27.11.2015 Aufrufe

Kaiserlich erleben, Ausgabe 4/2015

Kaiserlich erleben, Ausgabe 4/2015

Kaiserlich erleben, Ausgabe 4/2015

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Erleben 9<br />

Fenstern: die Orangerie. Hier ist<br />

das Atelier von Maler Dirk Sommer<br />

untergebracht. Über einen<br />

Weg mit dicken runden Steinen<br />

führt uns Lothar Fleck zum alten<br />

Spritzenhaus, neben dem das<br />

Ortsgefängnis untergebracht<br />

war. Auch so eine Stelle, die die<br />

Jungs vom Dorf fasziniert hat:<br />

Auf der anderen Seite des Hauses<br />

haben sie sich mit ihren Händen<br />

eine Feuerleiter gemacht, damit<br />

jeder mal durch das kleine Fenster<br />

spicken kann.<br />

Wir laufen über Kies um das<br />

Schloss herum, hier sind Lavendel<br />

und Rosen gepflanzt. Weiter<br />

geht es über einen breiteren Weg<br />

am Mühlbach entlang. Gelbe<br />

Blätter treiben auf dem Wasser,<br />

unter unseren Füßen knacken<br />

Eicheln. Auf einer Brücke deutet<br />

Fleck auf ein wildes Durcheinander<br />

von Büschen, Hecken<br />

und Zweigen: eine kleine Insel,<br />

die noch nicht freigelegt ist. Adel<br />

hin oder her, mit dem Englischen<br />

Garten ist es wie mit jedem Garten:<br />

Arbeit gibt es immer.<br />

Überhaupt darf man sich den<br />

Ort nicht wie einen übersichtlichen<br />

Park mit sauber angelegten<br />

Wegen, geordneten Beeten und<br />

zurechtgestutzten Büschen vorstellen.<br />

Das würde dem Grundprinzip<br />

einer solchen Anlage widersprechen.<br />

In der Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts entwickelte sich in<br />

England eine neue Art der Gartenarchitektur<br />

– weg von der<br />

streng durchplanten Symmetrie<br />

der französischen Barockgärten,<br />

hin zu mehr Natürlichkeit. Will<br />

heißen: freie Wiesenflächen an<br />

Stelle von Rabatten, lose Baumgruppen,<br />

gewundene Wege und<br />

wie zufällig hingestreut wirkende<br />

kleine Gebäude oder Plätze. Der<br />

Garten in Hugstetten entspricht<br />

diesem romantischen Ideal; auf<br />

Grund seines Alters und weil er<br />

in Teilen jahrzehntelang sich<br />

selbst überlassen war, mutet er<br />

streckenweise eher wie ein Wald<br />

als wie ein Park an.<br />

Neben der verwilderten Insel<br />

liegt eingezäuntes Privatgelände.<br />

Dunkle Augen fixieren uns<br />

zwischen Bambuspflanzen: Das<br />

muss der Hund der Besitzerin<br />

sein. Und was blitzt da für<br />

buntes Gefieder zwischen den<br />

Büschen hindurch? Pfauenvögel,<br />

die durch die Natur stapfen.<br />

Dass wir die heute zu Gesicht<br />

bekommen!<br />

Wir halten respektvoll Abstand<br />

von dem Hund und gehen<br />

in die entgegengesetzte Richtung<br />

am Bach entlang zurück. Rechts<br />

von uns liegt ein baufälliges Gebäude:<br />

das alte Gärtnerhaus,<br />

das um 1835 erbaut, zeitweise<br />

als Schulhaus benutzt wurde<br />

und jetzt saniert werden soll.<br />

Die sanft geschwungene Form<br />

des Daches ist typisch für den<br />

Baustil des Bauherrn Konrad von<br />

Andlau.<br />

An einem weißen Gattertor endet<br />

das Privatgelände. Vor uns<br />

liegt der zweite Teil der Führung,<br />

ein reizvoller Spaziergang durch<br />

den öffentlichen Bereich, hinauf<br />

auf den Marchhügel. Auf den<br />

in den vergangenen Jahren von<br />

vielen Ehrenamtlichen und der<br />

Gemeinde freigelegten historischen<br />

Wegen gehen wir vorbei an<br />

der Statue des Heiligen Antonius<br />

zum sechseckigen Teehaus, in<br />

dem die adlige Gesellschaft da-<br />

mals ihre Gäste bewirtete. Weiter<br />

oben, wo der Wald lichter wird,<br />

liegt die Schmetterlingswiese. Im<br />

Frühjahr blühen gelbe Narzissen.<br />

Bei schönem Wetter kann man es<br />

den Eidechsen auf den Trockenmauern<br />

gleichtun – und Sonne<br />

tanken. Höhepunkt des Englischen<br />

Gartens ist der Aussichtspunkt<br />

Belvedere, dessen Fernblick<br />

zum Schwarzwald schon<br />

Felix Mendelssohn-Bartholdy<br />

und Ehefrau Cecilia auf ihrer<br />

Hochzeitsreise genossen haben.<br />

Blickfang (ganz l.): Die Statue<br />

des Heiligen Anotnius wurde im<br />

Laufe der Sanierung des Gartens<br />

restauriert.<br />

Lothar Fleck (l.) ist Experte<br />

in Sachen Englischer Garten.<br />

Hübsches Entree<br />

mit Steinbrücke (u.)<br />

und altem Waschhaus (u.l.)<br />

Hier oben, auf den alten Fundamenten<br />

des ehemaligen Turmes,<br />

ist der Wind stärker, neben uns<br />

wiegen jahrhundertealte Bäume<br />

ihre Häupter. „Wie schön das<br />

ist“, platzt eine ältere Dame heraus,<br />

die den Englischen Garten<br />

zum ersten Mal besucht. „Was<br />

für eine Entdeckung!“ Alle nicken<br />

stumm, denn sie hat recht.<br />

Treffender hätte man die Magie<br />

dieses Ortes nicht zusammenfassen<br />

können.<br />

• Freya Pietsch<br />

Zur Info:<br />

Der Englische Garten liegt im Marcher Ortsteil Hugstetten, in der<br />

Nähe des Rathauses, wo es auch Parkmöglichkeiten gibt.<br />

Der Eingang ist neben der evangelischen Martin-Luther-Kirche.<br />

Der öffentliche Teil des Gartens ist für Besucher frei zugänglich.<br />

Im Winter werden die Wege nicht geräumt. Vorsicht bei Schneeund<br />

Eisglätte! Im Englischen Garten gibt es auch einen Picknickbereich<br />

mit Bänken, Tisch und einem Klettergerüst für Kinder.<br />

Sehr zu empfehlen: die rund zweistündigen Führungen des<br />

Heimatverein March und die Parkkonzerte, die wieder im Frühjahr<br />

beginnen.<br />

Kontakt:<br />

Heimatverein March e.V., Tel. 07665/3403 (Armin Keller),<br />

www.englischer- garten-hugstetten.de<br />

<strong>Kaiserlich</strong> <strong>erleben</strong> · 04/<strong>2015</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!