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I Palombari su Unterwasser

Reportage sugli ultimi palombari in Italia

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p REPORTAGE<br />

Helmtaucher<br />

Die letzten Helden<br />

Es gibt sie tatsächlich noch, die urtümlichen Taucher, die wie Relikte<br />

aus einer längst vergangenen Zeit mit Kupferhelmen auf dem Kopf und<br />

Bleischuhen an den Füßen über den Meeresgrund spazieren. Im italienischen<br />

La Spezia kann man sie bei ihrer erstaunlichen Arbeit beobachten.<br />

Text: Roberta Roccati / Laura Struck · Fotos: Francesco Rastrelli<br />

E<br />

s gibt Worte, die dunkle und mysteriöse<br />

Welten heraufbeschwören, die von heroischen<br />

Taten munkeln und fantastische<br />

Bilder zeichnen. Das Wort »Helmtauchen«<br />

ist sicher eines von ihnen. Es weckt Assoziationen<br />

an unkenntlich verhüllte Froschmänner,<br />

die mit unförmigen Helmen in die<br />

Meerestiefe steigen und verwegene Abenteurer<br />

erleben. Solch geheimnisvolle Expeditionen<br />

hat schon Jules Vernes in »2000 Meilen<br />

unter dem Meer« ausgemalt. Doch die<br />

Realität ist weit weniger abenteuerlich, statt<br />

dem letzten großen Abenteuer ist das Helmtauchen<br />

harte Arbeit.<br />

Das Helmtauchen ist eine alte Profession.<br />

Die ersten relativ primitiven Entwürfe einer<br />

Helmtaucherausrüstung gehen auf Leonardo<br />

da Vinci zurück. Er wollte schon um<br />

1500 mit seinem Tauchanzug, der aus wasserdichtem<br />

Schweineleder bestand, die Versenkung<br />

der türkischen Kriegsflotte ermöglichen.<br />

Ob seine Konstruktion erfolgreich war,<br />

ist nicht überliefert. Über Jahrhunderte ist<br />

das einzige funktionierende Tauchgerät die<br />

Taucherglocke. Erst in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts entwickelt sich das Tauchen<br />

beträchtlich weiter. Das Equipment wurde<br />

verbessert und wissenschaftliche Unter<strong>su</strong>chungen<br />

brachten Erkenntnisse über die Reaktionen<br />

des menschlichen Körpers in der<br />

Tiefe. Zu dieser Zeit kommen Helmtaucher in<br />

verschiedenen Bereichen zum Einsatz. Sie arbeiten<br />

zum Beispiel bei Bergungen von Schiffwracks<br />

und bei der Erbauung von Häfen und<br />

Docks. Und nicht nur da Vinci hat die militärischen<br />

Möglichkeiten der Taucher erkannt:<br />

<strong>Unterwasser</strong>einheiten führen bis heute eine<br />

Fülle von Aufgaben aus: von der Bergung<br />

ver<strong>su</strong>nkener Bomben bis hin zur Errichtung<br />

von Hafenanlagen. Gemeinsam ist allen<br />

diesen Einsätzen ihr hoher Preis, bezahlt<br />

in Form von menschlichem Leben, entrichtet<br />

von den Tauchern.<br />

So ist die Geschichte des Helmtauchens<br />

voll von aufregenden Episoden und außergewöhnlichen<br />

Menschen, die ihr bis heute die<br />

Aura eines heldenhaften Abenteuers verleihen.<br />

Spüren kann man diese Aura noch heute,<br />

wenn man den Helmtaucher-Veteranen<br />

von La Spezia in Ligurien begegnet.<br />

Aufrecht auf dem Meeresgrund<br />

Einer dieser letzten Helden der Tiefe ist<br />

Mario Garzia, der 2012 Hundert Jahre alt geworden<br />

ist. All diese Jahre scheinen bei ihm<br />

jedoch kaum Spuren hinterlassen zu haben.<br />

Glücklich erzählt er, dass er erst kürzlich ein<br />

altes Beiboot geborgen und repariert hat –<br />

mit diesem Boot will er jetzt noch einmal<br />

aufs Meer fahren. Ein anderer Tauchvete- c<br />

Maurizio Lomaglio beim Einrichten einer sogenannten »Kielpalle«, dem Unterbau aus Beton und Holz,<br />

auf dem ein Schiff nach dem Abpumpen des Wassers im Dock auf dem Trockenen liegt.<br />

