee..................... 81<br />
8 Resümee ................................................................................ 87<br />
Literatur ................................................................................................ 89<br />
Anlagen ................................................................................................ 98<br />
Danksagung.......................................................................................... 101<br />
2
Abbildungsverzeichnis<br />
<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong><br />
Abbildung 1: Lageplan Berlin-Adlershof..................................... 22<br />
Abbildung 2: Adlershof................................................................. 23<br />
Abbildung 3: Derzeitiger Entwicklungsplan für Adlershof ........ 28<br />
Abbildung 4: Bebauungsplan Adlershof (Ausschnitt) ............... 29<br />
Abbildung 5: Entwicklungsmaßnahme Adlershof...................... 30<br />
Abbildung 6: Interviewleitfaden ................................................... 36<br />
Abbildung 7: Grundlagenkarte..................................................... 39<br />
Abbildung 8: Fotos von den Rundgängen .................................. 46<br />
Abbildung 9: Mentale Karte von Sören B.................................... 47<br />
Abbildung 10: Mentale Karte von Konstantin A. ........................ 47<br />
Abbildung 11: Mentale Karte von Bärbel L. ................................ 48<br />
Abbildung 12: Nutzung von Straßen und Einrichtungen........... 53<br />
Abbildung 13: Bezugspunkte ....................................................... 63<br />
Abbildung 14: Fotografierte Orte ................................................. 64<br />
Abbildung 15: Bekannte Einrichtungen ...................................... 65<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Interviewpartner........................................................... 43<br />
Tabelle 2: Verwendete Kürzel....................................................... 44<br />
Tabelle 3: Eingezeichnete bzw. fotografierte Orte...................... 61<br />
3
Bildverzeichnis<br />
<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong><br />
Bild 1: Entwurf Bahnhofsvorplatz….………………….…………… 13<br />
Bild 2: Bewegungsabläufe……..………………………….………… 13<br />
Bild 3: Sitzen auf Koffern…..…………………………….………….. 14<br />
Bild 4: Stühle auf dem Platz……………………………….…….….. 15<br />
Bild 5: Laborhäuser………………………………………..…….…… 23<br />
Bild 6: Trudelturm…………………………………………..….……… 23<br />
Bild 7: Motorenprüfstand…………………………..……….……….. 24<br />
Bild 8: Windkanal……………………………………..………….……. 24<br />
Bild 9: Zaun aus DDR-Zeit…………………………………….………24<br />
Bild 10: Werbung November 2005………………………….……….25<br />
Bild 11: Ehemalige Kasernen………………………………..……….26<br />
Bild 12: Mediengebäude…………………...…………………….……26<br />
Bild 13. Geographisches Institut…………………………….….….. 26<br />
Bild 14: Erwin-Schrödinger Zentrum………………………….…… 26<br />
Bild 15: Straßenbau, August 2005……………..……………….….. 26<br />
Bild 16: Brache beim Landschaftspark……………………….……27<br />
Bild 17: Ehemaliges Fernsehzentrum der DDR…..………….….. 27<br />
Bild 18: Ehrmahnung an Autofahrer bei Kita………………….…. 27<br />
Bild 19: Kino……………………………………………………….…… 45<br />
Bild 20: Landschaftspark……………………………….….…….….. 45<br />
Bild 21: Ärztehaus……………………………………….….…….…... 45<br />
Bild 22: Im Blumenladen……………………………………...….….. 45<br />
Bild 23: Luftbild Forumsplatz………………………………….……. 82<br />
Bild 24: Entwurf Häfner/Jiménez…………………………………… 83<br />
Quelle Bilder 1-4: SEGGERN 2003: 69ff<br />
Quelle Bilder 5-18: eigene Aufnahmen<br />
Quelle Bilder 19-22: Fotografien der Befragten<br />
Quelle Bild 23: Adlershof Projekt GmbH<br />
Quelle Bild 24: www.haefner-jimenez.de/indexms.html<br />
4
Abkürzungsverzeichnis<br />
<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong><br />
ACA Institut für angewandte Chemie Berlin-Adlershof e.V.<br />
AFM Adlershof Facility Management<br />
BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung<br />
BESSY Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für<br />
Synchrotronstrahlung m.b.H.<br />
DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />
ESZ Erwin-Schrödinger-Zentrum<br />
FBH Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik<br />
FIRST Frauenhofer Institut für Rechnerarchitektur und<br />
Softwaretechnik<br />
IGAFA Initiativgemeinschaft Außeruniversitärer Forschungs-<br />
einrichtungen in Adlershof e. V.<br />
IGZ Innovations- und Gründerzentrum Berlin Adlershof<br />
IKZ Institut für Kristallzüchtung<br />
HMI Hahn-Meitner-Institut GmbH<br />
JvN Johann von Neumann Haus<br />
MBI Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeit-<br />
spektroskopie<br />
OWZ Internationales Gründerzentrum Berlin-Adlershof<br />
POT Zentrum für Photonik und optische Technologie<br />
UTZ Zentrum für Umwelt- Bio- und Energietechnologie<br />
WISTA Wista Management GmbH, Wissenschafts- und Wirt-<br />
5<br />
schaftsstandort Adlershof
1 Einleitung<br />
6<br />
Unsichtbares Adlershof – Einleitung<br />
Er blickte auf das Bild.<br />
„Es ist ein gemeines Bild. Alles ist am richtigen Platz, aber es ist eine garstige<br />
Karikatur. Der Künstler hielt es natürlich für Wissenschaft.“<br />
„Ich glaube, nichts ist jemals einfach nur Wissenschaft“, sagte ich.<br />
Er nickte. „Das ist das Problem mit dem Sehen von Dingen. Nichts ist klar.<br />
Gefühle, Ideen formen das, was man vor sich hat. Cézanne wollte die Welt nackt,<br />
aber die Welt ist nie nackt. Ich möchte in meinen Arbeiten Zweifel wecken.“<br />
Siri Hustvedt
Unsichtbares Adlershof – Einleitung<br />
Kunst und Wissenschaft. „Kein Problem, natürlich gehört das zusammen!<br />
Ach so, gemeinsam in einer Arbeit. Nein, das stelle ich mir schwierig vor.“<br />
„Wie jetzt, was wollen Sie denn immer mit der Kunst? Wir sind hier an einer<br />
Universität, wenn Sie Kunst machen wollen, dann sind Sie hier falsch.“<br />
„Nee, zusammen geht nicht. Man kann niemals gute Kunst machen, wenn<br />
man nicht Künstler ist.“<br />
Diese Ansagen waren Reaktionen, wenn ich das Thema meiner<br />
Magisterarbeit erklärte. Scheinbar wird es heute immer noch als<br />
problematisch wahrgenommen, die beiden Richtungen zusammen zu<br />
denken. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen werde ich in meiner<br />
Magisterarbeit stadtgeographische und künstlerische Ansätze<br />
zusammenführen. Ich werde aufzeigen, dass beide Seiten davon<br />
profitieren, den Blick zu erweitern und andere Perspektiven auf den<br />
eigenen als spezifischen und abgrenzungsbedürftig wahrgenommenen<br />
Untersuchungsgegenstand zuzulassen.<br />
Diese Arbeit dient nicht nur dazu zum Abschluss meines Studiums<br />
wissenschaftliches Arbeiten unter Beweis zu stellen. Ich möchte einen<br />
Schritt weiter gehen und eine praktische Umsetzung, der während der<br />
Untersuchung gewonnenen Ergebnisse aufzeigen.<br />
Während der Recherche bin ich auf eine weit reichende Debatte gestoßen,<br />
in der die Überschneidung von Kunst und Wissenschaft bereits praktiziert<br />
wird. So zum Beispiel bei dem Projekt „Kunst als Wissenschaft/<br />
Wissenschaft als Kunst“ welches von 2001 – 2004 vom Hamburger<br />
Bahnhof in Berlin initiiert wurde. Dem Projekt „Kunstraum“ der Universität<br />
Lüneburg liegt ebenso die Idee der Interdisziplinarität zu Grunde. In der<br />
Raum- und Stadtplanung erhält die Debatte um die Integration und<br />
Bedeutung von Kunst im Stadtraum immer mehr Gewicht. Kunst wird im<br />
zunehmenden Maße als Element zur Gestaltung von öffentlichem Raum<br />
begriffen. So schreiben zum Beispiel DITTRICH und MÜLLER in der<br />
Einleitung der 2005 erschienenen Zeitschrift „Kunst und Raum“ des<br />
Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung die Symbiose von Kunst<br />
und Stadtplanung sei eine Chance, die in räumlichen Situationen neue<br />
Orientierungs- und Sehhilfen geben kann. Die Künstler setzten sich<br />
ebenfalls mit der Veränderung ihrer Position in der Gesellschaft<br />
auseinander. Immer mehr schreiben Künstler, die im öffentlichen Raum<br />
tätig sind, ihren Arbeiten die Aufgabe zu, die soziale oder räumliche<br />
Umgebung mit einzubeziehen:<br />
7
Unsichtbares Adlershof – Einleitung<br />
Kunst im öffentlichen Raum hat soziale Funktion. Sie hat sich<br />
entwickelt von der großformatigen, ortsgebundenen Kunst zu einem<br />
Arbeitsfeld mit sozialen Inhalten. Ihre Sprache ist eine Mischung aus<br />
Sozialwissenschaften, Kunst, Architektur und Stadtplanung.<br />
(Siah ARMAJANi 2001: 100)<br />
In einem Artikel der ZEIT vom 17. Februar 2005 erklären die Künstler<br />
Christo und Jeanne-Claude die Stadt sogar zur Leinwand, die es zu<br />
bemalen gilt und sie werden somit zu Akteuren der Stadtgestaltung.<br />
Das Zusammenbringen von Kunst und Wissenschaft stellt den<br />
übergreifenden Aspekt der Arbeit dar. Hieraus lässt sich eine erste Frage<br />
formulieren, die in der Arbeit aufgegriffen werden soll:<br />
� Wie können Wissenschaft und Kunst verbunden werden?<br />
Dieser Frage gehe ich anhand eines konkreten Gegenstandes –dem Gebiet<br />
Berlin Adlershof– nach. Darunter wird in der Arbeit das Gebiet verstanden,<br />
das gängig als „Stadt der Wirtschaft, Wissenschaft und den Medien“<br />
bezeichnet wird. Die Kurzform Adlershof soll stellvertretend dafür in der<br />
Arbeit aus Gründen der Lesbarkeit verwendet werden.<br />
Ich werde das Gebiet mittels einer Sozialraumanalyse untersuchen und<br />
anschließend ein künstlerisches Konzept entwickeln, das die gewonnenen<br />
Erkenntnisse der Untersuchung aufgreift und integriert. Diese<br />
Vorgehensweise, Kunst einer wissenschaftlichen Analyse folgen zu lassen,<br />
ist natürlich nicht zwingend.<br />
Was motivierte mich dazu, eine Forschung über Adlershof zu machen? Die<br />
Widersprüchlichkeit zwischen der eigenen Erfahrung bzw. dem Austausch<br />
mit anderen Beteiligten auf der einen Seite und der Planung bzw. der<br />
Darstellung von Adlershof auf der anderen Seite weckten mein<br />
Forschungsinteresse.<br />
Durch meine eigene Nutzung Adlershofs, meine Bewegungen durch das<br />
Gebiet und meine Ambition, städtische Räume zu entdecken und zu<br />
hinterfragen, ist mir das Gebiet auf vielfältige Weise bewusst geworden. Ich<br />
bin Studentin am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu<br />
Berlin und studiere selbst seit 2003 in Adlershof. Ich war in der „heißen<br />
Phase“ vor und während des Umzugs als Betroffene dabei. In dieser Zeit<br />
wurden rege Diskussionen in der Universität über das Für und Wider des<br />
Umzugs geführt. Die Gegenargumente waren dabei meist im Übergewicht.<br />
8
Unsichtbares Adlershof – Einleitung<br />
Es gab das rationale Argument, Adlershof sei „zu weit draußen“ und „zu<br />
weit weg von dem restlichen Campus der Humboldt Universität.“ Zuhören<br />
waren aber besonders die emotionalen Argumente. Sie waren bestimmt<br />
von dem Gefühl, nicht aus dem „heimeligen“, bekannten „Mitte“ an den<br />
„Stadtrand gedrängt“ werden zu wollen. Man sah sich als „Verlierer, die nun<br />
in die Peripherie zur Uni müssen“, wo das Unmögliche versucht wurde:<br />
einen neuen Standort zu konstruieren. Dagegen waren die Argumente<br />
derer, die dem Umzug positiv gestimmt waren, nur leise zu hören. Sie<br />
versprachen bessere Lern- und Arbeitsbedingungen. Adlershof muss heute<br />
gegen dieses damals konstruierte Negativbild ankämpfen. Nach dem<br />
Umzug erfuhr die Debatte durch die täglichen Nutzungen und damit<br />
einhergehend den wahrgenommenen Vor- und Nachteilen einen erneuten<br />
Schub. Im Austausch mit Studierenden, Dozenten und Professoren über<br />
ihre eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen von Adlershof wird z. B.<br />
deutlich, dass die städtebauliche Struktur und dezentrale Lage negativ<br />
gesehen wird. Diese Beobachtungen oder Wahrnehmungen widersprechen<br />
jedoch dem verbreiteten Image von Adlershof. Es wird als<br />
Wissenschaftsstandort, Ort mit urbaner Qualität, als Stadt, als Campus, als<br />
Europas modernster Technologiepark, als Ort der Bewegung, der<br />
Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaften und Medien präsentiert.<br />
Zwischen dem Image und der heutigen Situation bestehen noch gewaltige<br />
Unterschiede. Das Gebiet wird nicht als Ganzes wahrgenommen und leidet<br />
u. a. unter der städtischen Randlage, sowie seiner fragmentarischen,<br />
zergliederten Stadtstruktur. Diesem Problem sind sich die Planer und<br />
Initiatoren Adlershofs durchaus bewusst. Letztes Jahr wurde z. B. ein<br />
Wettbewerb zur besseren Orientierung durch verschiedene in Adlershof<br />
ansässige Institutionen ausgeschrieben 1 . Eine weitere Idee zur<br />
Verbesserung der Orientierung ist das Projekt „Gedanken-Gang“, das seit<br />
Februar diesen Jahres „über das gesamte Gelände der Stadt der<br />
Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ führen soll. „Er zeigt den Besuchern,<br />
was in Berlin-Adlershof geforscht, gelehrt, entwickelt und produziert wird.“<br />
(www.adlershof.de)<br />
Diese Diskrepanz wird in der Arbeit aufgegriffen. Mein Forschungsinteresse<br />
richtet sich dabei auf die Wahrnehmung der Beschäftigten und<br />
1 Der im Herbst 2004 von der Adlershof Projekt GmbH ausgeschriebene<br />
Ideenwettbewerb „Die Schwinge des Adlers“ wendete sich an Architekturstudenten<br />
der Technischen Universität Berlin. Aufgabe war, Entwürfe zu entwickeln, die das<br />
Erscheinungsbild verbessern sollten. Die Auslobung fand im Mai 2005 statt (vgl.<br />
Adlershof Projekt GmbH: 2005).<br />
9
Unsichtbares Adlershof – Einleitung<br />
Studierenden in Adlershof von dem Gebiet. Die sichtbaren bzw.<br />
unsichtbaren Bereiche innerhalb ihrer Wahrnehmung sollen erfragt und<br />
herausgearbeitet werden. Die Bedeutung, die der täglichen Bewegung und<br />
dem Verhalten im Raum dabei zukommt, soll hinterfragt werden.<br />
Anschließend werden die Resultate in einem künstlerischen Konzept<br />
aufgegriffen mit dem Ziel die Wahrnehmung bzw. Bewegung zu verändern.<br />
Der Titel der Arbeit „<strong>UNSICHTBARES</strong> <strong>ADLERSHOF</strong>“ bezieht sich auf die<br />
Untersuchung.<br />
Im Laufe der Arbeit werden folgende forschungsleitenden Fragestellungen<br />
bearbeitet:<br />
� Wie bewegen und verhalten sich die Befragten im Raum?<br />
� Wie nehmen sie diesen Raum wahr? An welchen Punkten im<br />
Raum orientieren sie sich?<br />
� Was fällt gänzlich aus ihrem Blickfeld/ ihrer Wahrnehmung?<br />
Sie hinterfragen das Sichtbare bzw. Unsichtbare in der Wahrnehmung der<br />
Beschäftigten wie Studierenden. Der Aufbau der Arbeit sieht wie folgt aus:<br />
Zunächst beginne ich mit thematischen, sich aufeinander beziehenden<br />
Exkursen (vgl. Kapitel 2), worin Anmerkungen zu den Themen Sichtbarkeit/<br />
Unsichtbarkeit von Räumen, der Verbindung von künstlerischem und<br />
wissenschaftlichem Arbeiten und der Bedeutung von Kunst im öffentlichen<br />
Raum gemacht werden. Sie sollen für das Thema sensibilisieren und bilden<br />
gleichzeitig die Grundlage meiner Arbeit. Der letzte Exkurs stellt das<br />
Untersuchungsgebiet vor. Die Entwicklung des Gebietes mit den<br />
einhergehenden Bauten, die auch heute noch prägend sind, wird<br />
betrachtet. Diesen Exkursen folgt die Darlegung der verwendeten Methodik<br />
(vgl. Kapitel 3) sowie des Ablaufs in der Untersuchung (vgl. Kapitel 4).<br />
Anschließend folgt die Interpretation und Auswertung (vgl. Kapitel 5) meiner<br />
Untersuchung. Daraus resultierende Erkenntnisse (vgl. Kapitel 6) bilden<br />
wiederum die Grundlage für das nächste Kapitel, in dem eine künstlerische<br />
Idee für die Gestaltung des öffentlichen Raumes aufgezeigt wird (vgl.<br />
Kapitel 7). Abschließend steht ein Resümee (vgl. Kapitel 8). In der Arbeit<br />
wird auf eine durchgängige Sichtbarmachung der weiblichen und<br />
männlichen Schreibweise zu Gunsten der Lesbarkeit verzichtet, die jeweils<br />
andere Form sei immer mitgedacht. Die Fotografien zu Beginn eines neuen<br />
Kapitels stammen aus der Serie „Aliens in Adlershof“ vom Juli 2005.<br />
10
2 Verortung<br />
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
2.1 Exkurs 1: Ich sehe was, was du nicht siehst - Das<br />
Sichtbare vs. das Unsichtbare<br />
Die Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit eines Raumes wirft eine Fülle von<br />
Gedanken auf: Räume sind nicht reine Behälter, die gefüllt werden<br />
müssen, sondern ihre Entstehung ist ein soziales und prozessgeleitetes<br />
Phänomen. Es gibt Räume, die nur fragmentarisch wahrgenommen<br />
werden. Räume, die durch ihre Zugänglichkeit für bestimmte Personen<br />
sichtbar sind und andererseits durch ihre Verschlossenheit für andere<br />
Menschen unsichtbar bleiben. Räume, von denen, durch moderne Medien<br />
beispielsweise ein sichtbares, vertrautes Bild konstruiert wird. Und Räume,<br />
über die durch bewusste oder unbewusste Ausblendung kaum Wissen<br />
vorhanden ist und die scheinbar nicht existieren.<br />
Es herrscht ein ungleiches Kräfteverhältnis zwischen den verschiedenen<br />
wahrgenommenen Räumen: Wer die Möglichkeit besitzt, mittels Geld,<br />
Technik usw. auf sich aufmerksam zu machen, wird auch gesehen werden.<br />
Wer diese Mittel nicht besitzt, bleibt in der Wahrnehmung vieler unsichtbar.<br />
Das Sehen konstituiert Wirklichkeiten. Das Sichtbare und das Unsichtbare<br />
stehen dabei nebeneinander. Was gesehen wird, existiert. Was nicht<br />
11
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
gesehen wird, existiert in der Wahrnehmung des Raumes nicht. Somit gibt<br />
es sichtbare bzw. unsichtbare Räume für Menschen. Das sichtbar<br />
Wahrgenommene ist nur ein Fragment des Ganzen. Es wird durch<br />
Handlungen täglich bestimmt. Dadurch werden Bilder und Ideen von<br />
Räumen geschaffen. Die konkreten Bewegungen der Menschen im Raum<br />
sind ein konstituierendes Element in diesem Prozess.<br />
Auf eine Kurzformel gebracht, kann man sagen, die Konstitution von<br />
Räumen geschieht durch (strukturierte) (An)Ordnungen von<br />
