Agenda 2030 - Schwerpunktthema im Global Compact Deutschland 2015
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global<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
compact<br />
SDGs<br />
Die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> für<br />
nachhaltige Entwicklung<br />
<strong>2015</strong>
Herausgegeben mit freundlicher<br />
Unterstüzung durch:
Grußwort<br />
Ban Ki-moon, UN-Generalsekretär<br />
The business agenda and the sustainable development agenda are converging<br />
in new and exciting ways.<br />
Sustainable development is not charity; it is smart investment. The Sustainable<br />
Development Goals offer an extraordinary pipeline for investment and platform<br />
in which responsible business can thrive.<br />
As we embark on this new era, the <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> will continue to provide<br />
many avenues to scale up efforts and achieve greater <strong>im</strong>pact.<br />
At the same t<strong>im</strong>e, some trends are profoundly worrying. There are more refugees,<br />
displaced persons and asylum seekers than at any t<strong>im</strong>e since the Second World<br />
War. Poor governance prevails in too many countries, creating instability and<br />
depriving many millions of vulnerable people of their chances for a better life.<br />
Violent extremism continues its appalling death march.<br />
Our challenge is to uphold the values of the United Nations and to strengthen<br />
the foundations of multilateralism.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
3
<strong>Agenda</strong> Grußwort<br />
15 Jahre UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> – das<br />
sind 15 Jahre engagiertes Eintreten<br />
für Menschenrechte, gerechte Arbeitsnormen,<br />
Umweltschutz und Korruptionsprävention.<br />
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin<br />
Kofi Annan hatte als Generalsekretär der<br />
Vereinten Nationen 1999 erstmals Unternehmensvorstände<br />
in aller Welt dazu aufgerufen,<br />
auf der Grundlage universeller<br />
Prinzipien eine nachhaltige Entwicklung<br />
aktiv zu fördern. Damit war der Grundstein<br />
der mittlerweile größten internationalen<br />
Initiative für praktizierte unternehmerische<br />
Verantwortung gelegt. Aus anfangs<br />
30 wurden rund 8.400 Unternehmen sowie<br />
weitere 4.500 Organisationen, die sich<br />
am UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> heute beteiligen.<br />
Für diese großartige Entwicklung war eine<br />
wichtige Triebfeder unter anderem die Unterstützung<br />
aus <strong>Deutschland</strong>. Das Netzwerk<br />
des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zählt hierzulande fast<br />
400 Unterzeichner.<br />
In zahlreichen nationalen Netzwerken wie<br />
diesem finden weltweit Repräsentanten von<br />
Unternehmen, Zivilgesellschaft und Politik<br />
zusammen, um über Herausforderungen<br />
der <strong>Global</strong>isierung zu diskutieren und sich<br />
ihnen mit konkreten Leitideen und Konzepten<br />
zu stellen. So wächst in der Wirtschaft<br />
das Bewusstsein, dass der Einsatz für mehr<br />
Nachhaltigkeit große unternehmerische<br />
Chancen bietet, letztlich sogar wesentliche<br />
Voraussetzung für den Erfolg von morgen ist.<br />
4<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Diese Überzeugung steht auch hinter der<br />
<strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> für nachhaltige Entwicklung.<br />
Mit diesem globalen Zielkatalog hat<br />
sich die Weltgemeinschaft für die nächsten<br />
15 Jahre auf ehrgeizige Vorhaben verständigt,<br />
die sich nur verwirklichen lassen, wenn<br />
alle gesellschaftlichen Akteure ihren Beitrag<br />
leisten. Mit seinem Schwerpunkt auf<br />
mehr Nachhaltigkeit <strong>im</strong> Privatsektor ist der<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ein zentraler Partner<br />
bei der Umsetzung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>.<br />
Zweifellos entscheidet das Engagement der<br />
Unternehmen maßgeblich darüber, ob wir<br />
unsere Ziele erreichen können. Denn sie sind<br />
es, die für Beschäftigung und Einkommensmöglichkeiten<br />
sorgen. Sie sind es, die durch<br />
Investitionen und Innovationen Wohlstand<br />
schaffen. Sie sind es auch, die besondere<br />
Verantwortung für die Einhaltung von<br />
Umwelt- und Sozialstandards in globalen<br />
Lieferketten tragen.<br />
Ökonomischen, ökologischen und sozialen<br />
Belangen gleichermaßen gerecht werden zu<br />
können, ist auch und besonders eine Frage<br />
der Rechtsstaatlichkeit und -sicherheit.<br />
Wenn Behörden ineffizient arbeiten, wenn<br />
sich Planungsverfahren und Gerichtsentscheidungen<br />
über Jahre hinziehen oder wenn<br />
sich rechtliche Grundlagen <strong>im</strong>mer wieder<br />
willkürlich ändern, dann leiden darunter<br />
Unternehmen und deren Kraft, ihrer Verantwortung<br />
gerecht zu werden. Daher zählt es<br />
zu den vornehmsten Aufgaben der Politik,<br />
gute, verlässliche Rahmenbedingungen zu<br />
schaffen und damit auch weithin Zeichen<br />
zu setzen.<br />
Vor allem die Industriestaaten sollten und<br />
müssen angesichts ihres wirtschaftlichen<br />
Gewichts mit gutem Beispiel vorangehen.<br />
Dieser Anspruch hat die Bundesregierung<br />
während der deutschen G7-Präsidenschaft<br />
<strong>2015</strong> geleitet. Die Ergebnisse des Gipfels in<br />
Elmau waren wegweisende Selbstverpflichtungen<br />
der G7-Staaten zum Kl<strong>im</strong>aschutz, zur<br />
Ressourceneffizienz, zur besseren Umsetzung<br />
geltender Sozialstandards in Lieferketten<br />
und zur wirtschaftlichen Stärkung von<br />
Frauen. An diese Vorgaben gilt es nun auch<br />
auf dem globalen Weg zu mehr Nachhaltigkeit<br />
anzuknüpfen.<br />
Daher ist es gut zu wissen, mit dem UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> und seinem deutschen Netzwerk<br />
eine starke Verantwortungsgemeinschaft<br />
aus Unternehmen, Zivilgesellschaft und<br />
Politik als Wegbegleiter zur Seite zu haben.<br />
Ich gratuliere der Initiative zu 15 erfolgreichen<br />
Jahren und danke allen, die tatkräftig<br />
daran mitgewirkt haben. Zugleich wünsche<br />
ich ihnen und uns allen weitere Fortschritte,<br />
die uns einem nachhaltigen<br />
Wirtschaften näherbringen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
5
Inhalt<br />
3<br />
4<br />
8<br />
Grußworte:<br />
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon<br />
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel<br />
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Das Post-<strong>2015</strong>-Dilemma<br />
Dr. Elmer Lenzen<br />
8<br />
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
14<br />
18<br />
22<br />
24<br />
28<br />
30<br />
34<br />
38<br />
42<br />
„Wir haben uns in <strong>Deutschland</strong> entschieden,<br />
uns der Verantwortung zu stellen“<br />
Peter Altmaier<br />
Die globale Welt justiert die herkömmlichen<br />
Rollenverteilungen neu<br />
Interview mit Prof. Dr. Josef Wieland<br />
Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> soll die UN-Entwicklungsziele<br />
in Unternehmenssprache übersetzen<br />
Interview mit Lise Kingo<br />
Aus MDGs werden SDGs – alter Wein in<br />
neuen Schläuchen?<br />
Interview mit Prof. Dr. Stefan Schaltegger<br />
Zukunft gestalten – die Rolle von Unternehmen<br />
bei sozialen Innovationen<br />
Julia Scheerer und Jakob Kunzlmann<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> mit neuen Ideen <strong>im</strong> Kampf<br />
gegen Jugendarbeitslosigkeit<br />
CSR Reporting<br />
Von der administrativen Pflicht zum<br />
strategischen Instrument<br />
Prof. Dr. Matthias S. Fifka<br />
Reporting als Mittel zur Organisationsentwicklung<br />
bei KMU<br />
Thomas Merten und Tobias Engelmann<br />
Corporate Reporting <strong>im</strong> Wandel<br />
Jennifer Nicolay<br />
32<br />
CSR Reporting<br />
118<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> +15 Europe<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> +15 Europe<br />
45<br />
46<br />
Info: Die wichtigsten CSR-Standards <strong>im</strong> Überblick<br />
Reporting Software<br />
Karl Friedrich Holz<br />
120<br />
122<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> +15 Europe diskutiert<br />
Nachhaltigkeitsziele<br />
Verabschiedung von Dr. Jürgen Janssen<br />
48<br />
Kl<strong>im</strong>areporting<br />
124<br />
Neugestalteter Webauftritt des DGCN<br />
51<br />
Johannes Erhard<br />
Info: Treibhausgas-Emissionen in der<br />
Wertschöpfungskette<br />
125<br />
126<br />
Das DGCN mit neuem Lenkungskreis<br />
Info: Publikationen zum Thema SDGs
Good Practice<br />
Flüchtlingshilfe<br />
Umweltschutz<br />
56<br />
58<br />
60<br />
Bayer<br />
Bayer macht Flüchtlingen Förder- und<br />
Integrationsangebote<br />
Deutsche Telekom<br />
Flüchtlinge: So hilft die Deutsche Telekom<br />
MAN<br />
Flüchtlingshilfe, die bewegt<br />
86<br />
88<br />
90<br />
DAW<br />
DAW Stakeholder-Dialog „Zukunft Wärmedämmung“<br />
Evonik<br />
Nachhaltigkeit als Wachstumstreiber<br />
HOCHTIEF<br />
Über dem Standard:<br />
HOCHTIEF be<strong>im</strong> „Crossrail“-Projekt in London<br />
MENSCHENRECHTE<br />
92<br />
MTU Aero Engines<br />
Saubere und leisere Triebwerke<br />
62<br />
ABB<br />
Paradies für Kinder<br />
94<br />
Weidmüller<br />
Die transparente energetische Fabrik<br />
64<br />
CEWE<br />
Innovative Partnerschaften mit SOS-Kinderdörfern<br />
CSR Management<br />
66<br />
Da<strong>im</strong>ler<br />
Herzenssache<br />
98<br />
BASF<br />
Stakeholder-Beziehungen zählen<br />
68<br />
E.ON<br />
Strom für Tansania<br />
100<br />
Bosch<br />
Anforderungen an die Lieferkette<br />
70<br />
EY<br />
Mitarbeiter: Eine Investition in eine nachhaltige Zukunft<br />
102<br />
CiS<br />
Weil jede einzelne Verbindung zählt …<br />
72<br />
Lufthansa Group<br />
Help Alliance – Hilfe zur Selbsthilfe für Menschen in Not<br />
104<br />
Drei Elemente<br />
Multiplikator für nachhaltig engagierte Unternehmen<br />
74<br />
Frieden<br />
Rhenus Lub<br />
Von unternehmerischer Verantwortung profitieren alle<br />
106<br />
108<br />
JKL Kunststoff Lackierung<br />
Nachhaltigkeit bei einem mittelständischen<br />
Unternehmen<br />
K+S<br />
Nachhaltigkeitsmanagement bei K+S<br />
76<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
Merck<br />
Bilharziose in einer starken Allianz bekämpfen<br />
110<br />
112<br />
macondo publishing<br />
CSR-Reporting einfach, effizient und zeitsparend<br />
TÜV Rheinland<br />
An einem Strang ziehen für mehr Nachhaltigkeit<br />
80<br />
82<br />
84<br />
Arbeitsnormen<br />
Audi<br />
Schneller, effizienter, nachhaltiger –<br />
die Produktion der Zukunft<br />
BSH Hausgeräte<br />
BSH nutzt Chancen des demografischen Wandels<br />
Tchibo<br />
„WE“: <strong>im</strong> Dialog Arbeitsbedingungen verbessern<br />
114<br />
116<br />
Finanzmärkte<br />
HypoVereinsbank<br />
Green Bonds:<br />
Finanzhebel für eine nachhaltige Entwicklung<br />
PwC<br />
Licht ins Dunkel:<br />
Der gesellschaftliche Wertbeitrag des<br />
DialogMuseums Frankfurt
<strong>Agenda</strong><br />
8 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Das Post-<strong>2015</strong>-Dilemma<br />
Armut und Hunger beenden, Gesundheit und Gleichberechtigung verbessern. So lauten die<br />
ersten vier von 17 Zielen der sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) für eine<br />
nachhaltige Entwicklung. Doch auf welche Post-<strong>2015</strong>-Welt trifft diese <strong>Agenda</strong>? Angesichts<br />
von Flüchtlingselend, Terror, Kriegen und Konflikten stellt sich die Frage, ob aktuell überhaupt<br />
politischer und gesellschaftlicher Raum für eine solche Nachhaltigkeits-<strong>Agenda</strong> bleibt.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
9
<strong>Agenda</strong><br />
Von Dr. Elmer Lenzen<br />
Reich ist, wer weiß, dass er genug hat, lautet eine Weisheit des<br />
chinesischen Philosophen Lao-tse. Er könnte damit Urvater<br />
des Nachhaltigkeitsgedankens sein. Doch die Wirklichkeit ist<br />
eine andere: Wohlstand ist in unserer heutigen Welt kausal<br />
mit Wachstum verknüpft. Mehr haben heißt, mehr sein. Die<br />
Weltwirtschaft hat die produzierten Gütermengen daher alleine<br />
seit 1950 versechsfacht. Doch nur wenige profitieren davon:<br />
20 Prozent der Menschheit verbrauchen weltweit 83 Prozent<br />
der globalen Ressourcen. Die 80 reichsten Menschen auf der<br />
Welt besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit.<br />
80 versus 3.500.000.000.<br />
Genau an dieser Stelle setzen die nachhaltigen Entwicklungsziele<br />
der Vereinten Nationen, die sogenannten Sustainable<br />
Development Goals (SDGs), an: Das Maßnahmenpaket ist<br />
mit 17 Zielen und 169 Unterzielen gewaltig, das geopolitische<br />
Kl<strong>im</strong>a dafür derzeit eher ungünstig, und doch betonen<br />
alle Verantwortlichen, dass die weltweiten Probleme keinen<br />
weiteren Aufschub dulden. Die SDGs sind dazu mit einem<br />
riesigen Versprechen angetreten: Bis <strong>2030</strong> will man die großen<br />
Probleme der Welt nicht einfach nur ansprechen, sondern<br />
endlich auch substanziell angehen. Ob Kl<strong>im</strong>awandel, Krankheiten<br />
oder soziale Gerechtigkeit – erstmals werden alle<br />
Länder als Entwicklungsländer betrachtet, weil bei der einen<br />
oder anderen Thematik jedes schwächelt. Das ist neu, galten<br />
Entwicklungsfragen doch bisher als Thema für arme Länder.<br />
Die Praxis gibt der UN aber recht: So zeigten die meisten OECD-<br />
Staaten be<strong>im</strong> ersten „SDG-Stresstest“ erhebliche Mängel. Die<br />
USA, Griechenland, Chile, Ungarn, die Türkei und Mexiko<br />
fielen glatt durch. Zu diesem Ergebnis kam Anfang September<br />
<strong>2015</strong> eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die gerade einmal<br />
34 der künftig 169 Indikatoren testete: „Bei vielen Indikatoren<br />
besteht die Gefahr, diese Ziele komplett zu verfehlen. Die<br />
größten Defizite weisen die Industriestaaten dabei in ihrem<br />
wenig nachhaltigen Produktions- und Konsumverhalten auf.<br />
Außerdem verschärfen ihre Wirtschaftssysteme vielfach den<br />
Trend zur sozialen Ungleichheit“, schreiben die Autoren.<br />
Sind die 17 Oberziele mit 169 Indikatoren alltagstauglich? „169<br />
Ziele? Das wird uns verrückt machen“, warnt der indische Entwicklungsökonom<br />
Bibek Debroy in der FAZ. „Allein die Sammlung<br />
von Daten zur Bestandsaufnahme dieser Ziele bringt arme<br />
Staaten in eine Zwangslage.“ Bei der Auswahl der Indikatoren<br />
scheint man bei der UN den Weg des geringsten Streites gegangen<br />
zu sein und hat so viele Ansprüche / Interessengruppen wie nötig<br />
bedient. Die Quantität werde sich schon in der Praxis lösen, so<br />
das politische Kalkül. Das scheint aufzugehen: Bei der ersten<br />
Geberkonferenz <strong>im</strong> Juli <strong>2015</strong> in Addis Abeba gab es zwar Geld<br />
für bestehende Ziele, aber keine finanziellen Zusagen für neue<br />
Ziele. Auch die Bundesregierung, die 2016 <strong>im</strong> Lichte der SDGs<br />
die eigene Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet, will nur einige<br />
ausgewählte, aus ihrer Sicht relevante Indikatoren adressieren.<br />
10<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> will Übersetzer sein<br />
Bis <strong>2030</strong> bleibt also viel zu tun. Dies umzusetzen ist nicht alleine<br />
Aufgabe der Politik, sondern alle Akteure sind gefordert. Der<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> (UNGC) als weltweit größtes Netzwerk für<br />
unternehmerische Nachhaltigkeit sieht sich dabei als Partner<br />
der SDGs. Dazu sagt die neue <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Direktorin Lise<br />
Kingo: „Ich sehe als Aufgabe des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>, diese Ziele<br />
in eine Unternehmenssprache zu übersetzen und mit guten<br />
Beispielen aufzuzeigen, wie andere Unternehmen sich dies<br />
bereits zunutze machen.“<br />
Unklar bleibt an dieser UNGC-Strategie, wie Kingo mit ihrem<br />
Team den spezifischen Eigencharakter der Initiative schärfen<br />
will, und vor allem, wie sie die Ziele in die Umsetzung überführen<br />
will. Deshalb wird das UNGC-Office in New York gut<br />
beraten sein, darüber hinaus auch eine eigenständige Strategie<br />
vorzustellen, möchte man nicht als bloßer Erfüllungsgehilfe<br />
und Sidekick der SDGs dastehen. Es mangelt nämlich nicht<br />
an Ideen oder Übersetzungsbedarf, sondern an Umsetzungen.<br />
So beklagt der Nachhaltigkeitsexperte Stefan Schaltegger von<br />
der Leuphana-Universität zu Recht: „Allein dadurch, dass<br />
man jetzt Ziele anders formuliert oder auch spezifiziert, ist<br />
noch nichts erreicht. Was davon in der Politik tatsächlich<br />
handlungsrelevant wird, bleibt abzuwarten.“<br />
