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Wirtschaftszeitung_26102015

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18 GELD & GESCHÄFT<br />

Beratungsprotokoll alter<br />

Prägung bald passé?<br />

Umfangreicher Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums greift Vorgaben der EU auf.<br />

Bankenverbände wünschen sich Vereinfachungen bei der konkreten Umsetzung im Alltag.<br />

Das erst vor wenigen Jahren eingeführte<br />

und umstrittene Beratungsprotokoll<br />

bei Geldanlagen soll wieder<br />

abgeschafft werden. Stattdessen<br />

sollen Anlageberater ihren Privatkunden<br />

künftig eine „Geeignetheitserklärung“<br />

vorlegen, wie aus einem<br />

Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums<br />

hervorgeht, der<br />

der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.<br />

Verbraucherschützer sind allerdings<br />

nicht alarmiert. Sie kritisieren<br />

schon länger die Qualität der Beratungsprotokolle<br />

und hoffen im Zuge<br />

der EU-Vorgaben auf künftig präzisere<br />

Angaben der Banken vor Wertpapiergeschäften.<br />

„Beim Beratungsprotokoll bekommt<br />

das Kind lediglich einen<br />

anderen Namen.“<br />

Sparkassenverband<br />

Beratungsprotokolle wurden<br />

2010 eingeführt – vor allem<br />

in Folge der Lehman-Pleite.<br />

Verbraucher erhalten seither<br />

bei einer Anlageberatung zu<br />

Wertpapieren Produktinformationsblätter<br />

mit klaren Aussagen über Rendite, Risiko<br />

und Kosten. Das Bankprotokoll soll<br />

also vor Fehlberatungen<br />

schützen<br />

und die Position<br />

des Bankkunden<br />

stärken, indem er<br />

seine Anlageent-<br />

Seit 2010 muss bei Geldanlagen die Beratung protokolliert werden. Banken und Kunden kritisieren häufig den bürokratischen Aufwand. Jetzt sind Änderungen<br />

im Gespräch. Ob die Protokollierung dadurch einfach wird, ist allerdings offen.<br />