sozialen Gütern und Menschen an Orten. Räume werden im<br />
Handeln geschaffen, indem Objekte und Menschen synthetisiert<br />
und relational angeordnet werden. (LÖW 2001: 204)<br />
Funktions- und zielgebundene Bewegungen lassen den Raum<br />
verschwinden. Sie sind der Bewegung durch einen Tunnel ähnlich, ohne<br />
Neugierde für den Raum. Es entstehen Inseln einzelner wahrgenommener<br />
Orte, zwischen ihnen breitet sich das Unsichtbare aus. Die Atmosphäre<br />
und Gestalt eines Raumes kann dabei die Bewegung beeinflussen. Fühlt<br />
man sich nicht wohl in einem Raum, versucht man ihn so schnell wie<br />
möglich hinter sich zu lassen. Die Stimmung des Raumes ist entscheidend,<br />
ob man sich in ihm aufhalten möchte oder nicht.<br />
12<br />
Wenn eine Fußgängerunterführung Angst erregend, ein Arbeitszimmer<br />
nüchtern und ein Sonnenuntergang über dem Meer romantisch wirkt,<br />
so sei dies auf dessen Gestimmtheit zurückzuführen. Nun könnte man<br />
annehmen, dass Gestimmtheit nicht mehr ist als die Projektion von<br />
Gefühlen auf die umgebenen Räume, gäbe es nicht das Phänomen<br />
des „Umgestimmt-Werdens“ durch Räume. Man betritt zum Beispiel<br />
hektisch ein kleines Geschäft, um noch schnell vor Ladenschluss die<br />
nötigen Einkäufe zu tätigen, und wird durch ruhige Musik, angenehme<br />
Gerüche etc. in eine Stimmung der Gelassenheit versetzt. Räume<br />
entwickeln demnach eine eigene Potentialität, die Gefühle<br />
beeinflussen kann. (LÖW 2001:205)
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
2.2 Exkurs 2: Der Hannoveraner Bahnhof<br />
Wie viel sieht man befangen vom Alltag, von dieser großartigen Stadt?<br />
Die Routine zeigt Banalität und Gedankenlosigkeit,<br />
alles Persönliche verschwindet.<br />
Norman MANEA<br />
Das Beispiel des Hannoveraner Bahnhofs greift das in Exkurs 1 diskutierte<br />
Phänomen des Unsichtbarwerdens von Räumen oder Gegenständen durch<br />
beschleunigte, funktionsgebundene Bewegung auf und versucht dem<br />
entgegen zu wirken. Dabei werden wissenschaftliche Arbeitsmethoden mit<br />
einer künstlerischen Konzeption verbunden.<br />
Das Architekturbüro Ohrt, v. Seggern, Partner aus Hamburg wurde 1998<br />
von Stadt und Bahn beauftragt, den südlichen Teil des Hannoveraner<br />
Bahnhofsvorplatzes (vgl. Bild1) im Hinblick auf die bevorstehende EXPO<br />
umzugestalten. Zwei Jahre später, im Mai 2000, wurde der Platz eröffnet.<br />
(SEGGERN 2002: 264ff, SEGGERN 2003:69ff) Innerhalb der Planung<br />
entzündete sich eine Debatte über die potentiellen Funktionen eines<br />
Bahnhofsvorplatzes. Das Für und Wider, ob ein Bahnhof „auch“<br />
Aufenthaltsort oder „nur“ Durchgangsort sei, wurde diskutiert. Ursprung der<br />
Debatte war der Vorschlag der Architekten, loses Gestühl auf dem Platz zu<br />
stellen, denn ein Bahnhof sollte, ihrer Ansicht nach, Aufenthaltsfunktionen<br />
übernehmen.<br />
Wir wollten einen Raum gestalten, der einen förderlichen Rahmen<br />
für eine lebendige Aneignung bietet und eine anregende Balance<br />
zwischen den zu erwartenden unterschiedlichen Menschen,<br />
Verhaltensweisen und Nutzungen. Gelassen sollte der Platz<br />
funktionieren und zu Aufenthalt und Kommunikationen verlocken,<br />
eine Tages- und Nachtatmosphäre von großstädtischer<br />
Freundlichkeit, Großzügigkeit und Sicherheit ausstrahlen. (SEGGERN<br />
2003: 69ff)<br />
Sie wollten einen „Raum zum Stehen bleiben, Langsamgehen, Warten und<br />
Sitzen“ schaffen. Unterstützend dafür nutzten sie „Wasser zum Spielen und<br />
als Blickfang, loses Gestühl [und] Poller, die auch zum Sitzen und für<br />
Gepäck geeignet sind.“ (SEGGERN 2003: 69)<br />
13<br />
Bild 1: Entwurf<br />
Bahnhofsvorplatz<br />
Bild 2:<br />
Bewegungsabläufe
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Auch die künstlerische Aktion „Musikschacht“, die im Prozess der Planung<br />
entstand, wurde dazu herangezogen, den Aufenthalt vor Ort zu inspirieren.<br />
Dabei handelte es sich um Musik, die aus einem Gullydeckel an die<br />
Oberfläche gelangten. Ihre Vorstellungen von einem Bahnhofsvorplatz<br />
wurden jedoch nicht von der Interessengemeinschaft Innenstadt, der Stadt<br />
und der Bahn geteilt. Deren Ansicht nach benötigte ein Bahnhofsvorplatz<br />
keine besonderen öffentlichen Aufenthaltsangebote, die lose Bestuhlung<br />
wurde abgewiesen. (SEGGERN 2003: 70)<br />
Motiviert durch den Ärger über die Ablehnung, versuchte die<br />
Architektengruppe, eine Alternative zu finden und schlug vor, die Stühle für<br />
die Länge eines Sommers auf dem Platz zu stellen und deren Nutzung im<br />
Rahmen einer wissenschaftlichen Pilotstudie zu beobachten. Das<br />
Experiment musste nach weiteren Einschränkungen auf einen Tag im<br />
September beschränkt werden. In der Studie wurde untersucht, ob und<br />
inwieweit es gelungen war, dem Stadtplatz eine Atmosphäre der<br />
Freundlichkeit und Lebendigkeit zu geben. Die Platznutzung und<br />
Platzwahrnehmung wurde mittels eines Methodenmix bestehend aus einer<br />
Fotodokumentation, standardisierten und freien Beobachtungen,<br />
materiellen wie personellen Experimenten zum Sitzen und Gesprächen<br />
über Atmosphäre, evaluiert. (SEGGERN 2003: 70f)<br />
Aus der Studie resultierend, konnten Aussagen über die Bewegung und<br />
Nutzung, besonders über das Sitzverhalten, auf dem Platz getroffen<br />
werden (vgl. Bild 2-4):<br />
14<br />
Alles, was das Sitzen nur einigermaßen erlaubt, wurde<br />
entsprechend (zweckentfremdend) genutzt, so z.B. Straßenpoller,<br />
Mauervorsprünge, Geländer, Treppen, erhöhte Baumscheiben,<br />
ebenso eine zeitweise als Kunstprojekt aufgestellte Figurenbank.<br />
Reisende setzten sich teilweise auf mitgebrachte Koffer oder<br />
Rucksäcke, jüngere Leute auch auf das Pflaster. (SEGGERN 2002:<br />
270)<br />
Bild 3: Sitzen auf Koffern
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Die in die Studie integrierten Experimente „Bestuhlung“ und „Musikschacht“<br />
erzielten anregende und positive Resultate:<br />
Mit dem Test, an einem Sommertag leichte, bewegliche Stühle<br />
aufzustellen, und dem „Kommunikationsunterstützer“ Wasser zeigt<br />
sich der wahre Genuss des (unentgeltlichen) Sitzens, Redens,<br />
Sehens und Gesehenwerdens […]. Die Musik aus dem Schacht hat<br />
eine andere Art der Anregung: Einer Irritation folgen oft ein<br />
unwillkürliches Lächeln, eine Bewegung, ein paar Tanzschritte- und<br />
weil diese Reaktion unwillkürlich erfolgt, kommuniziert man sie<br />
häufig fast „ertappt“ mit anderen Anwesenden. (SEGGERN 2003:72)<br />
Beim Musikschacht kommt es bisweilen zu regelrechten<br />
„Recherchen“, wie denn die „Musik aus dem Gully“ zu erklären sei,<br />
andere nehmen die Musik auf, bewegen sich im Rhythmus der<br />
Musik, Schnipsen mit den Fingern, machen ein paar Tanzschritte.<br />
(SEGGERN 2002: 271)<br />
Die Architekten bewerteten abschließend den angewandten Methodenmix<br />
als gewinnbringend und gut anwendbar. (SEGGERN 2002: 278)<br />
Besonders wichtig, vergnüglich und vermutlich effektiv ist dabei, mit<br />
Experimenten zu arbeiten, um das (freiraum)kulturelle Potential sich<br />
entwickeln zu lassen, um Raum und Gelegenheit zu schaffen,<br />
tatsächlich kreative Aushandlungsprozesse zu gestalten, die auch<br />
mit den Menschen vor Ort stattfinden. (SEGGERN 2003: 75)<br />
Das dargestellte Beispiel zeigt, wie auf einer kleinsträumlichen Ebene<br />
wissenschaftliches Forschen und kreative, künstlerische Gestaltungsideen<br />
kombiniert werden können. Die Disziplinen greifen ineinander: Mit der<br />
sozialräumlichen Analyse konnte die Raumwahrnehmung und –nutzung<br />
des Platzes untersucht werden. Die Menschen und ihr Verhalten standen<br />
bei der Untersuchung im Vordergrund. Hier war der angewendete<br />
Methodenmix sehr hilfreich, um Aufschlüsse zu bekommen. Man initiierte<br />
Kunst bzw. kreative Experimente und beobachtete deren Annahme im<br />
öffentlichen Raum. Dabei wurde gezeigt, wie Kunst als Raum gestaltendes<br />
Mittel eingesetzt und eine Veränderung bzw. einen Eingriff in alltäglich<br />
ablaufende Verhaltensmuster schaffen kann.<br />
15<br />
Bild 4: Stühle auf dem<br />
Platz
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
2.3 Exkurs 3: Anmerkungen zur Schnittstelle Kunst -<br />
(Stadt)Raum - Wissenschaft<br />
In dem Hannoveraner Beispiel wurde bezüglich der Kunst im urbanen<br />
Raum deutlich, wie die kreativ oder künstlerisch eingesetzten Mittel in den<br />
städtischen Raum auf verschiedene Art und Weise eingegriffen haben. Der<br />
Raum wurde durch sie gestaltet, es wurde Einfluss auf das Verhalten der<br />
Passanten genommen. Somit wurde die Raumwahrnehmung verändert. Die<br />
gewohnte Durchquerung und die alltäglichen Abläufe im Raum wurden<br />
unterbrochen. Dieser Ausbruch aus den gewohnten Handlungen führte,<br />
zumindest für eine kurze Zeit, zur Überwindung der Anonymität des<br />
öffentlichen Raumes und zur Kommunikation, wenn z.B. die Passanten<br />
über das Kunstwerk ins Gespräch kamen. Der Raum wurde belebt. Kunst<br />
kann also, wenn sie in die Öffentlichkeit geht und dort wirkt, städtische<br />
Prozesse beeinflussen und verändern. In dem Beispiel wurde hinzu das<br />
mögliche Potential deutlich, wenn wissenschaftliche mit künstlerischen<br />
Methoden verbunden werden. Anhand folgender Fragen wird dieses<br />
Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft näher beleuchtet:<br />
� Wie hat sich Kunst im öffentlichen Raum entwickelt?<br />
� Was kann diese Kunst im öffentlichen Raum bewirken und<br />
verändern?<br />
� Was macht das Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft<br />
hier aus?<br />
Die dargestellten Anmerkungen sind Ausschnitte einer weit geführten<br />
Debatte. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen<br />
sie für das Thema der Arbeit sensibilisieren.<br />
Wie hat sich Kunst im öffentlichen Raum entwickelt?<br />
Kunst hat sich im Laufe der Zeit zunehmend dem Raum des Betrachters<br />
angenährt. Das Kunstsystem wurde erweitert, die Kunst hat sich aus den<br />
für sie geschaffenen Räumen wie Museen und Galerien befreit. Sie wurde<br />
damit einem breiteren Publikum zugänglich (Kaltenbrunner 2005: 33,<br />
Büttner 1997, Matzner 2001, Ahner 2003, van Treek 1999). In diesem<br />
16
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Zusammenhang stand die Entwicklung des Environment (später<br />
Happening) in den 1950er und 60er Jahren (KALTENBRUNNER 2005: 28).<br />
Ein wichtiger Vertreter dieser Kunstform war der Künstler Allan Kaprow.<br />
Folgt man der Selbstanalyse Kaprows, basiert der von ihm<br />
vollzogene Übergang von der Malerei zum Environment und vom<br />
Environment zum Happening auf einer immanenten Logik: Seine<br />
Malerei wird durch den Einsatz plastischer Elemente zunehmend<br />
dreidimensional. Sie dehnt sich in den Raum aus und wird zum<br />
raumgreifenden Environment. Während der Betrachter vor einem<br />
Bild steht, befindet er sich im Environment inmitten des Raums<br />
gewordenen Bildes. Der nächste Schritt mündet im Happening […]<br />
Der bereits im Bild stehende, aber immer noch passive Betrachter<br />
wird dazu animiert, als Akteur mitzuwirken und in das Environment<br />
einzugreifen. (KALTENBRUNNER 2005: 28)<br />
In den 1980er Jahren setzte sich der Begriff Installation für künstlerische<br />
Aktionen durch. Der entscheidende Unterschied zwischen den Kunstformen<br />
Environment und Installation lag im Umgang mit den Orten, an dem die<br />
Kunst inszeniert wurde. Das Environment überlagerte bestehende Orte,<br />
während sich die Installation in den Ort hinein begab: „Sie lässt sich auf ihn<br />
ein, um ihn zu akzentuieren, zu kommentieren oder zu transformieren.“<br />
(KALTENBRUNNER 2005: 28) Es zeichnete sich eine Ortsbezogenheit der<br />
Kunst ab. Künstlerische Aktionen nahmen auf einen konkreten Ort in seinen<br />
architektonischen, funktionalen, historischen, politischen und<br />
gesellschaftlichen Eigenschaften Bezug. In den letzten Jahrzehnten<br />
entwickelte sich dieser Ortsbezug zunehmend zu einer selbstverständlichen<br />
Forderung in der Kunst. Er wird heute bei Projekten im öffentlichen Raum<br />
vorausgesetzt und von öffentlichen Institutionen oder Firmen in Auftrag<br />
gegeben. Hier werden Künstler zu „Konstrukteuren verlorener Identitäten<br />
und zu Designern von Corporate Identities.“ (KALTENBRUNNER 2005: 32)<br />
Was kann diese Kunst im öffentlichen Raum bewirken und verändern?<br />
Wenn Künstlern Freiraum in der Gestaltung von Plätzen zugesprochen wird<br />
oder sie mit dem Entwurf von einer Platzkonzeption betraut werden, dann<br />
können sie Orientierungen schaffen, Kontraste zur Umgebung bieten oder<br />
eigene künstlerische Räume entstehen lassen. Durch ihr gestaltendes<br />
Mittel kann die Kunst beispielsweise auf Mängel aufmerksam machen oder<br />
Akzente setzen. Kunst kann Defizite in Lebensräumen aufzeigen und<br />
17
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
darauf reagieren und agieren, in dem sie die Produktion von und den<br />
Umgang mit der gebauten Umwelt in Frage stellt. Somit kann sie ein<br />
Bewusstsein für den urbanen Raum schaffen und vermitteln. Dabei hat<br />
Kunst den Freiraum, Neugier zu wecken. Sie kann sich zwischen neuen<br />
kreativen Ideen und bereits Vorhandenem bewegen. Durch ihre Präsenz<br />
wird sie zum Gegenstand öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion und<br />
provoziert die Kommunikation in der Öffentlichkeit. 2<br />
Aus Inszenierungen, die mit Verwunderung oder Empörung zur<br />
Kenntnis genommen wurden, werden alltägliche Bilder in der Stadt,<br />
einige werden gar zum Wahrzeichen, andere sind da, aber werden<br />
vergessen, wieder andere werden wie exotische Pflanzen oder Tiere<br />
dem Sonntagsbesuch vorgeführt. (IPSEN 1997: 78f)<br />
Die Bevölkerung sieht und bewertet den Raum der Stadt im Rahmen<br />
alltäglich konventioneller Sichtweisen. Durch das Verschieben der<br />
gewohnten Blickwinkel und Perspektiven durch Künstler können implizierte<br />
Bewertungen und Werte verändert werden. Dabei ist das Spannungsfeld<br />
zwischen Innovation und Konventionalismus aufgetan:<br />
Wie wird der „Konventionalismus“ einer sich ständig<br />
reproduzierenden Gestalt durchbrochen, wird er überhaupt<br />
durchbrochen? Wie ändern sich Zeichen, und welchen Spielraum<br />
hat die Kunstaktion, um in einem bestehenden Zeichensystem noch<br />
kommunizieren zu können, ohne konventionell zu werden? Auf der<br />
Ebene der Soziologie geht es um Wertewandel und Macht. Wer<br />
kann wem seine Sichtweise oktroyieren? (IPSEN 1997: 79)<br />
2 Hierzu gibt es eine Fülle an Exempeln, wie die zwei Kunstaktionen zu der<br />
documenta 6 und 7 in Kassel: Walter de Maria provozierte zur documeta 6 eine<br />
rege Diskussion mit seiner Aktion des „Vertikale Erdkilometers“. Die zunächst von<br />
den Kassleranern als sinnlos beschmipfte Aktion des Künstlers wandelte sich<br />
letztendlich zu der liebevollen Aktion „Kassler Loch.“ (IPSEN 1997: 85ff.) Joseph<br />
Beuys initiierte 1982 die Aktion „7000 Eichen - Stadtverwaldung statt<br />
Stadtverwaltung“ zur documenta 7. Er forderte die Pflanzung von Bäumen<br />
zusammen mit jeweils einem begleitenden Stein an 7000 Punkten in Kassel. Damit<br />
griff er intensiv und nachhaltig in das Stadtbild ein. (www.7000eichen.de)<br />
18
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Für dieses Problem schlägt IPSEN folgende Lösung vor:<br />
Wahrscheinlich kann man sich die Kommunikation so vorstellen,<br />
dass die Schaffung neuer Konnotation und Denotation von Zeichen<br />
als neue Kombination von Elementen bekannter Zeichen und ihrer<br />
Codes verläuft. Schon die einfache Veränderung der Reihenfolge<br />
von Zeichen, d.h. eine Veränderung ihres settings, schafft<br />
verblüffende, kreative Sichtweisen. (IPSEN 1997: 81)<br />
Kunst kann somit Auswirkungen auf den sozialen Kontext in der Stadt<br />
haben. Das Urteil über ein Kunstobjekt dient der Herausbildung<br />
sozialtypischer Sichtweisen der Welt:<br />
Als neue Objekte in einem bekannten Raum können sie<br />
verursachen, dass die Zeichen, die dem Raum bisher angehörten, in<br />
einen anderen Zusammenhang gestellt werden. Dies kann dadurch<br />
geschehen, dass sich der gesamte Code verändert, aber auch so,<br />
dass ein vorhandener Code weiter existiert, jedoch anders<br />
kontextualisiert wird. (IPSEN 2002: 81)<br />
Kunst, die sich als urbane Skulptur pragmatisch oder symbolisch auf<br />
einen Ort einlässt, wird ein Element des urbanen Diskurses und<br />
prägt so Akzeptanz oder Aversion. (IPSEN 1997: 91)<br />
Der urbane Diskurs kann als Indikator für die Veränderung bei Bildern und<br />
Vorstellungen über den Raum und seine Organisation und Gestaltung<br />
gesehen werden. Kunstwerke können sich aus dem instrumentellen<br />
Kontext lösen und in der Stadt, im Leben jedes Einzelnen Raum ergreifen.<br />
Sie initiieren Debatten über Konzepte des täglichen Lebens und alltäglichen<br />
Raumes, sie bewirken somit Kommunikation.<br />
Was macht das Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft hier<br />
aus?<br />
Kunst steht sozialräumlichen Analysen nahe, wenn sie sich an<br />
bestehenden unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen und Interessen<br />
verschiedener Zielgruppen orientiert und verschiedene Lebenssituationen<br />
von Menschen aufgreift. Dabei kann sie in enger Verflechtung mit<br />
städtebaulichen, architektonischen und sozialen Maßnahmen stehen.<br />
Die Sozialraumanalyse (vgl. Kapitel 3.2.) nähert sich wiederum der Kunst<br />
an, wenn sie Analysen städtischer Räume und Prozesse flexibel gestaltet<br />
und neue bzw. offene Methoden einsetzt. Das Zusammenwirken schafft die<br />
19
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Möglichkeit, nicht nur zu analysieren oder nicht nur zu platzieren, sondern<br />
ein vielfältiges Herangehen an den Raum und die Menschen.<br />
Im konkreten Kontext dieser Arbeit bedeutet dies, dass sozialräumlich<br />
analysierte alltägliche und funktionsgebundene Abläufe künstlerisch<br />