In jedem Fall wird Nachhaltigkeit durch die SDGs stärker als<br />
je zuvor politisiert. Die 17 Ziele sind (An)Forderungen der<br />
Weltgemeinschaft an alle Akteure und damit auch an Unternehmen.<br />
Schon heute beobachten wir in vielen Ländern eine<br />
<strong>im</strong>mer stärkere Regulierung von CSR. Aus Freiwilligkeit wird<br />
Pflicht. Das lässt sich auch an der wachsenden Bedeutung des<br />
Compliance-Themas ablesen. Damit ändert sich zugleich auch<br />
die Motivation der Akteure: An die Stelle von intrinsischem<br />
Handeln tritt <strong>im</strong>mer deutlicher ein Incentiv-Modell aus Anreizen<br />
und Sanktionen.<br />
des Möglichen“. Das wusste schon Otto von Bismarck. Für ein<br />
konsensualistisches Politikmodell, wie es die UN vertritt, gibt es<br />
derzeit nur schwindende Unterstützung. Und das hat natürlich<br />
auch unmittelbare Auswirkungen bis hin zur Flüchtlingskrise.<br />
Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator Peter<br />
Altmaier sagt: „Die Abwesenheit von nachhaltiger Politik hat<br />
dazu geführt, dass Hunderttausende von Menschen in ihrer<br />
unmittelbaren Umgebung keine Bleibe-Perspektive sehen.“<br />
Wir erleben derzeit eine neue Phase der <strong>Global</strong>isierung. Längst<br />
geht es nicht mehr nur um grenzenlose Waren-, Arbeits- oder<br />
Kapitalmärkte. Das kennen wir seit 1990, und die Anti-<strong>Global</strong>isierungsbewegung<br />
arbeitet sich daran routiniert ab. Neu ist,<br />
dass die Welt in den letzten Jahrzehnten „kleiner“ geworden<br />
ist: Dank Internet und moderner Mobilität liegen alle Probleme<br />
direkt um die „Ecke“. Dadurch kommen in wachsendem<br />
Maße die <strong>Global</strong>isierung von (Flüchtlings)Krisen, Krankheiten<br />
wie Ebola und religiösen und politischen Konflikten (z. B.<br />
IS-Terror) hinzu. Wir erleben also auf der einen Seite das<br />
Verschwinden von Distanz / Entfernung: Das gilt für Märkte,<br />
Flüchtlinge, Konflikte, Kapitalströme. Und auf der anderen<br />
Seite beobachten wir zur gleichen Zeit das Verschwinden von<br />
Gemeinsamkeiten und Empathie sowie Privatheit.<br />
Wachsende Wohlstandsschere: Die Armut in <strong>Deutschland</strong> hat<br />
nach Angaben des Paritätischen Gesamtverbandes in <strong>2015</strong> mit<br />
einer Armutsquote von 15,5 Prozent ein neues Rekordhoch<br />
erreicht und umfasst rund 12,5 Millionen Menschen. Das betrifft<br />
längst nicht mehr nur klassische Bildungsverlierer, >><br />
Das Problem dabei ist, dass niemand gelernt hat, auf diese<br />
globalen Anforderungen Antworten zu geben, beklagt der<br />
renommierte Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel. In seinem<br />
neuen Buch „Hybris“ spricht er hier von einer „überforderten<br />
Gesellschaft.“ Auch Josef Wieland, Vorstand des Deutschen<br />
Netzwerks Wirtschaftsethik (DNWE), argumentiert in die gleiche<br />
Richtung: „Aus meiner Sicht besteht die Herausforderung<br />
nicht so sehr in einem Mangel an gutem Willen, sondern der<br />
Fähigkeit, die Welt als unsere gemeinsame Welt zu verstehen,<br />
also global zu denken, globale Analysen vorzunehmen und<br />
dann auch entsprechend global zu handeln.“<br />
Die Frage nach dem politisch Möglichen<br />
Leben wir überhaupt in einem (geo)politischen Umfeld, das sich<br />
an diesen UN-Werten wie den SDGs oder früher den Millennium<br />
Development Goals orientiert? Die Antwort lautet: leider<br />
nein. Schon seit Jahren erleben wir vielmehr ein Scheitern des<br />
Multilateralismus. UN-Kl<strong>im</strong>akonferenzen sind eindringliche<br />
Beispiele für die mangelnde Bereitschaft auf internationaler<br />
Ebene zu Solidarität und Zusammenarbeit. Das ist sicher<br />
nicht die Antwort, die man angesichts von Problemen wie<br />
dem Kl<strong>im</strong>awandel hören möchte, aber „Politik ist die Kunst<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
11
<strong>Agenda</strong><br />
wie eine aktuelle Studie zeigt. „Für den Mittelstand haben sich<br />
die Aufstiegschancen verringert, die Abstiegsrisiken haben<br />
zugenommen“, sagte Studienautorin Dorothee Spannagel von<br />
der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. <strong>Deutschland</strong><br />
zählt hier übrigens laut OECD zu den Ländern mit der ungerechtesten<br />
Vermögensverteilung.<br />
Verschwinden der Privatsphäre: Große Konzerne drängen auf<br />
<strong>im</strong>mer allumfassendere Wertschöpfungskonzepte durch Digitalisierung<br />
(v. a. sind dies die Silicon-Valley-Giganten wie Apple,<br />
Google, Facebook und Microsoft). Damit dringen sie <strong>im</strong>mer<br />
tiefer in unsere (private) Lebenswelt ein. Der Konsument ist<br />
längst nicht mehr nur gläsern, er ist vorhersagbar – und damit<br />
prinzipiell steuerbar. Big Data bietet Chancen und Komfort,<br />
aber jede Medaille hat <strong>im</strong>mer zwei Seiten.<br />
Rückwärtsgewandte Politik „en vogue“<br />
Wie reagieren Politik und Gesellschaften auf diese Entwicklungen<br />
und vor allem auf die <strong>Global</strong>isierung der Krisen? Durch<br />
Abkapseln. Je nach gesellschaftlicher Ausgangslage zeigt sich<br />
das in vier Ausprägungen:<br />
• Politische Abschottung: „Das Boot ist voll“, lautet die Parole von<br />
Politikern wie etwa Trump in den USA bis Orban in Ungarn.<br />
• Rassismus / ethnische Abschottung: Von Pegida bis Le Pen – mit<br />
ihrem Gesäusel vom Untergang des Abendlandes schüren<br />
sie nur Ängste und bereiten den Boden für Rassisten.<br />
• Fundamentalismus / religiöse Abschottung: Dafür stehen vor allem<br />
der IS-Terror, Salafisten und andere Islamisten, aber auch<br />
die evangelikalen Kreationisten in den USA untergraben<br />
auf ihre Art genauso alles Denken seit der Renaissance.<br />
viel stärker über unseren „Gesellschaftsvertrag“ reflektieren,<br />
statt nur Details abzuarbeiten. Nur wenn wir hier Brücken<br />
bauen, überwinden wir eine derzeitige Tendenz hin zu<br />
„Echokammern“. Diese beschreiben das Risiko, sich in einer<br />
reinen Zust<strong>im</strong>mungsumgebung zu befinden, in der es keine<br />
gegensätzlichen Meinungen gibt. Wer schon einmal auf einer<br />
CSR-Konferenz war, kennt die Erfahrung einer kompletten<br />
Zust<strong>im</strong>mungsumgebung, wo alle um den Kl<strong>im</strong>awandel oder<br />
die vielen anderen Entwicklungsziele wissen. Nur außerhalb<br />
dieser Echokammer wird daraus noch lange keine Handlung.<br />
Peter Altmaier erinnerte anlässlich des Nachhaltigkeitsdialogs<br />
kürzlich in Berlin daran, dass die Antworten darauf auch<br />
eine Frage des politischen Streites sind: „Wir befinden uns in<br />
einer Situation, die ambitioniert ist, weil es bei Themen wie<br />
dem Kl<strong>im</strong>aschutz eben nicht nur um gute und wohlgemeinte<br />
Erklärungen geht, sondern auch um knallharte Wachstumschancen<br />
und Perspektiven, um Kosten sowie Vorteile und<br />
Nachteile <strong>im</strong> internationalen Wettbewerb.“<br />
Welche Rolle spielen Unternehmen?<br />
Unternehmen sind viel eher als Politik in der Lage, Zukunft zu<br />
gestalten. Visionen – oder Corporate Foresight, wie dies dort<br />
heißt – sind eine Frage des „unternehmerischen Überlebens“.<br />
Schon aus diesem Eigenbetrieb heraus kann die Wirtschaft<br />
den Zukunftsbegriff in die politische Gegenwartsdiskussion<br />
zurückholen und den SDGs damit eine Perspektive geben.<br />
Lise Kingo ist zuversichtlich, dass zumindest die Unternehmen<br />
<strong>im</strong> <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> hier einen positiven Beitrag leisten können.<br />
Kingo sagt: „Wir müssen uns stets ins Gedächtnis rufen, dass<br />
viele Unternehmen heutzutage gerne verantwortungsbewusst<br />
handeln. Sie möchten einen Unterschied machen und sehen<br />
Wirtschaft als eine Kraft für Gutes. Dennoch muss in allem,<br />
• Nationalismus / Autokratie: Dies beschreibt in vielen Ländern<br />
die Sehnsucht nach der strengen Vaterfigur, sei es Putin in<br />
Russland, Sissi in Ägypten oder Erdogan in der Türkei. Im<br />
Chaos sieht man Sicherheit bei jemandem, der „weiß, was<br />
zu tun ist.“<br />
In all diesen Fällen handelt es sich um eine rückwärtsgewandte<br />
Sicht. Allem wohnt die Sehnsucht inne, dass es früher besser<br />
war und man deshalb dahin zurück will. Das Morgen, die<br />
Zukunft als Gesellschaftskonzept, steckt voller Gefahren, nicht<br />
Chancen. Das Glas ist stets halb leer. Der Verlust an Utopien<br />
gilt vielen daher als guter Politikstil – pragmatisch, nüchtern,<br />
sachlich. Das Blöde daran ist nur: Wer <strong>im</strong>mer nur auf Sicht<br />
fährt, fährt ohne Weitsicht.<br />
Tendenz zu Echokammern<br />
Wo ist der Bezug zu den SDGs? Genau an dieser Stelle verläuft<br />
aus meiner Sicht eine zentrale Sollbruchstelle. Die SDGs sind<br />
zukunftsgerichtet. Sie stehen für die <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>. Aber der<br />
politische Diskus ist derzeit eher rückwärtsgerichtet. Das passt<br />
erst mal nicht zusammen, und ohne auf diesen Zielkonflikt<br />
einzugehen, sind die SDGs zum Scheitern verdammt. Wer<br />
Nachhaltigkeitsziele diskutieren will, muss daher viel stärker<br />
politisch argumentieren. Und wer politisch diskutiert, muss<br />
12<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) greifen 17 Oberthemen auf, die bis zum Jahr <strong>2030</strong> von der Weltgemeinschaft<br />
angegangen werden sollen.<br />
was sie tun, auch ein funktionierendes Geschäftsmodell<br />
sein.“ Diese Art von intrinsischer Motivation ist real, sollte<br />
aber nicht überbewertet werden: Jeder Handlung liegt eine<br />
Motivation zugrunde, aber nicht jede Motivation wird auch<br />
in Handlungen übersetzt. Hinzu kommt, dass Wirtschaft<br />
nicht politische Verpflichtungen ersetzen kann. Dazu Josef<br />
Wieland: „Wir müssen <strong>im</strong> Auge behalten, dass Unternehmen<br />
private Akteure sind und deshalb nicht ohne Weiteres mit<br />
öffentlichem Interesse gleichzusetzen sind. Ich würde da auch<br />
nichts überhöhen. Wenn wir Adam Smith richtig verstehen,<br />
war seine Idee der ‚Invisible Hand‘, dass Marktteilnehmer,<br />
gleichwohl und indem sie private Interessen verfolgen, dem<br />
öffentlichen Wohl dienen.“<br />
Gelingen wird dies aber nicht mit „Business as usual“. Man<br />
muss dazu das eingangs skizzierte Junkt<strong>im</strong> aus Wohlstand<br />
und Wachstum hinterfragen. Nachhaltige Geschäftsmodelle<br />
sind am Ende des Tages <strong>im</strong>mer Modelle, die Wertschöpfung<br />
über Qualität und nicht alleine Quantität erzielen. Stefan<br />
Schaltegger bringt dies auf den Punkt, wenn er sagt: „Nachhaltigkeitsmanager<br />
müssen ein Verständnis dafür entwickeln,<br />
wie sie dieses Geschäftsmodell so ändern, dass nicht nur der<br />
Verkauf <strong>im</strong> Vordergrund steht, sondern andere Wege wie zum<br />
Beispiel Produkt-Dienstleistungskombinationen entwickelt<br />
werden, die das zugrunde liegende (Mobilitäts)bedürfnis genauso<br />
erfüllen. Hierbei helfen die SDGs bewusst zu machen,<br />
was die zentralen gesellschaftlichen Probleme sind, die es zu<br />
meistern gilt.“<br />
Zur Person<br />
Dr. Elmer Lenzen ist Geschäftsführer der macondo publishing GmbH und Herausgeber<br />
der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Jahrbücher. Elmer Lenzens Themenschwerpunkte<br />
sind Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit. So lehrte er darüber hinaus u. a. an<br />
der Universität Münster und ist auch als Referent und Moderator tätig.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
13
<strong>Agenda</strong><br />
„Wir haben uns in <strong>Deutschland</strong><br />
entschieden, uns der<br />
Verantwortung zu stellen“<br />
Die Bundesregierung will 2016 <strong>im</strong> Dialog mit den Bürgern die nationale Nachhaltigkeitsstrategie<br />
weiterentwickeln. Dies erfolgt <strong>im</strong> Zeichen der Sustainable Development Goals. Damit sollen die<br />
großen globalen Herausforderungen wie Hunger, Armut, fehlende Bildung, Umwelt- und Kl<strong>im</strong>aschutz,<br />
aber auch Flüchtlingshilfe angegangen werden.<br />
Von Peter Altmaier<br />
Nicht jeder versteht unter Nachhaltigkeit dasselbe, aber Studien<br />
zeigen, dass inzwischen der Großteil der Bürgerinnen<br />
und Bürger in diesem Land eine ungefähre Vorstellung hat,<br />
was Nachhaltigkeit bedeutet. Und wer noch Zweifel hat, der<br />
sollte einen Blick auf die derzeitige Asyl- und Flüchtlingskrise<br />
werfen. Egal, woher die Flüchtlinge kommen, ob sie aus<br />
der Sub-Sahara kommen, aus Afrika, aus dem nördlichen<br />
Afrika, aus dem Mittleren und Nahen Osten, aus dem Jemen,<br />
aus Syrien, aus Ägypten, aus dem Iran, aus dem Irak, aus<br />
Afghanistan, oder aus Pakistan: In all diesen Herkunftsländern<br />
ist Nachhaltigkeit in den letzten Jahren gescheitert.<br />
Die Abwesenheit von nachhaltiger Politik hat dazu geführt,<br />
dass Hunderttausende von Menschen in ihrer unmittelbaren<br />
Umgebung keine Bleibe-Perspektive sehen. Es fehlt dort an<br />
nachhaltiger Umweltpolitik, es fehlen nachhaltige staatliche<br />
Strukturen wie Rechtsstaatlichkeit, soziale Sicherheit und<br />
Partizipationsmöglichkeiten. All das hat zu einem Exodus<br />
geführt, wie wir ihn seit dem Ende des 2. Weltkrieges nicht<br />
erlebt haben. Ein Exodus, der nicht nur die umliegenden<br />
Länder und Europa vor große Herausforderungen stellt,<br />
sondern auch dazu beitragen wird, dass nachhaltige Politik<br />
in den betroffenen Regionen in Zukunft noch schwerer sein<br />
wird als es ohnehin schon war.<br />
Dagegen sind die stabilsten Staaten jene, die dem Thema<br />
Nachhaltigkeit in der öffentlichen Debatte und politischen<br />
Entscheidungen mehr Raum gegeben haben. Das ist eine<br />
erschütternde und bedrückende Erkenntnis, weil dieser Flüchtlingsstrom<br />
nicht einfach umgekehrt und der Zusammenbruch<br />
von Staatlichkeit nicht über Nacht repariert werden kann. Zugleich<br />
ist es ein Auftrag an uns alle, das Thema Nachhaltigkeit<br />
in Zukunft ernster zu nehmen und darüber nachzudenken,<br />
wie wir Nachhaltigkeit nicht nur in <strong>Deutschland</strong> vorleben,<br />
sondern auch in andere Regionen übertragen können. Das<br />
ist kein Kultur-Imperialismus und auch keine Bevormundung<br />
anderer. Wir sind vielmehr überzeugt, dass nicht nur die<br />
Menschenrechte universell Gültigkeit haben, sondern auch<br />
Nachhaltigkeit ein universelles Prinzip werden muss, wenn<br />
14<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
wir es bei einer <strong>im</strong>mer schneller wachsenden Weltbevölkerung<br />
und <strong>im</strong>mer größer werdenden Verteilungskonflikten<br />
schaffen wollen, auch in Zukunft Stabilität und geordnete<br />
Entwicklung zu haben.<br />
Wir haben uns in <strong>Deutschland</strong> entschieden, uns der Verantwortung<br />
<strong>im</strong> Umgang mit den Flüchtlingen zu stellen, weil wir<br />
es hier mit einer humanitären Krise zu tun haben. Wir haben<br />
uns deshalb entschieden, nicht zu warten, bis alle in Europa<br />
auf dem gleichen Bewusstseins- und Entscheidungsstand sind.<br />
Wir haben uns entschieden, nicht zu warten, bis das letzte<br />
Verwaltungsabkommen unterschriftsreif ist und die letzten<br />
Zweifelsfragen geklärt sind.<br />
Es sind dabei Fehler gemacht worden, weil vieles in der Zivilgesellschaft<br />
und in der Forschung bereits diskutiert wurden,<br />
aber nicht den Weg in die Politik fand. Angefangen von der<br />
Frage, ob wir es eines Tages mit Kl<strong>im</strong>aflüchtlingen zu tun<br />
haben, über die Frage, wie man in den Regionen, die von<br />
Bürgerkriegen und Naturkatastrophen betroffen sind, vor Ort<br />
menschenwürdige Alternativen schaffen kann. Im Augenblick<br />
müssen wir mehrere Dinge gleichzeitig tun: Wir müssen die<br />
Menschen aufnehmen, die nach Europa kommen, und wir<br />
müssen versuchen, die Fluchtursachen zu bekämpfen und die<br />
Bleibe-Perspektiven in den Regionen zu stärken. Und es wird<br />
ganz sicherlich nicht über Nacht möglich sein und deshalb<br />
ist es wichtig, dass wir auch mit dem Flüchtlingsthema <strong>im</strong><br />
Sinne nachhaltiger Politik umgehen.<br />
Nachhaltigkeit gehört zu den Themen, die unmittelbar <strong>im</strong><br />
Bundeskanzleramt angesiedelt sind. Der Chef des Bundeskanzleramtes<br />
ist gleichzeitig der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsausschusses<br />
der Bundesregierung. Wir sehen unsere<br />
Bemühungen <strong>im</strong> Zusammenhang mit der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> für<br />
nachhaltige Entwicklung. Diese <strong>Agenda</strong> ist sehr ambitioniert,<br />
geht es um nicht weniger, als der Menschheit Wohlstand und<br />
Frieden durch eine neue globale Partnerschaft zu bringen.<br />
Hierzu werden 17 konkrete Ziele einer nachhaltigen >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