Foto: colourbox.de<br />

scheidung auch<br />

auf die schriftliche<br />

Zusammenfassung<br />

des Beratungsgespräches<br />

stützen kann.<br />

Zudem sollen Kunden etwas in der Hand<br />

haben, um im Zweifel vor Gericht beweisen<br />

zu können, wie die Beratung erfolgte.<br />

Sie können das Beratungsprotokoll als<br />

Beweismittel einsetzen, sollte es zu<br />

einem Schadensersatzprozess wegen<br />

Falschberatung kommen. Die Kreditwirtschaft<br />

kritisiert die Protokolle schon seit<br />

langer Zeit als bürokratisch, ohne dass<br />

Verbraucher davon einen größeren Nutzen<br />

hätten.<br />

Künftig soll eine Erklärung über die „Geeignetheit“<br />

der Empfehlung vor Abschluss<br />

des Wertpapiergeschäfts „die erbrachte<br />

Beratung nennen sowie erläutern,<br />

wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele<br />

und die sonstigen Merkmale des<br />

Kunden abgestimmt wurde“. Sie muss<br />

Kunden auf einem dauerhaften Datenträger<br />

bereitgestellt werden. Die geplante<br />

Abschaffung der Beratungsprotokolle<br />

wird in dem weit über 200 Seiten umfassenden<br />

Entwurf begründet mit den „nunmehr<br />

europaweit einheitlichen Aufzeichnungs-<br />

und Protokollierungspflichten“,<br />

die Protokolle überflüssig machten.<br />

Diese EU-Vorgaben (MiFid II) werden mit<br />

dem Finanzmarktnovellierungsgesetz in<br />

deutsches Recht umgesetzt. Nach Darstellung<br />

der deutschen Finanzaufsicht<br />

Bafin hat die neue EU-Richtlinie den Gedanken<br />

des Beratungsprotokolls aufgegriffen.<br />

Der Inhalt dieser Erklärung entspreche<br />

im Wesentlichen den Inhalten<br />

des Beratungsprotokolls: „Teilweise geht<br />

er sogar darüber hinaus, insbesondere<br />

bei den Ausführungen zur Geeignetheit<br />

der Empfehlung.“<br />

Beim Bundesverband der Verbraucherzentralen<br />

(vzbv) ist man angesichts der<br />

Pläne „relativ ruhig“. Beratungsprotokolle<br />

hätten ihren Zweck nicht erfüllt, weil<br />

sie in der Praxis oft unpräzise gefasst gewesen<br />

seien. „Es liegt eine Chance darin“,<br />

sagte vzbv-Expertin Dorothea Mohn.<br />

Dies komme aber auf die Umsetzung an.<br />

Banken dürfe kein Spielraum für Ungenauigkeiten<br />

gewährt werden.<br />

Der Sparkassenverband erklärte, „beim<br />

Beratungsprotokoll bekommt das Kind<br />

lediglich einen anderen Namen“. Erleichterungen<br />

seien nicht zu erkennen. Es sollten<br />

die Erfahrungen aus der Praxis berücksichtigt<br />

werden, etwa in bestimmten<br />

Fällen auf ein Protokoll zu verzichten.<br />

Eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums<br />

vom vergangenen Jahr hatte<br />

ergeben, dass die meisten Beratungsprotokolle<br />

den Anlegern nichts bringen.<br />

In der Praxis laufe vieles nicht so, wie der<br />

Gesetzgeber sich das erhofft habe, da<br />

Protokolle gar nicht oder nur unvollständig<br />

angefertigt würden, hieß es seinerzeit.<br />

Auch Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag<br />

von 2013 vereinbart, die<br />

„Zweckmäßigkeit und die Verständlichkeit<br />

von Produktinformationsblättern<br />

und Beratungsprotokollen“ im Finanzbereich<br />

regelmäßig zu überprüfen. dpa<br />

Wieder mehr Firmenpleiten<br />

Wirtschaftsauskunftei verzeichnet für das erste Halbjahr noch Rückgang um 4,4 Prozent<br />

Blick mit der Lupe auf den Insolvenzbeschluss eines Amtsgerichts<br />

Foto: dpa/Oliver Berg<br />

Im Juli 2015 meldeten die deutschen<br />

Amtsgerichte 2187 Unternehmensinsolvenzen.<br />

Das waren nach aktuellen<br />

Angaben des Statistischen Bundesamtes<br />

(Destatis) 3,6 Prozent<br />

mehr als im Juli 2014. Insgesamt<br />

aber beobachteten die Experten im<br />

ersten Halbjahr 2015 noch einen<br />

Rückgang gegenüber dem Vorjahr.<br />

Die Wirtschaftsauskunftei Bürgel berichtet<br />

in einer Studie „Firmeninsolvenzen<br />

1. Halbjahr 2015“, dass die<br />

Zahl der Firmenpleiten im Jahresvergleich<br />

4,4 Prozent niedriger lag.<br />

Doch die Tendenz ist steigend.<br />

Im Juni 2015 hatte es nach Feststellungen<br />

des Statistischen Bundesamtes<br />

einen deutlichen Anstieg<br />

der Unternehmensinsolvenzen<br />

gegenüber dem entsprechenden<br />

Vorjahresmonat (plus 11,2 Prozent ) gegeben.<br />

Davor waren seit November 2012<br />

mit Ausnahme von September 2014 (plus<br />

2,7 Prozent), Dezember 2014 (plus 8,1<br />

Prozent) und März 2015 (plus 2,1 Prozent)<br />

jeweils Rückgänge der Unternehmensinsolvenzen<br />

im Vergleich zum entsprechenden<br />

Vorjahresmonat registriert<br />

worden.<br />

Der Wirtschaftsbereich Handel (einschließlich<br />

Instandhaltung und Reparatur<br />

von Kraftwagen) war mit 417 Fällen<br />

am häufigsten von Unternehmensinsolvenzen<br />

betroffen. 350 Insolvenzanträge<br />

stellten Unternehmen des Baugewerbes.<br />

Im Wirtschaftsbereich Erbringung von<br />

freiberuflichen, wissenschaftlichen und<br />

technischen Dienstleistungen gab es 272<br />

Insolvenzanträge.<br />

Die voraussichtlichen offenen Forderungen<br />

der Gläubiger aus beantragten Unternehmensinsolvenzen<br />

beliefen sich nach<br />

Angaben der Amtsgerichte im Juli 2015<br />

auf rund 1,4 Milliarden Euro. Im Juli<br />

2014 hatten sie bei 2,3 Milliarden Euro<br />

gelegen. Der Rückgang der Forderungen<br />

bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl der<br />

Unternehmensinsolvenzen ist darauf zurückzuführen,<br />

dass die Gerichte im Juli<br />

2014 mehr Insolvenzen von wirtschaftlich<br />

bedeutenden Unternehmen registriert<br />

hatten als im Juli 2015.<br />

Zusätzlich zu den Unternehmensinsolvenzen<br />

meldeten 9058 übrige Schuldner<br />

im Juli 2015 Insolvenz an (minus 12,6<br />

Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat).<br />

Darunter waren 6927 Insolvenzanträge<br />

von Verbrauchern und 1821 Insolvenzanträge<br />

von ehemals selbstständig<br />

Tätigen, die ein Regel- beziehungsweise<br />

ein Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

durchlaufen.<br />

Die vollständige Information mit Tabellen<br />

sowie sind im Internet-Angebot des<br />

Statistischen Bundesamtes unter<br />

www.destatis.de zu finden.<br />

„Einen Anstieg der Firmeninsolvenzen<br />

auf Jahressicht können wir nicht mehr<br />

komplett ausschließen. Ende des 1. Quartals<br />

gingen wir von bis zu 23000 Firmeninsolvenzen<br />

aus. Diese Prognose können<br />

wir nicht mehr halten. Aktuell rechnen<br />

wir mit bis zu 23700 Insolvenzen“, so<br />

Bürgel-Geschäftsführer Dr. Norbert Sellin.<br />

Vor allem im zweiten Quartal habe<br />

sich das Insolvenzgeschehen in Deutschland<br />

wieder eingetrübt.

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