aufgegriffen werden können. Kunst kann sich die Aussagen der<br />
sozialräumlichen Untersuchung zu nutze machen und auf sie reagieren.<br />
Sie kann dadurch ein Hinschauen provozieren, wo vorher keins war, auf<br />
Wahrnehmungs- und Bewegungsabläufe einwirken und diese letztlich<br />
verändern. Die Kunst kann die Konfrontation mit der konstituierten Realität<br />
hervorrufen. Durch die Kombination wird somit ein differenziertes<br />
Hinterfragen und darauf abgestimmtes Handeln ermöglicht.<br />
20
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
2.4 Exkurs 4: Adlershof – Ein Ort der Verheißung?<br />
Eine merkwürdige Leere<br />
umgibt<br />
diesen Ort der Verheißung<br />
weit im Südosten Berlins.<br />
Unvermittelt, auch ein wenig<br />
verloren,<br />
steht die Wissenschaftsstadt<br />
Adlershof<br />
in karger Landschaft,<br />
der konturlosen Vorstadt<br />
entrückt<br />
und ihr doch verwandt im<br />
Fragmentarischen.<br />
REMMELE 1998: 96<br />
Das Zitat von Martin REMMELE entstammt dem Jahr 1998, das Foto wurde<br />
im Juli 2005 aufgenommen. Es zeigt die Vorderseite des<br />
Obdachlosenheims in der Köpenicker Straße (vgl. Abbildung 4). Beides<br />
offenbart Einblicke in die Situation des Gebietes: Es ist heute ein Ort, an<br />
den bestimmte Erwartungen gestellt werden und der sich in seiner heutigen<br />
Form als Wissenschaftsstadt erst entwickelt. Der Umbruch, der sich seit<br />
einigen Jahren in Adlershof vollzieht beinhaltet das Suchen nach einer<br />
festen städtischen Struktur und die Einbindung in ein gesamtstädtisches<br />
Bild. Er beinhaltet auch, dass das Gebiet zwischenzeitlich zu einem<br />
verlorenen Ort avanciert ist.<br />
Adlershof wurde auch früher schon als „Ort der Verheißung“ angesehen,<br />
oder zumindest als „Ort mit Zukunft“. Es wurde stets verscheiden genutzt.<br />
Darauf verweisen Relikte aus der Vergangenheit, wie diese Lettern an dem<br />
heutigen Obdachlosenheim. Es befindet sich heute am Rande der neu<br />
gebauten Wissenschaftsstadt und hat scheinbar nichts mit dem Bild des<br />
seit Beginn der 1990er Jahre ausgebauten Standorts zu tun.<br />
21
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Adlershof liegt im Südosten Berlins im Bezirk Köpenick (vgl. Abbildung 1).<br />
Abbildung 1: Lageplan Berlin-Adlershof<br />
Quelle: http://www.statistik-berlin.de/berl/berl5a.htm<br />
In Adlershof wird derzeit ein integrierter Wissenschafts-, Wirtschafts-, und<br />
Medienstandort ausgebaut (vgl. Abbildung 2). Das Areal setzt sich aus 12<br />
außeruniversitären Forschungsinstituten und rund 570 Unternehmen, dem<br />
Mediengelände, dem Naturwissenschaftlichen Campus der Humboldt-<br />
Universität zu Berlin, dem Gewerbepark und dem Landschaftspark<br />
zusammen. (www.adlershof.de)<br />
22
Abbildung 2: Adlershof<br />
Quelle: FALK Stadtplan, 2002<br />
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Die unterschiedlichen Relikte der Vergangenheit, die heute im Gebiet<br />
anzutreffen sind und das Stadtbild mitgestalten, entstammen<br />
verschiedenen historischen Phasen städtischer Entwicklung.<br />
1905 wurde Adlershof für den Flugzeugbau entdeckt. In dieser Zeit wurde<br />
ein erstes Flugfeld angelegt. Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt<br />
(DVL) siedelte sich in Adlershof an. Die beiden heute noch erhaltenen<br />
denkmalgeschützten Laborbauten (vgl. Bild 5) auf dem Forumsgelände<br />
stammen aus dieser Zeit.<br />
Der erste und zweite Weltkrieg spielte eine maßgebende Rolle in den<br />
weiteren Entwicklungen des Gebietes. Adlershof sollte in dieser Zeit zur<br />
Wirkungsstätte der Luft- und Raumfahrtsforschung, sowie der Industrie<br />
werden. (SIMONS 2003: 60ff) Die heutigen technischen Denkmäler des<br />
aerodynamischen Parks Windkanal, Trudelturm und Motorenprüfstand (vgl.<br />
Bild 6-8) sind auf die militärischen Aktivitäten der 30er Jahre<br />
zurückzuführen. (BAAG 2003: 5) Die aktuelle Form des Landschaftsparks<br />
wurde teilweise von dem 1939/40 angelegten Flugplatz übernommen.<br />
23<br />
Bild 5: Laborhäuser<br />
Bild 6: Trudelturm
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Die Teilung Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg hatte eine komplette<br />
Veränderung der Nutzungsstruktur des Gebietes zur Folge:<br />
„sicherheitsempfindliche“ Einrichtungen und ein Wachbataillon der<br />
Staatssicherheit der DDR wurden angesiedelt. Daneben fanden hier<br />
Industriebetriebe, Forschungszentren der Akademie der Wissenschaften<br />
(AdW) und der Deutsche Fernsehfunk (DFF) ihren Platz. Der Flugplatz<br />
wurde von der Nationalen Volksarmee (NVA) als Truppenübungsplatz<br />
genutzt. Diese spezifische Ansiedlung von Einrichtungen hinterließ ihre<br />
Spuren im städtischen Bild. Kennzeichnend war ein Mosaik<br />
unterschiedlicher Bebauungen und Teilbereiche, die wenig interne<br />
Vernetzung vorwiesen und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren<br />
(vgl. Bild 9): „Mauern und Zäune gehörten ebenso dazu wie bewachte<br />
Eingänge isolierter Areale. Öffentliche Räume, Plätze und Mischnutzung<br />
fehlten daher vollständig.“ (BODENSCHATZ: 1994: 15ff) Die Einrichtungen<br />
waren zum Großteil in Barackenbauten untergebracht, was zu einer<br />
Zuspitzung der antistädtischen Verhältnisse führte. Die Isolierung des<br />
Gebietes wurde durch das Fehlen von Wohnnutzungen und die städtischen<br />
Barrieren Teltowkanal, Trassen der S- und Fernbahnen, sowie die stark<br />
belastete Hauptstrasse (Adlergestell) verstärkt. (SCHRÖDER 1994: 15)<br />
Mit dem Fall der Berliner Mauer traten Probleme für die zukünftige Nutzung<br />
Adlershofs zu Tage. Wichtige zu bedenkende Punkte bei der weiteren<br />
Planung waren zum einen die stadträumliche Lage Adlershofs und zum<br />
anderen die außergewöhnliche Maßstabsebene des Gebietes (420ha,<br />
www.adlershof.de). Zwei Pläne der Gebietsentwicklung standen sich<br />
gegenüber: der Entwurf eines monostrukturierten Technologiezentrums,<br />
formuliert vom Senat für Wirtschaft und der Vorschlag des Senats für<br />
Stadtentwicklung und Umwelt, ein Gebiet mit heterogener Nutzungsstruktur<br />
zu entwickeln. Im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners beschloss<br />
der Senat im September 1992 die programmatischen Eckpunkte für die<br />
zukünftige Entwicklung Adlershofs. Er formulierte das Ziel:<br />
24<br />
[…] den Entwicklungsbereich zu einer modernen<br />
Wissenschaftsstadt auszubauen und Flächen für Forschung,<br />
Technologie, Produktion und Dienstleistungen für 30.000<br />
Arbeitsplätze auszuweisen, die Naturwissenschaften der Humboldt-<br />
Universität aufzubauen und 5.500 Wohnungen und<br />
Folgeeinrichtungen zu errichten. (SIMONS 2003: 70)<br />
Bild 7: Motorenprüfstand<br />
Bild 8: Windkanal<br />
Bild 9: Zaun aus der<br />
DDR-Zeit
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Im Dezember 1994 wurde die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme 3<br />
Berlin-Johannisthal/ Adlershof festgesetzt. Man ging damals, angelehnt an<br />
den Flächennutzungsplan von 1993, von einem erhöhten Bedarf an Wohn-<br />
und Arbeitsstätten für Berlin aus. Das Großprojekt sollte neue<br />
wirtschaftliche Impulse für Gesamtberlin schaffen und avancierte zu einer<br />
Planung mit gesamtstädtischer Bedeutung. (www.stadtentwicklung.de)<br />
Von Stadt- und Landschaftsplanungsbüros wurden Nutzungs- und<br />
Freiraumkonzepte für das gesamte Gebiet entwickelt, auf denen der<br />
heutige Entwicklungsplan basiert. In der Steuerung des Projektes traten<br />
jedoch bald Probleme auf, denn „die wirtschaftlichen, demografischen und<br />
finanziellen Rahmenbedingungen [stimmten] schon nach Festlegung der<br />
Entwicklungsmaßnahme nicht mehr mit den Prognosen überein, auf die<br />
sich das Großprojekt gegründet hatte.“ (SIMONS 2003: 76) Die<br />
Projektplanung musste fortwährend an die veränderten<br />
Rahmenbedingungen angepasst werden. Die Umsetzung des Projektes<br />
wurde auf einen Kernbereich beschränkt. Geplante Maßnahmen wie der<br />
Wohnungs- oder Mensabau wurden auf Eis gelegt. Die anfangs bis zu<br />
6.000 geplanten Wohnungen im Entwicklungsgebiet wurden in den letzten<br />
Plänen auf ca. 650 bis max. 2000 reduziert. Die<br />
Verteilung der Institute wurde<br />
noch einmal überdacht und modifiziert.<br />
Bild 10: Werbung November 2005<br />
5 Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist ein Instrument des Senats um die<br />
Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten und die Wiedernutzung<br />
brachliegender Flächen zu garantieren. Ein zentrales Merkmal stellt die<br />
Abschöpfung des Entwicklungsgewinns aus Bodenversteigerungen dar. Anfang der<br />
1990er Jahre versprach man sich von dem Instrument Vorteile, da erwartet wurde,<br />
groß angelegte städtebauliche Entwicklungsvorhaben weitgehend frei von<br />
öffentlicher Förderung zügig zu realisieren und die Mittelbewirtschaftung über ein<br />
Treuhandvermögen, zu dessen Lasten die Kredite finanziert werden können, laufen<br />
zu lassen.<br />
25
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Von der ursprünglichen Idee einer starken Nutzungsmischung wurde<br />
in der neueren Planung (erstmal) Abstand genommen. Derzeit gibt<br />
es viele brachliegende Flächen, die potentiellen Investoren zur<br />
Verfügung stehen (vgl. Bild10). Aus den Entwicklungen und<br />
Planungen ergibt sich der heutige Entwicklungsplan für das Gebiet<br />
(vgl. Abbildung 3).<br />
Das heutige Stadtbild spiegelt die historischen Geschehnisse wieder (vgl.<br />
Abbildungen 4 und 5): Eindrücklich zeichnet sich die ausgedehnte 68 ha<br />
Fläche des Landschaftsparks ab. Am nördlichen Rand des<br />
Landschaftsparks sind Industriegebäude, die bis zum zweiten Weltkrieg<br />
angesiedelt wurden, erhalten geblieben. An der westlichen Seite des Parks<br />
werden neue Einfamilienhäuser errichtet. Areale entlang des Großberliner<br />
Dammes werden gegenwärtig als Speditions- und Lagerflächen<br />
verwendet. Kleingartenanlagen an der Südspitze des Gebietes aus den<br />
20er Jahren sind erhalten geblieben. Im Südosten des Parks, östlich und<br />
westlich der Rudower Chaussee, befindet sich das Kernstück der<br />
Entwicklungsmaßnahme: der ausgebaute Wissenschafts-, Wirtschafts-,<br />
und Medienstandort. Institute und andere Einrichtungen,<br />
Firmenansiedlungen und Neugründungen wurden teilweise in die bereits<br />
vorhandenen Gebäude der AdW integriert. Das bisherige<br />
Kasernengelände der NVA nimmt derzeit Einzelhandel- und<br />
Dienstleistungsbetriebe, sowie öffentliche Einrichtungen auf (vgl. Bild 11).<br />
Die in den 20er und 30er Jahren entstanden Filmstudios entlang der<br />
Agarstraße, werden heute überwiegend von Medienproduzenten und -<br />
dienstleistern genutzt (vgl. Bild 12). Hinzu kam seit Beginn der 1990er<br />
Jahre eine Zahl von Neubauten. Es wurde teilweise versucht, den alten<br />
Bestand zu integrieren, wie eindrücklich an dem Erwin-Schröninger-<br />
Zentrum oder dem Geographischen Institut der Humboldt Universität zu<br />
Berlin zu sehen ist (vgl. Bild 13 und 14). (SCHRÖDER 1994: 21ff)<br />
Die vierspurige Rudower Chaussee stellt die wichtigste Verkehrsachse<br />
dar. Ihr Entlang ist ein Großteil der Gebäude der Humboldt- Universität,<br />
der ansässigen Dienstleistungen, Forschungsinstitute und Medien<br />
ausgerichtet. Daneben gibt es eine Vielzahl zum Großteil neu angelegter<br />
Straßen, die sich vereinzelt noch im Bau befinden (vgl. Bild 15).<br />
Durch den beschriebenen Wandel, der sich nicht an allen Stellen<br />
gleichzeitig im Gebiet vollzieht, ergibt sich ein kontrastreiches, teilweise<br />
skurril erscheinendes Stadtbild. Brachflächen (vgl. Bild 16), verwahrloste,<br />
26<br />
Bild 11: Ehemalige Kasernen<br />
Bild 12: Mediengebäude<br />
Bild 13 Geographisches<br />
Institut<br />
Bild 14 Erwin-Schrödinger<br />
Zentrum<br />
Bild 15: Straßenbau,<br />
August 2005
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
leer stehende Häuser fern ab der Hauptverkehrsstraße Rudower<br />
Chaussee (vgl. Bild 17) konterkarieren das Bild der aufstrebenden<br />
Wissenschaftsstadt. Eine Kindertagesstätte an der stark befahrenen<br />
Agarstraße (vgl. Bild 18) wirkt mit den bemalten Bettlaken, auf denen die<br />
Kinder Autofahrer zum langsam Fahren ermahnen, genauso hilflos und<br />
verloren wie das Obdachlosenheim an der Köpenicker Straße. Die<br />
Imbissbuden, die sich in Nähe der S-Bahn etabliert haben, zeichnen am<br />
Eingang der Wissenschaftsstadt ein ganz anderes Bild als das eines hoch<br />
technologisierten Standtortes. Den Exkurs soll eine Beschreibung<br />
Adlershofs aus Außenperspektive abschließen. Der Text erschien im<br />
März 2004 in dem Berliner Stadtmagazin „scheinschlag“.<br />
27<br />
In Berlin-Adlershof sind, dem zögerlichen Wachstum der<br />
Wissenschaftsstadt zum Trotz, in den letzten Jahren viele<br />
sehenswerte Neubauten entstanden: Ein schwarzer,<br />
beeindruckend harscher Block beherbergt die Zentralbibliothek;<br />
das Institut für Physik hat die Front wie ein Kiefernwald; das für<br />
Chemie bildet in demonstrativer Bescheidenheit nach außen nur<br />
seine inneren Funktionen ab. Bunt schillert und schlingert das<br />
Photonikzentrum, dessen „Amöben“- Grundriss Ende der<br />
Neunziger befürchten ließ, dass auch Berlin bald von Blobs und<br />
Bubbles heimgesucht würde, kaltgrau das riesige Rund der<br />
Elektronenbeschleunigunsanlage […]<br />
Mitten in der Wissenschaftsstadt stößt man auf ein Ensemble, das<br />
neugieriger macht als alle grün verglasten Institute und<br />
Forschungszentren zusammen: der „Aerodynamische Park“.<br />
Hinter dem sympathisch unbeholfenen Namen verbirgt sich so<br />
etwas wie der Pandakäfig des Architekturzoos Adlershof.<br />
Verwaiste Zweckbauten aus den Dreißigern, purer Beton, stil- und<br />
zeitlos, ohne Bezug auf irgendetwas außer auf ihre frühere<br />
Funktion. Sie wurden errichtet, um direkt am Flughafen<br />
Johannisfeld Luftfahrtforschung zu betreiben. Heute sind sie<br />
zweckfreie Großskulpturen. (WITTE 2004: www.<br />
scheinschlagonline.de/archiv/2004/03_2004/texte/32.html)<br />
Bild 16: Brache beim<br />
Landschaftspark<br />
Bild 17: Ehemaliges<br />
Fernsehzentrum der<br />
DDR<br />
Bild 18: Ermahnung an<br />
die Autofahrer bei der<br />
Kita
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Abbildung 3: Derzeitiger Entwicklungsplan für Adlershof<br />
Quelle: Adlershof Projekt GmbH<br />
28
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Abbildung 4: Bebauungsplan Adlershof (Ausschnitt)<br />
Quelle: Adlershof Projekt GmbH, bearbeitet<br />
29
Unsichtbares Adlershof – Verortung<br />
Abbildung 5: Entwicklungsmaßnahme Adlershof<br />
Quelle: Adlershof Projekt GmbH, bearbeitet<br />
30
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
3 Methodische Vorgehensweise<br />
3.1 Qualitative Sozialforschung<br />
Der Untersuchung liegen folgende Fragestellungen zur Raumwahrnehmung<br />
sowie Raumnutzung der Beschäftigten und Studierenden in Adlershof zu<br />
Grunde (vgl. Kapitel 1):<br />
� Wie bewegen und verhalten sich die Befragten im Raum?<br />
� Wie nehmen sie diesen Raum wahr? An welchen Punkten im<br />
Raum orientieren sie sich?<br />
� Was fällt gänzlich aus ihrem Blickfeld/ ihrer Wahrnehmung?<br />
Um diese vielseitig und ergiebig beantworten zu können, ist die Wahl der<br />
Methodik zur Datenerhebung entscheidend. Die methodische<br />
Vorgehensweise der Magisterarbeit stützt sich auf die Literatur von RIEGE<br />
(2002), MAYRING (1996), FLICK (1991), WITZEL (1982) und LAMNEK (1995).<br />
RIEGE beschreibt die Sozialraumanalyse und ihre Methoden. MAYRING,<br />
WITZEL, FLICK und LAMNEK beschäftigen sich mit der Qualitativen<br />
Sozialforschung. Warum diese Analyseform und Vorgehensweise<br />
ausgewählt wurde, soll hier diskutiert werden.<br />
31
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
Will man Aufschlüsse über die Raumwahrnehmung und Raumnutzung von<br />
Menschen erhalten, bzw. etwas zu ihren Kognitionen und Emotionen zum<br />
Raum erfahren, beschäftigt man sich mit äußerst komplexen, teilweise<br />
unbewussten Phänomenen. Im Zentrum des Forschungsinteresses steht<br />
die subjektiv wahrgenommene, empfundene und bewertete Realität der<br />
Beschäftigten und Studierenden. Ihr Verhältnis zum Raum soll untersucht<br />
werden. Eine Hypothesen folgende Untersuchung ist in diesem<br />
Zusammenhang nicht angebracht. Vielmehr bietet sich ein induktives<br />
Verfahren an, in dem Hypothesen erst im Forschungsverlauf bzw. als<br />
Forschungsergebnis entworfen werden. Die Offenheit und Flexibilität mit<br />
dem Forschungsgegenstand und -prozess sind ausschlaggebend. Es<br />
ermöglicht das intensive Einlassen auf die Gesprächspartner, die<br />
Integration von vorab unerwarteten Phänomenen in den<br />
Untersuchungsverlauf sowie dessen Modifizierung.<br />
Hier ist anzumerken, dass es prinzipiell nicht möglich und gleichzeitig ein<br />
unrealistischer Anspruch ist, subjektive Welten ganzheitlich zu erfassen.<br />
Das Herantasten an das zu untersuchende Subjekt und das Modifizieren<br />
des Vorverständnisses während des Forschungsprozesses macht es aber<br />
möglich, subjektive Sinnstrukturen heraus zu kristallisieren. Die<br />
Sozialraumanalyse gibt für die Datenerhebung im Kontext raumbezogenen<br />
Arbeitens viel Inspiration. Sie beschäftigt sich auf verschiedenen Ebenen<br />
mit Mensch-Raum Beziehungen.<br />
3.2 Methodenmix der Sozialraumanalyse<br />
Die Ziele der heutigen Sozialraumanalyse sind erstens auf der<br />
gesamtstädtischen Ebene, einzelne Stadtteile miteinander zu vergleichen<br />
und zweitens auf einer kleinsträumlichen Ebene, das „Innenleben“ einzelner<br />
Stadträume intensiv zu betrachten und vielschichtig zu beschreiben. Die<br />
Untersuchung in der vorliegenden Arbeit wurde auf der kleinsträumlichen<br />
Ebene durchgeführt. Nicht der Vergleich mit anderen Gebieten wurde<br />
angestrebt, sondern eine Analyse und Beschreibung des Verhaltens von<br />