15
<strong>Agenda</strong><br />
Entwicklung mit 169 Unterzielen aufgestellt, welche die<br />
Staaten bis <strong>2030</strong> erreichen wollen. Viele fragen jetzt: Sind<br />
das nicht zu viele Ziele? Ist es nicht zu unübersichtlich? Wer<br />
soll das alles lesen und beherzigen? Ich sage Ihnen, es werden<br />
Menschen da sein, die es lesen, und es werden Menschen da<br />
sein, die es umsetzen.<br />
Es gibt in unserer globalen Gesellschaft viele, die sich der<br />
Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen. Wenn ich zum Beispiel<br />
mit einem Unternehmer wie Elon Musk spreche, dann spüre<br />
ich, dass dieser Unternehmer neben all den technischen und<br />
geschäftlichen Interessen, die auch er hat, vor allem von der<br />
Diskussion über Nachhaltigkeit und Kl<strong>im</strong>aschutz beeinflusst<br />
ist. Es gibt viele wie Elon Musk, die bei multinationalen Konzernen<br />
und den DAX-Unternehmen an den Schalthebeln sitzen.<br />
Dass wir heute mehr Nachhaltigkeitsinitiativen <strong>im</strong> privaten<br />
Bereich haben, als wir jemals gedacht hätten, verdanken wir<br />
zudem auch Menschen wie Klaus Töpfer oder Ernst Ulrich<br />
von Weizsäcker, die den langen Atem hatten, dieses Thema<br />
<strong>im</strong>mer wieder in der öffentlichen Debatte voranzutreiben.<br />
Seitdem wir <strong>im</strong> Jahr 2000 als Staatengemeinschaft die Millenniumsentwicklungsziele<br />
(MDGs) verabschiedet haben, hat sich<br />
die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen halbiert.<br />
Es gibt Fortschritte <strong>im</strong> Kampf gegen Malaria und Tuberkulose<br />
sowie Verbesserungen <strong>im</strong> Bereich der Gesundheitsvorsorge.<br />
Das ist ein Verdienst der MDGs wie auch des technischen<br />
Fortschritts. <strong>Deutschland</strong> hat sich in der Nachhaltigkeitsdiskussion<br />
hier <strong>im</strong>mer als Teil der Lösung verstanden und die<br />
Diskussion mit gestaltet. Deshalb haben wir uns auch entschieden,<br />
unsere eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu überarbeiten.<br />
Wir tun dies zu einem wichtigen und richtigen Zeitpunkt:<br />
Wir befinden uns in einer Situation, die genauso ambitioniert<br />
ist wie die Erarbeitung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>. Sie ist ambitioniert,<br />
weil es bei Themen wie dem Kl<strong>im</strong>aschutz eben nicht nur um<br />
gute und wohlgemeinte Erklärungen geht, sondern auch um<br />
knallharte Wachstumschancen und Perspektiven, um Kosten<br />
sowie Vorteile und Nachteile <strong>im</strong> internationalen Wettbewerb.<br />
Wir dürfen die Umweltpolitik aber nicht nur auf die Frage der<br />
Wettbewerbsfähigkeit und der Kosten reduzieren. Ein Land, das<br />
seine Wettbewerbsfähigkeit erhöht, indem es Kosten zu Lasten<br />
der Umwelt externalisiert, wird am Ende seine Wettbewerbsfähigkeit<br />
gefährden. Ich bin deshalb froh, dass es uns auch in<br />
China gelungen ist, eine Diskussion über Nachhaltigkeit in<br />
Gang zu setzen bis hin zu der Frage, ob dort unter Umständen<br />
ein Emissionshandelssystem eingeführt wird und wie der Anteil<br />
der erneuerbaren Energien ausgebaut werden kann. Man<br />
kann fragen, ob es dazu erst notwendig war, dass in Peking<br />
und Shanghai und anderswo die Luft zum Schneiden dick war,<br />
aber die gute Nachricht ist, dass letztendlich die Diskussion<br />
über Umweltschutz, Kl<strong>im</strong>aschutz und Nachhaltigkeit in Gang<br />
16<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Wir befinden uns in einer Situation,<br />
die genauso ambitioniert ist wie die<br />
Erarbeitung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong>. Sie ist<br />
ambitioniert, weil es bei Themen wie<br />
dem Kl<strong>im</strong>aschutz eben nicht nur um<br />
gute und wohlgemeinte Erklärungen<br />
geht, sondern auch um knallharte<br />
Wachstumschancen und Perspektiven,<br />
um Kosten sowie Vorteile und Nachteile<br />
<strong>im</strong> internationalen Wettbewerb.<br />
kommt. Wenn es also möglich ist, in einem Schwellenland<br />
wie China mit seinem enormen Wachstum Nachhaltigkeit zu<br />
stärken, wie sich das jetzt abzeichnet, dann haben wir auch<br />
eine Chance, dass wir weltweit mit dem Thema Nachhaltigkeit<br />
vorankommen.<br />
Wir brauchen Nachhaltigkeit übrigens nicht nur be<strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutz.<br />
Wir brauchen Nachhaltigkeit bei der Ressourceneffizienz.<br />
Wir brauchen Nachhaltigkeit in der Bildungspolitik. Wir<br />
brauchen Nachhaltigkeit auch in den öffentlichen Finanzen.<br />
Und manchmal gibt es auch Nachhaltigkeitskonkurrenzen.<br />
Manchmal steht der Wunsch nach öffentlich nachhaltigen<br />
Finanzen nicht in Übereinst<strong>im</strong>mung mit dem Wunsch nach<br />
Finanzierung nachhaltiger Politik in anderen Bereichen. Diese<br />
Konflikte müssen wir austragen und wir müssen sie klug so<br />
lösen, dass wir das eine tun, ohne das andere zu lassen.<br />
Die deutsche Nachhaltigkeitsarchitektur wird von vielen<br />
Ländern als Vorbild angesehen. Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie<br />
verfügen wir schon heute über ein wirksames<br />
Instrument. Wir sind dabei, dies auf alle Ebenen und Bereiche<br />
des staatlichen Handelns auszudehnen, beispielsweise bei<br />
der öffentlichen Beschaffung. Wir haben in <strong>Deutschland</strong> zu<br />
dieser Strategie seit 2002 einen politischen Konsens über alle<br />
Parteien hinweg. Das ist eine beachtliche Kontinuität über<br />
anderthalb Jahrzehnte. Jetzt müssen wir uns mit der Frage<br />
beschäftigen, was die Umsetzung der <strong>Agenda</strong> <strong>2030</strong> für die<br />
nachhaltige Entwicklung in <strong>Deutschland</strong> bedeutet. Wir wollen,<br />
dass dies von starken Institutionen getragen wird und dass<br />
sie in die praktische Politikgestaltung einfließt. Das wird der<br />
Staatssekretärsausschuss alleine nicht schaffen. Wir werden<br />
es nur schaffen, wenn auch die Medien, die NGOs und die<br />
private Wirtschaft ihre Rolle in diesem Zusammenhang<br />
wahrn<strong>im</strong>mt.<br />
Zur Person<br />
Peter Altmaier ist Kanzleramtsminister und Bundesminister für besondere<br />
Aufgaben. Hierzu zählt aktuell auch die Flüchtlingskoordination. Zuvor war<br />
der Volljurist Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.<br />
Er gehört dem Deutschen Bundestag seit 1994 an. Der Beitrag ist ein Auszug<br />
(Abschrift) seines öffentlichen Vortrags auf dem Nachhaltigkeitsdialog am<br />
29.10.<strong>2015</strong> in Berlin.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
17
<strong>Agenda</strong><br />
Die globale Welt<br />
justiert die herkömmlichen<br />
Rollenverteilungen neu<br />
Die Sustainable Development Goals (SDGs) stehen für eine bessere Welt ein.<br />
Doch wie realistisch ist das in einer globalisierten Welt, deren Märkte eher<br />
Ellbogen als Fairness kennen? Was können Nationalstaaten hier überhaupt<br />
noch erreichen angesichts von Schuldenbergen und wachsenden Egoismen?<br />
Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Josef Wieland, der als versierter Wirtschaftsethiker<br />
sowohl Politiker als auch Studierende in diesen Fragen schult.<br />
Trauen Sie den Sustainable Development Goals zu, ein echter Game<br />
Changer zu sein, um Unternehmen einen Impuls in Richtung zu mehr<br />
Nachhaltigkeit zu geben?<br />
Prof. Dr. Josef Wieland: Der Unterschied zwischen den bisherigen<br />
Millennium Development Goals (MDGs) zu den neuen<br />
SDGs ist, dass es nicht mehr allein um Ziele geht, sondern<br />
um Lösungen. Das ist sehr wichtig. Unternehmen kommen<br />
hier als Akteure hinzu, weil vermutet wird, dass sie ein best<strong>im</strong>mtes<br />
Lösungspotenzial haben. Aus meiner Sicht besteht<br />
die Herausforderung nicht so sehr in einem Mangel an gutem<br />
Willen, sondern der Fähigkeit, die Welt als unsere gemeinsame<br />
Welt zu verstehen, also global zu denken, globale Analysen<br />
vorzunehmen und dann auch entsprechend global zu handeln.<br />
Viele Unternehmen sind von ihrem Geschäftsmodell her<br />
bereits global orientiert, und das könnte eine Qualifikation<br />
sein, einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der mit den SDGs<br />
aufgeworfenen Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung<br />
zu leisten.<br />
Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> spricht an dieser Stelle von „Business is a force<br />
for Good”. Gemeinsam Ziele, Werte anstreben klingt für mich ein<br />
bisschen nach Sozialethik. Erfährt diese Art von Wohlfahrtsstaat in<br />
den USA oder auch bei der UN gerade eine Renaissance?<br />
Wieland: Der Wohlfahrtsstaat oder auch der Sozialstaat sind<br />
heute faktisch Nationalstaaten, deren Aufgabe die Herstellung<br />
von Verteilungsgerechtigkeit ist. In der globalen Welt wird es<br />
aber nicht allein um Verteilungsgerechtigkeit gehen, sondern<br />
in erster Linie um Chancengerechtigkeit und Fairness der Entwicklung.<br />
Die Finanzkrise hat die Unternehmen sehr deutlich<br />
daran erinnert, dass sie Bestandteil der Gesellschaft sind und<br />
dass sie zum Gelingen dieser Gesellschaft, zur Wohlfahrt aller,<br />
beisteuern müssen. Die Zeiten, wo man lakonisch sagen<br />
konnte „The Business of Business is Business“, sind vorbei. Das<br />
<strong>im</strong>pliziert nämlich, dass das Ziel des Wirtschaftens erschöpfend<br />
daran definiert ist, Kapitalrenditen zu erwirtschaften. Das<br />
war noch nie richtig und ist heute weder eine konsistente<br />
Unternehmensstrategie noch politisch akzeptiert. An die<br />
18<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Wieland: Ja. Die SDGs <strong>im</strong>plizieren, dass ihre Realisierung<br />
nicht die Aufgabe spezieller Entwicklungsländer ist, sondern<br />
dass wir uns alle entwickeln müssen. Menschenrechts- und<br />
Sozialstandards sind keine Spezialitäten der „Dritten Welt“,<br />
sondern auch etwa in <strong>Deutschland</strong> auf der <strong>Agenda</strong>. Natürlich<br />
gibt es Unterschiede, aber wir müssen hier vom hohen<br />
Ross runter und unseren Teil zur Entwicklung beitragen.<br />
Armutsbekämpfung und Urbanität sind sicherlich in vielerlei<br />
Hinsicht regional geprägt und daher auch die Programme und<br />
das Engagement. Aber gleichzeitig sind sie auch gemeinsame<br />
Probleme. Das setzt aber voraus, dass wir, wie eingangs besprochen,<br />
dieses Gemeinsame der nachhaltigen Entwicklung<br />
tatsächlich verstehen. Darin sind wir noch nicht gut geübt.<br />
Wir sind darin verhaftet, in Kategorien wie Familie, Regionen,<br />
Länder und wenn es hoch kommt Nationalstaaten zu denken.<br />
Aber wir sind derzeit nur ungenügend in der Lage, europäisch<br />
geschweige denn global zu denken. Das wird ja gerade politisch<br />
sehr deutlich ausgetestet!<br />
Staaten sind oft gar nicht mehr finanziell oder strukturell in der Lage,<br />
diesen Aufgaben nachzukommen. Da könnten Unternehmen in diese<br />
Bresche einspringen. Das klingt erst mal gut, aber macht man damit<br />
nicht den Staat am Ende des Tages funktions- und damit nutzlos und<br />
fördert damit sogar Politikverdrossenheit?<br />
Wieland: In einer globalen Welt werden die herkömmlichen<br />
Rollenverteilungen neu justiert. Aber weder der Nationalstaat<br />
noch die europäische Ebene werden deshalb unwirksam oder<br />
gar überflüssig, sondern wir sehen neue Akteure in neuen Rollen.<br />
Was allerdings nicht mehr funktioniert, ist eine einfache<br />
Welt, in der der Staat Regeln und deren Erzwingungsmechanismen<br />
setzt und alle folgen. Regierungen und Verwaltungen<br />
kommen mehr und mehr in die Situation, den Dialog mit<br />
anderen Stakeholdern aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft zu<br />
suchen und zu organisieren. Multistakeholder-Dialoge sind<br />
beispielsweise solche neuen Governance-Strukturen, mit denen<br />
wir versuchen, globale Steuerungsdefizite auszugleichen.<br />
Stelle des Shareholder Value ist der Shared Value getreten,<br />
was wir aber nicht mit Wohlfahrts- und Sozialstaatsdenken<br />
verwechseln dürfen.<br />
Noch ist dieser Gedanke von Chancengerechtigkeit und Fairness nicht<br />
so verbreitet. Kommt das langsam in den Köpfen der Manager an?<br />
Wieland: Niemand kann heute wirtschaftlich erfolgreich sein,<br />
ohne zu berücksichtigen, dass jedes Unternehmen auch eine<br />
moralische Seite hat. Das ist genau der Mentalitätswandel,<br />
der sich sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wirtschaft<br />
gegenwärtig vollzieht. Bisher sind Manager gewohnt, in erster<br />
Linie auf die Börse oder auf Absatzzahlen als Erfolgsindikatoren<br />
zu schauen. Heute gilt es, moralische und andere normative<br />
Erwartungen in der strategischen und operativen Führung<br />
von Unternehmen zu berücksichtigen.<br />
Helfen dabei die 169 Ziele der SDGs? Kann das eine Grundlage sein, um<br />
da andere Formen von Instrumenten und Indikatoren zu entwickeln?<br />
Das heißt, auch Unternehmen bekommen hier neue Aufgaben<br />
hinzu und damit natürlich auch neue Verpflichtungen. In<br />
internationalen Dokumenten spricht man hier von Risk Based<br />
Due Diligence, also risikobasierten Sorgfaltspflichten. Und<br />
das ist nicht trivial, sondern birgt erhebliche Risiken, wenn<br />
wir etwa an die Themen Menschenrechte oder Beschwerdemechanismen<br />
denken.<br />
Sie wollen Unternehmen also daran erinnern, dass sie Teil der Gesellschaft<br />
sind und deshalb auch Pflichten haben?<br />
Wieland: Das Buch von Adam Smith heißt „The Wealth of<br />
Nations“ und nicht „The Wealth of Shareholders“. Deshalb<br />
müssen sich Leitung, Management und Sozialpartner sehr<br />
genau Gedanken darüber machen, was das für das eigene<br />
Geschäftsmodell bedeutet: Was wird die künftige Antriebstechnologie<br />
für Autos sein? Werden wir überhaupt noch<br />
Autos akzeptieren, um Mobilitätsfragen zu beantworten? Wie<br />
wird die Energieversorgung von morgen aussehen? Welche<br />
Technologien und Logistik braucht urbanes Leben? >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
19
<strong>Agenda</strong><br />
Das sind keine abstrakten Fragen, sondern solche, für deren<br />
Beantwortung wir zunächst gute Ingenieure und wirksame<br />
Managementverfahren brauchen. Daher die Diskussion zur<br />
Social Innovation oder die Einbeziehung der Stakeholder in<br />
das Innovationsmanagement. Daher die neuen Formen der<br />
Corporate Governance wie etwa Stakeholder Advisory Committees.<br />
Am Markt sind heute erfolgreiche Innovationen häufig<br />
nicht mehr nur eine Frage der Ingenieurskunst, sondern der<br />
Beschaffung von Vertrauen und Legit<strong>im</strong>ation. Diese Art der<br />
Unternehmerführung zielt nicht alleine auf reines Reputations-<br />
oder Brand-Management ab, sondern auf die Fähigkeit,<br />
die Ressourcenkooperation erfolgreich nutzen zu können. Das<br />
ist die Kernfähigkeit für Corporate Responsibility.<br />
Was bedeutet das für Anforderungen an Leitbilder und Corporate<br />
Governance?<br />
Wieland: Das hat in der Tat Konsequenzen für die Corporate<br />
Governance. So werden sich die Risikomanagementsysteme in<br />
Unternehmen nicht länger nur mit Finanz- oder Geschäftsrisiken<br />
beschäftigen, sondern sie müssen auch Compliance-Risiken,<br />
die <strong>im</strong> Bereich der Integrität, der sozialen Akzeptanz von Technologien<br />
oder <strong>im</strong> Bereich der Menschenrechte liegen, beachten.<br />
Die Risikomanager werden dafür Systeme entwickeln müssen,<br />
um zum Beispiel die erwähnte Risk Based Due Diligence auf<br />
Menschenrechtsfragen oder allgemeine Social Compliance<br />
anzuwenden. Hier gibt es erste Ansätze, aber niemand weiß<br />
<strong>im</strong> Moment ganz genau, wie effektive Systeme für diese Bereiche<br />
aussehen. Ein weiterer Aspekt ist, wie bereits erwähnt,<br />
den Dialog mit Stakeholdern zu institutionalisieren. Ein Weg,<br />
den auch in <strong>Deutschland</strong> einige Unternehmen gegangen<br />
sind, sind Stakeholder Advisory Councils oder Committees,<br />
um über diesen systematischen und kontinuierlichen Dialog<br />
die moralischen oder auch technischen Ansprüche der Gesellschaft<br />
an Produkte, Service- oder Organisationsverfahren<br />
in das Unternehmen einzubringen. Das wäre vor wenigen<br />
Jahren undenkbar gewesen. Da hätte man gesagt, dass dafür<br />
Marktanalysen und die Bearbeitung des politischen Raumes<br />
ausreichen. Und schließlich drittens die Anforderungen an die<br />
Qualifikation und die Dynamik von Aufsichtsräten. Reicht es,<br />
wenn man den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
entgegenn<strong>im</strong>mt, oder wie weit reicht die Prüftiefe selbst?<br />
Board Dynamic und Board Activities sind nicht ohne Grund<br />
heute Themen in der wissenschaftlichen und praktischen<br />
