FachDienst - Aufklären und Beraten
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weiteres Jahr zu sichern. Die strukturelle Benachteiligung<br />
in der psychosozialen Versorgung von Lesben <strong>und</strong><br />
Schwulen abseits der Metropolen wird jedoch mit der<br />
kurzsichtigen Entscheidung des Ministeriums auf lange<br />
Sicht hin festgeschrieben, da vorerst keine weiteren<br />
Lesben- <strong>und</strong> Schwulenberatungsstellen in den Genuss<br />
der Landesforderung kommen sollen.<br />
4. Generalisierung vs. Spezialisierung<br />
Das Gegensatzpaar Generalisierung vs. Spezialisierung<br />
zielt auf die Frage, ob Beratungsstellen fUr Lesben,<br />
Schwule <strong>und</strong> deren Angehorige die ganze Palette psychosozialer<br />
Angebote bereithalten (Generalisierung)<br />
oder sich auf bestimmte Beratungsinhalte <strong>und</strong> -formen<br />
beschranken sollen (Spezialisierung). Aufgr<strong>und</strong> der<br />
Komplexitat des Beratungsanliegens wird hier davon<br />
ausgegangen, dass das Beschreiten unterschiedlicher<br />
Wege notig ist, um die individuellen wie libergeordneten<br />
Ziele der Beratung zu erreichen, das heiBt, Lesben<br />
<strong>und</strong> Schwulenberatungsstellen sollten nach Moglichkeit<br />
eine differenzierte Angebotspalette vorhalten <strong>und</strong><br />
samtliche Beratungsinhalte aufgreifen, die von den Ratsuchenden<br />
thematisiert werden.<br />
Insbesondere in Regionen abseits der Metropolen ist<br />
aufgr<strong>und</strong> der geringeren Ausdifferenzierung der allgemeinen<br />
Systeme der psychosozialen Versorgung ein<br />
stark generalisierender Ansatz notwendig, wahrend in<br />
Metropolen eine Beschrankung auf bestimmte Angebote<br />
bzw. Inhalte sinnvoll sein kann, insbesondere<br />
wenn ein anderer Anbieter bereits erganzende Angebote<br />
vorhalt.<br />
Nach dem hier vertretenen Konzept lieBen sich Beratungsstellen<br />
fUr Lesben, Schwule <strong>und</strong> deren Angehorige<br />
am ehesten als »generalistische Lebens-, Erziehungs<strong>und</strong><br />
Partnerschaftsberatungsstellen<br />
auf dem besonderen<br />
Hintergr<strong>und</strong> der Zielgruppe« bezeichnen.<br />
Der Zugang sollte nicht von der Zugehorigkeit zur Zielgruppe<br />
abhangig gemacht werden, sondern von der<br />
freiwilligen Entscheidung, die Beratung einer Lesben<strong>und</strong><br />
Schwulenberatungsstelle auf ihrem allgemeinen<br />
<strong>und</strong> spezifischen fachlichen Hintergr<strong>und</strong> in Anspruch<br />
nehmen<br />
zu wollen.<br />
Die allgemeinen Standards psychosozialer Beratung<br />
(vgl. SPECHT 1993) werden in den Beratungsstellen fUr<br />
Lesben, Schwule <strong>und</strong> AngehOrige zugr<strong>und</strong>e gelegt.<br />
Zum spezifischen fachlichen Hintergr<strong>und</strong> zahlen f<strong>und</strong>ierte<br />
Kenntnisse liber die Lebensweisen von Lesben<br />
<strong>und</strong> Schwulen sowie Zielgruppennahe, die sich unter<br />
anderem durch die Verortung der Beratungsstelle innerhalb<br />
der ortlichen lesbischen <strong>und</strong> schwulen Szene auszeichnet.<br />
Zu den Aufgaben, Angeboten <strong>und</strong> Arbeitsformen sollten<br />
gehoren:<br />
• Einzel-, Gruppen- <strong>und</strong> Paarberatung;<br />
• niedrigschwellige Beratungsformen anonymer Art<br />
(z.B. Telefonberatung,<br />
E-Mail-Beratung);<br />
• Unterstlitzung <strong>und</strong> Beratung von Selbsthilfegrup<br />
pen, vor allem in ihrer Grlindungsphase;<br />
• Schwul-lesbische Aufklarung mit den Zielgruppen<br />
Jugendliche <strong>und</strong> Multiplikatorlnnen;<br />
• Alters- <strong>und</strong> zielgruppenspezifische Angebote;<br />
• Unterstlitzung der Vernetzung lesbisch- schwuler<br />
Szene;<br />
• Vernetzung <strong>und</strong> Kooperation mit allgemeinen <strong>und</strong><br />
spezialisierten psychosozialen Beratungsstellen<br />
sowie mit anderen Einrichtungen im Bereich des<br />
Ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> Sozialwesens;<br />
• Offentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> Social Sponsoring;<br />
• MaBnahmen eines fachlichen Qualitatsmanage<br />
ments;<br />
• Fortbildung <strong>und</strong> Supervision.<br />
Da in der Beratungvon Lesben <strong>und</strong> Schwulen die Einbeziehung<br />
geschlechtsbezogener Aspekte von besonderer<br />
Bedeutung ist, wird hier eindeutig die Zusammenarbe<br />
it von Lesben <strong>und</strong> Schwulen in einem Beratungsteam<br />
praferiert. Durch eine moglichst paritatische Teamzusammensetzung<br />
soli dem Wunsch von Ratsuchenden<br />
nach Beratung durch einen Mann bzw. eine Frau nachgekommen<br />
werden konnen.<br />
Qualifizierung von allgemeinen psychosozialen<br />
Beratungsstellen fOr die Beratung von Lesben,<br />
Schwulen <strong>und</strong> Angehorigen<br />
Die vorliegenden Bef<strong>und</strong>e, insbesondere die Erfahrungen<br />
des Modellprojekts des MFJFG sprechen fUr eine<br />
flachendeckende, dezentrale Einrichtung multiprofessionell<br />
besetzter Beratungsstellen, die in der Lage sind,<br />
eine breite Palette von Angeboten vorzuhalten.<br />
Um eine angemessene Versorgung vor allem in eher<br />
landlich strukturierten Regionen sicherzustellen, in<br />
denen es (noch) kein entsprechendes Beratungsangebot<br />
gibt, ist eine gleichzeitige spezifisch-fachliche Qualifizierung<br />
allgemeiner psychosozialer Beratungsstellen<br />
unerlasslich. Hierzu schlage ich die EinfUhrung eines<br />
fachlichen Qualitatsmanagements vor, das dazu beitragen<br />
solI, eine spezifische Fachlichkeit fUr die Beratung<br />
von Lesben, Schwulen <strong>und</strong> Angehorigen zu entwickeln<br />
<strong>und</strong> dauerhaft zu etablieren. Ein Instrument zur Qualitatssicherung<br />
<strong>und</strong> -entwicklung in psychosozialen Diensten,<br />
zu deren Aufgaben explizit die Beratung von<br />
Lesben <strong>und</strong> Schwulen gehort, existiert noch nicht.<br />
Gr<strong>und</strong>satzlich ware es als sinnvoll anzusehen, spezifische<br />
Qualitatskriterien in ein bereits bestehendes<br />
Instrument zu integrieren. Dies ware moglich, wenn<br />
dieses die Beschreibung von Qualitatskriterien <strong>und</strong>/<br />
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