Die Veteranen Mario Garzia, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden ist, und Luciano Rosa, Spitzname<br />

»Maneghetta!« (Schlauch), präsentieren Flügelmutterschlüssel, mit denen ihre Helme verschraubt wurden.<br />

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p REPORTAGE<br />

Helmtaucher<br />

Von umgedrehten Kesseln und Kupferhelmen<br />

Seit Ewigkeiten bemüht sich der Mensch, in die<br />

Tiefen des Ozeans vorzudringen. Bereits im Jahr<br />

500 vor Christus soll der Grieche Scyllias nach<br />

ver<strong>su</strong>nkenen Schiffen getaucht sein, um wertvolle<br />

Ladung zu bergen. Schenkt man den Geschichtsschreibern<br />

Glauben, benutzte er dabei<br />

einen umgedrehten Kessel als Luftreservoir.<br />

Auch Aristoteles und Alexander der Große benutzten<br />

angeblich kuriose Tauchkapseln, um die<br />

Geheimnisse des Meeres zu ergründen. Tatsächlich<br />

gefunden haben die neugierigen Forscher<br />

dann meist nur den Tod: Sie ertranken wegen<br />

der vielen Mängel der unausgereiften Technik.<br />

Über Jahrhunderte waren Taucherglocken die<br />

einzige Möglichkeit, Menschen unter Wasser zu<br />

schicken. Tatsächlich sollte es bis 1824 dauern,<br />

bis das erste effiziente Tauchequipment hergestellt<br />

wird: Die Deane Brothers fertigten in Großbritannien<br />

den ersten funktionsfähigen Tauchhelm.<br />

1844 folgten ähnliche Konstruktionen von<br />

Firmen wie Siebe, Heinke oder Cabriol. Interessanterweise<br />

waren viele der Erfindungen, die<br />

das Tauchen voranbrachten, ursprünglich für<br />

Feuerwehrmänner gedacht. In der Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts begannen die Firmen Siebe-Gormann<br />