Diskussion zur Corporate Governance.<br />
Das klingt für mich nach einer Art von globaler Managementkultur.<br />
Tatsächlich ist es doch so, dass es weltweit unterschiedliche Formen von<br />
Unternehmenskultur gibt und auch unterschiedliche gelebte Formen<br />
von Governance. Glauben Sie, dass sich das zu einem globalen Stil<br />
einpendelt?<br />
Wieland: Das ist in der Tat eine der großen Herausforderungen.<br />
Wir brauchen auf dieser Ebene transkulturelle Standards,<br />
nicht einfach nur interkulturell verschiedene Standards. Es<br />
gibt, und das wird es auch <strong>im</strong>mer geben, unterschiedliche<br />
kulturelle Deutungen zu Traditionen <strong>im</strong> Bereich von Führung<br />
und Management, aber das muss Hand in Hand gehen mit der<br />
Entwicklung eines transkulturellen Managementverständnisses.<br />
Transkulturell heißt dabei nicht, kulturelle Differenzen<br />
zu ignorieren, wohl aber, dass wir zusätzlich noch stärker<br />
die Gemeinsamkeiten betonen. Ein Beispiel ist das Diversity<br />
Management von Unternehmen, wo man dann nicht nur<br />
interkulturelle Trainings machen sollte, sondern eben auch<br />
transkulturelle Trainings. Ziel eines solchen Trainings wäre es,<br />
die Manager nicht nur über kulturelle Unterschiede aufzuklären,<br />
sondern sie auch zu befähigen, in schwierigen Situationen<br />
Gemeinsamkeiten für möglich zu halten, zu sehen, damit man<br />
gemeinsam den nächsten Schritt gehen und zu praktischen<br />
Lösungen als gemeinsamer Lernprozess kommen kann.<br />
Es wird noch auf eine lange Zeit hin einen Wettstreit von<br />
Wirtschaftssystemen geben. Die VR China zum Beispiel hatte<br />
zu keinem Zeitpunkt die Idee, die Kooperation mit dem<br />
Westen dahingehend zu veredeln, dass sie unsere Form der<br />
Marktwirtschaft übern<strong>im</strong>mt, auch wenn manche <strong>im</strong> Westen<br />
sich das vielleicht gewünscht haben. China wollte schon <strong>im</strong>mer<br />
eine Marktwirtschaft mit einer – kulturell und politisch –<br />
chinesischen Färbung. Deshalb gibt es dort heute auch Business<br />
Schools, wo Konzepte des „Konfuzian Entrepreneurship<br />
Management“ gelehrt und beforscht werden.<br />
Führt so ein Wettstreit der Modelle nicht zu Konflikten?<br />
Wieland: Ja, vermutlich wird es das geben, aber ich sehe dieser<br />
Diskussion mit Opt<strong>im</strong>ismus entgegen. Es beendet zunächst<br />
den Glauben, dass die Ordnungsvorstellungen, die wir <strong>im</strong><br />
Westen entwickelt haben, automatisch auch für den Rest<br />
der Welt gelten könnten. Das ist nicht selbstverständlich, das<br />
gilt es zu lernen. Sodann werden wir mehr über die Möglichkeiten<br />
globaler und langfristiger Kooperationen lernen. Um<br />
internationalen Handel zu betreiben, mag es ja reichen, wenn<br />
man sich über die Sitten und Gebräuche in anderen Ländern<br />
20<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
informiert und sie toleriert. Wenn man aber „<strong>Global</strong> Economy“<br />
betreibt, dann muss man langfristig kooperieren, man<br />
investiert vor Ort und muss Erwartungssicherheiten geben und<br />
haben. Und dieser Übergang vom Handel zur Investition, vom<br />
Tausch zur langfristigen Kooperation, der verlangt, dass man<br />
Diversität so behandelt, dass neben den Differenzen auch die<br />
Gemeinsamkeiten auftreten können. Diese Balance zwischen<br />
Differenz und Gemeinsamkeit auf allen Ebenen herzustellen,<br />
individuell und organisatorisch, politisch und ökonomisch,<br />
ist eine Herausforderung.<br />
Wir in Europa und Nordamerika sind historisch gewohnt, dass wir<br />
die Spielregeln festlegen. Das ändert sich jetzt, sagen Sie. Was bedeutet<br />
das für so ein Thema wie Corporate Social Responsibility? Wie sieht<br />
globale CSR aus?<br />
Wieland: Man kann ziemlich gut abschätzen, wie das aussehen<br />
wird. Wir haben einerseits mehr und mehr globale Werte und<br />
Management Standards wie etwa die ILO-Kernnormen, UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong>, ISO 26000, die UN Leitlinie für Menschenrechte<br />
und Wirtschaft oder auch die OECD und Compliance Normen.<br />
bevorzugen gesetzliche Regeln, einmal abgesehen von der<br />
Durchsetzungsfähigkeit. Ich glaube allerdings, dass wir so Innovationspotenzial<br />
verschenken, weil manche Unternehmen gut<br />
mit staatlichen Regulierungen leben können, da diese scheinbar<br />
Handlungsklarheit schaffen. Eine gesetzliche Regulierung<br />
führt leicht zu einem Tick-the-Box-Ansatz: Du sagst mir, was<br />
du von mir willst, und ich mache genau das, aber auch nur<br />
das. Eine freiwillige Verpflichtung <strong>im</strong> Marktwettbewerb setzt<br />
Anreize für ein Innovations-Management. Es kann ein Anreiz<br />
sein, über bessere mögliche Lösungen kreativ nachzudenken.<br />
Trauen Sie Unternehmen bei einem hier skizzierten reinen Soft Law-<br />
Szenario am Ende zu, Lösungen zu entwickeln, die sogar die Politik<br />
überflügeln? Angesichts der offenkundigen Krise des Multilateralismus,<br />
also der staatenübergreifenden Kooperation, bei fast allen wichtigen<br />
Themen unserer Zeit – z. B. Frieden, Flüchtlinge, Kl<strong>im</strong>awandel – wäre<br />
das ja vielleicht gut?<br />
Wieland: Wir müssen <strong>im</strong> Auge behalten, dass Unternehmen<br />
private Akteure sind, und deshalb nicht ohne Weiteres mit<br />
öffentlichem Interesse gleichzusetzen sind. Ich würde da<br />
auch nichts überhöhen. Wenn wir Adam Smith, um noch<br />
mal darauf zurückzukommen, richtig verstehen, war seine<br />
Idee der „Invisible Hand“, dass Marktteilnehmer, gleichwohl<br />
und indem sie private Interessen verfolgen, dem öffentlichen<br />
Wohl dienen. Das Faszinierende an seinem Modell ist, dass<br />
es ein Institutionen-Gleichgewicht repräsentiert, das private<br />
Interessen mit dem öffentlichen Interesse parallelisiert. Wie<br />
auch <strong>im</strong>mer, viele haben den Eindruck, dass dieses Gleichgewicht<br />
aus der Balance geraten ist. Daher exper<strong>im</strong>entieren<br />
moderne Gesellschaften heftig an den verschiedensten Stellen,<br />
wie wir dies umkehren können. Damit wird auch die<br />
Frage der Public Governance neu gestellt: Was muss sich<br />
hier ändern, um ihnen eine bessere Adaptivität zu verleihen?<br />
Daran schließt sich auch die Frage nach der Ausbildung der<br />
Führungseliten in Wirtschaft und Gesellschaft an. Manager<br />
oder Politiker, Verwaltungskräfte oder Richter, sie alle sollten<br />
die Logik intersektoraler und transkultureller und globale<br />
Zusammenhänge realisieren.<br />
Das ist aber eine ambitionierte <strong>Agenda</strong>!<br />
Wieland: In dieser Gemengelage werden wir uns noch eine<br />
Weile bewegen, und die SDGs, mit denen wir ja unser Gespräch<br />
begonnen hatten, werden ein Prüfstein sein, ob wir<br />
effektiv und effizient mit den genannten Herausforderungen<br />
umgehen können.<br />
Die SDGs sind keine Standards, sind aber als gemeinsame Ziele<br />
angelegt. Sie alle treffen Aussagen darüber, was von der Führung<br />
und dem Management eines Unternehmens erwartet wird. Sie<br />
regeln Erwartungen und Verfahren, aber auch, welche Art von<br />
Produkten, Dienstleistungen und Technologien auf den Weg<br />
gebracht werden sollten. Ihre Durchsetzung wird über Staat,<br />
Organisationen und den Markt, über Reputation und über<br />
die gesellschaftliche Legit<strong>im</strong>ität erfolgen. Kontrolliert werden<br />
sie mittels Audits und Monitoring, sei es der Wirtschaft oder<br />
Zivilgesellschaft und nicht so sehr über staatliche Behörden.<br />
NGOs, aber auch Gewerkschaften, sind hier misstrauisch und<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. habil. Josef Wieland lehrt am Lehrstuhl für Institutional Economics,<br />
Organisational Governance, Integrity Management & Transcultural Leadership<br />
an der Zeppelin University Friedrichshafen und ist Direktor des neu gegründeten<br />
Leadership Excellence Instituts Zeppelin (LEIZ).<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
21
<strong>Agenda</strong><br />
Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> soll die<br />
UN-Entwicklungsziele in<br />
Unternehmenssprache<br />
übersetzen<br />
Der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist mit über 15.000 Teilnehmern die weltweit größte Initiative für unternehmerische<br />
Verantwortung. In jüngster Zeit stagniert die Initiative jedoch sowohl bei den Teilnehmerzahlen<br />
als auch programmatisch. Jetzt hat die Dänin Lise Kingo als neue Direktorin das<br />
Ruder übernommen und soll den <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> strategisch neu ausrichten. Dr. Elmer Lenzen,<br />
Herausgeber der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Jahrbücher, sprach darüber mit ihr in einem ihrer ersten Interviews<br />
in ihrer neuen Funktion.<br />
Georg Kell hat von 2000 bis <strong>2015</strong> als erster Chef des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
erreicht, dass die Initiative innerhalb und außerhalb der Vereinten<br />
Nationen bekannt und anerkannt wurde. Das ist salopp gesagt die<br />
Georg-Kell-Story. Wie wird in Zukunft die Lise-Kingo-Story aussehen?<br />
Lise Kingo: Es kommt nicht darauf an, dass es die Lise-Kingo-<br />
Story wird. Wichtig ist vielmehr, auf was sich der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
in seiner nächsten Phase konzentriert. Das werden definitiv die<br />
neuen Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten<br />
Nationen sein. Sie sind ein wesentliches Instrumentenset, um<br />
den <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> auf ein höheres Niveau zu heben.<br />
Heißt das, dass die SDGs die bisherigen Regeln des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
ersetzen?<br />
Kingo: Nein, man sollte die SDGs als einen Zusatz zu den<br />
bestehenden 10 Prinzipien ansehen. Jedes Unternehmen, das<br />
die zehn Prinzipien unterschreibt, sollte daher auch die SDGs<br />
<strong>im</strong> Hinterkopf haben. Die SDGs machen den Unternehmen<br />
klar, was die zentralen Fragen der Zukunft sind, wohin sich<br />
die globale Entwicklung bewegt, und was Stakeholder, allen<br />
voran die Politik, erwarten. Die Weltgemeinschaft ist sich<br />
einig, dass diese Ziele weltweit Priorität haben. Die Wirtschaft<br />
weiß jetzt, was erwartet wird. Das kann sie als Plattform für<br />
Innovation und neues Wachstum nutzen.<br />
Seit wann eignen sich Entwicklungsziele als Geschäftsmodell?<br />
Kingo: Sie könnten mit den SDGs Risiken <strong>im</strong> Portfolio in<br />
Chancen umwandeln. Viele Unternehmen bewegen sich in<br />
sehr kompetitiven Märkten. Ich nenne es das „Red Ocean“-<br />
Szenario, weil hier wirklich gekämpft wird. Sie versuchen,<br />
sich mit Innovationen hervorzutun. Die SDGs bieten eine<br />
Möglichkeit, um die Welt und die Märkte auf eine andere Art<br />
zu sehen und einen Weg hin zu einer entspannteren „Blue<br />
Ocean“-Situation zu finden. Die Herausforderung besteht<br />
darin, wie man die SDGs mit dem jeweiligen Geschäftsfeld<br />
in Verbindung bringt und es in das Geschäftsmodell einbaut.<br />
Sind die SDGs denn wirklich so klar und eindeutig, dass Unternehmen<br />
sie als Handlungsleitfaden nutzen können?<br />
Kingo: Wir helfen bei Fragen und Unklarheiten. Wir haben<br />
gerade erst eine Reihe neuer Initiativen gestartet, die den<br />
22<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Unternehmen Orientierung geben, um sich durch die SDGs<br />
zu navigieren. Ein Instrument ist der „SDG Compass“, den wir<br />
gemeinsam mit GRI und dem WBCSD entwickelt haben. Das<br />
ist ein sehr klarer Führer, wie Unternehmen loslegen können.<br />
Außerdem haben wir den „Poverty Footprint“ gemeinsam u. a.<br />
mit Oxfam gestartet. Damit können Unternehmen einfach<br />
überprüfen, ob sie einen Armutsfußabdruck erzeugen und<br />
wie sie diesen dann ggfs. reduzieren können.<br />
Die Aufgabe des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist es also, Unternehmen die SDGs<br />
zu erklären?<br />
Kingo: Der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist Teil des UN-Systems und<br />
die SDGs kommen aus dem UN-System. Wir haben daher eine<br />
besondere Verpflichtung, bei der Umsetzung mitzuwirken. Ich<br />
sehe als Aufgabe des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> jetzt in der Tat, diese<br />
Ziele in eine Unternehmenssprache zu übersetzen und mit<br />
guten Beispielen aufzuzeigen, wie andere Unternehmen sich<br />
dies bereits zunutze machen.<br />
Wie wollen Sie das erreichen?<br />
Kingo: Die SDGs wurden innerhalb des UN-Systems entwickelt.<br />
Sie sind also zunächst politisch formuliert. Das muss jetzt in<br />
eine Unternehmenssprache übersetzt werden. Dafür brauchen<br />
wir eine klare Kommunikation und gutes Storytelling in Praxisbeispielen.<br />
Dafür brauchen wir frische Gesichter und frische<br />
Geschichten, um auch junge Leute zu erreichen. Diese Übersetzungsleistung<br />
ist eine große Herausforderung, und sie ist die<br />
Hauptaufgabe des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> für die kommenden Jahre.<br />
Warum sollte sich ein Unternehmen auf zusätzliche Pflichten freuen?<br />
Kingo: Wir müssen uns stets ins Gedächtnis rufen, dass viele<br />
Unternehmen heutzutage gerne verantwortungsbewusst<br />
handeln. Sie möchten einen Unterschied machen und sehen<br />
Wirtschaft als eine Kraft für Gutes. Dennoch muss in allem,<br />
was sie tun, auch ein funktionierendes Geschäftsmodell sein.<br />
Das ist schließlich, was ihre Stake- und Shareholder von ihnen<br />
erwarten.<br />
Deshalb hoffe ich, dass die neuen SDGs beides liefern: Interessante<br />
neue Geschäftsmöglichkeiten und zugleich dazu<br />
beizutragen, die Welt etwas besser zu machen.<br />
>><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
23
<strong>Agenda</strong><br />
Das klingt nach Mehraufwand, dabei wird das Thema CSR sowieso<br />
schon zunehmend verpflichtend. Ich denke da an die EU-Berichtspflicht<br />
und auch der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> fordert einen jährlichen Fortschrittsbericht<br />
seiner Mitglieder. Riskieren wir bei so viel Regulation nicht, die<br />
intrinsische Motivation der Teilnehmer zu verlieren?<br />
Kingo: Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist eine freiwillige Initiative, aber<br />
alle Teilnehmer müssen jährlich ihren Fortschrittsbericht abgeben,<br />
und das ist auch wichtig, da die UN mit ihrem Namen<br />
dafür steht. Das ist Teil der Integrität und die Eintrittskarte,<br />
um das UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Logo nutzen zu dürfen. Überprüfung<br />
und Transparenz werden in den kommenden Jahren<br />
auch <strong>im</strong>mer weiter an Bedeutung gewinnen. Das sollte sich<br />
jeder klar machen.<br />
Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist damit aber derzeit in einem „Delisting<br />
Dilemma“ gefangen. Alles, was sie an neuen Teilnehmern gewinnen,<br />
verlieren sie auf der anderen Seite durch Ausschluss wegen fehlender<br />
Berichte. So steigert der <strong>Compact</strong> seine Teilnehmerbasis und damit<br />
auch Durchschlagskraft nicht ...<br />
Kingo: Das Delisting betrifft vor allem kleine und mittlere<br />
Unternehmen, die nicht so viele Personalkapazitäten haben.<br />
Hier ist es dann die Frage, ob der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> für kleine<br />
Unternehmen vielleicht doch zu aufwändig ist. Wir wollen<br />
eine diverse Initiative sein mit Teilnehmern aller Regionen<br />
und Größen, aber in der Tat haben wir derzeit dieses Dilemma.<br />
Das will ich mir in meiner Rolle als neue GC Direktorin sehr<br />
genau anschauen und hoffentlich finden wir eine smarte<br />
Lösung, um beiden Anforderungen gerecht zu werden.<br />
Meine persönliche Erfahrung aus der Unternehmenspraxis ist<br />
übrigens, dass der Trick be<strong>im</strong> Reporten der ist, dass es Teil des<br />
Modus Vivendi <strong>im</strong> Unternehmen werden muss. Es muss Teil<br />
der regelmäßigen Handlungsroutinen werden und deshalb<br />
enger an eine wie auch <strong>im</strong>mer geartete Geschäftsberichterstattung<br />
angebunden werden. Dafür sollte das CoP-Reporting<br />
dann einfach gehalten sein.<br />
Derzeit beschäftigen die Menschen andere Themen wie Kriege, Konflikte<br />
und vor allem die Flüchtlingskrise. Wie wollen Sie da Aufmerksamkeit<br />
für Nachhaltigkeitsfragen gewinnen?<br />
Kingo: Wir müssen Nachhaltigkeit zum Mainstream machen.<br />
Wir sind zum Beispiel sehr stolz auf den gemeinsamen Aufruf<br />
des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> und des UN Flüchtlingshilfswerks, den<br />
viele, viele Unternehmen unterschrieben haben. Der <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> kann zum Beispiel dabei helfen, Armut als eine der<br />