Beschäftigten innerhalb eines Gebietes. Um Raumwirkungen und<br />
Raumnutzungen unterschiedlicher Menschen(gruppen) in der Stadt<br />
differenziert zu untersuchen, arbeitet die Sozialraumanalyse mit einem<br />
vielseitigen Repertoire an qualitativen Methoden. (RIEGE 2002: 36ff, DEINET<br />
2002: 133)<br />
32
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
Von diesen wurden folgende in der vorliegenden Untersuchung<br />
angewendet:<br />
� Problemzentrierte Interviews<br />
� Mentale Karten<br />
� Raumbegehung/ Fotostreifzug<br />
Diese Methoden gestatten den Zugang zu Erlebnissen, Erfahrungen und<br />
Wahrnehmungen der Menschen. Sie beziehen sich stark auf den jeweiligen<br />
konkreten Untersuchungsgegenstand. Gemeinsame Kennzeichen sind die<br />
gleichzeitige Berücksichtigung von Strukturmerkmalen („objektive“<br />
Tatbestände), subjektiven Einschätzungen und eine Offenheit und Dynamik<br />
gegenüber dem Forschungsprozess. Da verschiedene Methoden<br />
Anwendung finden, wird auch von einem „Methodenmix“ gesprochen.<br />
(RIEGE 2002: 17)<br />
3.2.1 Problemzentriertes Interview<br />
Die Interviewform geht auf WITZEL (1982) zurück. Sie lehnt sich weitgehend<br />
an das Verfahren der Grounded Theory an, wonach der Erhebungs- und<br />
Auswertungsprozess als induktiv-deduktives Wechselverhältnis gestaltet<br />
wird. Er ist auf der theoretischen Ebene als auch bei der Gesprächsführung<br />
offen. Um dieser Offenheit gerecht zu werden, lässt das Interview den<br />
Befragten möglichst frei zu Wort kommen. Die Vorgehensweise soll<br />
gewährleisten, dass die Problemsicht des Interviewers nicht diejenige des<br />
Befragten überdeckt und den erhobenen Daten nicht einfach eine Theorie<br />
zugeordnet wird.<br />
Die Konstruktionsprinzipien des problemzentrierten Interviews […]<br />
zielen auf eine möglichst unvoreingenommene Erfassung individueller<br />
Handlungen sowie subjektiver Wahrnehmungen und Verarbeitungsweisen<br />
gesellschaftlicher Realität (WITZEL: http://www.qualitativeresearch.net,<br />
15.09.2005).<br />
Nach MAYRING (1993) ist das problemzentrierte Interview eine<br />
Zwischenform von narrativen und standardisierten Interviewverfahren.<br />
Demnach können alle Arten der offenen, halbstrukturierten Befragung als<br />
problemzentrierte Interviews gelten. Die Interviewform eignet sich, um eine<br />
33
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
fokussierte Forschungsfrage mit ihren komplexen Strukturen zu erfassen<br />
und dazu umfangreiches Material zu erhalten. WITZEL (1985:230) gibt drei<br />
Grundgedanken des problemzentrierten Interviews vor:<br />
� Problemzentrierung (Erfassung bestimmter Probleme aus Sicht<br />
der Befragten)<br />
� Gegenstandsorientierung (Flexibilität der Methoden durch<br />
mögliche Anpassung an den Forschungsgegenstand)<br />
� Prozessorientierung des Interview- und Forschungsverlaufs<br />
(Generierung der Theorie)<br />
Bei der Datenerhebung gibt es verschiedene Schritte des Vorgehens:<br />
(1) den Kurzfragebogen zur Erfassung demographischer, biographischer,<br />
situationaler Daten der Interviewpartner, der vor oder nach dem Gespräch<br />
erhoben wird, damit der Gesprächsfluss im Interview nicht unterbrochen<br />
wird;<br />
(2) die Transkription, das Protokoll und die Situationsbeschreibung nach<br />
dem Interview<br />
(3) den Leitfaden, der aufgegliederte Themenbereiche erfassen kann, die<br />
auf dem wissenschaftlichen und theoretischen Vorwissen des Forschers,<br />
seinen Annahmen und Konzepten basiert. Er liefert während der Befragung<br />
einen organisierten Überblick über bereits Angesprochenes oder<br />
Ausgelassenes. Der Leitfaden besteht aus Fragen und Erzählanreizen zur<br />
Sicherung der Vergleichbarkeit. Ausschlaggebend für das Interview ist<br />
jedoch nicht der Leitfaden, sondern es sind die konkreten Äußerungen des<br />
jeweiligen Interviewpartners.<br />
Ein problemzentriertes Interview bietet sich nach MAYRING (1993: 49) bei<br />
stärker theoriegeleiteter Forschungen, sowie Untersuchungen, in denen<br />
bereits einiges über den Gegenstand bekannt ist und spezifische<br />
Fragestellungen vordergründig sind, an.<br />
34
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
Aus folgenden Gründen wurde diese Interviewform für die Untersuchung<br />
gewählt:<br />
� Es gab bereits Vorkenntnisse durch die Erfahrungen als<br />
Studierende vor Ort sowie die vorausgegangene<br />
Recherchearbeit.<br />
� Daraus lagen abgeleitete fokussierte Forschungsfragen vor, zu<br />
denen ein umfangreiches Material gesammelt werden sollte.<br />
� Die Zwischenform von offener bzw. strukturierter<br />
Vorgehensweise war angemessen, um einerseits die<br />
Raumwahrnehmung der Befragten differenziert zu erfassen und<br />
durch die Strukturierung andererseits den Vergleich der Daten<br />
zu ermöglichen.<br />
� Die Flexibilität im Umgang der Methoden und die Anpassung an<br />
den Forschungsgegenstand macht die Kombination mit anderen<br />
Methoden möglich.<br />
Der Interviewleitfaden (vgl. Abbildung 6) wurde so erarbeitet, dass er sich<br />
mit den zwei weiteren verwendeten Methoden verbinden lässt: dem<br />
Fotostreifzug bzw. dem Rundgang durch das Gebiet und den mentalen<br />
Karten. Er wurde während der Untersuchung generiert. Der folgende<br />
Leitfaden lag in dieser Form erst nach den ersten Interviews vor. Er sollte<br />
den offenen und flexiblen Ablauf der Befragung garantieren, sowie eine<br />
Basis von Daten schaffen, die ausgewertet und extrahiert werden konnten.<br />
35
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
Abbildung 6: Interviewleitfaden<br />
Befragung zur Raumwahrnehmung von Berlin Adlershof – der Stadt für<br />
TEIL 1: Rundgang<br />
Wissenschaft, Wirtschaft und Medien<br />
- Sie sind auf ihrem Weg zur Arbeit, (Essen…) fotografieren Sie bitte, welche<br />
Objekte/ Gebäude u.ä. Ihnen dabei auffallen.<br />
- Angenommen, Sie möchten Adlershof einem Bekannten, der das Gebiet nicht<br />
kennt, näher bringen. Fotografieren Sie bitte, was für Sie Adlershof darstellt.<br />
TEIL 2: Mentale Karten<br />
Einstiegsfragen<br />
- Wie oft sind Sie in Adlershof?<br />
- Welche Verkehrsmittel nutzen Sie gewöhnlich zur Anfahrt nach Adlershof?<br />
- Welche Verkehrsmittel nutzen Sie, um sich in Adlershof zu bewegen?<br />
Anweisung für Karten (Karte wird vorgelegt)<br />
1. Zeichnen Sie bitte in die Karte ein, welche Orte bzw. Einrichtungen<br />
Sie in Adlershof aufsuchen!<br />
2. Zeichnen Sie bitte ein, auf welchen Straßen oder Wegen Sie sich<br />
gewöhnlich fortbewegen!<br />
3. Zeichnen Sie bitte ein, an welchen Punkten im Gebiet Sie sich<br />
orientieren, bzw. was ihre Bezugspunkte auf dem Weg sind!<br />
4. Zeichnen Sie bitte ein, welche Orte/ Gebäude/ Plätze/ Institute Sie<br />
Statistische Fragen<br />
sonst noch kennen!<br />
- Was ist Ihr Geburtsjahr?<br />
- Wie lautet Ihre Postleitzahl?<br />
- Welcher Tätigkeit gehen Sie in Adlershof nach?<br />
□ StudentIn<br />
□ MitarbeiterIn einer universitären Einrichtung<br />
□ MitarbeiterIn einer außeruniversitären Einrichtung<br />
- An welchem Institut arbeiten Sie?<br />
- Wie lange sind Sie schon in Adlershof beschäftigt?<br />
________________________________________<br />
Geschlecht: □ weiblich □ männlich<br />
36
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
3.2.2 Mentale Karten<br />
In der Geographie wurden mentale Karten erstmalig im<br />
angloamerikanischen Raum angewendet (DOWNS und STEA:1982; Lloyd<br />
1987, LYNCH 1993). Im deutschen Raum beschäftigten sich besonders<br />
BITTER (1999), MAY (1992) und HARD (1986) mit mentalen Karten. Sie<br />
werden als Wissensstrukturen des Langzeitgedächtnisses beschrieben:<br />
… die durch Eigenbewegung im Raum […] oder durch Benutzung<br />
graphischer oder verbaler Raumbeschreibungen […] zustande<br />
kommen [und] die es dem Menschen ermöglichen, sich über den<br />
aktuell wahrnehmbaren Ausschnitt der Umwelt hinaus räumlich zu<br />
orientieren. (MAY1996: 80)<br />
Der Begriff „Karte“ ist in diesem Zusammenhang als Metapher zu<br />
verstehen. „Es handelt sich nicht um kartographische Karten im Kopf eines<br />
Menschen, sondern um raumbezogene Gedächtnisstrukturen.“ (BITTER<br />
1994: 93) Oft sind diese verzerrten und falschen Abbildungen gemessen an<br />
Karten im kartographischen Sinn. Das Gemeinsame an beiden Begriffen ist,<br />
dass sie für Modelle räumlicher Realität stehen. Die mentalen Karten jedoch<br />
sind individuell und vielfältig in ihrer Form und ihrem Inhalt. Dies weist<br />
darauf hin, dass Raumwissen in unterschiedlicher Art, Intensität und<br />
Funktion im Gedächtnis eines Menschen gespeichert ist. Darin sind sehr<br />
individuelle Verzerrungen und Abweichungen gegenüber der räumlichen<br />
Realität begründet. Sie basieren auf der Tendenz der Vereinfachung, der<br />
Schematisierung und der hierarchischen Strukturierung im Gehirn. Das<br />
Wissen, aus denen sich eine mentale Karte zusammensetzt, wird nach<br />
Fakten- und Handlungswissen und der Art des Erwerbs und der<br />
Speicherung unterschieden. Die Hauptquelle des Erwerbs von Wissen ist<br />
die menschliche Bewegung im Raum. (BITTER 1994: 93f)<br />
37
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
MAY (1992: 82ff) unterscheidet drei Ebenen des räumlichen Wissens:<br />
� Knotenpunktwissen (landmarks): Räumliches Wissen ist um<br />
bestimmte Knotenpunkte organisiert. Das können markante, für<br />
Individuen wichtige Objekte oder Punkte der räumlichen<br />
Umgebung sein. Sie dienen zur Orientierung für die Navigation<br />
oder sind Ankerpunkte zur Strukturierung des räumlichen<br />
Wissens.<br />
� Streckenwissen (route knowledge): Auf der Strecke wird Wissen<br />
über die sequentielle Abfolge von Szenen,<br />
Entscheidungspunkten und deren Verbindungen auf der Strecke<br />
abgerufen und zusammengefügt.<br />
� Überblickswissen (survey knowledge). Auf der Grundlage der<br />
eigenen Bewegung durch den Raum entwickelt sich ein<br />
Überblickswissen aus der Integration und der Vernetzung von<br />
Knotenpunkt- u. Streckenwissen.<br />
Die Methode wird in verschiedenen Punkten kritisiert. (LLOYD/ HARVEY<br />
1987: 1991; HARD 1986:17) Dabei werden vor allem folgende Kritikpunkte<br />
angemerkt:<br />
38<br />
� Eine angefertigte Karte spiegelt die tatsächlich wahrgenommene<br />
Information über den Raum nur im Idealfall wieder: Das<br />
aufgezeichnete Wissen in einer mentalen Karte steht im<br />
Widerspruch zur eigentlich guten Orientierung der Zeichner. Sie<br />
sind nicht im Raum „verloren“, auch wenn es die gezeichnete<br />
Karte vermuten lässt. Somit hängt die Qualität der Karten von<br />
dem zeichnerischen Talent des jeweiligen Befragten ab.<br />
� Mentale Karten sind weder Stimuli des Verhaltens, noch steuern<br />
sie das Handeln: bei Bedarf kann sich der Mensch die soziale<br />
Situation bewusst machen, in der er handelt und somit kann er<br />
sich auch bei Bedarf ein Bild von der physisch-räumlichen<br />
Situation machen. Mentale Karten entstehen meist als<br />
Improvisationen, die auf bestimmte Handlungsziele und<br />
Handlungssituationen zugeschnitten sind, d.h. sie bezieht sich<br />
auf die direkte Aufgabe eine Karte zu zeichnen.
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
In der Arbeit wurde die Mentale Karte (vgl. Abbildung 7) aufgrund der<br />
bestehenden Problematiken nicht als einziges Erhebungselement, sondern<br />
in Kombination angewendet. Es wurde auf eine völlig freie, zeichnerische<br />
Darbietung der Befragten verzichtet, um den oben beschriebenen<br />
Problemen zu entgehen. Den Gesprächspartnern wurde eine Karte mit dem<br />
Straßennetz des Gebietes vorgelegt. Die Karte wurde auf der Grundlage<br />
eines aktuellen Stadtplanes digitalisiert. Die Befragten wurden gebeten, in<br />
die Karte verschiedene Aspekte zu ihren Bewegungen und Verhalten im<br />
öffentlichen Raum sowie ihrer Raumwahrnehmung einzuzeichnen (vgl.<br />
Abbildung 6):<br />
� benutzte Wege bzw. Straßen<br />
� Bezugspunkte auf diesen Wegen<br />
� aufgesuchte Orte<br />
� bekannte Orte<br />
Abbildung 7: Grundlagenkarte<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
39
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
3.2.3 Fotostreifzug/ Rundgang<br />
Die Idee des Rundgangs oder Fotostreifzugs war inspiriert von dem<br />
Gedanken, über die Fotografie die Verbindung mit dem künstlerischen<br />
Projekt zu schaffen, denn „[…] mit der Fotografie gelangt die Soziologie als<br />
Wissenschaft ganz in die Nähe der künstlerischen Tätigkeit.“ (HARPER<br />
1991:402) Praktische Impulse dazu gaben Texte von PSENNER (2004),<br />
FRANZEN (2002), YOUNG und BARRETT (2001).<br />
YOUNG und BARRETT (2001:141-152) führten eine Untersuchung mit<br />
Straßenkindern in Kampala, Uganda durch, wobei sie u. a. auf visuelle<br />
Methoden zurückgriffen:<br />
[…] visual methods proved to be particularly important for developing<br />
gainful insight into the street child’s urban environment from the<br />
child’s perspective. They introduced a relaxed, fun atmosphere and<br />
allowed the children to take control of the process without imposing<br />
adult influence. (YOUNG, BARRETT 2001: 147)<br />
PSENNER (2004) untersuchte die Wahrnehmung im urbanen öffentlichen<br />
Raum anhand der Praterstraße in Wien. Dabei wurden die<br />
Gesprächspartner auf einem Spaziergang über die Praterstraße begleitet<br />
und zum Fotografieren ermuntert. Ähnlich war die Forschung von FRANZEN<br />
(2002: 293ff) in Köln-Kalk angelegt. Darin wurde versucht, die<br />
Wahrnehmung, sowie die Aktions- und Lebensräume von verschiedenen<br />
sozialen Gruppen in dem Gebiet zu erfassen:<br />
Die subjektive Wahrnehmung des Raumes jedes einzelnen<br />
Bewohners liefert Informationen über die Erlebniswelt, Raumnutzung<br />
und Gewohnheiten. Hierüber können Rückschlüsse auf das<br />
Verhalten von Bewohnern, auf Defizite und Bedürfnisse im Quartier<br />
gezogen werden. (FRANZEN 2002: 293)<br />
Der aktive Charakter der Methode schien passend, um Aufschlüsse über<br />
die Sichtweisen der Interviewpartner zum Raum zu erlangen. Durch die<br />
gemeinsame Begehung des Raumes wurde die Möglichkeit geschaffen,<br />
Emotionen und Kognitionen der Befragten direkt zu erfahren. Das visuelle<br />
Element „den Raum direkt vor Augen zu haben“ ermöglichte es zudem, ein<br />
vielseitiges, differenziertes Bild der Raumwahrnehmung und Raumnutzung<br />
der Befragten zu erlangen.<br />
40
Unsichtbares Adlershof – Methodische Vorgehensweise<br />
Der Rundgang gestaltete sich an Hand von zwei Fragestellungen (vgl.<br />
Abbildung 6):<br />
� Sie sind auf ihrem Weg zur Arbeit, (Essen…) fotografieren Sie<br />
bitte, welche Objekte/ Gebäude. Ihnen dabei auffallen.<br />
� Angenommen, Sie möchten Adlershof einem Bekannten, der<br />
das Gebiet nicht kennt, näher bringen. Fotografieren Sie bitte,<br />
was für Sie Adlershof darstellt.<br />
Sie sollten als Inspiration gelten und zum Fotografieren auffordern.<br />
41
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
4 Ablauf der Untersuchung<br />
4.1 Interviewpartner<br />
Die Auswahl der Interviewpartner folgte dem Anliegen, ein breites Spektrum<br />
an Beschäftigten und Studierenden zu befragen, deren Arbeitsplätze im<br />
Gelände des Technologie- und Wissenschaftsparks verteilt sind. Dabei<br />
orientierte ich mich an den ansässigen universitären bzw.<br />
außeruniversitären Forschungseinrichtungen, dem Medienbereich und<br />
Unternehmen (vgl. Abbildung 5).<br />
Den Kontakt zu den Interviewpartnern erhielt ich über das Schneeballprinzip<br />
sowie über das Internet. Dies ermöglichte der gute Internetauftritt des<br />
Gebietes. Die Kontaktaufnahme erfolgte via E-Mail, in der ich mich und<br />
mein Anliegen vorstellte und um ein Interview bat. Dies stieß weitestgehend<br />
auf positive Resonanz. Besonders Studierende und Mitarbeiter universitärer<br />
Einrichtungen zeigten sich interessiert und offen. Schwierig war die<br />
Kontaktherstellung zum Medienbereich, wo letztlich auch kein Interview<br />
durchgeführt werden konnte. Es wurden insgesamt 18 Personen befragt,<br />
worunter 9 Studierende, 5 Mitarbeiter universitärer Einrichtungen, 3<br />
Mitarbeiter außeruniversitärer Einrichtungen und 1 Selbstständiger waren.<br />
42
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
Tabelle 1: Interviewpartner<br />
Nr.<br />
Geburts-<br />
jahr<br />
♀♂ Beschäftigung Arbeitsort<br />
1 1981 w Studentin<br />
HU,<br />
Geographie<br />
2 1946 m Dozent HU, Mathematik<br />
3 1977 m Student<br />
HU,<br />
Geographie<br />
4 1944 m Professor HU, Informatik<br />
5 1966 m Dozent<br />
6 1977 m Student<br />
7 1949 w Professorin<br />
8 1980 w Studentin<br />
9 1982 m Student<br />
10 1981 m Student<br />
11 1978 m Student<br />
12 1977 m Student<br />
13 1949 m Professor<br />
14 1955 w<br />
Mitarbeiter<br />
außeruniv.<br />
Einrichtung/<br />
Professorin<br />
15 1981 m Student<br />
16 1954 m<br />
Mitarbeiter<br />
außeruniv.<br />
Einrichtung<br />
HU,<br />
Geographie<br />
HU,<br />
Geographie<br />
HU,<br />
Mathematik<br />
HU,<br />
Geographie<br />
HU,<br />
Informatik, Mathe<br />
HU,<br />
Informatik, SulferCell<br />
HU,<br />
Physik/ Mathe<br />
HU<br />
Informatik, Geographie<br />
HU,<br />
Psychologie<br />
DLR, HU,<br />
Geographie<br />
HU,<br />
Informatik<br />
IKZ<br />
17 1958 m Selbständiger Firma Jenoptik<br />
18 1959 w<br />
Quellle: Eigene Darstellung<br />
Mitarbeiter<br />
außeruniv.<br />
Einrichtung<br />
MBI<br />
Es wurden 13 Männer und 5 Frauen interviewt. Ich habe versucht, auf den<br />
Ausgleich zwischen männlichen und weiblichen Interviewpartnern zu<br />
achten, was sich jedoch schwierig gestaltete, da in den<br />
naturwissenschaftlichen Ausrichtungen der universitären sowie<br />
außeruniversitären Institute Männer in der Mehrzahl sind und es somit<br />
automatisch mehr Männer als Gesprächspartner gab. Daraus ergab sich<br />
43
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
weiterführend, dass nicht ausgewertet wurde, ob und wie sich das<br />
