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nKUNST UND KULTUR<br />

40<br />

Wehmut unterm Sonnenschirm<br />

Von Britta Lübbers | Die Gäste<br />

sitzen dicht an dicht im kleinen<br />

Spielraum des Palais Rastede,<br />

nur wenige Schritte von der<br />

noch dunklen Bühne entfernt.<br />

Die Bernhardt kommt herein,<br />

sie geht am Stock und hinkt.<br />

Ihr golden schimmerndes Kleid<br />

erinnert an die Samtvorhänge<br />

bürgerlicher Salons in der Belle<br />

Époque. Sie stellt das krächzende<br />

Grammofon an und hält<br />

ihr Gesicht dem jetzt leucht-<br />

26. November 2015<br />

Die Tragik-Komödie „Memoiren der Sarah Bernhardt“ hatte Anfang November Premiere im Theater Orlando. Die alternde<br />

Primadonna ist eine Paraderolle für Sylvia Meining. Ulf Goerges glänzt als ihr devoter Privatsekretär Goerges Pitou.<br />

enden Bühnenschweinwerfer<br />

entgegen. Er steht für die Sonne,<br />

und mit der Sonne liegt die<br />

Bernhardt an diesem heißen<br />

Augusttag irgendwo am Meer<br />

ordentlich über Kreuz. Denn<br />

die Sonne wird eines Tages erlöschen.<br />

Wie aber soll dann ihr<br />

eigener, menschlicher Glanz<br />

überstehen?<br />

Sie quält sich zum Ohrensessel,<br />

der einem Thron gleicht<br />

und auf einem erhöhten Podest<br />

steht. Dieses Podest wird für die<br />

kommenden rund 80 Minuten<br />

ihre ganze Welt sein; eine schillernde<br />

Welt, die sie durchmisst,<br />

durchschreitet, durchhumpelt.<br />

Auf diesem winzigen Areal wird<br />

sie ein unglaubliches Leben<br />

Revue passieren lassen, das geprägt<br />

ist von Liebe, Lügen und<br />

Skandalen, von Eleganz und<br />

Ruhm – und von brausendem<br />

Applaus. Der klingt in ihr nach.<br />

Das tragisch-komische Stück<br />

von John Murell unter der Regie<br />

von Björn Kruse zeigt die berühmteste<br />

Schauspielerin aller<br />

Zeiten als verblühte Schönheit.<br />

Sie ringt mit ihrem Alter und<br />

der Endlichkeit. Sie möchte die<br />

Vergänglichkeit aufhalten und<br />

diktiert ihrem Privatsekretär<br />

Georges Pitou (den es tatsächlich<br />

gab) eine Biografie, die so<br />

Die Primadonna und ihr Sekretär: Sarah Bernhardt benutzt den armen Goerges Pitou als Stichwortgeber<br />

für die Rollen ihres Lebens | Foto: privat<br />

schillernd ist, dass niemand sie<br />

hätte erfinden können. Mit einer<br />

Ausnahme: sie selbst. Denn<br />

Sarah Bernhardt, die mühelos<br />

Männer und Frauen verzauberte,<br />

strickte lustvoll an ihrer eigenen<br />

Legende, und zwar so erfolgreich,<br />

dass der Schriftsteller<br />

Alexandre Dumas gesagt haben<br />

soll: „So genial wie sie lügt, ist<br />

sie in Wahrheit vielleicht dick.“<br />

Dick war sie nie, aber unglaublich<br />

exzentrisch. Sie trug<br />

eine tote Fledermaus am Hut<br />

und ließ sich lebend im Sarg<br />

ablichten. Ihre Extravaganz bekommt<br />

auch Pitou zu spüren.<br />

Sie nötigt ihn, in die Rollen jener<br />

zu schlüpfen, die ihr einst<br />

am Herzen lagen oder im Weg<br />

herumstanden – angefangen<br />

von der lieblosen Mutter, die<br />

das aufsässige Kind in eine<br />

bretonische Pflegefamilie und<br />

dann ins Kloster gab, bis hin zu<br />

ihren verflossenen Liebhabern.<br />

Pitou mag das Spiel nicht, windet<br />

sich, hasst die verordneten<br />

Rollenwechsel, aber die Bernhardt<br />

kennt kein Erbarmen. Sie<br />

zieht ihm die Jacke verkehrt herum<br />

an, setzt ihm ein Tischtuch<br />

auf – et voilà: Fertig ist die Mutter<br />

Oberin. „Sie erinnern mich<br />

an Tierchen, die man am Strand<br />

findet“, macht sie sich über den<br />

devoten Mann lustig. „Immer<br />

wenn ich Sie berühre, zucken<br />

Sie zusammen und wechseln<br />

die Farbe.“<br />

Sarah Bernhardt (1844-1923)<br />

gilt als der erste Weltstar der<br />

Geschichte. Sie verkörperte einen<br />

neuen, selbstbewussten<br />

Frauentyp, begeisterte als Kameliendame<br />

ebenso wie in ihrer<br />

Hosenrolle als Prinz Hamlet.<br />

„The Show must go on“, dieses<br />

Motto hätte von ihr sein können.<br />

Sie machte immer weiter, auch<br />

dann, als ihr nach einem Bühnenunfall<br />

das Bein amputiert<br />

werden musste.<br />

Sylvia Meining spielt die Diva<br />

in all ihren Facetten. Sie lässt<br />

sie träumen, zetern und zagen,<br />

bissig, spöttisch und verletzlich<br />

sein. Es ist ein großartiges<br />

Spiel über das Gelingen und<br />

das Scheitern, über Triumph und<br />

Niederlage, über die Wehmut<br />

des Alters und die Macht der<br />

Erinnerungen. Brillant tritt auch<br />

Ulf Goerges auf. Er gibt den gequälten,<br />

verzagten, verklemmten<br />

Pitou mit einer so zerknirschten<br />

Hingabe, dass man<br />

ihn in den Arm nehmen möchte.<br />

Berückend ist eine der letzten<br />

Szenen: Pitou soll in die Rolle<br />

von Oscar Wilde schlüpfen. Der<br />

größte Dandy unter den Dichtern<br />

war gerade aus der Haft<br />

entlassen worden, man hatte<br />

ihn wegen seiner Homosexualität<br />

ins Gefängnis geworfen.<br />

Jetzt treffen sich der gebrochene<br />

Wilde und die Bernhardt am<br />

Strand. Es ist eine leise Begegnung<br />

unter einem hellen Sonnenschirm.<br />

„Wir haben die Welt<br />

nicht besser gemacht, aber weiter“,<br />

sagt er. „Wird man sich an<br />

uns erinnern?“, fragt die Bernhardt.<br />

„Ich weiß es nicht, aber<br />

sie täten gut daran“, antwortet<br />

Wilde.<br />

Das Publikum erinnerte sich,<br />

tat gut daran, und applaudierte<br />

sehr lange.<br />

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