Fluchtursachen anzusprechen. Wir bieten Unternehmen Instrumente,<br />
um ihre wirtschaftliche Tätigkeit zur Minderung<br />
dieser Armut auszurichten.<br />
15 Jahre lang standen die Millennium<br />
Development Goals (MDGs) für das<br />
Versprechen der UN nach einer besseren<br />
und gerechteren Welt. Manches wurde<br />
erreicht, vieles blieb liegen. Jetzt sollen<br />
die Sustainable Development Goals (SDGs)<br />
genau hier ansetzen und weitermachen.<br />
Viele Themen sind dabei geblieben, neue<br />
dazugekommen. Sind die SDGs statt der<br />
MDGs also nur Wortklauberei oder was<br />
steckt inhaltlich dahinter? Wir sprachen<br />
darüber mit Professor Stefan Schaltegger,<br />
einem der renommiertesten Nachhaltigkeitsexperten<br />
hierzulande.<br />
Zur Person<br />
Lise Kingo ist seit September <strong>2015</strong> Executive Director des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>.<br />
Zuvor arbeitete Kingo be<strong>im</strong> dänischen Pharmakonzern NovoNordisk.<br />
24<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Aus MDGs werden SDGs –<br />
alter Wein in neuen Schläuchen?<br />
Sind die Sustainable Development Goals (SDGs) als Nachfolger der<br />
Millennium Development Goals (MDGs) substanziell verbessert oder<br />
ist es alter Wein in neuen Schläuchen?<br />
Prof. Dr. Stefan Schaltegger: Ich habe einen Eins-zu-eins-<br />
Vergleich gemacht und dabei sieht man, dass eine ganze Reihe<br />
der Millennium Development Goals auch in den Sustainable<br />
Development Goals enthalten sind. Themen wie beispielsweise<br />
Armut und Hunger waren Ziel Nr. 1 bei den MDGs und sind<br />
jetzt aufgesplittet worden in Ziel Nr. 1 und Ziel Nr. 2 bei den<br />
SDGs, wobei bei Ziel Nr. 2 dann nicht nur Hunger steht, sondern<br />
auch „Food Security“ und „Improve Nutrition and Promote<br />
Sustainable Agriculture“. Das heißt, die Ziele sind spezifischer<br />
geworden, und es ist auch eine gewisse Operationalisierung<br />
durch genauere Unterziele erfolgt. Es gibt dann auch die umgekehrte<br />
Situation bei den MDG-Zielen 3 bis 5, also „Gender<br />
Equality“, „Child Mortality“ und „Maternal Health“, die jetzt<br />
weitgehend zu einem Ziel, nämlich Ziel Nr. 3 bei den SDGs<br />
zusammengefasst wurden: „Ensure Healthy Life and Promote<br />
Well Being for all and all Ages“. Insgesamt gesagt ist eine Restrukturierung<br />
erfolgt, teilweise als Spezifizierung, teilweise als<br />
Zusammenfassung. Und es gibt neue Ziele, wie beispielsweise<br />
„Ensure Access to affordable, reliable sustainable and modern<br />
Energy“. Die gab es so vorher bei den MDGs weder auf der<br />
Ziel- noch auf der Target-Ebene.<br />
Ein ganz wesentlicher Unterschied ist nach Ansicht der UN, dass<br />
mit den SDGs jetzt auch die Industrie- und OECD-Staaten Teil der<br />
Entwicklungsziele sind, also auf eine gewisse Art jeder Staat ein<br />
Entwicklungsland ist.<br />
Schaltegger: Das ist richtig, wobei auch schon bei den MDGs<br />
klar war, dass das sehr stark auch die Industrieländer betrifft.<br />
Wenn wir uns Themen wie HIV- oder Hunger- und Armutsbekämpfung<br />
anschauen, so kann das nur Erfolg haben, wenn<br />
die Industrieländer sich entsprechend dafür einsetzen.<br />
Jüngst hat die Bertelsmann Stiftung einen Stresstest mit einem Teilbereich<br />
der SDGs durchgeführt, und viele Länder sind durchgefallen.<br />
Da steht also noch viel Arbeit an. Glauben Sie, dass die SDGs helfen<br />
werden, mehr Nachhaltigkeit in diesen Ländern anzustoßen?<br />
Schaltegger: Ja und nein. Ziele sind zunächst einmal nur<br />
Absichtserklärungen. Das Problem der Ziele der MDGs war<br />
ja nicht, dass sie schlecht waren und sie deshalb großteils<br />
gar nicht oder nur partiell erreicht wurden, oder auch<br />
erhebliche Rückschritte erzielt wurden. Das Problem ist vielmehr,<br />
dass die notwendigen Maßnahmen nicht umgesetzt wurden.<br />
Aber allein dadurch, dass man jetzt Ziele anders formuliert<br />
oder auch spezifiziert, ist noch nichts erreicht. Es ist natürlich<br />
sinnvoll, dass man solche Ziele formuliert, und damit >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
25
<strong>Agenda</strong><br />
verbunden ist ja auch die Hoffnung, dass unterschiedliche<br />
gesellschaftliche und politische Akteure sich danach richten<br />
und entsprechende Maßnahmen in ihren Ländern anstoßen.<br />
Was davon in der Politik tatsächlich handlungsrelevant wird,<br />
bleibt abzuwarten.<br />
Liegt das vielleicht auch daran, dass die SDGs mit 17 Zielen mit 169<br />
Unterzielen viel zu aufgebläht sind? Manche Kritiker sagen, man habe<br />
die SDGs so formuliert, dass jede denkbare Anspruchsgruppe irgendwie<br />
mitgenommen wird und das Ergebnis eher einen Verhandlungskompromiss<br />
abbildet als eine wirkliche Handreichung. Wie sinnführend<br />
ist so ein Instrumentenset, gerade auch um Unternehmen als Akteure<br />
anzusprechen und einzubinden?<br />
Schaltegger: Zunächst einmal sind 169 Punkte natürlich<br />
sehr viel, das ist klar. Aber nicht jede Organisation ist von<br />
allen 169 Zielen beziehungsweise 17 Oberzielen betroffen.<br />
Man sollte das als eine Sammlung von global bedeutenden<br />
Aspekten ansehen und muss sich dann überlegen, was ist<br />
relevant für unser Unternehmen, für unsere Organisation,<br />
für unser Land. Für ein Land etwa, das keinen Ozeanzugang<br />
hat, spielt natürlich das entsprechende Ziel nur sehr indirekt<br />
eine Rolle. Das Gleiche gilt für Unternehmen: Ein Unternehmen,<br />
das nicht viel mit Energie zu tun hat, wird auch nur<br />
einen kleinen Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung<br />
leisten können. Das ist häufig so bei Nachhaltigkeitsthemen.<br />
Nachhaltigkeit ist ein hoch komplexer Bereich mit ganz,<br />
ganz vielen Teilaspekten. Bei den SDGs hat man versucht,<br />
möglichst viele Teilaspekte einzufangen. Das führt dazu, dass<br />
diese Ziele aus sehr unterschiedlichen Perspektiven formuliert<br />
wurden und es zu Überschneidungen kommt. „Sustainable<br />
Consumption and Production“ hat ja auch etwas mit Energiekonsum<br />
zu tun und überschneidet sich mit „Sustainable<br />
Energy“. Solche Überschneidung zwischen den Zielen gibt es<br />
zuhauf. Daran wird deutlich, dass die SDGs nicht top down<br />
aus einer stringenten Logik konstruiert wurden, sondern aus<br />
einem gesellschaftlichen Prozess entwickelt worden sind, um<br />
unterschiedlichen Gruppen einen Ankerpunkt zu liefern.<br />
Das ist aber kein Problem, weil es nicht darum geht, diese<br />
Ziele quantitativ zu messen und Dopplungen zu vermeiden,<br />
sondern es geht darum, Fortschritte in allen Bereichen zu<br />
erzielen und ein Bewusstsein für die Vielfalt und Komplexität<br />
von Nachhaltigkeit zu schaffen.<br />
Für Entscheidungsträger, die sich für Nachhaltigkeit nicht<br />
viel Zeit nehmen wollen, sind diese 169 Unterziele natürlich<br />
abschreckend. Aber Organisationen und Personen, die der<br />
Nachhaltigkeit eine gewisse Relevanz be<strong>im</strong>essen, werden sich<br />
26<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
überlegen, was von diesem Set an Zielen für sie relevant ist.<br />
Das übernehmen üblicherweise Nachhaltigkeitsbeauftragte,<br />
welche die Nachhaltigkeitsthemen und -probleme ihrer Organisation<br />
kennen.<br />
Müssen Unternehmen für die SDGs neue Instrumente und Methoden,<br />
Indikatoren oder KPIs entwickeln?<br />
Schaltegger: Ich sehe das nicht so. Wenn man in seinem<br />
Nachhaltigkeitsbericht eine klare Aussage machen will, wie<br />
man <strong>im</strong> Vergleich zu den SDGs dasteht, dann muss man in<br />
jedem Fall Daten erheben. Die den SDGs zugrundeliegenden<br />
und für ein Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen<br />
sind jedoch nicht neu und sollten deshalb ohnehin schon<br />
angegangen, gemessen und kommuniziert werden. Be<strong>im</strong><br />
Thema Kl<strong>im</strong>aschutz wird beispielsweise CO 2<br />
in modernen<br />
Unternehmen schon seit einiger Zeit gemessen und intern<br />
gesteuert. Um zum SDG-Ziel „Cl<strong>im</strong>ate Change“ Aussagen zu<br />
treffen, braucht man nun <strong>im</strong> Jahre <strong>2015</strong> keine neuen Messmethoden<br />
oder Anreizsysteme.<br />
Lise Kingo, die neue Executive Direktorin des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>, beschreibt<br />
die SDGs als klaren Forderungskatalog der Weltgemeinschaft an die<br />
Unternehmen. Macht das die ganze CSR-Diskussion damit wesentlich<br />
politischer? Bisher haben wir Erklärungsmodelle wie Elkingtons<br />
„Triple Bottom Line“ oder Archie Carrolls „CSR-Pyramide“ hier oft<br />
zur Innensicht genutzt, um damit entsprechende Management- sowie<br />
Prozess- und Lösungsstrukturen auf Unternehmensebene aufzubauen.<br />
Müssen wir diese Modelle stärker extrovertiert denken?<br />
Schaltegger: Corporate Social Responsibility (CSR) ist niemals<br />
nur innenorientiert, sondern geht der Frage nach, was kann<br />
und soll man intern tun, um die externen Wirkungen des<br />
Unternehmens zu managen? Insofern steht Corporate Social<br />
Responsibility <strong>im</strong>mer in Bezug auf die Gesellschaft und fragt<br />
nach dem Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung. Beispielsweise<br />
die Bottom-of-the-Pyramide-Ansätze versuchen,<br />
Produkte zu entwickeln, die sich auch die Ärmsten der Armen<br />
leisten können. Aber die Herausforderung von CSR ist<br />
<strong>im</strong>mer auch organisationsintern: Wie setzen wir etwas um?<br />
Wie organisieren wir das? Und kann man das überhaupt<br />
machen? Daran wird sich auch durch die SDGs nichts ändern,<br />
weil sie dem Unternehmen be<strong>im</strong> besten Willen nicht sagen,<br />
wie es etwas intern umsetzen soll. Was die SDGs dagegen<br />
leisten können, ist, einen Referenzpunkt darzustellen für<br />
Unternehmen, die einen Beitrag zur Lösung der globalen<br />
Probleme leisten wollen.<br />
Hat das nicht ein „Geschmäckle“, wenn wir an Hunger und Krankheiten<br />
verdienen?<br />
Schaltegger: Es hat einen Beigeschmack, wenn ein Geschäftsmodell<br />
so ausgerichtet ist, dass die Armen für das Produkt<br />
mehr bezahlen, nur weil es in kleinere Portionen gepackt wird,<br />
damit sie diesen Preis auf bringen können. Es gibt aber auch<br />
gute Bottom-of-the-Pyramide-Lösungen, bei denen sie nicht<br />
über den Tisch gezogen werden, sondern sie <strong>im</strong> Gegenteil sogar<br />
Vorteile haben. Hier haben sich auch ganz spannende hybride<br />
Organisationsformen <strong>im</strong> Gründungsbereich herausgebildet,<br />
die halb NGO, halb Unternehmen sind.<br />
Wenn wir wollen, dass die SDGs bis <strong>2030</strong> den einen oder anderen<br />
Erfolg zeitigen, dann werden wir dafür einen neuen Typus von<br />
Unternehmern und Führungskräften brauchen, die so etwas viel<br />
stärker mitdenken. Was müssen diese Manager besser können als<br />
herkömmliche Manager?<br />
Schaltegger: Eine ganze Reihe Dinge! Man spricht hier auf<br />
der einen Seite von Sustainability Managern und auf der<br />
anderen Seite von Sustainability Entrepreneuren. Beide stellen<br />
sich die Frage, wie das Geschäftsmodell fundamental<br />
verändert werden muss, sodass sie einen Beitrag zu einer<br />
Nachhaltigkeitstransformation von Märkten und Gesellschaft<br />
beitragen. Um ein Beispiel zu nennen, stellen wir uns ein<br />
Automobilunternehmen vor. Jedes Auto, das auf den Markt<br />
gebracht wird, stiftet individuellen Nutzen – deshalb wird<br />
es gekauft. Es trägt grundsätzlich aber auch zu Problemen<br />
bei – vor allem ökologischen, aber auch Unfallgefahren etc.<br />
Die meisten Geschäftsmodelle <strong>im</strong> Automobilsektor beinhalten<br />
prinzipiell eine unnachhaltige Wirkung, da sie auf den<br />
Verkauf möglichst vieler Autos ausgerichtet sind und damit<br />
den Ressourcenverbrauch und die Anzahl an Staus erhöhen.<br />
Nachhaltigkeitsmanager müssen deshalb ein Verständnis dafür<br />
entwickeln, wie sie dieses Geschäftsmodell so ändern, dass<br />
nicht nur der Verkauf <strong>im</strong> Vordergrund steht, sondern andere<br />
Wege wie zum Beispiel Produkt-Dienstleistungskombinationen<br />
entwickelt werden, die das zugrunde liegende Mobilitätsbedürfnis<br />
genauso erfüllen. Das kann zum Beispiel Carsharing<br />
sein, weil man dabei zehn Mal weniger Autos braucht, um<br />
die gleiche individuelle Mobilität in einem urbanen Raum zu<br />
bedienen. Da<strong>im</strong>ler macht das beispielsweise mit „Car to go“<br />
und BMW mit „Drive now“. Es geht also nicht nur darum, bisherige<br />
Geschäftsprozesse möglichst effizient zu gestalten und<br />
Autos mit weniger Umweltbelastung zu produzieren, sondern<br />
es geht um eine grundsätzliche Innovation des Geschäfts und<br />
der Geschäftsmodelle. Diese Art von Transformationsdenken<br />
macht den neuen Manager-Typus aus. Hierbei helfen die SDGs,<br />
bewusst zu machen, was die zentralen gesellschaftlichen<br />
Probleme sind, die es zu meistern gilt.<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. Stefan Schaltegger ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere<br />
Nachhaltigkeitsmanagement. Er leitet das Centre for Sustainability<br />
Management (CSM) und hat 2003 den weltweit ersten MBA Sustainability<br />
Management eingeführt. Sein Forschungsschwerpunkt ist Nachhaltigkeitsmanagement,<br />
insbesondere Messung und Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeit<br />
(Environmental and Sustainability Accounting and Reporting, Nachhaltigkeitscontrolling,<br />
Sustainability Balanced Scorecard), Grundlagenkonzepte und<br />
Methoden des Nachhaltigkeitsmanagements (Sustainable Entrepreneurship,<br />
Biodiversitätsmanagement, Operationalisierung unternehmerischer Nachhaltigkeit)<br />
sowie Management von Stakeholder-Beziehungen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
27
<strong>Agenda</strong><br />
Zukunft gestalten –<br />
die Rolle von Unternehmen bei<br />
sozialen Innovationen<br />
Beschleunigte Veränderungsdynamiken in Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Umwelt<br />
stellen uns vor neue Herausforderungen. Ob Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt,<br />
eine <strong>im</strong> europäischen Kontext wachsende soziale Ungleichheit oder aktuell die Integration<br />
der Flüchtlinge aus Krisengebieten: Etablierte Steuerungs- und Problemlösungsroutinen<br />
stoßen entweder an ihre Grenzen oder bedürfen massiver Ausweitung um Ressourcen.<br />
Von Julia Scheerer und Jakob Kunzlmann<br />
Ohne den Einsatz tausender Freiwilliger – der Zivilgesellschaft<br />
– wäre die Flüchtlingskrise bis dato nicht zu bewältigen gewesen.<br />
Und nur mithilfe der Unternehmen wird die Integration<br />
der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt und somit in die Gesellschaft<br />
gelingen. Zahlreiche Initiativen – unter anderem der<br />
„Business Action Pledge in Response to the Refugee Crisis“ des<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> – zeigen, dass Unternehmen ihre Rolle<br />
als Mit-Gestalter von gesellschaftlichen Veränderungen ernst<br />
nehmen und sich den Herausforderungen stellen.<br />
Und es geht bei der bewussten Gestaltung des gesellschaftlichen<br />
Umfelds des Unternehmens nicht um philanthropisches<br />
oder altruistisches Verhalten, sondern es liegt <strong>im</strong> ureigensten<br />
Interesse der Unternehmen. Denn die oftmals dichotome<br />
Wahrnehmung von Eigeninteresse und Moral löst sich dadurch<br />
auf, dass es – bleiben wir be<strong>im</strong> Beispiel der Flüchtlingsproblematik<br />
– um Investitionen in eben jene Bedingungen<br />
geht, die die langfristige gesellschaftliche Zusammenarbeit<br />
zum gegenseitigen Vorteil fördern. Unternehmen sollten<br />
also selbst die Bedingungen mitgestalten, um Arbeits- und<br />
Fachkräftemangel zu begegnen.<br />
Unternehmen und soziale Innovationen<br />
Soziale Innovationen entstehen <strong>im</strong>mer dann bewusst oder<br />
unbewusst, wenn genau ein solcher Tatbestand eintritt: wenn,<br />
wie <strong>im</strong> Falle der Flüchtlingskrise, mehrere Partner zur Lösung<br />
einer Herausforderung beitragen können und müssen. Wenn<br />
neben staatlichen Anstrengungen auch die Zivilgesellschaft<br />
und Unternehmen massiv gefragt sind. Das Problemlösungspotenzial,<br />
das durch die systematische Entwicklung sozialer<br />
Innovationen durch Unternehmen und andere Akteure der<br />
Gesellschaft freigesetzt werden kann, trägt – in Anlehnung<br />
an den beschriebenen Ansatz – sowohl dazu bei, soziale<br />
Veränderungen positiv zu gestalten, als auch sich als marktschaffendes<br />
Instrument für das Unternehmen zu entwickeln.<br />
Dieser Rolle von Unternehmen bei sozialen Innovationen<br />
widmet sich die Bertelsmann Stiftung in einer laufenden<br />
Studie. Dafür wurden 42 Experteninterviews mit Personen<br />