Verhalten und die Wahrnehmung von männlichen und weiblichen<br />
Gesprächspartnern unterscheiden. Es gibt seit geraumer Zeit eine große<br />
Anzahl von Forschungen, die diesen Fokus bewusst setzen, um<br />
Aufschlüsselungen einzelner Zielgruppen zu erhalten. (RIEGE 2002). Dies<br />
aber war nicht der Schwerpunkt meines Erkenntnisinteresses. Die<br />
Fragestellung verläuft nicht in diese Richtung. Es geht darum,<br />
Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung herauszufinden. Das Bemühen war<br />
es demnach, Gesprächspartner aus möglichst unterschiedlichen Bereichen<br />
in Adlershof zu finden. Eine geschlechtsspezifische Untersuchung der<br />
Wahrnehmung des Raumes Adlershof hätte einen anderen Ansatz, eine<br />
andere Fragestellung und eine andere Auswahl der Gesprächspartner<br />
vorausgesetzt.<br />
Die Erhebung fand von Ende Mai bis Mitte Juli 2005 statt. Im Text habe ich<br />
die Namen der Gesprächspartner geändert (vgl. Tabelle 2) und verwende<br />
Kürzel, damit die Anonymität gewahrt bleibt. Ich wurde vermehrt darum<br />
gebeten und benutzte diese Form der Einfachheit halber für alle Befragten<br />
gleichermaßen.<br />
Tabelle 2: Verwendete Kürzel<br />
Nr. Kürzel<br />
1 Anne L.<br />
2 Ingo L.<br />
3 Alex M.<br />
4 Hans B.<br />
5 Knut. S.<br />
6 Ilko B.<br />
7 Elisa W.<br />
8 Heike V.<br />
9 Malze F.<br />
10 Mark S.<br />
11 Andreas G.<br />
12 Sören B.<br />
13 Hartmut W.<br />
14 Bärbel L.<br />
15 Konstantin A.<br />
16 Georg S.<br />
17 Heinz J.<br />
18 Stefanie K.<br />
Quelle. Eigene Darstellung<br />
44
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
4.2 Interviewführung<br />
Der Ablauf der Interviews war festgelegt. Es gab zwei Teile in den<br />
Interviews. Zunächst wurde zum Rundgang durch das Gebiet mit dem<br />
Fotoapparat aufgefordert. Danach wurde meist ein Café oder die Mensa<br />
aufgesucht, um den zweiten Teil der Befragung mit der mentalen Karte<br />
durchzuführen. Dem schloss sich oft ein weiterführendes, lockeres<br />
Gespräch an. Am Ende des Interviews wurden persönliche Daten erfragt.<br />
Die durchschnittliche Interviewdauer lag bei 1 Stunde.<br />
Der Ablauf stand in dieser Form nach den ersten fünf Interviews fest. Die<br />
Reihenfolge der Erhebungselemente wurde an die Situation angepasst und<br />
verändert, um eine Intensivierung der Gespräche zu erreichen. Die<br />
Gewichtung sollte auf den Rundgang gelegt werden, da sich abzeichnete,<br />
dass die mentalen Karten eine weniger intensive Aussagekraft hatten.<br />
Da die Fragestellungen lediglich Richtfragen waren, gestaltete sich der<br />
Rundgang individuell (vgl. Abbildung 8). Es stand den Befragten frei, den<br />
Weg zu bestimmen. Ich regte die Interviewpartner zum lauten Formulieren<br />
ihrer Gedanken an und ließ mich von ihnen führen. Der offene und<br />
individuelle Charakter des Rundgangs zeigt sich an den Bildern auf der<br />
rechten Seite (vgl. Bild 19-22). Es gab sehr ausgedehnte Rundgänge, die<br />
beispielsweise auf die andere Seite der S-Bahn, zu einem geschlossenem<br />
Kino führte (vgl. Bild 19) oder weit in den Landschaftspark hinein (vgl. Bild<br />
20). Manchmal führte der Weg in Häuser hinein (vgl. Bild 21 und 22). Nach<br />
einem teilweise anfänglichen Unbehagen mit einer Fremden und mit der<br />
Kamera durch das Gebiet zu laufen und eventuell von einem Bekannten<br />
entdeckt zu werden, lockerte die Situation mit fortschreitender Zeit auf.<br />
Die meisten Befragten teilten bereitwillig ihre Gedanken mit. Der Rundgang<br />
war sehr abwechslungsreich und hat Spaß gemacht. Positiv ist hier auch<br />
anzumerken, dass die Rundgänge dazu beitrugen, dass die Befragten<br />
Adlershof teilweise neu entdecken konnten. Aussagen wie: „Aha, hier gibt<br />
es eine Apotheke, die hab ich noch nicht gesehen.“ oder „Ach, da steht ja<br />
was dran, das ist mir noch nicht aufgefallen“ waren nicht selten zuhören.<br />
Auf Grund des schlechten Wetters war es einmal nicht möglich, den<br />
Rundgang durchzuführen (Heinz J.). Es wurde bis auf zwei Ausnahmen bei<br />
allen Rundgängen fotografiert. Einmal verhinderte der Regen das<br />
Fotografieren (Stefanie K.). Das andere Mal äußerte der Gesprächspartner,<br />
45<br />
Bild 19: Kino<br />
Bild 20:<br />
Landschaftspark<br />
Bild 21: Im<br />
Ärztehaus<br />
Bild 22: Im<br />
Blumenladen
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
er finde nichts in Adlershof, das zu fotografieren sich lohnen würde (Georg<br />
S.).<br />
Das Einzeichnen in die mentale Karte gestaltete sich bei den meisten ohne<br />
Probleme (vgl. Abbildungen 9-11). Allerdings gab es auch hier anfänglich<br />
Unsicherheiten und Unbehagen. Gründe dafür waren zum einen, die Angst,<br />
etwas „falsch“ einzuzeichnen und zum anderen die Bekundung von wenig<br />
zeichnerischem Talent. Die Angst konnte genommen werden, in dem erklärt<br />
wurde, dass es nicht darum ging eine „perfekte Zeichnung“ abzuliefern.<br />
Abbildung 8: Fotos von den Rundgängen<br />
46
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
Abbildung 9: Mentale Karte von Sören B.<br />
Abbildung 10: Mentale Karte von Konstantin A.<br />
47
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
Abbildung 11: Mentale Karte von Bärbel L.<br />
4.3 Datenauswertung<br />
1. Aufbereitungsverfahren<br />
Während der Interviews protokollierte ich handschriftlich. Nach jedem<br />
Interview wurde dies sofort in Textform niedergeschrieben und mit<br />
Eindrücken während des Rundgangs ergänzt. Insgesamt wurden 104 Fotos<br />
entwickelt und eingeordnet. Zusammen mit den mentalen Karten sind dies<br />
die Rohdaten, auf denen die weitere Interpretationsarbeit aufbaut.<br />
2. Auswertungsverfahren<br />
Es stehen unterschiedliche Auswertungsverfahren zur Analyse qualitativer<br />
Interviews zur Verfügung (LAMNEK 1995: 107ff, MAYRING 1983: 51ff, WITZEL<br />
19982: 53ff). Grundlegendes Ziel ist das Erfassen der hinter den<br />
Handlungen liegenden subjektiven Sinnstrukturen. Angelehnt an die<br />
Forschungsfragen standen 2 größere Aspekte im Fordergrund, nach denen<br />
die Auswertung stattfinden und erörtert werden sollte:<br />
48<br />
1. die Bewegungen und das Verhalten im Raum<br />
2. die Wahrnehmung und Orientierung von/ in Adlershof
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
Das Verfahren der schrittweisen Kategorisierung der Daten schien am<br />
besten geeignet und wurde angewandt. Nach mehrmaligem Lesen der<br />
Protokolle entwarf ich eine Tabelle (vgl. Anhang 2), in der die<br />
verschiedenen Daten (Fotos, Karte, Text) jedes einzelnen Interviews nach<br />
den Leitfragen grob zusammengefasst wurden. Dies ermöglichte eine erste<br />
Übersicht. Die Tabelle richtete sich an den Fragestellungen im Leitfaden<br />
aus:<br />
� Daten zur befragten Person<br />
� Informationen zur Nutzung von Orten/ Einrichtungen, Straßen/<br />
Wegen<br />
� Informationen zur Wahrnehmung von Bezugspunkten, Plätzen/<br />
Orten/ Gebäuden/ Objekten, Straßen/Wegen, Gelände<br />
� Beschreibung des eigenen Verhaltens bzw. Bewegens durch das<br />
Gebiet<br />
� Ansichten über das Gebiet<br />
� Interaktionen im Gebiet<br />
� Sonstiges<br />
Dem folgte ein weiteres Extrahieren der Daten. Es wurden Begriffe zu<br />
Oberbegriffen zusammengefasst und Beziehungen zwischen den Begriffen<br />
und Oberbegriffen bzw. Kategorien und Oberkategorien herausgearbeitet.<br />
Diese wurden nochmals zusammengefasst, aussagekräftige Aspekte<br />
wurden hervorgehoben und ein Themenüberblick gegeben. Es wurden<br />
Schwerpunkte gesetzt und Akkumulationspunkte analysiert. Somit konnten<br />
gezielt Aussagen getroffen werden zur:<br />
49<br />
� Bewegung/Verhalten im Raum<br />
� Wahrnehmung von der baulichen und städtischen Struktur<br />
� Wahrnehmung einzelner Bezugspunkte im Raum
Unsichtbares Adlershof – Ablauf der Untersuchung<br />
Auf diesen Themen beruht die anschließende Auswertung:<br />
1. Es werden einzelne, aus den Gesprächen abgeleitete Thesen zur<br />
Bewegung und Verhalten im Raum vorgestellt. Diese Thesen stützen sich<br />
auf die gewonnen Oberkategorien und damit auf mehrere Aussagen der<br />
Gesprächspartner.<br />
2. Es werden die Hauptaussagen zu der Wahrnehmung der baulichen und<br />
städtischen Struktur vorgestellt.<br />
3. Es werden mittels der schon vorgestellten Grundkarte des Gebietes<br />
Aussagen zu Verteilung und Häufigkeit der wahrgenommenen<br />
Bezugspunkte und bekannten Orte im Raum getroffen. Auf Grundlage der<br />
protokollierten Daten konnten drei Karten angefertigt werden:<br />
1. Karte: Bezugspunkte - Grundlage Mentale Karte<br />
2. Karte: Bekannten Orte - Grundlage Mentale Karte<br />
3. Karte: Fotografierte Orte - Grundlage Fotografien<br />
Aus diesen werden die Akkumulationspunkte erkenntlich, die anschließend<br />
einzeln dargestellt werden. Hier fließen die Aussagen der Gesprächspartner<br />
ein. Die Fotografien der Gesprächspartner sind dabei jeweils an der rechten<br />
Seite in verkleinerter Form zu sehen. Sie werden nicht beschriftet und jeder<br />
einzelnen Person zugeordnet, da sie auch nicht eingehender interpretiert<br />
werden.<br />
Die mentalen Karten sowie die Fotos erzielten ähnliche Resultate. Dabei<br />
sind die Fotos vielschichtiger und geben differenziertere Angaben über die<br />
Raumwahrnehmung. Das mag an dem schwerer herstellbaren räumlichen<br />
Bezug gelegen haben, der bei dem Rundgang gegenwärtig war. Im Großen<br />
und Ganzen ergänzen sich beide Methoden hervorragend.<br />
50
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
5 Das Sichtbare: Auswertung<br />
51<br />
Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will –<br />
Die Dinge verschwinden.<br />
Paul Cézane
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
5.1 Bewegung und Verhalten im Raum<br />
Die Mehrzahl der Befragten (10) kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
nach Adlershof. Das Auto nutzen drei, das Fahrrad zwei der<br />
Gesprächspartner zur Anfahrt. Die Kombination aus öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln und Fahrrad gebrauchen drei der Befragten zur Anreise.<br />
Wege werden im Gebiet selbst von den meisten (15) zu Fuß zurückgelegt,<br />
drei nutzen das Fahrrad.<br />
Die Karte (vgl. Abbildung 12) bildet die Wege und Straßen ab, auf denen<br />
sich die Befragten gewöhnlich fortbewegen, um zu verschiedenen<br />
Einrichtungen im Gebiet zu gelangen. Die Häufigkeit, mit der bestimmte<br />
Objekte und Orte eingezeichnet wurden, ist ebenfalls mit in die Karte<br />
aufgenommen worden. Die aufgesuchten Orte lassen sich in die<br />
Kategorien Arbeit, Essen, Dienstleistungen und Freizeit einordnen.<br />
Mittels der Karte wird ersichtlich, dass die Rudower Chaussee von allen<br />
Befragten für die Fortbewegung im Gebiet genutzt wird. Am stärksten ist<br />
dabei das Stück Straße zwischen der S-Bahn Station und den Gebäuden<br />
Johann von Neumannhaus (JvN) bzw. Erwin-Schrödinger-Zentrum (ESZ)<br />
frequentiert. Auf diesem Straßenabschnitt befindet sich die Mehrzahl der<br />
aufgesuchten Einrichtungen. Daneben werden nur wenige andere Straßen<br />
genutzt, wie z. B: die Parallelstraße der Rudower Chaussee und die Albert-<br />
Einstein-Straße. Bei den meisten aufgesuchten Gebäuden handelt es sich<br />
um die Arbeitsstätten der Befragten. Daneben werden zum Mittagsessen<br />
verschiedene Orte aufgesucht. Die genutzten Dienstleistungen sind<br />
begrenzt. Genauso gaben nur sehr wenige an, Adlershof für<br />
Freizeitaktivitäten zu nutzen.<br />
52
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Abbildung 12: Nutzung von Straßen und Einrichtungen<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
53
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Diese Darstellung, die mittels der mentalen Karten generiert werden<br />
konnte, wird durch die Aussagen der Befragten zu ihrem eigenen Verhalten<br />
und Bewegen im Raum, verstärkt. Folgende Thesen kristallisierten sich<br />
heraus:<br />
54<br />
� Der täglich zurückgelegte Arbeitsweg wird als langweilig<br />
und schlecht gestaltet empfunden.<br />
„Die Wege sind nicht gut gestaltet“, sagte Konstantin A, „auf<br />
dem Weg von der S-Bahn bis zur Höhe von Kaufland kommt<br />
nichts Spannendes. Es gibt eine große Straße, die geht man<br />
runter zu den Gebäuden, mehr passiert nicht.“ Elisa W. erklärte,<br />
ihr Arbeitsweg sei ein „stinklangweiliger Weg“, er ist „furchtbar,<br />
weil nichts passiert, ich habe das Gefühl, er würde sich ewig<br />
hinziehen, es gibt nichts auf dem Weg zu tun.“ Ihr „fehlt etwas,<br />
womit man angelockt wird, um zu schauen.“<br />
� Es wird der kürzeste und schnellste Weg durch das Gebiet<br />
angestrebt.<br />
In den Gesprächen mit Ingo L., Alex M. und Elisa W. wurde<br />
deutlich, dass sie versuchen, immer möglichst schnell zur Arbeit<br />
hin- und wieder weg zukommen. Georg S. erzählte von seinen<br />
Überlegungen, mit wenigen Schritten zur Arbeit zu gelangen.<br />
Um den Weg so kurz als möglich zu gestalten, berichtete Anne<br />
L.: „Ich muss gestehen, ich bin früher auch mit dem Fahrrad<br />
gefahren, damit ich weniger Zeit auf der Strecke verbringe und<br />
damit der Weg schneller vorbei geht.“ Anne L. erklärte weier, sie<br />
sei durch die „offensichtliche, klare Anordnung der Strassen<br />
ohne Verschachtelung“ nicht auf die Idee gekommen, von der<br />
Straße abzugehen. Ingo L., Heike V., Hartmut W. und Heinz J.<br />
gaben an, dass sie aus Zeitgründen keine anderen Wege<br />
entlang gingen.<br />
� Die Bewegung im Raum geht nicht über gezielte Punkte<br />
hinaus.<br />
Heike V. beschrieb ihr Laufverhalten in Adlershof als<br />
„zielorientiert“, Konstantin A. sagte, er laufe „von A nach B“,<br />
wobei er sich nicht im Raum umschaue. Genauso erklärten
55<br />
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Malze F. und Sören B. es gäbe „nur einzelne Punkte“ in<br />
Adlershof, die sie aufsuchen. Stefanie K. erzählte, dass sie sich<br />
kaum auf dem Gelände bewege und meist nur von einem<br />
Institut zum anderen gehe. Der zurückgelegte Weg von Ingo L.<br />
und Malze F. reiche lediglich bis zu ihren Instituten in der<br />
Rudower Chaussee. Darüber hinaus seien sie noch nicht die<br />
Straße weiter entlang gegangen.<br />
� Der öffentliche Raum wird „nur“ zur Durchquerung genutzt<br />
und wird als wenig belebt wahrgenommen.<br />
Anne L. und Ingo L. erzählten, dass sie sich nur zweckmäßig im<br />
Gebiet bewegen würden und dabei der öffentliche Raum für sie<br />
nur zum Durchschreiten da wäre. Ilko B. beobachtete, dass es<br />
keinen Aufenthalt im öffentlichen Raum gäbe. Mark S.<br />
beobachtete, dass der öffentliche Raum nur genutzt werden<br />
würde, um von Bahnhof weg- und wieder hinzugehen.<br />
Diesbezüglich erzählten Alex M., Malze F. und Sören B. von<br />
den täglichen Strömen von Menschen, die sich von der S-Bahn<br />
schnell in das Gebiet hinein bewegen würde, ohne um sich<br />
zuschauen. Auch Hartmut W. nahm den öffentlichen Raum als<br />
„Durchgangsraum, wo nichts stattfindet, außer an den<br />
Imbissbuden“ wahr. Hans B. erklärte, es fehle ihm das<br />
Laufpublikum auf der Straße und auch Bärbel L. fand es sei<br />
„nichts belebt“ auf der Straße. Hartmut W. schrieb den<br />
Studenten dabei die wichtige Rolle zu, den Raum zu beleben.<br />
Sie verschwänden jedoch nach ihren Veranstaltungen sofort.<br />
Knut S. und Heinz J. haben beobachtet, dass an den Abenden<br />
und an den Wochenenden „nichts in Adlershof los“ sei. Hartmut<br />
W. und Heinz J. erklärten, ab und an sähe man ein paar<br />
Fußballspieler oder Rollerskater. Hartmut W. erzählte von<br />
seiner Beobachtung zur Langen Nacht der Wissenschaften. Da<br />
sei ihm aufgefallen, „wie sich ein Ort verändern kann, wenn<br />
Menschen hier sind.“
56<br />
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
� Es besteht nur wenig Interesse sich in Adlershof<br />
umzuschauen oder spazieren zu gehen.<br />
Konstantin A. sagte, dass er „schon mal zur Chemie gelaufen<br />
ist“, aber dann habe er gesehen, „dass da nichts mehr kommt.“<br />
Dies hielt ihn von weiteren Erkundungen ab. Heike V. erklärte,<br />
dass ihr durch die Annahme, hier gäbe es nichts anderes als<br />
„Unisachen“, der Antrieb fehle, auch einmal andere Wege<br />
entlang zu gehen und das Gebiet auszukundschaften. Knut S.<br />
erzählte, es gäbe keinen Reiz, hier spazieren zu gehen: „Man<br />
geht nicht los, weil man nicht weiß, was einen erwartet und wo<br />
etwas genau ist und ich habe das Gefühl, hier sei kein Weg für<br />
mich als Nutzer gestaltet.“ Weiterhin fand er, die Plätze und<br />
Einrichtungen seien schlecht beschildert. Das mache es<br />
schwierig, Informationen über das Gebiet zu erlangen. Die<br />
Weitläufigkeit des Gebietes halte ihn zudem davon ab, „einfach<br />
mal so“ loszugehen. Auch Malze F., Hans B. und Ilko B. zeigten<br />
wenig Motivation für etwaige Spaziergänge: „Das Gebiet ist<br />
nicht so spannend und interessant, als das man es erkunden<br />
müsste.“ (Malze F.)<br />
� Wegen mangelnder Möglichkeiten finden neben der Arbeit<br />
wenig andere Aktivitäten im Gebiet statt.<br />
Hartmut W. sagte, er komme lediglich zum Arbeiten nach<br />
Adlershof und fahre anschließend wieder nach Hause.<br />
Konstantin A.s und Heike V.s einziges Ziel sei, Veranstaltungen<br />
in der Universität zu besuchen. Heike V. erklärte, ihr tägliches<br />
Leben finde woanders statt, da sei Adlershof nicht integriert.<br />
Eine Ausnahme war die Beschreibung von Stefanie K.. Sie<br />
fahre extra zum Sport nach Adlershof oder komme „auch gern<br />
mal eine Stunde früher“, um im Landschaftspark zu skaten.<br />
Diesen Aufwand machte sonst kein anderer Gesprächspartner.<br />
Vielmehr wurde die Aussage vertreten „man bleibt nur solange<br />
wie nötig hier.“ Ilko B. sagte, er gestalte sich seinen<br />
Semesterplan so, dass er nicht zu oft nach Adlershof müsse.<br />
Malze F. erklärte, wenn er nichts mehr in Adlershof zu tun habe,<br />
wolle er so schnell wie möglich weg. Er ist der Meinung, dass es<br />
„in Mitte“ in den Pausen mehr zu tun gäbe. Hier könne er „nur
57<br />