und Rouquayrol & Denayrouze schließlich<br />

Ausrüstung zu produzieren, die aus einem Kupferhelm,<br />

einem flexiblen Gummianzug und Bleischuhen<br />

bestand. Dieses Equipment ist praktisch<br />

identisch mit dem, das auch heute von den<br />

Helmtauchern benutzt wird.<br />

ran ist der 83-jährige Luciano Rosa, Spitzname<br />

»Maneghetta« (Schlauch). Er führte ein<br />

Leben in den Tiefen der Ozeane: Angefangen<br />

mit seiner Arbeit hat er im Hafen von La<br />

Spezia, dann ging es weiter nach Suez, wo er<br />

ge<strong>su</strong>nkene Kriegsschiffe barg, und schließlich<br />

führte sein Weg ihn zurück in die ligurische<br />

See, um Seeigel als Delikatesse für die<br />

Restaurants in Versilia zu sammeln.<br />

Heute hat sich das Gesicht des Tauchens<br />

verändert, simple Technik und Ausrüstung<br />

ermöglichen fast jedem einen Abstieg in das<br />

unbekannte Blau und erleichtern Profis ihre<br />

Arbeit. Traditionelle Taucher, mit ihren<br />

stabilen Anzügen, den Bleischuhen und den<br />

massigen Kupferhelmen sind deshalb zu einer<br />

vom Aussterben bedrohten Spezies geworden.<br />

In ganz Italien gibt es beispielsweise<br />

nur noch ein gutes Dutzend von ihnen: Männer<br />

die nicht austariert im Wasser schwimmen,<br />

sondern die aufrecht über den Meeresgrund<br />

spazieren, sich mit kleinen Sprüngen<br />

fast wie Tänzer bewegen und diese schwierige<br />

Arbeit aus einer vergangenen Zeit geradezu<br />

mühelos erscheinen lassen. Beobachten<br />

kann man sie in La Spezia, der Stadt, die<br />

seit Jahrhunderten eng mit der Seefahrt und<br />

dem Helmtauchen verbunden ist. Noch heute<br />

befindet sich hier das operative Zentrum<br />

der italienischen Marine, mit einem Flottenstützpunkt,<br />

Waffendepots und den Trockendocks.<br />

Hier findet man auch Luciano Conte<br />

(1962 geboren in La Spezia) und Maurizio<br />

Lomaglio (1978 in Brindisi geboren). Beide<br />

gehören zum Zivilpersonal der italienischen<br />

Marine. Sie sind die letzten beiden Helmtaucher,<br />

die noch im offiziellen Dienst stehen.<br />

Luciano arbeitet seit 2004 in den Docks von<br />

La Spezia, nachdem er 1984 während seines<br />

Militärdiensts bei der Marine den Suez-Kanal<br />

von Minen befreit hat. Maurizio arbeitet<br />

seit Mitte der 90er im Hafen.<br />

Es gibt sechs Docks im Marinearsenal in La<br />

Spezia: vier normale Trockendocks und zwei,<br />

die im Hafen schwimmen. Hier ist immer<br />

viel zu tun für die beiden Helmtaucher. c<br />

Grobe Anzüge und rote Mützen:<br />

Maurizio Lomaglio (li.) und Luciano<br />

Conte (re.) bei der Vorbereitung<br />

zum Tauchgang. Die roten<br />

Mützen schützen vor der Kälte der<br />

in den Helm strömenden Luft und<br />

polstern den Kopf, denn das Luftein-<br />

und Auslass-Ventil im inneren<br />

des Helms wird mit dem Kopf<br />

bedient. Der Helmkragen wird<br />

fest mit dem Anzug verschraubt.<br />

Für den festen Sitz sorgen die archaisch<br />

anmutenden Flügelmuttern.<br />

Weder An- noch Ablegen der<br />

Ausrüstung sind ohne Hilfe möglich.<br />

Der Helmtaucher ist auf seine<br />

Hilfsmannschaft angewiesen.<br />

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12/12 u · 75


p REPORTAGE<br />

Helmtaucher<br />

Eines der Trockendocks<br />

von La Spezia. Die Form<br />

der Schiffsrümpfe ist stets<br />

unterschiedlich. Für jedes<br />

Schiff, das ins Dock einläuft,<br />

muss ein speziell<br />

angepasster Unterbau konstruiert<br />

werden. Die Helmtaucher<br />

haben dabei eine<br />

wesentlich bessere Standfestigkeit<br />

als ihre Kollegen<br />

mit Leichttauchgerät.<br />

Sie spielen eine entscheidende Rolle, wenn<br />