aus Unternehmen und Wissenschaft, von Think Tanks und<br />
NGOs sowie von Netzwerken und Verbänden geführt. Als<br />
Grundlage der Untersuchung fungieren Überlegungen der<br />
Young Foundation, die einen spiralförmigen Prozess von<br />
sozialer Innovation beschreibt, beginnend mit Diagnose bzw.<br />
der Inspiration, was eine spezifische Problemlage oder eben<br />
ein Marktversagen sein kann. Darauf aufbauend wird in einer<br />
zweiten Stufe die Idee entwickelt. Auf der dritten Stufe wird<br />
die Idee in der Praxis getestet, es kommt sozusagen zu einem<br />
Austesten der möglichen Lösung mit der Realität. Wenn dieser<br />
Test erfolgreich war, findet die Idee Eingang als soziale Praktik,<br />
was Stufe vier darstellt. Entscheidend für die Wirkung ist<br />
28<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
Der Prozess sozialer Innovationen<br />
2 Proposals<br />
1 Prompts<br />
3 Prototypes<br />
6 Systemic<br />
Change<br />
4 Sustaining<br />
5 Scaling<br />
Quelle: Young Foundation / Nesta 2010: The Open Book of Social Innovation<br />
Stufe fünf, bei der die Praktik skaliert und weiterverbreitet<br />
wird. Erreicht sie eine größere Anzahl von Personen, die die<br />
Innovation internalisieren und in ihren jeweiligen Kontexten<br />
anwenden, ist eine gute Ausgangslage für die Erreichung der<br />
sechsten Stufe geschaffen. Schafft es die Innovation, bis Stufe<br />
sechs zu kommen, kommt es zu einer systemischen Veränderung:<br />
Die neue soziale Praktik hat Eingang in das Alltagsleben<br />
der Mehrheit der Bevölkerung gefunden.<br />
Die ersten Ergebnisse der Studie der Bertelsmann Stiftung deuten<br />
darauf hin, dass bereits eine Vielzahl von Unternehmen die<br />
Chancen von sozialen Innovationen bewusst nutzen. So zeigt<br />
sich, dass insbesondere große Unternehmen über meist branchenübliches<br />
Corporate Social Responsibility (CSR)-Verhalten<br />
hinaus eine Palette von Einzelmaßnahmen, Initiativen und<br />
Projekten auf den Weg bringen, über die gesellschaftliche<br />
Herausforderungen angegangen werden. Dies kann ein Projekt<br />
zur handygestützten Versorgung von Kleinbauern in Indien<br />
mit dringend benötigten Informationen sein, es können aber<br />
auch Kollaborationen von Pharmafirmen sein, die es schaffen,<br />
durch Ressourcenpooling ein dringend benötigtes Medikament<br />
in einem Zehntel der vorher veranschlagten Zeit herzustellen.<br />
Einbringen von Kompetenzen<br />
Ansätze von sozialen Innovationen können auf fast allen<br />
Stufen der beschriebenen Spirale entdeckt werden, wobei<br />
Unternehmen entlang jeder Stufe einen wesentlichen Beitrag<br />
zur Skalierung sozialer Innovationen leisten können.<br />
Im Gegensatz zu Politik und Zivilgesellschaft – die ebenso<br />
unterstützend wirken können – haben Unternehmen ganz<br />
spezifische Eigenschaften und Kompetenzen. Sie bringen<br />
ganz andere Denkweisen mit und verfügen über Spezialwissen<br />
in ihrem angestammten Betätigungsfeld, welches sie in<br />
ihrer Branche, in ihrem Sektor entwickelt haben. Im besten<br />
Fall sind die neuen Praktiken eng an das Kerngeschäft von<br />
Unternehmen gebunden, sodass eine intrinsische Motivation<br />
handlungsleitend ist.<br />
Naturgemäß entfernt sich die soziale Innovation von ihren<br />
Schöpfern, je weiter es in Richtung systemischer Veränderung<br />
geht, die Innovation wird selbstständig, sie „fliegt“. Vielleicht<br />
auch deshalb haben wir bisher kaum soziale Innovationen<br />
beobachten können, die von Unternehmen bis an diesen Punkt<br />
begleitet wurden. Somit werden gesellschaftliche Wirkung<br />
wie auch etwaige Marktchancen verspielt. Ein möglicher<br />
Handlungsansatz für eine stärkere Verbindung eines Unternehmens<br />
mit einer sozialen Innovation wäre die Definition<br />
eines gesellschaftlichen (sozialen) Ziels durch das Unternehmen<br />
von Beginn an sowie das kontinuierliche Monitoring der<br />
Zielerreichung auf gesellschaftlicher Ebene.<br />
Partnerschaften<br />
Was von allen Verantwortlichen in den Interviews betont<br />
wird, das sind Partnerschaften als Basis jedweder Innovation<br />
– und es können verschiedenste Arten von Partnerschaften<br />
sein. Angefangen mit branchenweiten Zusammenschlüssen,<br />
um best<strong>im</strong>mte Qualitätsstandards in der Lieferkette zu<br />
verankern, über branchenübergreifende Kooperationen, die<br />
bspw. das Thema Jugendarbeitslosigkeit in Europa gemeinsam<br />
bekämpfen und schlussendlich ein best<strong>im</strong>mtes – sehr gut<br />
funktionierendes – Ausbildungssystem international verbreiten.<br />
Oder es werden Partnerschaften mit supranationalen<br />
Institutionen oder NGOs eingegangen, um in Schwellen- und<br />
Entwicklungsländern Existenzgründer mit dem nötigen<br />
Wissen zu versorgen, ihr Unternehmen aufzubauen. All<br />
diese Initiativen zielen auf ein best<strong>im</strong>mtes Problem ab und<br />
versuchen, durch Ressourcenbündelung eine Änderung, d. h.<br />
eine Lösung zu erreichen. >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
29
<strong>Agenda</strong><br />
Wichtig bei Partnerschaften scheint, dass Unternehmen weg<br />
von einfachem „Sponsoring“ hin zu Partnerschaften „auf<br />
Augenhöhe“ tendieren, da dadurch die gegenseitige Expertise<br />
des jeweils anderen sowohl geschätzt als auch für das eigene<br />
Unternehmen nutzbar gemacht werden kann.<br />
Social Entrepreneurs<br />
Besonders sichtbar wird die Rolle von Unternehmen als<br />
Katalysator bei einer best<strong>im</strong>mten Form von asymmetrischen<br />
Partnerschaften: der Zusammenarbeit mit Social Entrepreneurs.<br />
Diese zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass ein soziales<br />
Problem gelöst werden soll, der Profitgedanke kommt frühestens<br />
an zweiter Stelle. Den oftmals jungen Unternehmern<br />
fehlt es nicht an guten Ideen, sondern an Kompetenzen und<br />
Ressourcen, ihre Idee groß zu machen, sie zu skalieren. Die<br />
Kompetenzen dafür bringen Unternehmen mit: Erfahrung,<br />
Know-how und ein Netzwerk. Was dabei oft vergessen wird:<br />
Die Erfahrung, die Mitarbeiter machen, wenn sie mit Social<br />
Entrepreneurs zusammenarbeiten, fließt direkt in das Unternehmen<br />
zurück und öffnet das Unternehmen für neue<br />
Ideen. Somit erwerben Social Entrepreneurs nicht nur von<br />
Unternehmen Kompetenzen, sondern Unternehmen können<br />
von den innovativen Ansätzen, die bereits Bestehendes oftmals<br />
infrage stellen, eine Menge lernen. Sich Lernprozessen<br />
bewusst auszusetzen, also systematisch eine Strategie der<br />
Offenheit und des Transfers von Kompetenzen zu fahren, stellt<br />
eine Herausforderung für Unternehmen dar, deren positive<br />
Wirkung nicht zu unterschätzen ist.<br />
Worauf warten?<br />
Grundlegend geht es um die Rolle von Unternehmen als Mitgestalter<br />
von Gesellschaft: Denn in dem Maße, dass zukünftige<br />
Veränderungsprozesse nur von allen, also Politik, Wirtschaft<br />
und Zivilgesellschaft in enger Partnerschaft gestaltet werden<br />
können, müssen die drei großen Partner ihre spezifischen<br />
Kompetenzen in neue Partnerschaften einbringen. Vor allem<br />
<strong>im</strong> Bereich sozialer Innovationen können verschiedenste Arten<br />
von Partnerschaften zwischen Unternehmen, der Politik<br />
und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowohl einen<br />
erheblichen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert generieren<br />
als auch speziell für die einzelnen Partner. Erste Ansätze<br />
dazu gibt es bereits, und der Bedarf an sozialen Innovationen<br />
scheint aktuell vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise<br />
mehr als gegeben.<br />
Trotz leichter Erholung – die Jugendarbeitslosigkeit bleibt<br />
in vielen Ländern auf Rekordniveau. Weltweit sind derzeit<br />
über 73 Millionen junge Menschen auf der Suche nach<br />
würdiger Arbeit. Wie ihnen geholfen werden kann, beschäftigte<br />
jetzt auch das europäische Netzwerk des <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> in Berlin.<br />
Das hatte Mitte Oktober <strong>2015</strong> in die deutsche Hauptstadt<br />
eingeladen, um <strong>im</strong> 15. Jahr seines Bestehens eine Zwischenbilanz<br />
zum bisher Erreichten zu ziehen und den Blick<br />
nach vorne zu richten. Der Schwerpunkt der hochkarätig<br />
besetzten Tagung lag auf der Rolle der Wirtschaft bei der<br />
Bewältigung drängender Zukunftsaufgaben in <strong>Deutschland</strong>,<br />
Europa und weltweit. Unter anderem ging es um neue Ideen<br />
<strong>im</strong> Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit.<br />
Diese sank nach jüngsten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation<br />
(ILO) in den Jahren 2012 bis 2014 zwar<br />
leicht. Sie habe sich weltweit bei 13 Prozent „stabilisiert“,<br />
so die UN-Organisation in einem Anfang Oktober veröffentlichten<br />
Bericht. Sie liege damit aber noch <strong>im</strong>mer über<br />
dem Niveau, das vor Beginn der globalen Wirtschafts- und<br />
Finanzmarktkrise 2009 verzeichnet wurde. „Es ist unverändert<br />
schwierig, jung zu sein und seinen Platz <strong>im</strong> heutigen<br />
Arbeitsmarkt zu finden“, sagt Sara Elder, Hauptautorin<br />
der Erhebung.<br />
Spanien und Griechenland: jeder zweite Jugendliche<br />
ohne Job<br />
Dies gilt auch für das <strong>im</strong> globalen Maßstab reiche Europa:<br />
In der gesamten EU lag die Erwerbslosenquote junger Menschen<br />
zwischen 15 und 24 Jahren zuletzt bei über 22 Prozent.<br />
Das teilte das Statistische Bundesamt <strong>im</strong> August mit. Die<br />
meisten arbeitslosen Jugendlichen gibt es demnach in Spanien<br />
und Griechenland, wo mehr als jeder Zweite von ihnen<br />
keinen Job findet. In <strong>Deutschland</strong> teilt jeder 14. Jugendliche<br />
dieses Los. 2014 waren das den Angaben zufolge hierzulande<br />
330.000 Menschen <strong>im</strong> Alter von 15 bis 24 Jahren.<br />
Zwar hat sich die Politik in <strong>Deutschland</strong> und der EU des<br />
Themas lange angenommen. Die Europäische Kommission<br />
etwa stellte Anfang des Jahres eine Milliarde Euro für den<br />
Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit bereit und hat eine<br />
Beschäftigungsinitiative für junge Menschen aufgelegt. In<br />
<strong>Deutschland</strong> stehen laut Bundesarbeitsministerin Andrea<br />
Nahles sechs Milliarden Euro an Fördermitteln bereit, um<br />
Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.<br />
Über die Autoren<br />
Julia Scheerer und Jakob Kunzlmann arbeiten beide <strong>im</strong> Programm „Unternehmen<br />
in der Gesellschaft“ der Bertelsmann Stiftung. Die Bertelsmann Stiftung<br />
untersucht in diesem Kontext jährlich die Entwicklung der Teilhabechancen in<br />
allen 28 EU-Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Rahmen des „Social Justice Index“.<br />
Im weltweiten Maßstab ist dieser Kampf indes noch nicht<br />
einmal in Ansätzen gewonnen. Schon lange macht das<br />
Wort der „verlorenen Generation“ die Runde. Die Frage, die<br />
sich auch das <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk Europe in Berlin<br />
stellte, ist, wie sich diese Menschen wieder in Beschäftigung<br />
integrieren lassen. Thema war dies unter anderem<br />
während eines Workshops am zweiten Konferenztag, der<br />
von der Bertelsmann Stiftung und der Ideenschmiede „The<br />
Do School“ begleitet wurde.<br />
30<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Post-<strong>2015</strong>-<strong>Agenda</strong><br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> mit neuen Ideen<br />
<strong>im</strong> Kampf gegen<br />
Jugendarbeitslosigkeit<br />
Norton fragte, ob es nicht an der Zeit sei, das Ideal der Vollbeschäftigung<br />
mit realistischeren Augen zu betrachten. „Vielleicht<br />
gibt es für die junge Generation einfach nicht mehr genug<br />
Jobs.“ Wenn das der Fall sei, müsse es darum gehen, ihnen<br />
trotzdem ein sinnvolles Leben und Teilhabe an der Gesellschaft<br />
möglich zu machen. Bleibe dies aus, könnten ganze<br />
Gesellschaften kippen. „Wohin das führen kann, sehen wir<br />
derzeit in Ägypten“, so Norton.<br />
In dem Workshop machten sich rund zwanzig Teilnehmer aus<br />
verschiedenen Ländern daran, Ideen auszubrüten, mit denen<br />
der Kampf gegen die weltweite Arbeitslosigkeit Jugendlicher<br />
auf neue Beine gestellt werden kann. Von den vielen kleinen<br />
Vorschlägen, die sie zunächst sammelten, destillierten sie<br />
nach und nach jene heraus, die ihnen am innovativsten und<br />
am meisten Erfolg versprechend schienen. Solche, die sowohl<br />
der Wirtschaft, den Unternehmen, als auch den Jugendlichen<br />
den größten Nutzen bringen.<br />
Neue Ideen <strong>im</strong> Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit<br />
ersonnen<br />
Neue Modelle der Arbeitsteilung fanden sich dabei: zum Beispiel<br />
die Idee, dass ältere Arbeitnehmer jüngere Arbeitssuchende<br />
frühzeitig unter ihre beruflichen Fittiche nehmen, um sie<br />
für ihren eigenen Job zu trainieren. Damit die Jugendlichen<br />
wegkommen von der Straße, die Älteren gegebenenfalls<br />
schneller in Rente gehen können und den Unternehmen keine<br />
„Talentlücken“ entstehen.<br />
Als präsentabel erwies sich auch die Idee, den schulischen<br />
Teil best<strong>im</strong>mter Ausbildungsgänge über sogenannte Massive<br />
Open Online Courses (MOOCs) mehr Menschen zugänglich<br />
zu machen. Diese könnten so best<strong>im</strong>mte berufliche Qualifikationen<br />
erwerben und sich für einen Job qualifizieren. Die<br />
Wirtschaft wiederum profitierte von einer breiteren Masse<br />
geeigneter Bewerber, aus der sie weltweit auswählen könnte.<br />
Jungen Menschen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen<br />
Klar wurde in diesem Zuge, dass Geld alleine offensichtlich<br />
zur Linderung der hohen Erwerbslosenquoten Jugendlicher<br />
nicht ausreicht. „Wir geben auch in Großbritannien viel Geld<br />
<strong>im</strong> Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit aus“, so Michael<br />
Norton, Gründer des britischen Centre for Innovation in<br />
Voluntary Action (CIVA), der den Workshop mit moderierte.<br />
Große Effekte habe das nicht gehabt.<br />
Auch eine „Zeitbank“ wurde ins Gespräch gebracht: eine Institution,<br />
in der jeder Berufstätige oder Interessierte seine<br />
Qualifikationen kostenlos anbieten kann, wofür <strong>im</strong> Gegenzug<br />
Zeitguthaben auf einem persönlichen Konto gutgeschrieben<br />
werde, um damit bei Bedarf andere Dienste als Gegenleistungen<br />
zu beziehen. So könnten sich auch Jugendliche in den Arbeitsmarkt<br />
einbringen, ohne dass sie auf eine Anstellung warten<br />
müssten. Im krisengeschüttelten Griechenland, berichtete ein<br />
Teilnehmer, soll dies auf lokaler Ebene schon funktionieren.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
31
<strong>Agenda</strong><br />
CSR Reporting<br />
mehr als nur Notwendigkeit<br />
Das sogenannte „extra-financial Reporting“ gewinnt für <strong>im</strong>mer mehr Unternehmen an<br />
Bedeutung. Es zeigt sich nämlich, dass Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfragen weit<br />
mehr sind als „Zusatzaspekte“: Sie haben einen <strong>im</strong>mer stärkeren Einfluss auf das Kerngeschäft<br />
und damit die Unternehmensbewertung. Die europäische CSR-Berichtspflicht,<br />
wachsende Transparenz in den Lieferketten und freiwillige Selbstverpflichtungen wie<br />
etwa der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> beschleunigen diesen Trend. Doch Reporting bedeutet<br />
nicht nur Pflicht, sondern auch Chance. Indem Corporate Social Responsibility Teil von<br />
Managementprozessen wird, kann es dabei helfen, Routinen kritisch zu hinterfragen,<br />
Innovationen anzustoßen und wirtschaftlichen Erfolg zu verstärken.<br />
32 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
33
<strong>Agenda</strong><br />
CSR Reporting<br />
Von der administrativen<br />
Pflicht zum strategischen<br />
Instrument<br />
Von Prof. Dr. Matthias S. Fifka<br />
Die von der Europäischen Union <strong>im</strong> Oktober 2014 verabschiedete<br />
Richtlinie (2014/95/EU) zur „Angabe nichtfinanzieller<br />
und die Diversität betreffender Informationen“ hat die<br />
tradierte Auffassung vieler Unternehmen verstärkt, dass es<br />
sich bei Corporate Social Responsibility (CSR) Reporting nur<br />
um eine unternehmerische Pflichtübung handle, die von<br />
außen gewünscht oder sogar gesetzlich eingefordert wird.<br />
Dieses Verständnis ist jedoch rein reaktiver, defensiver Natur.<br />
Unweigerlich wird CSR-Reporting dabei auf eine finanzielle<br />
Belastung reduziert, mit der das Unternehmen lediglich einer<br />
externen Erwartung nachkommt.<br />
Allerdings ist bereits der Mehrwert, der aus der Erfüllung<br />