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
pendeln zwischen Bibliothek und Café.“ Auch Konstantin A.<br />
bemängelt: „Was mich am meisten stört ist, dass es in den<br />
Freistunden nichts gibt, wo ich hingehen kann. Ich würde<br />
Adlershof mehr nutzen, wenn etwas los wäre. Es gibt aber<br />
nichts, und deshalb gehe ich nach Hause.“ Dieser Meinung war<br />
auch Alex M: „Es gibt keine Partyzone und keine<br />
Räumlichkeiten zum Treffen wie ein Studentencafé.“ Heike V.<br />
fehlten Treffpunkte für die Zusammenarbeit von Studenten.<br />
Elisa W. und Hans B. sagten, es würden<br />
„Kommunikationsecken“ oder „für die Kommunikation<br />
geschaffene öffentliche Räume“ fehlen. Mark S. kommentierte<br />
diesbezüglich ironisch: „Es gibt nicht viel zum Verweilen in den<br />
Pausen, nur wenige Cafés und sonst nur Wiese und die ist<br />
unangenehm zum Sitzen, wenn es regnet.“ Hartmut W<br />
vermisste besonders etwas für die Abendstunden: „Man kann<br />
abends nur in zwei Hotels gehen, wenn man etwas essen oder<br />
trinken will nach einem Colloquium, ich vermisse ein kleines<br />
Café oder eine Bierstube.“ Auch Bärbel S. fehlte etwas, wo sie<br />
in den Abendstunden einkehren könnte: „Hier gibt es nur ein<br />
überkandideltes Restaurant im Hotel, das ist zu teuer. Es fehlt<br />
abends was, wo man hingehen kann, um ein Bier zu trinken.“
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
5.2 Wahrnehmung der baulichen und städtischen<br />
Struktur<br />
Die Gesprächspartner gingen neben der allgemeinen Betrachtung des<br />
Raumes Adlershof auch auf die dortige bauliche und städtische Struktur<br />
ein. Es wurden Aussagen zur Wahrnehmung der Größe, der Isolierung zu<br />
umgrenzenden Gebieten, seines Flairs und seiner Architektur getroffen.<br />
Folgende Thesen konnten aus den Gesprächen generiert werden:<br />
58<br />
� Das Gelände ist zu weitläufig und zergliedert. Die<br />
Entfernungen zwischen einzelnen Einrichtungen sind zu<br />
groß. Damit einher geht das Gefühl, das Gebiet sei unfertig.<br />
Hans B. und Knut S. erklärten, Adlershof verlaufe sich im<br />
Großen und sei zu weitläufig. Für Alex M. sind die einzelnen<br />
Institute zu weit voneinander entfernt. Hartmut W. sagte, es<br />
gäbe viel Fläche, aber wenig Gebäude. Für Malze F. ist das<br />
Gelände „zu zergliedert und nicht geschlossen.“ Es wirke<br />
strukturlos, man habe hier kein Campusgefühl. Wegen dieser<br />
Weitläufigkeit , so Ilko B., wirke das Gebiet unfertig. Stefanie K.<br />
erklärte, die Gebäude stehen losgelöst im Raum, es gebe keine<br />
„kompakte Masse“. Das Gebiet sehe aus, als müsse hier noch<br />
mehr sein. „Das sieht so unfertig aus, als ob die Häuser noch<br />
warten, dass jemand andockt.“<br />
� Die Architektur der Gebäude im Gebiet wird abgelehnt und<br />
als unschön empfunden. Sie sei nicht für den Nutzer,<br />
sondern nur zu Profilierungszwecken gemacht worden.<br />
Laut Georg S. sei nur „Industriearchitektur“ in Adlershof, die<br />
„abgekupfert“ aussähe. Alex M. fand die Architektur „altbacken<br />
und hässlich“. Knut S. beschrieb die Gebäude in Adlershof als<br />
„monolithische Bauten die sich entlang einer technokratischen<br />
Prachtstraße aufreihen.“ Hans B. sagte, die Architektur der<br />
Gebäude sei nicht für die Menschen gemacht,
59<br />
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
die sie nutzten. Es handele sich oft nur um die Repräsentation<br />
einzelner Einrichtungen. So erklärte auch Malze F.: „Die<br />
Architektur von Adlershof mag vielleicht spannend sein, ich<br />
finde sie aber nicht schön. Sie ist zu funktional, auch wenn<br />
Architekten darüber anders denken.“<br />
� Das Gebiet wird als isoliert erlebt. Die wahrgenommenen<br />
Grenzen sind der S-Bahnstrang, der den belebten westlich<br />
angrenzenden Stadtteil von dem Wissenschaftsstandtort<br />
abgrenzt, die Wegedornbrücke, der Teltowkanal und der<br />
Landschaftspark. Die meisten Befragten bewegen sich nur<br />
im Wissenschaftspark. Die Distanzen zwischen den<br />
einzelnen Bereichen halten davon ab, in angrenzende<br />
Gebiete zu gehen.<br />
„Das Gebiet ist abgegrenzt zum anderen Teil von Adlershof. Da<br />
ist mehr Leben, aber die wenigsten werden da mal runter<br />
gelaufen sein.“ (Andreas G.) Elisa W. sagte, die Dörpfeldstraße<br />
[Verlängerung der Rudower Chaussee Richtung Westen] sei „zu<br />
weit weg, als das man hingehen könnte.“ Konstantin A. erklärte:<br />
„Hinter der S-Bahnbrücke fängt das alte Adlershof an. Hier hört<br />
der Gewerbepark auf. Es ist auf der anderen Seite belebter,<br />
eine richtige Stadt, die engen Straßen geben das Gefühl von<br />
einer alten Stadt.“ Mark S. erzählte: „Es gibt zwei Teile von<br />
Adlershof, jeweils zur anderen S-Bahnseite, da gibt es kaum<br />
Durchmischung, die Leute haben nichts miteinander zu tun.“<br />
Sören B. erklärte, Adlershof sei nach außen abgeschlossen,<br />
abgeschottet, und begrenzt durch die S-Bahn, den<br />
Landschaftspark und den Teltowkanal. „Es gibt nicht viele<br />
Zugänge zum Gebiet“, so Andreas G., „nur den Park und da<br />
muss man ein Stück laufen.“<br />
� Dem Gebiet wird städtisches Flair abgesprochen. Es wird<br />
als Wissenschaftspark und nicht als Stadt wahrgenommen.<br />
Knut S. fand: „Adlershof wird niemals städtisches Flair haben,<br />
sondern kann es höchstens schaffen, ein anständiger Park zu<br />
werden.“ Es fehle dafür eine städtische Rasterung, die Häuser<br />
seien direkt an der Straße ausgerichtet und es gäbe keine Ziele
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
und Plätze auf die man zugeht. Auch Stefanie K. war der<br />
Ansicht, „man hätte es auch alles zurücksetzen können, dann<br />
würde es angenehmer sein.“ Sie schloss daraus: „Es scheint<br />
eine Methode zu sein, dass alles so ein bisschen hingeklebt<br />
aussieht.“ Hans B. erklärte, „der städtische Raum funktioniert<br />
nicht, es fehlen Bänke, … die Stadt als solche fehlt, … es fehlen<br />
Funktionen wie Wohnen und Freizeit.“ Für Heike V. war<br />
Adlershof „randstädtisch“. Sören B. sagte, Adlershof sei eine<br />
typische Wissenschaftsstadt: es sei weitläufig, grün und es<br />
gäbe immer genügend Parkplätze. „Adlershof erinnert mich an<br />
Seattle und den Microsoftpark, eigentlich generell an<br />
amerikanische Parks.“ Konstantin A. verband mit Adlershof<br />
einen „Gewerbepark.“<br />
5.3 Wahrnehmung einzelner Akkumulationspunkte<br />
In den folgenden Karten (vgl. Abbildungen 13-15) wird gezeigt, was die<br />
Befragten als Bezugspunkte auf ihrem täglichen Weg wahrnahmen und<br />
dementsprechend in die Karte einzeichneten, bzw. was ihnen während des<br />
Rundgangs auffiel und von ihnen fotografiert wurde. Orte, die von vielen<br />
Befragten wahrgenommen und besonders häufig (mindestens von 4<br />
Befragten) fotografiert oder eingezeichnet wurden, sind in Tabelle 3<br />
aufgeführt.<br />
60
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Tabelle 3: Eingezeichnete bzw. fotografierte Orte<br />
Rudower<br />
Chaussee<br />
S-Bahnstation<br />
Adlershof<br />
Hinterausgang<br />
des Bahnhofs<br />
Bezugspunkte<br />
(vgl. Abb. 14 )<br />
Fotografierte<br />
Orte<br />
(vgl. Abb. 15)<br />
Rundgang<br />
(vgl. Anhang<br />
Nr.2)<br />
x<br />
x<br />
x x<br />
Imbiss/ Bus x x<br />
Thermostatischen<br />
Kugellabore<br />
Kaufland x<br />
x x x<br />
Glastürme x x x<br />
Forumsplatz x x<br />
Physik x<br />
ESZ x x x<br />
Aerodynamischer<br />
Park<br />
x x<br />
Akademieplatz x x<br />
JvN x x<br />
IBIS Hotel x<br />
Gedankenskulptur x<br />
Laser x<br />
Die Dichte und die Verteilung der wahrgenommenen Punkte variieren. Es<br />
gibt verschiedene Akkumulationspunkte der Wahrnehmung: so genannte<br />
Funktionsorte wie der Arbeitsort oder aufgesuchte Orte zum Mittagessen.<br />
Diese nehmen somit eine wichtige Stellung im Adlershofer Alltag der<br />
Befragten ein. Weiterhin ist festzustellen, dass sich die Wahrnehmung<br />
entlang oft zurückgelegter Wege und in der Nähe der Arbeitsstätten<br />
intensiviert. Zudem befinden sich die häufigsten Bezugspunkte und<br />
fotografierten Orte an der Rudower Chaussee. Dies korreliert mit der<br />
Darstellung der genutzten Straßen im Gebiet, auch hier ist die Rudower<br />
Chaussee die bestimmende Straße im Gebiet (vgl. Abbildung 12).<br />
61
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Darüber hinaus sind fern der gewohnten Wege nur wenige Orte bekannt<br />
(vgl. Abbildung 15). Es gibt drei verschiedene Akkumulationspunkte von<br />
Orten, ‚die man sonst noch so kennt’:<br />
- die Institute in den Glasgebäuden Geographie,<br />
Psychologie und IB-Hotel<br />
- das JvN mit den dort ansässigen Instituten und<br />
Einrichtungen<br />
- die Institute der Physik und Chemie<br />
Daneben sind vereinzelte Einrichtungen bekannt, wie das Deutsche<br />
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Berliner<br />
Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung m.b.H.<br />
(Bessy), die Domäne und der Medienbereich. Ihre Ortung gestaltete sich<br />
schwierig, da sie völlig abseits der meist genutzten Wege liegen.<br />
Äußerungen wie: „Die Medien sind da irgendwo“, „Hier gibt’s noch<br />
haufenweise Filmstudios“ oder „Bessy ist irgendwo hier“ während des<br />
Einzeichnens mit diffusen Kennzeichnungen in den Karten kamen vermehrt<br />
vor.<br />
Es existiert eine größere Unsicherheit von dem Teil des Geländes, dass<br />
weniger oder gar nicht genutzt wird. Heinz J. erklärte während des<br />
Einzeichnens: „Auf der anderen Seite [der Rudower Chaussee] kenne ich<br />
mich nicht so aus, da würden Sie mich aufs Glatteis führen.“ Sören B.<br />
sagte, dass er sich auf der anderen Seite der Rudower Chaussee noch<br />
nicht so umgeschaut habe und den Teil nicht gut kenne: „Ich habe da nicht<br />
viel zu tun und laufe nur schnell zur Informatik.“<br />
62
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Abbildung 13: Bezugspunkte<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
63
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Abbildung 14: Fotografierte Orte<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
64
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Abbildung 15: Bekannte Einrichtungen<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
65
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
5.4 Darstellung der Akkumulationspunkte<br />
Rudower Chaussee<br />
Die Straße wurde als problematisch wahrgenommen. Sie wurde<br />
als städtebauliche Barriere empfunden. Übergänge und<br />
Durchbrüche fehlten. Sie ist zu groß und durch sie wird das Gebiet<br />
zu sehr verkehrsbelastet.<br />
Knut S. bezeichnete die Rudower Chaussee als „technokratische<br />
Prachtstraße“. Alex M. empfand die Straße als „zu groß“ und „störend“,<br />
es gäbe „keine abgeschotteten Bereiche“. Aus diesem Grunde lade die<br />
Straße dazu ein, „herzukommen und wieder weg zu gehen.“ Elisa W.<br />
erklärte: „Die Rudower Chaussee ist laut, ich gehe deshalb auch gerne<br />
mal die Parallelstraße lang.“ Für Malze F. bedeutete die Straße<br />
„Autolärm und Hupen.“ „Man hat sich zu viele Gedanken gemacht, wie<br />
man Adlershof verkehrstechnisch erschließen kann,“ kritisiert Knut S..<br />
Bärbel L. fand die Straße „schrecklich“, sie schlug vor, Autofahrer zum<br />
langsamen Fahren anzuhalten und die Straße freundlicher für<br />
Fahrradfahrer und Fußgänger zu gestalten. Ilko B., Andreas G. und<br />
Hartmut W. sagten, dass sie die Rudower Chaussee als<br />
„städtebauliche Barriere“ empfinden. Knut S. erklärte, die Straße trenne<br />
das Gebiet in zwei Teile, zudem gäbe es keine vernünftigen Übergänge<br />
und das Laufen über den Mittelstreifen wäre eine Zumutung. Hartmut<br />
W. wies mich auf die fehlenden Übergänge zur Überquerung der<br />
Straße hin, wo sich bereits ein Trampelpfad herausgebildet hat. „Da ist<br />
es nicht so toll, immer rüber zu pirschen.“<br />
66
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
S-Bahnstation Adlershof<br />
Die S-Bahnstation ist Ankunft- und Abfahrtort. Sie symbolisiert<br />
das Gebiet Adlershof. Das Äußere der Station wird negativ<br />
empfunden.<br />
Heike V. sagte: „Die S-Bahn würde ich jemanden zeigen und sagen,<br />
hier studiere ich. Unter der S-Bahn durch und noch ein Stück weiter<br />
geradeaus.“ Der S-Bahnhof Adlershof war für Anne L. Symbol für<br />
Adlershof selbst. Für Bärbel L. gehörte die S-Bahnstation zu Adlershof,<br />
es sei ein „eigenartig versiffter Ort“.<br />
Hinterausgang des Bahnhofs<br />
Der Platz wurde meist positiv wahrgenommen. Die Probanden<br />
befürworteten das Stück Grün auf dem Weg zur Arbeit. Der Platz<br />
dient zur täglichen Durchquerung, um zur S-Bahn zu gelangen<br />
und wird stark frequentiert.<br />
Malze F. erzählte, dass ihm das „Wäldchen“ hinter der S-Bahn gefalle,<br />
er meinte „da bewegt sich etwas“. Hartmut W. fand die „Baumgruppen“<br />
gut, „leider sind sie nicht betont“. Nach ihm müsste man das Gebiet<br />
mehr als Parkstadt unterstreichen und bereits an der S-Bahn damit<br />
beginnen. Konstantin A. fand den „Park“ schön, er dachte aber, dass er<br />
nicht genutzt werde, da er zu nah an der Straße läge: „Es wäre<br />
komisch hier mit einer Decke zu liegen, wenn der Lärm der Straße so<br />
laut ist.“ Georg S. fand die „Bäume an der S-Bahn angenehm“. Es gäbe<br />
immer einen Menschenstrom, der durch den Park rausche, so Malze F.<br />
Wenn er morgens zur Universität komme, drehe er sich oft am Ende<br />
des „Wäldchens“ um und schaue, ob er jemanden kenne, mit dem er<br />
dann gemeinsam weiter gehen könne.<br />
67
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Imbissbuden und Bushaltestelle<br />
Den Imbissbuden standen die Befragten gespalten gegenüber,<br />
einerseits sind sie attraktiv wegen ihres Angebots, andererseits<br />
wurden sie wegen ihres Aussehens kritisiert. Durch die vor den<br />
Imbissbuden befindliche Bushaltestelle wurde der Ort als stark<br />
genutzt wahrgenommen.<br />
Alex M. „fallen immer die vielen Menschen auf, die davor stehen.“<br />
Hartmut W. fand es „kurios“, wie sich die Buden herausbilden. Er<br />
meinte, sie stünden im Kontrast zu den neu gebauten Hotels in<br />
Adlershof und gäben ihm das Gefühl „det hier ist irgendwo an der<br />
Peripherie.“ Er vermutete, dass auch andere so denken und „deshalb<br />
keiner nach Adlershof kommt.“ Die „Buden beißen sich mit dem<br />
Hochglanz- Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort.“ Georg S. fand die<br />
Imbissbuden „nicht so erfreulich“, sie wirken „nicht sehr einladend,<br />
obwohl sie bunt sind.“ Laut Konstantin A. könnten die Imbissbuden<br />
näher an seinem Institut sein, damit er dort öfters essen könnte.<br />
Thermostatische Kugellabore<br />
Die Meinungen zu den Kugellaboren gingen<br />
auseinander: sie wurden in ihrer Form positiv<br />
sowie negativ bewertet. Sie wurden wegen<br />
ihrer runden Form meist nur als „Kugeln“<br />
wahrgenommen. Dabei war die Funktion vielen<br />
nicht klar.<br />
Für Sören B. symbolisierten die Kugellabore das<br />
„alte“ Adlershof. Sie zeigen „was früher hier war“,<br />
„was heute hier ist“ wusste er dagegen nicht so<br />
genau. Konstantin A. sagte, es seien „komische<br />
Teile, die für die Chemie oder so gebaut worden<br />
sind.“ „Die Kugeln“ seien „komische Gebäude, die<br />
für einen bestimmten Zweck gebaut, aber dafür nie<br />
benutzt wurden“, meinte Georg S..<br />
68
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Bärbel L. sagte: „Natürlich gehören die Kugeln<br />
auch zu Adlershof, obwohl ich lange nicht wusste,<br />
was das ist.“ Für Hartmut W. waren es<br />
„funktionslose Kugeln“ die Adlershof symbolisieren<br />
sollen.<br />
Kaufland<br />
Die Wahrnehmung des Kauflands war recht einheitlich. Es fiel in seiner<br />
Größe und Form auf. Der Schriftzug auf dem Gebäude war ebenso<br />
einprägsam. Generell wurde es negativ wahrgenommen.<br />
Ilko B. erklärte, er nehme, wenn er von der S-Bahn komme, den<br />
Schriftzug „Kaufland“ als erstes Element im Gebiet wahr. Heike V.<br />
Glastürme<br />
erklärte, „das Kaufland fällt in der städtischen<br />
Landschaft auf.“ Mark S. bemerkte: „Der große Klotz<br />
wo Kaufland drin ist, fällt mir im Vorbeigehen auf.“<br />
Konstantin A. fragte sich, wie sich ein „Betonklotz von<br />
Kaufland hier halten kann.“ Der Anblick verstärkte bei<br />
ihm „das Gefühl auf der Grünen Wiese zu sein, wie in<br />
Marzahn.“<br />
Die Gebäude fielen in ihrer Form und Funktion auf. Dabei wurden<br />
die Glasvorbauten am stärksten wahrgenommen. Ihre Architektur<br />
wurde von den Befragten positiv wahrgenommen. Negativ wurde<br />
die Verschlossenheit der Gebäude zum öffentlichen Raum<br />
gesehen. Es wurde festgestellt, dass eine vernünftige<br />
Beschilderung an den Gebäuden fehlt.<br />
Elisa W. fiel die Architektur des „3er Gespanns“ mit der Verbindung zu<br />
den alten Kasernengebäuden auf. Sie verkörperten für Elisa W.<br />
Adlershof. Die Gebäude würde sie, wie auch Stefanie K., gerne<br />
anderen zeigen. Stefanie K. fand, sie sähen „besonders“ gegenüber<br />
dem „Rest“ aus. „Der Rest ist Durchschnitt, normal, die Glaskästen<br />
69
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
wirken großstädtisch, neckisch.“ Alex M., Elisa W. und Knut S. fanden<br />
die Gebäude architektonisch gut, da die ehemaligen Kasernen und der<br />
Neubau zusammen in dem Bau integriert seien. Ilko B. sagte, dass ihm<br />
die drei Gebäude auffielen. Allerdings sagte er: „Die Häuser<br />
kommunizieren nicht nach außen, wie an dem unerkennbaren<br />
Schriftzug bei dem Geographieinstitut an der oberen Hauskante<br />
deutlich wird, man sieht von außen nicht was drin ist.<br />
Sie sind benutzerunfreundlich.“ Andreas G. fand den Schriftzug wichtig,<br />
doch sagten ihm die verschiedenen Namen, die an den Gebäuden<br />
stehen, nichts. Es fehle die Bezeichnung der Institute. Das mache es<br />
schwierig sie auseinander zu halten. Ingo L. fielen die „drei<br />
Glasgebäude“ auf dem Weg auf, er fände sie aber nicht attraktiv.<br />
Diejenigen, die ihre Arbeitstätte in einem der Gebäude haben, nahmen<br />