Schiffe für Wartungsarbeiten andocken. Zum<br />

Beispiel die historischen Marine-Schul-Schiffe<br />

Amerigo Vespucci und die Palinuro.<br />

Bevor sie jedoch mit ihrer Arbeit in den<br />

Docks beginnen, müssen sich die Helmtaucher<br />

allmorgendlich dem komplexen und<br />

langwierigen Anzieh-Prozedere stellen. Zuerst<br />

bewehren sie sich mit Handschuhen,<br />

Gürtel und der typischen roten Mütze. Die<br />

wird anschließend noch zum Gruß der »San<br />

Bacino« gelupft, ein kleines, buntes Relief einer<br />

betenden Maria, die Luciano und Maurizio<br />

bei ihrer riskanten Arbeit beschützen<br />

soll. Dann kommt ein irdischer Schutzgeist<br />

der Helmtaucher dazu: Ein Helfer assistiert<br />

beim Anziehen des schweren Anzugs. Dann<br />

hilft er ihnen in die Bleischuhe, den Helm<br />

und den Halsabschluss und schließlich legt<br />

er den Tauchern die Zusatzgewichte an, die<br />

zusammen fast 80 Kilo schwer sind. Anschließend<br />

prüft der Taucher-Helfer, ob alles wasserdicht<br />

verbunden ist und schließt zuletzt<br />

den Luftschlauch und die Leine an, über die<br />

später Werkzeuge weitergegeben werden. Den<br />

Helfern an der Oberfläche müssen Luciano<br />

und Maurizio voll vertrauen, sie sind noch<br />

wichtiger als die Gegensprechanlage zwischen<br />

Boot und Helm oder die Gesten zur Verständigung<br />

unter Wasser, die sie über die Jahre<br />

entwickelt haben.<br />

Bald sehen die beiden aus wie Relikte aus<br />

einer längst vergangenen Zeit und sind bereit,<br />

in das grüne Wasser des Docks heruntergelassen<br />

zu werden. Der Abstieg wird mit<br />

erprobten Bewegungen des Kopfes innerhalb<br />

des Helmes reguliert. Mit Hebeln können die<br />

Taucher den Luftstrom erhöhen oder Luft<br />

ablassen, um sich zu tarieren.<br />

Unter Wasser müssen die beiden dafür<br />

sorgen, dass die Schiffe perfekt im Dock landen,<br />

bevor es trockengelegt wird. Dafür muss<br />

der Rumpf vollkommen in der Mitte stehen<br />

und längs und quer den gleichen Abstand zu<br />

den Dockmauern haben. Ist dies geschafft,<br />

muss das Schiff stabil zum Stehen gebracht,<br />

und am Schluss mit den Kielblöcken ab- c<br />

Die Konstruktion des Helmes<br />

Die Firma Galeazzi in La Spezia hat mit der Produktion<br />

der Taucherhelme in den 1930ern angefangen.<br />

Sie ist heute die einzige Firma in Europa,<br />

die noch traditionelles Tauchequipment<br />

herstellt. Giancarlo Bartoli erklärt, wie die Helme<br />

hergestellt werden: »Die Grundmaterialien für<br />

die Helme sind Kupfer und Bronze, denn diese<br />

Metalle sind flexibel, einfach zu schweißen und<br />

sie rosten kaum. Der Helm besteht aus zwei Teilen.<br />

Zum einen gibt es den Helm an sich und<br />

zum anderen den Halsabschluss, der mit dem<br />

wasserdichten Anzug und dem Helm verbunden<br />

wird. Er wird verschraubt, wenn der Taucher<br />

komplett angezogen ist.« Der Helm und<br />

der Halsabschluss werden aus Kupferteilen gefertigt,<br />

die von Hand beschlagen werden. »Ist<br />

die Grundform fertig«, erläutert Bartoli, »werden<br />

Verbindungsringe an den Helm und an das<br />

Nackenstück gelötet. Als nächstes werden die<br />

Öffnungen im Helm und am Halsabschluss gemacht,<br />

die dann später die Seitenfenster, das<br />

frontale Bullauge und die Ventile aufnehmen.«<br />

Schließlich werden alle Teile mit Kupfernietnägeln<br />

verbunden und von innen und außen gegen<br />

das Wasser gedichtet. Im letzten Schritt<br />

werden die Lederdichtungen im Nacken und<br />

am Bullauge eingefettet und eingebracht, dann<br />

kann der Helm an das Halsstück angeschraubt<br />

werden. »Am Schluss kommt dann der spannendste<br />