dieser Erwartung erwächst, nicht zu unterschätzen. Unternehmen<br />
können sich heute dem Wunsch nach Transparenz<br />
<strong>im</strong>mer weniger verschließen. Stakeholder unterschiedlichster<br />
Natur – z. B. Investoren, Kunden, zivilgesellschaftliche Organisationen,<br />
Journalisten und Wissenschaftler – erwarten,<br />
dass nichtfinanzielle Informationen zur sozialen und ökologischen<br />
Leistung des Unternehmens veröffentlicht werden.<br />
Wer dieser Forderung nicht nachkommt, gerät leicht in den<br />
Verdacht, ignorant gegenüber gesellschaftlichen Anliegen zu<br />
sein oder etwas zu verbergen. Dadurch riskieren Unternehmen,<br />
gerade in unserer medial geprägten Welt, ihre „License<br />
to operate“. Dabei handelt es sich nicht pr<strong>im</strong>är um eine<br />
Lizenz <strong>im</strong> juristischen Sinne, unternehmerisch tätig sein zu<br />
dürfen, sondern um eine gesellschaftliche Erlaubnis – also<br />
die Akzeptanz der Stakeholder. Verliert ein Unternehmen<br />
diese Akzeptanz unter seinen Anspruchsgruppen, so verliert<br />
es auch seine Existenzberechtigung. Durch die EU-Richtlinie<br />
hat die License to operate darüber hinaus tatsächlich auch eine<br />
stark rechtliche Komponente bekommen, da die betroffenen<br />
Unternehmen (solche, die <strong>im</strong> „öffentlichen Interesse“ stehen<br />
und mehr als 500 Mitarbeiter haben) ab dem 1. Januar 2017<br />
zur Berichterstattung gezwungen werden; anders gesagt: Wer<br />
dann kein CSR-Reporting vorlegt, bricht das Gesetz.<br />
Der zunehmende Transparenzdruck, dem sich vor allem große<br />
Unternehmen – auch aufgrund der EU-Richtlinie – ausgesetzt<br />
sehen, pflanzt sich jedoch nach unten hin fort. Auch<br />
kleine und mittlere Unternehmen sind aufgrund ihrer Rolle<br />
als Zulieferer mit der Bereitstellung von CSR-Informationen<br />
konfrontiert. Der zugrunde liegende Mechanismus funktioniert<br />
dabei erneut über externe Erwartungen. In diesem Fall wird<br />
die CSR-Information von den Großunternehmen in ihrer Rolle<br />
als Kunden eingefordert, weil diese mehr Transparenz in ihrer<br />
eigenen Lieferkette schaffen möchten oder müssen. Deshalb<br />
verlangen sie von ihren Lieferanten soziale und ökologische<br />
34<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Leistungsindikatoren oder die Verpflichtung auf best<strong>im</strong>mte<br />
Standards. Die EU-Richtlinie fordert diese Verantwortung in<br />
der Lieferkette explizit von den betroffenen Unternehmen<br />
ein: „Die nichtfinanzielle Erklärung sollte auch Angaben<br />
zu den Due-Diligence-Prozessen umfassen ... in Bezug auf<br />
seine Lieferkette und die Kette von Unterauftragnehmern,<br />
um bestehende und potenzielle negative Auswirkungen zu<br />
erkennen, zu verhindern und abzuschwächen.“ Aber auch<br />
freiwillige Rahmenwerke wie die <strong>Global</strong> Reporting Initiative<br />
und die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen<br />
betonen die Bedeutung nachhaltiger Supply Chains und die<br />
Berichterstattung darüber.<br />
CSR-Reporting: Mehr als nur Pflicht<br />
Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass CSR-Reporting mehr<br />
sein kann als eine administrative Pflicht. Es ist ein Instrument<br />
der Image- und Reputationspflege, durch das Differenzierungsvorteile<br />
am Markt erzielt werden können. Über die positive<br />
Außenwirkung können neue Kunden angesprochen, gewonnen<br />
und gebunden werden, was vor allem <strong>im</strong> B2B-Bereich gilt, da<br />
große Unternehmen bei ihrer Lieferantenselektion <strong>im</strong>mer mehr<br />
Wert auf CSR-Kriterien legen. Inwieweit Endverbraucher die<br />
CSR-Berichterstattung selbst bei ihrer Konsumentscheidung<br />
berücksichtigen, ist nicht erforscht, allerdings steigt die Zahl<br />
an Konsumenten, die sozio-ökonomische und ökologische<br />
Aspekte bei der Kaufentscheidung bedenken.<br />
Für potenzielle Mitarbeiter wiederum ist der CSR-Bericht eine<br />
wichtige Informationsquelle. Da Arbeitskräfte bei der Stellensuche<br />
Unternehmen, die sozial und ökologisch engagiert sind,<br />
bevorzugen, wird der Bericht zum wichtigen Bestandteil der<br />
Personalgewinnung. Dies gilt besonders für die sogenannte<br />
„Generation Y“, denn die nach 1980 Geborenen legen besonderes<br />
Augenmerk auf nichtfinanzielle Aspekte bei der Wahl<br />
des Arbeitgebers. Angesichts des demographischen Wandels<br />
und des damit verbundenen „War for Talent“ wird gerade<br />
dieser Arbeitskräftepool <strong>im</strong>mer wichtiger und muss gezielt<br />
angesprochen werden. Aber auch für die Kommunikation mit<br />
den bereits beschäftigten Mitarbeitern ist der CSR-Bericht ein<br />
wichtiges Medium, denn er erhöht durch die dokumentierte<br />
gesellschaftliche Verantwortung die Identifikation mit dem<br />
Unternehmen.<br />
Schließlich wird CSR-Reporting <strong>im</strong>mer mehr zu einem Bestandteil<br />
der Investor Relations. Investoren sind sich bewusst,<br />
dass soziale und ökologische Verfehlungen von Unternehmen<br />
in einer medialen Welt schnell „skandalisiert“ und >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
35
<strong>Agenda</strong><br />
bestraft werden, was erhebliche Reputationsrisiken mit<br />
sich bringt. Imageschäden, Proteste, Konsumentenboykotte<br />
und Schadensersatzzahlungen – etwa wie <strong>im</strong> Falle der<br />
„Deep Water Horizon“-Katastrophe bei British Petrol oder des<br />
Foxconn-Skandals bei Apple – sind die Folge. Das wiederum<br />
führt zu finanziellen Einbußen und gefährdet Investments.<br />
CSR-Reporting zwingt Unternehmen, sich mit kritischen<br />
sozialen und ökologischen Themen auseinanderzusetzen,<br />
was die Gefahr reduziert, in Skandale verwickelt zu werden.<br />
Somit ist es heute ein integraler Bestandteil modernen Risikomanagements.<br />
Für die Investoren wiederum wird dadurch<br />
das Anlagerisiko geschmälert, denn sie können auf Basis<br />
der Berichterstattung die entsprechenden Programme und<br />
Maßnahmen des Unternehmens einschätzen.<br />
CSR-Reporting als strategisches Instrument<br />
CSR-Reporting kann also über die Erfüllung gesellschaftlicher<br />
Erwartungshaltungen hinaus Unterstützung in verschiedenen<br />
Bereichen der Innen- und Außenbeziehungen des<br />
Unternehmens leisten. Sein größter Mehrwert jedoch liegt in<br />
der strategischen Steuerung des Unternehmens, was bisher<br />
noch häufig verkannt wird. Während Finanzkennzahlen zum<br />
Zwecke der Lenkung und Erfolgsbest<strong>im</strong>mung von nahezu<br />
allen Unternehmen verwendet werden, werden soziale und<br />
ökologische Indikatoren kaum herangezogen. Dadurch fehlt<br />
dem Reporting die Ganzheitlichkeit, und das Potenzial, Strategien<br />
und operative Prozesse zu gestalten und zu opt<strong>im</strong>ieren,<br />
geht verloren.<br />
Grundlegend für die strategische Implementierung von CSR-<br />
Reporting ist das übergeordnete Verständnis, dass CSR nicht<br />
nur der Rechtfertigung gegenüber Stakeholdern dient, sondern<br />
auch einen Mehrwert für das Unternehmen schaffen soll.<br />
Dafür ist die Formulierung einer CSR-Strategie notwendig,<br />
in der auch die Ziele best<strong>im</strong>mt werden, die mit gegebenen<br />
Ressourcen und den entsprechenden operativen Maßnahmen<br />
erreicht werden sollen. Wie in jedem strategischen Prozess gilt<br />
es zu messen, ob bzw. inwieweit die Ziele erreicht wurden, und<br />
zu analysieren, worin mögliche Zielabweichungen begründet<br />
liegen. Unerlässlich ist dabei die Verwendung von Indikatoren,<br />
die strategische Ziele operationalisierbar machen. Ein Unternehmen,<br />
das sich zum Ziel gesetzt hat, umweltfreundlicher<br />
zu agieren, kann z. B. mit Hilfe von Recyclingquoten, Abgasund<br />
Abfallmengen oder dem Energieeinsatz die ökologische<br />
Leistung quantifizier- und somit auch überprüf bar machen.<br />
Das Bestreben danach, in diesen Bereichen eine Verbesserung<br />
zu erzielen, kann zu einem effizienteren Materialeinsatz und<br />
effizienteren Produktionsverfahren führen. Dadurch werden<br />
Kosten gesenkt und <strong>im</strong> Idealfall Innovation generiert. Dieses<br />
Beispiel zeigt den unmittelbaren unternehmerischen Mehrwert<br />
von CSR.<br />
Strategische und operative Steuerung und Kontrolle verlangen<br />
also nach Messgrößen, die Nachhaltigkeitsleistung sichtbar machen<br />
und so Verbesserungen ermöglichen. Allerdings wäre es<br />
nicht zielführend, Reporting als reinen Ex-post-Kontrollprozess<br />
zu verstehen, der als letzter Schritt stattfindet. Gutes CSR-<br />
Reporting bildet den kompletten CSR-Managementprozess von<br />
der Best<strong>im</strong>mung einer CSR-Vision / -Mission, der Strategie- und<br />
36<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Zielformulierung über die operative Umsetzung bis hin zur<br />
Erfolgskontrolle ab. Eine ganzheitliche CSR-Berichterstattung<br />
gibt folglich Auskunft darüber,<br />
• welche Werte das Unternehmen vertritt<br />
• was das Unternehmen erreichen möchte<br />
• wer an der Zielformulierung beteiligt ist (z. B. die Integration<br />
von Stakeholdern) und welche Ziele verfolgt werden<br />
• mit welchen Maßnahmen und Programmen die Ziele erreicht<br />
werden sollen<br />
• und wie erfolgreich das Unternehmen bei der Zielerreichung<br />
war und warum best<strong>im</strong>mte Ziele möglicherweise nicht<br />
erreicht wurden.<br />
Nicht zu unterschätzen ist <strong>im</strong> Rahmen dieses Prozesses der<br />
Wert, den das Reporting hat, indem es CSR für die Mitarbeiter<br />
„greif bar“ macht. CSR-Reporting dient deshalb auch als Instrument<br />
der Organisationsentwicklung. Denn es transportiert<br />
alle Bestandteile des CSR-Managements und erlaubt somit, die<br />
Organisation graduell an diesen auszurichten und CSR fest <strong>im</strong><br />
Unternehmen zu verankern. Jede Organisationsentwicklung<br />
ist mit Wandel verbunden. Das erfordert Bereitschaft unter<br />
den Mitarbeitern, sich auf das Neue einzulassen, ebenso wie<br />
Orientierungshilfen für sie, um den Wandel umsetzen zu<br />
können. CSR-Reporting ist in der Lage, beides zu unterstützen,<br />
denn es kann sowohl die Notwendigkeit von CSR als auch<br />
Möglichkeiten der Umsetzung <strong>im</strong> Unternehmen aufzeigen.<br />
Handlungsempfehlungen für strategisches<br />
CSR-Reporting<br />
Grundlegend für erfolgreiches CSR-Reporting ist das Überwinden<br />
des mentalen Vorbehalts, es handle sich dabei nur um eine<br />
administrative Pflicht oder ein notwendiges Übel, das lediglich<br />
Kosten verursacht. Die Besorgnis einer finanziellen Belastung<br />
ist zwar nicht unbegründet, denn die Implementierung jedes<br />
Managementsystems ist zunächst mit Kosten verbunden, allerdings<br />
müssen die Chancen – auch in finanzieller Hinsicht<br />
– gesehen werden, die sich aus dem CSR-Reporting ergeben.<br />
Dabei sollte es als kontinuierlicher Lernprozess verstanden<br />
werden, der fortwährende Verbesserung ermöglicht. Denn<br />
durch CSR-Reporting lässt sich die gegenwärtige ökonomische,<br />
ökologische und soziale Performance des Unternehmens abbilden,<br />
auf Basis dieser Status-quo-Analyse Ziele formulieren und<br />
deren operative Umsetzung festlegen, ehe die Zielerreichung<br />
und Abweichungen gemessen werden. Letzteres wiederum<br />
dient als Grundlage für die Formulierung neuer Strategien,<br />
Ziele und operativer Maßnahmen. Es handelt sich bei CSR-<br />
Reporting also nicht um einen linearen, sondern um einen<br />
infiniten Kreislaufprozess.<br />
Der durch das CSR-Reporting ermöglichten Messung der Nachhaltigkeitsleistung<br />
kommt also eine zentrale Bedeutung zu.<br />
Allerdings empfiehlt es sich nicht, vor allem nicht für kleine und<br />
mittlere Unternehmen (KMU), in kurzer Zeit ein Berichtswesen<br />
mit einer sehr großen Zahl an Indikatoren zu Messzwecken<br />
auf bauen zu wollen. Denn Indikatoren, die nicht gemessen<br />
werden können, weil Ressourcen oder die notwendige Expertise<br />
fehlen, sind zwecklos. Hier muss berücksichtigt werden, dass<br />
die Messung vieler Indikatoren, z. B. von Emissionsmengen,<br />
Recyclingquoten, indirekten ökonomischen Effekten etc.,<br />
Expertise erfordert, die besonders KMUs häufig nicht haben<br />
– ebenso wenig wie die finanziellen Mittel, diese einzukaufen.<br />
Sinnvoller ist es, am Anfang auf Indikatoren zurückzugreifen,<br />
die leicht verfügbar sind, weil sie bereits aus anderen Gründen<br />
best<strong>im</strong>mt werden (z. B. Strom- und Wasserverbrauch) oder<br />
leichter zu messen sind (z. B. Arbeitnehmerzufriedenheit),<br />
und diese um weitere wichtige Indikatoren zu ergänzen. Diese<br />
sollten sich auf die CSR-Felder beziehen, die unmittelbar<br />
relevant für das Unternehmen sind, wobei das Kerngeschäft<br />
eine hilfreiche Orientierung bietet. So werden für ein Unternehmen<br />
aus der Chemieindustrie andere CSR-Felder wichtig<br />
sein als für einen Finanzdienstleister. Entscheidend ist eine<br />
fortwährende Verbesserung der Quantität und Qualität der<br />
generierten Information, ohne dass deren Erhebung zum<br />
Selbstzweck werden darf. So ist gewährleistet, dass Indikatoren<br />
gemessen werden, die strategierelevant sind, und keine<br />
unnötigen Kosten entstehen.<br />
Um CSR-Reporting effektiv und effizient zu machen, ist auch<br />
der Aufbau eines Informationssystems notwendig. Noch allzu<br />
oft sind die Verantwortlichen in Unternehmen dazu gezwungen,<br />
in aufwendiger Kleinarbeit die notwendigen Daten aus Werken<br />
und Abteilungen zusammenzutragen, sofern sie überhaupt<br />
existieren. Dementsprechend gilt es zu analysieren, welche<br />
Daten ohnehin schon <strong>im</strong> Unternehmen erhoben werden, welche<br />
darüber hinaus best<strong>im</strong>mt werden müssen und wie diese<br />
von den Orten, an denen sie vorliegen oder gemessen werden,<br />
an die für das Reporting verantwortliche Person oder Einheit<br />
übermittelt werden. Die klare Zuweisung dieser Aufgabe ist<br />
unerlässlich, um „Ownership“ zu schaffen und eine zentrale<br />
Koordination zu gewährleisten, die auch darin besteht, die<br />
notwendigen Reporting-Prozesse und -Strukturen zu definieren.<br />
Abschließend sollte <strong>im</strong> Hinblick auf die Innen- und die Außenwirkung<br />
von CSR-Reporting nicht vergessen werden, dass<br />
nur das berichtet werden kann, was auch tatsächlich <strong>im</strong><br />
Unternehmen passiert. Das heißt nicht, dass in der Zukunft<br />
liegende Dinge nicht intern und extern kommuniziert werden<br />
sollten; <strong>im</strong> Gegenteil, die Kommunikation von Zielen und<br />
Vorhaben ist ein elementarer Bestandteil guten CSR-Reportings.<br />
Die Kommunikation von Strategien, Zielen und Maßnahmen<br />
hingegen, die nicht existieren, ist fatal – nicht nur, weil in der<br />
medialen Welt die Gefahr besteht, dass ein solches Vorgehen<br />
von externen Akteuren schnell als „Greenwashing“ entlarvt<br />
wird, sondern vor allem, weil es intern für die Steuerung<br />
und Entwicklung des Unternehmens <strong>im</strong> wahrsten Sinne des<br />
Wortes wertlos ist.<br />
Über den Autor<br />
Prof. Dr. Matthias S. Fif ka ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt<br />
Unternehmensethik, an der Universität Erlangen-Nürnberg. In Forschung und<br />
Lehre beschäftigt er sich mit strategischem Management – insbesondere der<br />
strategischen Implementierung von Sustainability und Corporate Social Responsibility<br />
–, Unternehmensethik, Corporate Governance, internationalem<br />
Management sowie dem politischen und wirtschaftlichen System der USA.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
37
<strong>Agenda</strong><br />
Reporting als<br />
Mittel zur<br />
Organisationsentwicklung<br />
bei KMU<br />
Die zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeitskommunikation auf nationaler und internationaler<br />
Ebene und das große Interesse an CSR- und Nachhaltigkeitsmanagement zeigen, dass langfristiges<br />
ökonomisches Denken und Handeln, ökologisch verträgliches Wirtschaften, soziale Verantwortung<br />
<strong>im</strong> eigenen Unternehmen und in der Lieferkette und die Orientierung an Stakeholder-Bedürfnissen<br />
<strong>im</strong>mer wichtiger werden. Allerdings liegen Schwierigkeiten darin, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />
und / oder staatlichen / EU- / globalen Nachhaltigkeitszielen eigene betriebliche Nachhaltigkeitsziele<br />
abzuleiten. Dies hängt damit zusammen, dass die Verbesserung einzelner Nachhaltigkeitsparameter<br />
von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen nicht ausreicht, um eine grundlegende<br />
Veränderung der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu bewirken; hierfür müssten ganze Wertschöpfungsketten<br />
neu gestaltet werden.<br />
Von Thomas Merten und Tobias Engelmann<br />