die Gebäude in erster Linie hinsichtlich ihrer Funktion wahr (Knut S.,<br />
Heike V., Hartmut W.).<br />
Forumsplatz mit Laborhäusern<br />
Für viele der Befragten war der Platz ein sehr wichtiger Ort in<br />
Adlershof. Kritisch wurde angemerkt, dass er sehr zentral läge,<br />
aber nicht genutzt werde. Es wurden viele Fragen über die<br />
zukünftige Entwicklung gestellt und Ideen und Wünsche für die<br />
Nutzung der Laborhäuser und die Platzgestaltung geäußert.<br />
Knut S. erklärte, „der Platz mit dem Bolzplatz und der Brache“<br />
repräsentiere für ihn Adlershof. Heike V. sagte, der Ort sei ihr wichtig.<br />
Sie überlege immer, wenn sie daran vorbei gehe, was man darauf<br />
veranstalten könne. Ihrer Meinung nach könnten auf dem Platz<br />
einzelne Institute verbunden werden. Sie fragte sich, warum keine<br />
70
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Studenten auf dem Platz säßen. „Dort könnte ein Austausch<br />
stattfinden, man könnte auf der Wiese sitzen, trommeln und ein Feuer<br />
machen oder ein Beach-Volleyball-Feld anlegen.“<br />
Auch Mark S. fiel die „leere Fläche“ auf. Er meinte, „hier könnte mal<br />
etwas passieren, hier ist noch nicht mal Wiese, sondern es liegt ganz<br />
brach.“ Hartmut W. fand den Platz trostlos. Konstantin A. erklärte, der<br />
Platz sei im Grunde nichts, die Häuschen seien „Müll“, sie würden nicht<br />
genutzt. „Der Rest ist schon ziemlich verbaut“, deshalb wünsche er sich<br />
hier einen Park. Der<br />
Platz sei die Fläche im<br />
Gebiet, die ihn am<br />
meisten störe. Er sähe<br />
nicht einladend aus, sondern abweisend, „eine große ungenutzte<br />
Fläche“. Zu Streikzeiten, so meinte er, wurde der Platz wenigstens<br />
noch genutzt. Auch Alex M. sagte, er würde immer an die<br />
„Streikmensa“ denken, wenn er an dem Platz vorbei laufe. Er fand die<br />
Aktion „toll“. Andreas G. war der Ansicht, der Platz werde noch zu<br />
wenig genutzt. Sören B. fragte sich, was mit den Laborhäuschen<br />
passieren werde. Auch Bärbel L. fielen die Laborgebäude auf. Sie<br />
würde sich freuen, „wenn da mal was nettes passiert, wie ein Cafe.“<br />
Georg S. erklärte, er warte darauf zu sehen, „was hier passiert. Sie<br />
hatten die Laborhäuschen aufwendig saniert und nun stehen sie rum.“<br />
Physikgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Das Gebäude wurde vor allem wegen seiner Architektur<br />
wahrgenommen. Befürwortung sowie Ablehnung der Architektur<br />
wurden geäußert.<br />
Andreas G. fand das Physikgebäude „architektonisch nicht toll“, es sei<br />
für ihn „kein Hingucker“. Sören B. erklärte, dass er zu dem Gebäude<br />
71
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
ambivalente Gefühle hege; es gäbe einen Kontrast zwischen innen und<br />
außen: von außen wirke es „offen“ und „cool“ und von innen „wie ein<br />
Knast“: „Er hat Höfe, die man nicht betreten darf und die<br />
„durchdesignd“ sind.“ Bärbel L. fand das Physikgebäude<br />
„architektonisch witzig“, denn es sähe aus, „als würde es<br />
zusammenbrechen.“ Sie nehme es im Umfeld „sehr stark wahr.“<br />
Stefanie K. sagte, „die Physik sieht nicht schlecht aus.“ Dagegen gefiel<br />
Georg S. das Physikgebäude nicht, es sei „unglaublich hässlich“ und es<br />
„sieht so aus, als würde es gleich zusammenfallen.“ Er hatte einmal<br />
mit jemand gesprochen, „der da drin arbeitet, es ist finster, hat dunkle<br />
Wände, aber die Leute haben sich daran gewöhnt.“ Für Heinz J. war<br />
das Gebäude ein Beispiel dafür, „was hier entstanden ist.“<br />
ESZ<br />
Das ESZ wurde sehr stark und positiv wahrgenommen. Viele<br />
fanden die integrierende Architektur aus alten und neuen<br />
baulichen Elementen gelungen und lobten seine Funktion. Der<br />
Platz vor dem ESZ wurde als zu klein wahrgenommen, besonders,<br />
da er die einzige Möglichkeiten für Studierende sei, sich in<br />
Adlershof zu treffen.<br />
Knut S. sagte, das ESZ falle ihm auf, wenn er mit dem Auto nach<br />
Adlershof fahre. Er fand es in seiner Funktion und Form „toll“. Elisa W.<br />
und Andreas G. sagten das ESZ sei architektonisch gut, Elisa W. gefiel<br />
besonders die Verbindung von alt und neu. Das ESZ, so Heike V., sei<br />
ein markanter Punkt für sie im Gebiet. Ihr sei wichtig, dass der<br />
Schriftzug am Gebäude erkennbar sei. Diese Auffassung vertrat auch<br />
Andreas G.. Hartmut W. fand besonders an der Kombination aus<br />
Bibliothek und Medienzentrum Gefallen. Die Architektur sei für ihn<br />
ansprechend. Er fand es „hervorragend“, dass die „ehemaligen Hallen<br />
der DLR verbaut wurden“ und somit die Verbindung zwischen Altem<br />
und Neuem Umsetzung gefunden hat. Gelungen sei auch die<br />
integrierte Cafeteria. Bärbel L. bestätigte ebenfalls dass das ESZ „toll<br />
von außen“ sei in seiner Verbindung von Alt und Neu. Die Cafeteria<br />
lobte sie wegen ihrer Großzügigkeit. Ingo L. bemerkte, der ältere<br />
72
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Vorbau und die Funktion des ESZ als Kommunikations- und<br />
Medienzentrum seien „super“.<br />
Stefanie K. sagte, dass viele ihrer Kollegen das ESZ („die große<br />
schwarze Platte“) schrecklich finden, sie sehe das aber nicht so.<br />
Der Platz vor dem ESZ wurde von einigen gesondert betrachtet. Heike<br />
V, kommentierte ihr Foto: „Ich habe den Platz mit Bedauern für die<br />
wenigen studentischen Zusammenkünfte in Adlershof fotografiert.“ Für<br />
Alex M. war der Platz mit den „Studenten in der Sonne“ ein Bild für<br />
Freizeit und Pausen. Georg S. bemerkte, der Platz sei „eine kleine Insel<br />
studentischen Treibens.“<br />
Aerodynamischer Park<br />
Der Platz des Aerodynamischen Parks mit den technischen<br />
Denkmälern Motorenprüfstand, Trudelturm und Windkanal wurde<br />
als problematisch wahrgenommen, da er offen und nicht<br />
windgeschützt ist. Die Denkmäler wurden positiv sowie negativ<br />
eingeschätzt. Bemängelt wurde die schlechte Beschilderung des<br />
Platzes.<br />
Malze F. sagte, der Platz sei „touristisch“, was auch durch die<br />
Straßenschilder wie „Zum Windkanal“ zustande käme. Mark S. erklärte,<br />
der Platz sei wieder so „ein Fall von Platten, Beton und Grasfläche“ wie<br />
es viele im Gebiet gäbe. Er fände es „krass“ im Winter dort lang<br />
zulaufen, „denn dann pfeift der Wind und es ist trist.“ Andreas G. fand<br />
es „toll dass man beim Aerodynamischen Park auf der Wiese sitzen<br />
kann.“ Er sagte, der Platz sei „chic“, weil hier „das alte mit dem neuen<br />
zusammen zu sehen ist.“ Andreas G. fiel auf, dass ein Hinweisschild<br />
mit der Platzbezeichnung fehlte. Die Wegweiser vor Ort waren seiner<br />
Ansicht nach falsch angebracht, da sie sich weit oben befänden, eine<br />
zu kleine Schrift aufwiesen und nicht von allen Seiten einsehbar wären.<br />
Des Weiteren wären sie in der Machart sehr unscheinbar. Sören B.<br />
fand es gut, „dass die alten Dinge so belassen sind und man sie sieht.<br />
73
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
Damit wird klar, dass es hier auch schon früher Wissenschaft gab und<br />
dass nicht alles neu ist.“ Der Trudelturm symbolisierte für ihn z.B. das<br />
Alte, „was früher hier einmal war.“ Für Alex M. war der Trudelturm ein<br />
Symbol für den Fortschritt im Gebiet.<br />
Akademieplatz<br />
Der Platz sagte den Befragten zu. Allerdings wurde vermehrt<br />
angemerkt, dass er nicht angenommen und niemand darauf sitzen<br />
würde. Die Kunstwerke auf dem Platz wurden positiv sowie<br />
negativ wahrgenommen.<br />
Malze F. fand die „Bepflanzung nett“, ihm fiel jedoch auf, dass „da noch<br />
keiner saß.“ Elisa W. zeigte Interesse für den Platz und erzählte, wie<br />
sie die Entstehung beobachtet habe. Andreas G. sagte, der Platz sei<br />
„gut gelungen.“ Er mochte das Grün auf dem Platz und fand, der Platz<br />
könnte mehr von Studenten genutzt werden.<br />
Das sei nach seiner Beobachtung noch nicht<br />
der Fall gewesen. Auch Konstantin A. hatte<br />
beobachtet, dass niemand die Wiese nutze:<br />
„Es fehlen Bänke, wo man sich hinsetzen<br />
kann und Wege auf der Wiese, denn so hat man Eindruck, dass man<br />
den Rasen nicht betreten soll.“ Stefanie K. fand den Platz nett. Georg<br />
S. erklärte, er habe sich die „merkwürdige Blumenkunst“ angeschaut<br />
und könne nichts damit anfangen. Elisa W. hingegen freute sich über<br />
die Kunstwerke und versuchte sogar sie zu entziffern.<br />
Johann von Neumannhaus<br />
Das Gebäude wurde wegen seiner baulichen Struktur, die sich<br />
nicht an den Nutzern orientiert, kritisiert. Das JvN erfährt durch die<br />
vorhandenen Dienstleistungen im Komplex eine Aufwertung.<br />
Elisa W., Hans B., Mark S.und Ingo L. war das JvN in seiner Funktion<br />
als Arbeitstätte wichtig. Darüber hinaus sagte Elisa W., dass die Bank<br />
im Gebäude für sie eine qualitative Aufwertung bedeute, da es ihr<br />
Wege erspare. Das Café im Gebäude sei eine „tolle Errungenschaft“<br />
74
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
und ein „Ort der Kommunikation.“ Andreas G. sagte, das Gebäude falle<br />
ihm als erstes auf, wenn er mit dem Auto nach Adlershof fahre. Ihm sei<br />
es wichtig, dass der Name am Haus stehe. Sören B. erinnerte das<br />
Haus an amerikanische Universitätsbauten. Er fand die Gestaltung und<br />
Begrünung hinter dem Gebäude „schön“, doch „sie passt nicht rein.“<br />
Sie würde von den Menschen nicht angenommen werden und sei nur<br />
Schmuck, den niemand nutze. Deshalb finde er das Gebäude<br />
zwiespältig: „Es ist schön, aber künstlich und auf den Effekt<br />
aus. Es ist irgendwie ein angelegter Raum. Es wirkt nicht<br />
natürlich.“ Konstantin A. äußerte, er merke, wenn er im JvN<br />
Haus sei, dass es „mal als Bürohaus geplant war“, und „nicht<br />
für Studenten konzipiert“ worden wäre.<br />
Ibis-Hotel<br />
Durch seine markante Größe und seinen Standort fiel das Hotel auf.<br />
Dabei wurde es als schwierig angesehen, ein Hotel vor Ort halten zu<br />
können.<br />
Konstantin A. erklärte, dass er sich immer frage, wenn er daran vorbei<br />
laufe, ob es vor oder nach dem Wissenschaftsstandort ausgebaut<br />
wurde. „Es war bestimmt mal ein Fünf-Sterne Hotel. Was es jetzt nicht<br />
mehr sein kann, da die laute Straße davor ist und viel zu viel los ist. Ich<br />
frage mich, wer hier draußen ins Hotel geht.“ Georg S. erzählte, dass er<br />
immer auf die Anzeigentafel schaue und sich über die Preise<br />
informiere. Ingo L. fand die Gebäude nicht attraktiv. Für Stefanie K. sah<br />
es „abgekupfert“ aus und „ist viel zu groß für den Ort“, es „fällt heraus“<br />
und „sieht so aus, als ob noch was dahinter kommt, aber da ist nichts.“<br />
Gedankenskulptur<br />
Die „Gedankenskulptur“ fiel den Befragten auf. Sie versuchten, die<br />
Botschaft des Kunstwerks zu entziffern.<br />
Elisa W. meinte, sie falle als „Kunst“ auf. Sie finde sie aber nicht<br />
ästhetisch, da sie verrostet sei. Sie habe sich mit ihren Kollegen über<br />
75
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Auswertung<br />
die Bedeutung unterhalten. Mark S. hatte sich das „Metallding mal<br />
angeschaut und durchgelesen, was ein Künstler für Vorstellungen von<br />
Kryptologie hat.“ Andreas G. erklärte, das Kunstwerk falle ihm im<br />
Grunde nur auf, weil es ungewöhnlich sei. Er habe schon versucht,<br />
darin zu lesen, „es ist eine Verschlüsselung, Kryptologie.“ Georg S.<br />
fand das „Kunstwerk aus Eisen“ gut. Er habe Spaß daran, zu entziffern,<br />
was darin steht. „Die Aussage ist gut und regt zum Nachdenken an, es<br />
sind Worte fürs Leben: Vision – Gedanke…“<br />
Laser<br />
Der Laserstrahl wurde als Attraktion im Winter bzw. in den<br />
Abendstunden des Gebietes ausgewiesen. Er regte viele zum<br />
Nachdenken über seinen Verlauf und sein Zielort an. Der Strahl verläuft<br />
vom Siemensgebäude in Richtung S-Bahn.<br />
Elisa W. fand den Laserstrahl „toll“. Zwischen ihren Kollegen sei<br />
Ausgangs- und Zielort des Lasers „Gesprächsthema“. Für Mark S. sei<br />
der Laser immer wieder ein „Highlight“ in Adlershof. Konstantin A.<br />
erklärte, an dem Verlauf des Strahls merke er „dass die Rudower<br />
Chaussee nicht gerade verläuft“. Georg S. meinte, der Laser falle ihm<br />
auf, „das ist eine schöne Sache, er weist den Weg zum Bahnhof.“ Knut<br />
S. fand, er sei ein „verbindendes Element“ im Gebiet.<br />
76
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Fazit<br />
6 Das Sichtbare: Fazit<br />
Sichtbar ist etwas nur, wenn es wahrgenommen wird. […]<br />
Sichtbar ist ein Verweis auf den Sehenden: Kann er noch sehen? Oder ist das<br />
DING beliebig geworden oder der BLICK? Wenn Gehetztheit und Austauschbarkeit<br />
in der Wahrnehmungskultur Einzug halten, dann verschwinden die Dinge. – Und.-<br />
spitzfindig: auch der Betrachtende – hinsichtlich seiner Fähigkeit wahr zu nehmen,<br />
dann zu interpretieren und vielleicht zu gestalten.<br />
Wim Wenders<br />
77
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Fazit<br />
Die Rudower Chaussee ist die signifikante Straße des Gebietes. Entlang<br />
der Straße befindet sich der Großteil der täglich aufgesuchten Orte. Dabei<br />
handelt es sich in der Mehrzahl um die Arbeitsstätten der<br />
Gesprächspartner. Die Hauptbewegungen verlaufen demnach entlang der<br />
Rudower Chaussee. Es stellte sich heraus, dass der tägliche Arbeitsweg<br />
als langweilig und schlecht gestaltet empfunden wurde. Oft wurde der<br />
kürzeste und schnellste Weg durch das Gebiet angestrebt. Die Bewegung<br />
im Raum geht dabei nicht über gezielte Punkte hinaus. Des Weiteren<br />
bestand nur wenig Interesse, sich in Adlershof umzuschauen oder<br />
spazieren zu gehen. Der öffentliche Raum wurde „nur“ zur Durchquerung<br />
genutzt und als wenig belebt empfunden. Die meisten Gesprächspartner<br />
verrichten lediglich ihre tägliche Arbeit in Adlershof und nutzen aus Mangel<br />
an anderen Möglichkeiten das Gebiet wenig für andere Aktivitäten.<br />
Die Bewegungen spiegeln sich in der Sicht der Befragten auf Adlershof<br />
wider. Die wichtigsten Punkte der Wahrnehmung sind:<br />
78<br />
� Es gibt nur wenige Akkumulationspunkte der Wahrnehmung.<br />
Dabei handelt es sich um so genannte Funktionsorte, wie den<br />
eigenen Arbeitsort (GEO, ESZ, JvN) oder aufgesuchte Orte zum<br />
Mittagessen (Mensa im JvN). Diese nehmen eine wichtige<br />
Stellung im Adlershofer Alltag der Befragten ein. Dabei wird ihre<br />
Form ebenso wie ihre Funktion kommentiert.<br />
� Daneben fallen einzelne Gebäude wegen ihrer Form auf, wie<br />
die Thermostatischen Kugellabore: „die Kugeln“, der<br />
Trudelturm: „das Ei“ oder das Kaufland: „der Klotz“.<br />
� Die Wahrnehmung intensiviert sich entlang oft zurückgelegter<br />
Wege und in der Nähe der Arbeitsstätten.<br />
� Es existiert eine größere Unsicherheit von dem Teil des<br />
Geländes, der weniger oder gar nicht genutzt wird.
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Fazit<br />
In den Wahrnehmungen einzelner Punkte kristallisierte sich zu dem<br />
folgendes heraus:<br />
� Einzelne Gebäude und Plätze werden herausragend<br />
wahrgenommen. Dabei ist deren Einschätzung positiv<br />
sowie negativ.<br />
Als gut wurde beispielsweise das ESZ empfunden. Viele fanden<br />
die integrierende Architektur aus alten und neuen baulichen<br />
Elementen gelungen und lobten seine Funktion. Negativ wurde<br />
bspw. der Forumsplatz gesehen. Für viele der Befragten war<br />
der Platz ein sehr wichtiger Ort in Adlershof. Es wurde sich<br />
daran gestört, dass sehr zentral läge, aber nicht genutzt werde.<br />
Es wurden viele Fragen über die zukünftige Entwicklung gestellt<br />
und Ideen und Wünsche für die Nutzung und Gestaltung<br />
geäußert.<br />
� Geschichtliche Elemente im Stadtbild werden positiv<br />
wahrgenommen.<br />
Es wurde befürwortet, dass verschiedene alte Gebäude in das<br />
Stadtbild integriert wurden, wie der Trudelturm. Sie stellten für<br />
einige der Befragten ein Stück Geschichte dar. Auch wenn<br />
Bestände von historischen Gebäuden in Neubauten integriert<br />
wurden, wie es beim ESZ und der Geographie bzw. Psychologie<br />
der Fall ist, wurde dies positiv begrüßt. Sie werden sogar zu<br />
Bezugspunkten, wie bei den Thermokonstanten Kugellaboren<br />
zu sehen ist.<br />
Neben der Beschreibung der allgemeinen Wahrnehmung Adlershofs und<br />
der Beantwortung der Fragen, äußerten viele Gesprächspartner Kritik<br />
sowohl an der Architektur als auch an der fehlenden Struktur und<br />
Informationen über das Gebiet. Die wichtigsten Kritikpunkte sind:<br />
79<br />
� Es fehlen Schnittstellen zwischen den Instituten, Orte für die<br />
Kommunikation, Freizeitangebote sowie Treffpunkte außerhalb<br />
der Arbeit zum Aufenthalt im Gebiet, zum Verweilen und zum<br />
Zeitvertreib.
80<br />
Unsichtbares Adlershof – Das Sichtbare: Fazit<br />
� Es fehlen Informationen über Gegebenheiten vor Ort, wie ein<br />
Schaufenster oder Informationspunkt. Dies bezog sich ebenfalls<br />
auf die als unzureichend empfundene Beschilderung einzelner<br />
Gebäude und Plätze.<br />
� Es fehlt die Gestaltung des öffentlichen Raumes: gestaltete<br />
Wege für den Nutzer und Plätze zum Sitzen. Es existiert das<br />
Gefühl, viele Orte seien nicht für die Nutzer angelegt, sondern<br />
wirken steril, komplett fertig gestaltet und so, als dürften sie<br />
nicht betreten werden.<br />
� Das Gelände wurde als zu weitläufig und zergliedert kritisiert.<br />
Die Entfernungen zwischen einzelnen Einrichtungen seien zu<br />
groß. Daraus entstehe das Gefühl, das Gebiet sei unfertig.<br />
� Die Architektur der Gebäude im Gebiet wird abgelehnt: Sie sei<br />
nicht für den Nutzer, sondern nur zu Profilierungszwecken<br />
gemacht worden.<br />
� Das Gebiet wird als isoliert erlebt. Die wahrgenommenen<br />
Grenzen sind der S-Bahnstrang, der den belebten westlich<br />
angrenzenden Stadtteil von dem Wissenschaftsstandtort<br />
abgrenzt, die Wegedornbrücke, der Teltowkanal und der<br />
Landschaftspark.<br />
� Dem Gebiet wird städtisches Flair abgesprochen. Das Gebiet<br />
wird als Park und nicht als Stadt wahrgenommen.