Teil, die Probe aufs Exempel: Wir hängen<br />

den fertigen Helm verkehrt herum auf einen<br />

Ständer und füllen ihn mit Wasser: tropft<br />

nichts raus, gibt es kein Leck und der Tauchhelm<br />

ist bereit für den Einsatz.«<br />

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p REPORTAGE<br />

Helmtaucher<br />

Maurizio Lomaglio zeigt<br />

einen Überzieh-Anzug ,<br />

der seinen Tauchanzug vor<br />

Beschädigungen schützt.<br />

Der Helmtauch-Veteran<br />

Luciano Rosa begann als<br />

Helmtaucher im Hafen von<br />

La Spezia und half in den<br />

1950er Jahren im Suez-<br />

Kanal, versenkte Kriegsschiffe<br />

zu bergen.<br />

Alter Helm mit neuem Anzug:<br />

Bei vielen Einsätzen<br />

verwenden die Helmtaucher<br />

inzwischen moderne<br />

Anzüge, doch ihre Helme<br />

gleichen den Modellen aus<br />

dem 19. Jahrhundert.<br />

Rechts: Luciano Conte<br />

und Maurizio Lomaglio<br />

im Trockendock neben<br />

einem von ihnen konstruierten<br />

Bohlen-Unterbau,<br />

der »Kielpalle« und den<br />

seitlichen Stützen, den<br />

»Kimmpallen«.<br />

gestützt werden. Was sich simpel anhört, ist<br />

ein heikles und verantwortungsvolles Unternehmen,<br />

das von den Männern mit millimetergenauer<br />

Präzision ausgeführt werden<br />

muss. Die ganze Prozedur dauert drei bis vier<br />

Stunden und findet unter extrem schwierigen<br />

und ermüdenden Bedingungen statt.<br />

Bei nahezu null Sicht müssen die massiven<br />

Holzblöcke in Position gebracht werden. Beendet<br />

wird der Vorgang durch einen kurzen<br />

Befehl, den die Taucher an die Oberfläche<br />

senden: »Leert das Dock!« Dann werden die<br />

Pumpen angeworfen und die Wassermassen<br />

fließen langsam ab - das majestätische Schiff<br />

steht auf dem Trockenen.<br />

Maurizio und Luciano verlassen sich bei<br />

ihrer Arbeit auf Equipment aus dem 19. Jahrhundert.<br />

Die recht traditionelle Ausführung<br />

ist kein Anachronismus, sondern schlicht<br />

Notwendigkeit. Aber warum arbeiten die traditionellen<br />

Helmtaucher überhaupt noch in<br />

den Trockendocks und keine modern ausgerüsteten<br />

Tauchprofis? Tatsächlich ist es eben<br />

diese »veraltete« Ausrüstung, die sie zu den<br />

perfekten Arbeitern in den Docks macht. Genau<br />

dieses schwere und sperrige Gerät gibt<br />

den ungelenken Helmtauchern eine unvergleichliche<br />

Stabilität, Präzision und Standkraft<br />

unter Wasser, die ein Taucher mit modernem<br />

Equipment nie erreichen kann.<br />

Beruf und Berufung<br />

Ihre einzigartige Standfestigkeit bekommen<br />

die Helmtaucher jedoch nicht einfach<br />

in die Wiege gelegt: sie ist das Ergebnis jahrelangen<br />

Trainings und Übungen. Dass man<br />

sich die Fähigkeiten in so mühevoller Arbeit<br />

aneignen muss, bedeutet auch gleichzeitig<br />

den Untergang für diesen alten Berufszweig.<br />

Denn während praktisch jeder zum modernen<br />

»Sporttaucher« werden kann, reicht das<br />

Prestige des traditionellen Sektors kaum noch<br />

aus, um eine neue Generation Helmtaucher<br />

hervorzubringen.<br />

Noch gibt es sie aber, die Helmtaucher,<br />

und so sprechen Maurizio und Luciano nach<br />

einem langen Tag über ihre außergewöhnliche<br />

Arbeit. Sie beschreiben das tiefe Band<br />

zu ihrer Beschäftigung, eine Leidenschaft,<br />

die weit über ihre bescheidenen Lohntüten<br />

hinausgeht, oder über ihren Stolz, eine alte<br />

Tradition fortzuführen. Sie erzählen von<br />

ihren eigentlich unbeschreiblichen Gefühlen<br />

unter Wasser. »Du bist weit weg von allen<br />

Geräuschen und normalen Bildern. Es ist<br />

irgendwie eine <strong>su</strong>rreale Welt, die für normale<br />

