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zds#11

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Methadon<br />

mit kind<br />

26<br />

tens mal ein paar Stunden frei haben, dass ich<br />

eine Tagesmutter bekomme oder so.<br />

zds Hattest du als Methadonsubstituierte nicht<br />

in der Schwangerschaft schon Unterstützung?<br />

anna Nee, ich war ja ganz niedrig dosiert damals,<br />

da brauchte ich das nicht. Nach der Geburt<br />

dachte ich auch erst, ich krieg alles gebacken.<br />

Erst als ich dann alleine war mit dem Kind,<br />

hab ich gemerkt… der hing auch immer an meinem<br />

Bein.<br />

zds Du bist also zum Jugendamt gegangen.<br />

anna Ja. Aber das war noch vor „Kevin“. Da<br />

war da eigentlich immer die Tür zu und der Anrufbeantworter<br />

gar nicht an.<br />

zds Irgendwann hat’s dann doch noch geklappt.<br />

anna Zwei, drei Mal die Woche für ein paar Stunden<br />

konnte ich ihn dann zu einer Tagesmutter bringen<br />

und am Ende jeden Vormittag. Die haben sich<br />

auch Mühe gegeben. Und später, als mein Sohn in<br />

den Kindergarten kam, waren sie auch sehr nett:<br />

Obwohl ich ja nicht arbeitete, durfte er bis zwei<br />

Uhr dortbleiben. So hatte ich den Vormittag für<br />

mich.<br />

zds Hattest du einen Ansprechpartner in Erziehungsfragen?<br />

anna Zunächst nicht. Erst als das mit Kevin passiert<br />

ist, 2006, da war auf einmal Alarm. Dann<br />

kamen sie auch gleich mit vier Leuten vom Jugendamt<br />

und Erziehungshelfern. Ich war voll verängstigt.<br />

Ab dann hab ich auch Erziehungshilfe<br />

bekommen.<br />

zds Hast du das eher als Hilfe oder als Bevormundung<br />

wahrgenommen?<br />

anna Klar war so eine Art Kontrolle dabei. Aber<br />

das hab ich zumindest am Anfang nicht so doll<br />

empfunden. Und manchmal war’s auch ganz schön,<br />

jemanden zu haben, der kam und den man mal<br />

was fragen konnte. Auch solche Sachen wie Kindergeburtstag<br />

organisieren – das hätte ich mir alleine<br />

nicht zugetraut. Die Sozialarbeiter, die kamen,<br />

haben aber öfter gewechselt. Das war mir<br />

irgendwann zu viel: Jedes Mal wieder von vorne<br />

erzählen. Beim Letzten hatte ich das Gefühl, er<br />

nimmt mir das übel. Der kam einmal die Woche.<br />

Eine Frau war länger da, so zwei, drei Jahre.<br />

zds Wenn der oder die Sozialarbeiterin da war:<br />

Habt ihr dann alle zusammen was unternommen?<br />

anna Bei schlechtem Wetter sind sie bei mir<br />

geblieben, sonst haben sie meinen Sohn meistens<br />

wohin mitgenommen oder eben, wie beim<br />

Kindergeburtstag, mitgeholfen. Zu Zahnarztterminen<br />

oder so sind wir, zu dritt, mit dem Auto.<br />

zds Haben die Erziehungshelfer dir Vorschriften<br />

gemacht?<br />

anna Das war jetzt nicht so, dass sie ständig<br />

am Belehren waren. Mehr so, dass wir zusammen<br />

überlegt haben: Wie könnte man sich jetzt<br />

verhalten? Nur in Bezug auf mein Drogenproblem<br />

und so meinten sie immer, dass mein Kind<br />

schon mehr darüber wissen sollte. Aber ich wollte<br />

das nicht: Reicht doch, wenn er weiß, dass<br />

Rauchen ungesund ist und Trinken. ’Ne Zeit lang<br />

hatte er in der Schule auch so ein paar Probleme,<br />

ist richtig ausgeflippt. Die Erziehungshelfer<br />

dachten, das läge an mir. Später hat sich rausgestellt,<br />

dass Mitschüler ihn gemobbt haben und<br />

solche Sachen.<br />

zds Du hattest immer mehr das Gefühl, kontrolliert<br />

zu werden?<br />

anna Irgendwann kam der Punkt, wo ich dachte,<br />

dass die Erziehungshelferin an mir riecht, um<br />

zu gucken, ob ich was getrunken hab. Oder sie<br />

ist dann abends zu mir gekommen – damit ich<br />

nichts trinke.<br />

zds Hattest du noch Kontakt zum Vater des<br />

Kindes?<br />

anna Während er im Gefängnis saß nicht. Danach<br />

war er aber oft hier. Ich musste ihn rausschmeißen.<br />

Aber ich hatte Schiss. Ich hatte immer<br />

viele Leute hier, damit er keinen Stress macht.<br />

zds Hatten deine Freundinnen und Freunde<br />

auch Drogenhintergründe?<br />

anna Jetzt nicht unbedingt Heroin. Die einen<br />

trinken ganz gerne ein Bier, die anderen kiffen<br />

ganz gerne. Nach und nach hatte ich aber immer<br />

weniger mit ihnen zu tun. Nur, so ganz normale<br />

Menschen lernt man in meiner Situation auch<br />

nicht kennen: Die Leute von früher haben alle<br />

Vorurteile. Dann bin ich auch noch krank geworden,<br />

Krebs. Zeitweise konnte ich gar nicht aus<br />

dem Haus.<br />

zds Und jetzt?<br />

anna Das Einzige, was ich mache, ist mal so auf<br />

Konzerte gehen. Und sonst, Kneipen oder so<br />

was – ich darf ja nichts trinken! Die Leute können<br />

doch mit mir nichts anfangen, wenn ich so<br />

völlig klar… die gucken einen an und merken sofort,<br />

da stimmt doch was nicht, und dann gehen<br />

sie ’nen Schritt weiter.<br />

zds Dein Sohn wohnt eine Weile schon nicht<br />

mehr bei dir. Warum?<br />

anna Über Silvester hatte ich mal frei, der Junge<br />

war bei seinem Vater. Ich war im Steintor, hab<br />

in ’ner Kneipe durchgemacht. Da hat mich ein Erziehungshelfer<br />

durch die Scheibe gesehen. Der<br />

war der Meinung, ich hätte total schlimm aus-<br />

gesehen, hätte gezittert und so. Dabei hab ich<br />

bloß gefroren.

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