Unsichtbares Adlershof – Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee<br />
7 Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee<br />
81<br />
Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern sie macht sichtbar.<br />
Paul Klee
Unsichtbares Adlershof – Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee<br />
Auf den folgenden Seiten soll eine Gestaltungsidee bzw. ein künstlerisches<br />
Konzept für den öffentlichen Raum entwickelt werden. Die Vorschläge und<br />
Ideenskizzen folgen dem Versuch, die Neugierde der Nutzer Adlershofs für<br />
ihre Umgebung zu wecken. Dies bedeutet, Menschen aus ihren alltäglichen<br />
Abläufen zu reißen und zum Entdecken anzuregen. Dieses Entdecken<br />
kann einen Beitrag zum Wohlfühlen in Adlershof leisten, wenn Menschen<br />
bereit sind, sich ihr persönliches Bild von Adershof zu machen.<br />
Hintergrund für das Konzept bilden die Schlussfolgerungen, welche aus<br />
den Gesprächen gezogen werden konnten: Es gibt nur wenige Orte, die<br />
von den Gesprächspartnern wahrgenommen und genutzt werden. Viele<br />
Facetten und einzigartige Orte Adlershofs werden in der Eile und dem<br />
zielorientierten Laufen übersehen. Sie können dabei direkt auf dem Weg<br />
liegen oder sich fernab vom gewohnten Arbeitsweg befinden. Orte, die<br />
somit unsichtbar werden, sind zum Beispiel die alten Gebäude des Funk-<br />
und Fernsehzentrums, der Landschaftspark, die Kindertagesstätte, der<br />
Teltowkanal, das Obdachlosenheim, die Musikschule oder das Bezirksamt.<br />
Die Gründe der „Rastlosigkeit der Menschen“ sind Zeitmangel,<br />
Gleichgültigkeit gegenüber dem Raum und Lustlosigkeit ihn zu entdecken.<br />
Er ist für viele nicht aufregend genug und wird als langweilig empfunden.<br />
Die Menschen kommen her, weil sie müssen, besuchen ihre Arbeitsplätze<br />
und versuchen danach so schnell wie möglich das Gebiet wieder zu<br />
verlassen. Sie fühlen sich nicht wohl und identifizieren sich auch nicht mit<br />
dem Gebiet. Es ist nicht spannend, sich im Gebiet umzusehen. Hinzu<br />
fehlen Anreize und (Ver-)Lockungen, um von dem gewohnten Weg einmal<br />
abzuweichen. So bleibt das Gebiet ein langweiliges Stück Raum, dass es<br />
schnellstmöglich zu durchqueren gilt. Damit speist sich die Unsichtbarkeit<br />
des Raums. Es soll Aufgabe des Konzeptes sein, in diesen Prozess<br />
einzugreifen und die unsichtbaren Orte sichtbar werden zu lassen.<br />
Wichtig soll für das Konzept jedoch nicht nur der Aspekt sein das<br />
Unsichtbare sichtbar zu machen. Die Ideen und Wünsche der Befragten,<br />
sowie deren negative Wahrnehmung von Orten und Aspekten, sollen<br />
gleichfalls einbezogen werden. Sind sie es doch, die sich täglich in<br />
Adlershof bewegen und sich deshalb auch hier wohl fühlen sollen.<br />
Es zeigte sich beispielsweise, dass die Gestaltung des öffentlichen Raums<br />
als mangelhaft gesehen wurde. Oft wurde das Fehlen von Sitzmöglichkeiten<br />
und Treffpunkten beanstandet. Auf diese Punkte kann und soll im Konzept<br />
Bezug genommen werden.<br />
82<br />
Bild 23: Luftbild<br />
Forumsplatz
Unsichtbares Adlershof – Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee<br />
Ein Ort, der besonders negativ wahrgenommen wurde, ist der Forumsplatz<br />
mit der sich anschließenden Wiese (vgl. Bild 23 und Kapitel 5.4.). Es wurde<br />
angemerkt, dass der Platz durch seine Zentralität das Potential besitzt, ein<br />
Ort mit öffentlichen Funktionen zu sein. Dieses Potential wird aber nicht<br />
genutzt. Er wurde als toter Platz empfunden, der brach liegt und auf dem<br />
nichts passiert. Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, die Laborhäuser<br />
gastronomisch zu nutzen.<br />
Deshalb soll für den Platz eine Gestaltung vorgeschlagen werden. Der<br />
Platz im Ganzen könnte ein Treffpunkt neben der Arbeit sein, auf dem man<br />
sitzen und entspannen kann. Das Verlangen nach solch einem öffentlichen<br />
Ort ist berechtigt. So schrieb auch der Soziologe Andreas FELDKELLER:<br />
Orte, denen sozialräumliche Qualität zugeschrieben wird, sollen<br />
unabhängig von irgendwelchen Alltagsverpflichtungen zum<br />
Verweilen, zu kürzerem oder längerem Aufenthalt einladen. Die<br />
Bezeichnung Aufenthalt beinhaltet eine einladende Zugänglichkeit,<br />
das zweckfreie Verweilen, eine Entschleunigung von funktionalen<br />
Zwängen und auch das Motiv der Neugierde und des Beobachtens,<br />
das eine psychische Begründung für das Verweilen liefert.<br />
Aufenthalt ist ja mehr als nur stehen oder sitzen bleiben. Es muss<br />
etwas vorgegeben sein, das dazu anregt, sich aufzuhalten, ohne<br />
dass dafür ein unmittelbar nützlicher Grund vorliegt.<br />
Aufenthaltsqualität ist ein Kriterium, das normalerweise nicht auf<br />
einen Wohnraum, ein Büro, ein Einkaufszentrum, eine Sportstätte<br />
angewandt wird: sozialräumliche Aufenthaltsqualität außerhalb der<br />
Funktionsräume (auf städtischen Plätzen, kleinen Parks, Cafeterien<br />
und Foyers) gewährleistet gerade das Ausbrechen aus der durch<br />
Privatheit geschützten und zugleich eingeengten Sphäre von Wohn-<br />
und Arbeitsstätten. (FELDKELLER 2002:109)<br />
In dem Entwicklungsplan für Adlershof (vgl. Exkurs 4) wurde die Anlegung<br />
des Platzes zum zentralen Stadtplatz vorgesehen, „wo sich Hochschule,<br />
außeruniversitäre und städtische Nutzungen begegnen.“ (www.parlament-<br />
berlin.de/ados/Haupt/vorgang/ 2450.htm).<br />
2001/02 fand für die Platzgestaltung ein Gutachterverfahren statt. Der<br />
Entwurf des Landschaftsarchitekturbüros Häfner/ Jiménez (vgl. Bild 24, vgl.<br />
Anlage 1) ging darin als Gewinner hervor. Mit den Umsetzungsmaßnahmen<br />
soll Ende 2005 bzw. Anfang 2006 begonnen werden. Damals ging man von<br />
stärkeren baulichen Entwicklungen aus. Die potentiellen Bauflächen seitlich<br />
bzw. hinter dem Forumsplatz werden in nächster Zeit nicht bebaut werden.<br />
Das in der Arbeit vorgeschlagene Konzept kann als Ergänzung zu dem<br />
Entwurf der Landschaftsarchitekten gesehen werden.<br />
83<br />
Bild 24: Entwurf Häfner/<br />
Jiménez
Unsichtbares Adlershof – Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee<br />
Die Überlegungen für die mögliche Gestaltung, die die Wahrnehmungen<br />
der Befragten aufgreift, führten zu zwei wesentlichen Punkten:<br />
� Es sollen neue Ansichten oder unerwartete Perspektiven auf<br />
Adlershof eröffnet und zum selbstständigen Entdecken<br />
ermuntert werden.<br />
� Es sollen Anreize für das Betreten und den Aufenthalt auf dem<br />
Platz geschaffen werden. Der Platz ist ein öffentlicher Ort, der<br />
für die Menschen erfahrbar gemacht werden kann. Sie können<br />
ihn betreten, sich ihn anschauen, darauf stehen bleiben und<br />
kommunizieren.<br />
Dafür sind Wege und Pfade, die auf den Platz führen, notwendig. Von ihm<br />
wiederum sollen Pfade in das Gebiet gelegt werden:<br />
84<br />
� Es werden Pfade auf den Platz gelegt, damit das Interesse<br />
geweckt wird, ihn zu beschreiten und zu nutzen. Dies soll durch<br />
die Arbeit mit verschiedenen Perspektiven und<br />
Raumerweiterungen des Platzes geschehen. Sie sollen<br />
einladen, um auf den Platz zu gehen. Ihre Gestalt sind Worte<br />
auf dem Boden, Pfeile, verlängerte Ecken. Es sind Wege für die<br />
Nutzer. Sie sollen motiviert werden, weiterzugehen.<br />
� Es werden Pfade von dem Platz in den Raum gelegt, mit dem<br />
Ziel, das Gebiet vielseitiger darzustellen und ein Interesse dafür<br />
zu entwickeln.<br />
Mittels Computercollagen (vgl. nachfolgende Bilder), die auf<br />
dem Platz befestigt werden, können Wege in das Gebiet gelegt<br />
werden. Bekanntes wird mit Unbekanntem verbunden. Somit<br />
soll bei dem Betrachter die Neugierde für das Gebiet geweckt<br />
werden. Es ist ein Erfahrungsspiel: Zeigt der erste flüchtige Blick<br />
noch die gewohnten Bilder, offenbart der zweite ein absurdes<br />
Bild und lässt den Betrachter stutzig werden. Etwas stimmt<br />
nicht. Wird nachgeforscht, dann sind Orte Adlershofs zu<br />
entdecken, die bislang nicht zu sehen waren. Der Betrachter<br />
kann darauf andere Gegenden von Adlershof kennen lernen.<br />
Vielleicht bekommt er sogar Lust, die abgebildeten Orte selbst<br />
im Gebiet ausfindig zu machen. Diese Aktion fordert, das Gebiet
Unsichtbares Adlershof – Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee<br />
im Zusammenhang zusehen, nicht in der Fragmentierung. Der<br />
Raum wird in seiner Vielschichtigkeit sichtbar gemacht. Er wird<br />
sichtbar in der Langsamkeit, im Innehalten und Schauen.<br />
Auf dem Platz kann loses Gestühl zum Verweilen einladen (vgl.<br />
Exkurs 2). Die angebrachten Collagen geben dem Platz<br />
Struktur.<br />
Ideen für Collagen<br />
85
86<br />
Unsichtbares Adlershof – Das Unsichtbare sichtbar machen: Eine Idee
8 Resümee<br />
Unsichtbares Adlershof – Resümee<br />
In der vorliegenden Arbeit wurde die Sozialraumanalyse mit künstlerischen<br />
Überlegungen kombiniert. In der Sozialraumanalyse wurde untersucht, wie<br />
Beschäftige und Studierende den öffentlichen Raum von Adlershof nutzen,<br />
wie sie sich in ihm bewegen und was sie dabei wahrnehmen. Dabei stellte<br />
sich heraus, dass Adlershof fast ausschließlich zum Arbeiten genutzt<br />
wurde. Es wurden nur wenige Institute aufgesucht. Die Rudower Chaussee<br />
stellt die signifikante Straße im Gebiet dar, entlang welcher sich die meisten<br />
aufgesuchten Einrichtungen befinden.<br />
Die Bewegung durch das Gebiet kann in der Tendenz als zielorientiert<br />
beschrieben werden. Die Befragten waren bemüht, das Gebiet so schnell<br />
wie möglich zu durchqueren. Dabei wurde der kürzeste Weg angestrebt.<br />
Der öffentliche Raum dient nur zur Durchquerung und nicht zum Aufenthalt.<br />
Das wurde mit den wenig vorhandenen Möglichkeiten wie Sitzplätzen oder<br />
gastronomischen Einrichtungen, aber auch mit dem Zeitmangel begründet.<br />
Ebenso stellte sich heraus, dass es nur begrenzt die Motivation gab, den<br />
Raum zu entdecken.<br />
Bezüglich der Wahrnehmung wurde deutlich, dass nur wenige<br />
Akkumulationspunkte vorhanden waren. Auch diese konzentrierten sich<br />
entlang der Rudower Chaussee. Dabei wurden Gebäude der täglichen<br />
Nutzung und in Nähe der Arbeitsstätte verstärkt wahrgenommen. Gebäude<br />
und Orte, die sich ebenfalls entlang des Arbeitsweges befanden, aber nicht<br />
genutzt wurden, wurden auch nicht wahrgenommen.<br />
87
Unsichtbares Adlershof – Resümee<br />
In den Gesprächen wurden viele Wünsche, Ideen und wahrgenommene<br />
Probleme bzw. Mängel der Interviewpartner deutlich. Sie wünschten sich<br />
mehr Einrichtungen und Treffpunkte, die neben der Arbeit aufgesucht<br />
werden könnten. Ebenso wurde die Gestaltung des öffentlichen Raumes<br />
mit Sitzmöglichkeiten und eine vernünftige Beschilderung angemahnt.<br />
Diese Resultate konnten in dem sich anschließenden künstlerischen<br />
Konzept aufgegriffen werden.<br />
Das Konzept beschäftigt sich mit dem Phänomen, was von dem Raum<br />
sichtbar bzw. unsichtbar ist. Die in der Untersuchung herausgearbeiteten<br />
sichtbaren Orte wurden mit den unsichtbaren Orten verbunden. Ziel des<br />
Konzeptes ist es, in alltägliche Bewegungsabläufe einzugreifen, Neugierde<br />
für Adlershof zu wecken und die Menschen zu motivieren, den Raum zu<br />
entdecken.<br />
Für die Realisierung der Aktion wurde der Forumsplatz gewählt. Gründe<br />
dafür sind seine zentrale Lage, seine Funktion als öffentlicher Ort und seine<br />
negative Wahrnehmung im Stadtbild. Der Vorschlag für die Gestaltung<br />
bezieht sich auf zwei Ebenen. Erstens werden Pfade gelegt, die auf den<br />
Platz führen. Damit soll seine Annahme und Nutzung seitens der<br />
Beschäftigten und Studierenden erreicht werden. Zweiten sollen vom Platz<br />
aus Pfade in das Gebiet gelegt werden. Das wird mittels Computercollagen,<br />
welche eine Brücke zwischen den sichtbaren und unsichtbaren Orten in<br />
Adlershof schlagen, erreicht. Loses Gestühl lädt zum Verweilen ein.<br />
Die Verbindung zwischen der Sozialraumanalyse und künstlerischen<br />
Erwägungen war sehr gewinnbringend und fruchtbar. Es konnte<br />
differenziert und vielschichtig gearbeitet werden. Es wurde gezeigt, wie die<br />
Analyse der vorherrschenden Situation in konkreten Lösungsvorschlägen<br />
für eine Verbesserung münden kann.<br />
Es wurde also nicht lediglich der Raum analysiert und eventuelle<br />
Problematiken untersucht. Genauso wenig wurde nur eine künstlerische<br />
Installation im Raum platziert. Vielmehr wurde der Fokus auf die enge<br />
Verbindung der künstlerischen Konzeption mit dem Verhalten, der<br />
Wahrnehmung, der Ideen und Vorstellungen einzelner Nutzer gelegt. Diese<br />
Vorgehensweise kann nur befürwortet werden, weil so aktuelle<br />
Entwicklungen, die Wahrnehmungen und Wünsche der Nutzer Eingang in<br />
ein Gesamtkonzept finden. Wie für das vorliegende Beispiel Adlershof<br />
aufgezeigt wurde, ist die Verbindung von Kunst und Wissenschaft äußerst<br />
reizvoll und lohnend.<br />
88
Literatur<br />
Unsichtbares Adlershof – Literatur<br />
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97
Anlagen<br />
Unsichtbares Adlershof – Anlagen<br />
Anlage 1: Plan für den Forumsplatz<br />
Als Bindeglied zwischen den beiden Platzhälften wirkt ein<br />
durchgängiger Bodenbelag mit unterschiedlich breiten<br />
Streifen, der sich an die Aufteilung der EG der geplanten<br />
Mensa anlehnt. In seiner Ausrichtung, quer zu den Linien der<br />
benachbarten Bebauung und parallel zur Rudower Chaussee,<br />
fordert er zum Eintritt in das Forum auf. Streifen mit einem Belag aus<br />
Ortbeton wechseln mit Streifen aus Granitkleinsteinpflaster. In die<br />
Treppenanlage eingefügt steht eine Skulptur, die den Statuen vor<br />
dem Hauptgebäude der Humboldt Universität unter den Linden<br />
nachempfunden ist. Sie verweist auf den Standort des<br />
Originals. Der dreidimensionale Körper gibt der Platzfläche<br />
zusätzlichen Halt. Westlich der Mensa führt eine durchgehend<br />
befestigte Fläche in die gärtnerisch gestalteten Grünbereiche.<br />
Großformatige Holzpodeste laden zum Sitzen aber auch zum<br />
Entspannen nach der Mittagspause ein. Als Inseln werden sie in<br />
ihrer differenzierten Zuordnung zu Treffpunkten und<br />
Kommunikationsorten. Das Forum Adlershof liegt als zentraler<br />
Platz an der Rudower Chaussee. Der zur Straße hin liegende<br />
Bereich des Forums ist Teil einer räumlichen Einheit in Form<br />
eines lang gestreckten Rechtecks, bestehend aus dem<br />
Akademieplatz, dem Vorplatz vor dem Informations- und<br />
Kommunikationszentrum, und dem Wista Management Gebäude<br />
(http://www.haefner-jimenez.de/indexms.html).<br />
98
Unsichtbares Adlershof – Anlagen<br />
Anlage 2: Gerüst der Auswertungstabelle<br />
Die Tabelle diente der ersten Erfassung der Daten. Die einzelnen Tabellen<br />
mit den Daten der Interviews befinden sich aus Platzgründen nicht in dem<br />
vorliegenden Ausdruck. Sie sind vollständig auf der eingereichten CD-Rom<br />
zu sehen.<br />
99
Interviewnummer<br />
100<br />
Was? Was und Wie?<br />
Wahrnehmung Rundgang<br />
Wahrnehmung Karte<br />
Nutzung Karte<br />
Allgemeine Angaben<br />
Gelände<br />
Straßen/<br />
Plätze/<br />
Fotos<br />
Bekannte<br />
Bezugspunk.<br />
Straße/<br />
Orte/<br />
Häufigkeit<br />
Wege<br />
Orte/<br />
Gebäude<br />
Wege<br />
Einrichtungen<br />
Gebäude/<br />
Unsichtbares Adlershof – Anlagen<br />
Objekte<br />
Anreise<br />
Bewegung v. Ort<br />
PLZ<br />
Geschlecht<br />
Geb.-Jahr<br />
Beschäftigung<br />
Institut<br />
Seit wann in A.<br />
Sonstiges<br />
Interaktionen<br />
Ansichten<br />
Bewegung / Verhalten<br />
m=manchmal, s= selten
Danksagung<br />
Unsichtbares Adlershof – Danksagung<br />
Mir schien das Schreiben einer Magisterarbeit vergleichbar mit dem<br />
Wellenreiten. Es ist beide Male ein intensiver Lernprozess, bei dem Höhen<br />
und Tiefen nie ausgeschlossen sind. Das Herunterfallen ist gewiss. Die<br />
Motivation, um aus dem kalten Wasser einen neuen Versuch zu starten,<br />
daran zu glauben, dass die Beine bei der nächsten Welle wieder auf dem<br />
Surfbord stehen und mit ihr vielleicht ein Stück zu gleiten, kann nie völlig<br />
aus einem selbst erwachsen. Vielmehr gelingt es nur mit Hilfe, der Kraft<br />
von Betreuern, Freunden und der Familie, die entweder am Ufer stehen<br />
und mir von dort mit voller Stimme „Mach weiter! Los, du schaffst es!“<br />
zurufen oder sogar mit im Wasser schwimmen und direkt auf das Brett<br />
helfen. Ich möchte mich daher herzlich bei Prof. Dr. Marlies Schulz und<br />
Prof. Dr. Harald Bodenschatz für ihre Offenheit, meine Arbeit zu betreuen<br />
bedanken. Zudem bedanke ich mich bei meinen Gesprächspartnern, Frau<br />
Rott, die mir immer wieder erneut bei Fragen behilflich war, bei meinen<br />
Eltern, bei Anja, Miriam, Clara, Cecile, Corinna und Alena, den fleißigen<br />
Leserinnen und Kritikerinnen der Arbeit und bei allen, die mir stets neue<br />
Inspiration gaben, an meiner Seite „paddelten“ und zum Aufsprung<br />
verhalfen oder mir bei ruhigem Seegang die Stunden versüßten. Und wie<br />
es so ist beim Surfen, ist die eine Welle geschafft, wird schon nach der<br />
nächst Größeren Ausschau gehalten. In diesem Sinne:<br />
101<br />
Auf zur nächsten Welle!
ERKLÄRUNG<br />
Unsichtbares Adlershof – Erklärung<br />
Ich erkläre, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und<br />
nur unter Verwendung der angegebenen Literatur und<br />
Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt<br />
oder indirekt übernommenen Inhalte sind als solche kenntlich<br />
gemacht.<br />
Berlin, den________________<br />
102