Menschen unzugänglich ist. Wir tauchen<br />

immer mit einer guten Portion Risiko und<br />

wir kennen unsere große Verantwortung. Es<br />

ist nicht leicht, aber man ist geneigt, sich besonders<br />

zu fühlen.«<br />

c<br />

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12/12 u · 79


p REPORTAGE<br />

Hilfe von unten und von oben: Schon das Anziehen<br />

der Ausrüstung ist nicht allein möglich – die<br />

Helmtaucher verlassen sich auf ihre Helfer. Bei der<br />

Schwerstarbeit unter Wasser sind meist zwei Taucher<br />

im Team im Einsatz.<br />

Bevor der Helm angelegt wird, bitten die Taucher<br />

um göttlichen Beistand. Sie ziehen ihre Mützen vor<br />

einem Relief der betenden Maria: dem »San Bacino«.<br />

Die Einzigartigkeit ihres Berufs wird auch<br />

in den Geschichten der beiden Italiener deutlich:<br />

kuriose und gefährliche Anekdoten, die<br />

beide mit großer Hingabe und blitzenden<br />

Augen erzählen. So beschreibt Luciano einen<br />

hässlichen Unfall, bei dem ihm seine<br />

Armmanschette riss und der Anzug sich mit<br />

Wasser füllte. Oder er lächelt und schildert<br />

den grotesken Fang eines vier Kilo schweren<br />

Oktopus, der an ihm klebte wie ein riesiges,<br />

schwabbeliges Heftpflaster.<br />

Unglücklicherweise kann er auch von zwei<br />

Unfällen während seines Diensts berichten,<br />

die mit schweren Embolien und Komplikationen<br />

einhergingen. Beide mussten in einer<br />

Dekompressionskammer behandelt werden.<br />

Aber trotz dieser Vorkommnisse, so erzählt er,<br />

war ein anderes Erlebnis viel beängstigender:<br />

»Das war bei einem Nachttauchgang während<br />

einer Schulung. Ich lief unter Wasser in absoluter<br />

Dunkelheit an einer schweren Kette<br />

entlang, als ich plötzlich ohne Vorwarnung in<br />

einen anderen Auszubildenden krachte. Der<br />

war aus der anderen Richtung gekommen<br />

und ich hatte ihn überhaupt nicht kommen<br />

sehen. Das war vielleicht gruselig!«<br />

Bei diesen Gesprächen kann man letztlich<br />

einen kurzen Einblick in die Männer und ihre<br />

Fähigkeiten bekommen. Wenn sie reden und<br />

gestikulieren, erkennt man Hingabe und Leidenschaft,<br />

ihre ausdruckstarken Gesichter zeugen<br />

sowohl von täglichem Risiko, als auch von<br />

außergewöhnlichen Eindrücken unter Wasser.<br />

Man versteht aber auch ihre Ängste wegen einer<br />

zunehmend unsicheren Zukunft. Der lange,<br />

schwierige und komplexe Ausbildungsweg<br />

der Helmtaucher und die zunehmende<br />

Rücknahme der Aktivitäten der italienischen<br />

Marine künden von dem unausweichlichen<br />

Ende einer langen Tradition. Werden die unvergleichlichen<br />

Fähigkeiten der Helmtaucher<br />

tatsächlich endgültig versinken und die Ära<br />

der schweren Kupferhelme damit beenden?<br />

Das wird die Zeit entscheiden. Doch angesichts<br />

der Faszination, die das Helmtauchen<br />

noch immer auslöst, kann man hoffen, dass<br />

sich auch in Zukunft noch mutige Männer<br />

wie Luciano und Maurizio finden werden,<br />

die längst vergangenen Zeiten wieder Leben<br />

einhauchen.<br />

p<br />

Der Fotograf<br />

Der Italiener Francesco Rastrelli, Jahrgang<br />

1964, machte sich einen Namen als Art Director<br />

internationaler Werbeagenturen in Europa.<br />

Dann entdeckte er seine Leidenschaft für<br />

die See und wurde zu einem bekannten Segelsport-<br />

und <strong>Unterwasser</strong>fotografen. Mit seiner<br />

Lebenspartnerin Roberta Roccati gründete<br />

er die auf maritime Themen spezialisierte Fotoagentur<br />

»Blue Passion«.<br />

Info: www.francescorastrelli.com<br />

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