Diese über die eigenen „Werktore“ hinausblickende Herangehensweise<br />
ist für KMU aufgrund des Mangels an den<br />
Ressourcen Zeit, Geld, Personal und Know-how eine große<br />
Herausforderung, zumal viele Informationen, z. B. zu vollständigen<br />
Zulieferketten, nur mit erheblichem Aufwand zu<br />
erheben sind. Ein Nachhaltigkeitsmanagement hilft dabei,<br />
diese Herausforderung zu meistern – setzt aber seinerseits<br />
das Vorhandensein eines Mindestmaßes an oben genannten<br />
Ressourcen sowie eine umfassende, zielorientierte und langfristige<br />
Unternehmensstrategie voraus, die in KMU teilweise<br />
vernachlässigt wird. Als besonders effektiv hat sich die strategische<br />
Verzahnung zwischen betrieblichem Management<br />
und Berichterstattung erwiesen: Mithilfe von Managementinstrumenten<br />
und -systemen nutzen KMU die systematische<br />
Erfassung von Daten und Verbesserung von Prozessen, um<br />
dies in ihrer Berichterstattung darzustellen, und begreifen<br />
umgekehrt den Bericht als Teil ihres systematischen Vorgehens<br />
bei der Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsleistung.<br />
Einen etablierten Standard für ein einheitliches, alle (wesentlichen)<br />
Aspekte von unternehmerischer Verantwortung<br />
abdeckendes Managementsystem gibt es bislang nicht. Anerkannte,<br />
zertifizierbare Standards mit Nachhaltigkeitsbezug<br />
decken best<strong>im</strong>mte Themenbereiche ab, z. B. für das Qualitätsmanagement<br />
die Norm ISO 9001, analog für das Umweltmanagement<br />
ISO 14001 und die EMAS-Verordnung und für<br />
die Arbeitssicherheit OHSAS 18001. Mit der nicht zertifizierbaren<br />
ISO 26000 existiert ein Leitfaden für gesellschaftliche<br />
Verantwortung, der aber eher auf international agierende<br />
Unternehmen ausgerichtet ist.<br />
38<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung sorgen<br />
eine Reihe inhaltlicher und formeller Standards für zunehmende<br />
Transparenz. Dazu gehören vor allem der Standard<br />
der <strong>Global</strong> Reporting Initiative, aber auch den jährlichen<br />
Fortschrittsmitteilungen (COP) des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> liegen<br />
Standards zu einer umfassenden Berichterstattung zu Grunde,<br />
die <strong>im</strong> weiteren Sinne dazu dienen, die Unternehmenstätigkeiten<br />
kontinuierlich zu verbessern. Zudem ist der Deutsche<br />
Nachhaltigkeitskodex (DNK) zu erwähnen, der auch auf europäischer<br />
Ebene eine zunehmend wichtige Rolle spielt und<br />
gerade für KMU gut zu handhaben ist.<br />
Ein Nachhaltigkeitsbericht kann mehr als ein Instrument der<br />
Berichterstattung sein. Managementsystem und Bericht orientieren<br />
sich an verschiedenen Standards oder Normen – allein<br />
dadurch sind sie wichtige Ergänzungen zueinander, weil sie<br />
jeweils andere Stärken, aber auch Potenziale offenbaren. Die<br />
<strong>im</strong> Nachhaltigkeitsbericht festgelegten Ziele, Maßnahmen und<br />
Verbesserungspotenziale, die gegenüber Stakeholdern und der<br />
Öffentlichkeit benannt werden, sind nach den Anforderungen<br />
an die gute Nachhaltigkeitsberichterstattung <strong>im</strong> Unternehmensleitbild<br />
formuliert, in der Unternehmensstrategie verankert<br />
und bis in die einzelnen Unternehmensprozesse definiert.<br />
Der Lernprozess wird durch Überprüfung und Anpassung der<br />
Maßnahmen gesichert.<br />
Die Nachhaltigkeitsorientierung von KMU und KMUspezifische<br />
Herausforderungen<br />
Der Zusammenhang zwischen Mittelstand und dem Leitbild<br />
nachhaltiger Entwicklung ist zumindest in Bezug auf die<br />
langfristige Werterhaltung des Unternehmens einleuchtend,<br />
da diese in KMU – besonders bei familien- oder inhabergeführten<br />
– eine zentrale Rolle spielt.<br />
Allerdings sind mit einer Langfristorientierung noch längst<br />
nicht alle nachhaltigkeitsrelevanten Fragestellungen hinreichend<br />
als Handlungsfelder erkannt. Neben der systematischen<br />
Unternehmensführung (z. B. Entwicklung von Vision und<br />
Strategie, Management nach Zahlen / Daten / Fakten und eben<br />
auch Nachhaltigkeits-Reporting) betrifft dies auch „weiche“<br />
Themen wie Diversity oder Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf sowie „harte“ Themen wie Energie- und Ressourceneffizienz<br />
bzw. Ranking bei Finanzinstituten oder Aspekte in der<br />
weltweiten Liefer- und Wertschöpfungskette.<br />
Dementsprechend sollten betriebliche Nachhaltigkeitsziele<br />
mehr als nur dem unmittelbaren unternehmerischen Nutzen<br />
dienen und über standortbezogene Fragestellungen hinausgehen.<br />
Beispielsweise kann ein Lieferkettenmanagement<br />
ein guter Einstieg in die Wahrnehmung überbetrieblicher<br />
Verantwortung sein. Andere Themen können von KMU dann<br />
angegangen werden, wenn sie sich miteinander vernetzen.<br />
Dies kann beispielsweise ein Betriebskindergarten sein, den<br />
mehrere kleine Unternehmen gemeinsam betreiben, oder eine<br />
Stiftungsprofessur, die mehrere mittelgroße Unternehmen gemeinsam<br />
finanzieren. Mit dem Netzwerk Ressourceneffizienz<br />
können sich Unternehmen anhand von Beispielen guter Praxis<br />
über die Steigerung der Ressourceneffizienz und Senkung der<br />
Ressourcenkosten austauschen.<br />
Die anerkannten Kriterien für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten<br />
können – wie Branchen-Nachhaltigkeitsleitbilder<br />
(siehe z. B. www.chemiehoch3.de) oder umfassende<br />
nachhaltigkeitsorientierte Selbstverpflichtungen (wie z. B.<br />
Sustainable Cleaning) – den Unternehmen Hinweise darauf<br />
geben, welche Handlungsfelder und Messgrößen „draußen“<br />
bei den Stakeholder diskutiert werden und welche – nach<br />
Betrachtung der spezifischen Wesentlichkeit – in >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
39
<strong>Agenda</strong><br />
die Nachhaltigkeitsstrategie und das Managementsystem<br />
aufgenommen werden sollten. Diese Herausforderungen<br />
sind dann wiederum in die wertschöpfenden Kernprozesse<br />
des Unternehmens zu integrieren, wodurch ihr Potenzial, zur<br />
Wertschöpfung des Unternehmens beizutragen, transparent<br />
und nutzbar wird und ihre Wechselwirkungen zu anderen<br />
Fragestellungen sichtbar werden – was wiederum in der<br />
Nachhaltigkeitsberichterstattung dann überzeugend dargestellt<br />
werden kann.<br />
Der Nachhaltigkeitsbericht als Instrument der<br />
Organisationsentwicklung<br />
Betrachtet man den Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens<br />
als Instrument der Organisationsentwicklung und nicht<br />
als reines Kommunikationsinstrument, kann dieser dem<br />
Unternehmen als Baustein zur Entwicklung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems<br />
dienen und alle Bausteine der<br />
Organisationsentwicklung verbinden (s. Abb.).<br />
Wie ein Nachhaltigkeitsbericht erstellt werden kann, der ins<br />
Unternehmen hinein als Baustein zur Organisationsentwicklung<br />
wirkt, verdeutlicht das folgende Beispiel.<br />
Die Basis des Beispielberichts bilden:<br />
1. Das vorhandene Managementsystem des Unternehmens<br />
2. Eine Stakeholderanalyse und Wesentlichkeitsanalyse<br />
3. Die Unternehmensstrategie / Nachhaltigkeitsstrategie<br />
4. International und national anerkannte Berichtskriterien<br />
zur Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
1. Basis: Managementsystem<br />
Unabhängig davon, welches Managementsystem ein Unternehmen<br />
eingeführt hat, ist zunächst wichtig, einen ersten Überblick<br />
über die nachhaltigkeitsrelevanten Prozesse innerhalb<br />
des Unternehmens zu erhalten, die vorhandenen Daten und<br />
Materialien zu sichten und die bestehenden Datenlücken (auch<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu einem Nachhaltigkeitsmanagementsystem wie<br />
z. B. ISO 26000 oder Sustainable Excellence) zu identifizieren.<br />
2. Basis: Stakeholder-Analyse / Wesentlichkeitsanalyse<br />
Die zweite Basis für einen Nachhaltigkeitsbericht bildet eine<br />
Stakeholder- und Wesentlichkeitsanalyse. Die Führung eines<br />
Unternehmens sollte definieren, welche Stakeholder relevant<br />
sind und Einfluss auf das Unternehmen haben bzw. von den<br />
Der Nachhaltigkeitsbericht als Instrument der Organisationsentwicklung<br />
Vision, Mission<br />
(Nachhaltigkeits)Strategie<br />
Balanced Scorecard<br />
Ziele – Kennzahlen – Matrix<br />
Kommunikation<br />
Kommunikation<br />
Selbstbewertungen – Stakeholderanalyse<br />
NHB<br />
Prozessmanagement – Controlling<br />
Kommunikation<br />
Benchmarking<br />
Personalentwicklung<br />
Kompetenzentwicklung<br />
Lieferantenmanagement<br />
Einkauf<br />
Kommunikation<br />
Quelle: Faktor 10 – Institut für nachhaltiges Wirtschaften gGmbH / Trifolium Beratungsgesellschaft mbH (eigene Darstellung)<br />
40<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Unternehmensaktivitäten betroffen sind und welche Erwartungen<br />
diese Stakeholder an das Unternehmen, seine Liefer- und<br />
Wertschöpfungsketten und die Produkte / Dienstleistungen<br />
stellen. Dazu müssen die Stakeholder nicht zwingend persönlich<br />
kontaktiert oder ins Unternehmen eingeladen werden.<br />
Das Auswerten von Messebesuchen, Lieferantengesprächen,<br />
Mitarbeiterbefragungen oder Feedbacks an Tagen der offenen<br />
Tür reichen ebenso für eine fundierte Einschätzung aus wie<br />
die Kenntnis aus Presse, Branchenberichten oder sonstigen<br />
öffentlich zugänglichen Quellen.<br />
In einer Wesentlichkeitsanalyse werden die so identifizierten<br />
relevanten Nachhaltigkeitsthemen / Stakeholder-Erwartungen<br />
bewertet und priorisiert, um die sogenannten „wesentlichen“<br />
Themen zu identifizieren. Denn in der Regel haben KMU – wie<br />
auch Konzerne – nicht zu jeder Zeit ausreichend Mittel verfügbar,<br />
um alle relevanten Themen zufriedenstellend anzugehen.<br />
Es müssen also <strong>im</strong>mer wieder Prioritäten gesetzt werden – in<br />
der Regel in einem Turnus von ein bis drei Jahren.<br />
Als Ergebnis der ersten Umsetzungsschritte liegt dem Unternehmen<br />
das Wissen über alle für das Unternehmen wesentlichen<br />
Themen und Stakeholder vor. Durch einen parallelen, ständigen<br />
Abgleich mit den Kriterien der Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
wird zudem die Vollständigkeit der Informationen sichergestellt.<br />
3. Basis: Unternehmens- / Nachhaltigkeitsstrategie<br />
Die dritte Basis für die Generierung eines Nachhaltigkeitsberichts<br />
bildet die Unternehmensstrategie bzw. Nachhaltigkeitsstrategie<br />
eines Unternehmens.<br />
Dieser Umsetzungsschritt verläuft z. T. parallel zu den Umsetzungsschritten<br />
1 und 2. Die Dokumente zum Leitbild, zur<br />
Nachhaltigkeits- / Unternehmensstrategie, zum Auf bau des<br />
Managementsystems etc. werden dort schon gesichtet und<br />
gewertet. Wenn sich die Notwendigkeit herausstellt, die leitenden<br />
Dokumente anzupassen – weil sie lückenhaft sind,<br />
zu wenig visionär und schlicht veraltet –, dann sollte dies <strong>im</strong><br />
Laufe des Prozesses passieren, damit <strong>im</strong> Nachhaltigkeitsbericht<br />
und <strong>im</strong> Nachhaltigkeitsmanagementsystem eine aktuelle<br />
Leitvorstellung zum Thema Nachhaltigkeit existiert.<br />
4. Basis: Internationale und nationale Kriterien der<br />
Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
Die vierte Basis eines Nachhaltigkeitsberichts als Instrument<br />
der Organisationsentwicklung bilden die internationalen<br />
Kriterien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie GRI 4.0<br />
und der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> sowie die nationalen Kriterien<br />
zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wie der Deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />
und die Kriterien von IÖW / future e. V. für<br />
das Ranking der deutschen Nachhaltigkeitsberichte.<br />
Die Orientierung an diesen Kriterien kann unterschiedlich<br />
erfolgen: Soll der Bericht extern testiert werden oder einzelnen<br />
Anforderungen explizit genügen, sollten sich KMU auch<br />
daran orientieren, ohne dabei aber die Kriterien oder Leitfäden<br />
über Gebühr als Checkliste zu verstehen. Das Abarbeiten der<br />
Kriterien ersetzt weder eine Stakeholder- und Wesentlichkeitsanalyse,<br />
noch führt es zu einem ausgewogenen und damit<br />
guten Nachhaltigkeitsbericht.<br />
Die diversen Kriterienkataloge und Leitfäden können aber<br />
auch als Orientierung dienen, um sich selbst <strong>im</strong> Prozess der<br />
Berichterstellung <strong>im</strong>mer wieder zu reflektieren, herauszufordern<br />
und z. B. bei der spezifischen Ausgestaltung von<br />
Indikatoren an den dort genannten Standards zu orientieren<br />
(z. B. zur Darlegung von CO 2<br />
-Emissionen).<br />
So erstellen KMU Nachhaltigkeitsberichte nach dem DNK-<br />
Standard, nach dem GRI-Standard oder auch frei und losgelöst<br />
davon streng ausgerichtet am eigenen Nachhaltigkeitsmanagementsystem.<br />
Diese Freiheit darf und soll sein.<br />
Fazit<br />
In vielen KMU sind neben der Langfristorientierung andere<br />
wichtige Aspekte des nachhaltigen Wirtschaftens bereits fest<br />
verankert. Dennoch lassen sich bei KMU auch Defizite feststellen<br />
– z. B. in der Lieferkette –, nicht zuletzt aufgrund eines Mangels<br />
an finanziellen, personellen, zeitlichen und informationellen<br />
Ressourcen. Ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem hilft KMU<br />
dabei, die umfangreichen Anforderungen zu systematisieren<br />
und mit ihren Ursachen- und Wirkungszusammenhängen in<br />
die unternehmerischen (Kern-)Prozesse zu integrieren. Der<br />
Nachhaltigkeitsbericht ist dabei integraler und nach außen<br />
hin sichtbarer Bestandteil des Nachhaltigkeitsmanagements<br />
bzw. ein wichtiger Baustein für den Auf bau eines solchen<br />
Managementsystems.<br />
Der Nachhaltigkeitsbericht kann dem Unternehmen als umfassendes<br />
Instrument zur Organisationsentwicklung dienen. Zur<br />
Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts werden Informationen<br />
<strong>im</strong> Abgleich mit dem vorhandenen Managementsystem, der<br />
Unternehmensstrategie, internationalen Berichtskriterien<br />
und den Bedürfnissen der internen und externen Stakeholder<br />
generiert. Diese Informationen liefern dem Unternehmen zum<br />
einen umfassendes Wissen über den Status quo bezüglich der<br />
nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens. Zum anderen<br />
erhält der Betrieb detailliertes Wissen über die Lücken und<br />
Verbesserungspotenziale des vorhandenen Managementsystems<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu entsprechenden Standards (siehe u. a.<br />
Instrumente wie den Chemie 3 -Nachhaltigkeits-Check auf www.<br />
chemiehoch3.de). Verfolgt das Unternehmen diese Strategie mit<br />
dem nächsten Berichtszyklus weiter, sollte mit der Erreichung<br />
der jeweils <strong>im</strong> Nachhaltigkeitsbericht formulierten Ziele gleichzeitig<br />
die Weiterentwicklung des Managementsystems hin zu<br />
einem Nachhaltigkeitsmanagementsystem erreicht werden.<br />
Über die Autoren<br />
Thomas Merten ist Geschäftsführer von Faktor 10 – Institut für nachhaltiges<br />
Wirtschaften gemeinnützige GmbH, Tobias Engelmann ist Mitarbeiter am<br />
selbigen Institut.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
41
<strong>Agenda</strong><br />
Corporate Reporting<br />
<strong>im</strong> Wandel<br />
Im Januar 2017 kommt die gesetzliche Pflicht zur CSR-Berichterstattung. Für eine ganze Reihe<br />
von Unternehmen gilt dann, dass sie neben ihrer finanziellen Performance auch Umweltbilanzen<br />
und ihre unternehmerische Verantwortung offenlegen müssen. Aufgrund unterschiedlicher Standards<br />
und Regeln fürchten viele Unternehmen den bürokratischen Aufwand. Dabei kann vieles<br />
sinnvoll kombiniert werden. Reporting-Initiativen reagieren mit dem Versuch einer erleichterten<br />
Zusammenführung. Außerdem sorgen die Berichte für Verständnis innerhalb des Unternehmens.<br />
Von Jennifer Nicolay<br />
Es braucht schon ein besonderes Faible für Nachhaltigkeit, um<br />
freiwillig neben dem Geschäftsbericht einen 120 Seiten starken<br />
CSR-Bericht zu schreiben – oder die nötigen personellen<br />
Ressourcen dafür. Was Unternehmen wie die Deutsche Post<br />
DHL oder Novo Nordisk mit ihren umfangreichen Berichten<br />
leisten, ist weit mehr, als einer ambitionierten Leidenschaft zu<br />
folgen. Ihre Jahresberichte gelten als „Best Practices“ und zeigen,<br />
dass ihre unternehmerische Verantwortung das Niveau reiner<br />
Werbeaktivitäten überschreiten. CSR-Maßnahmen setzen <strong>im</strong><br />
Kerngeschäft an. Glaubwürdig und auf das Wesentliche konzentriert<br />
(Materialität), geht es um die tatsächlichen sozialen<br />
und ökologischen Auswirkungen aller Aktivitäten. Neben den<br />
üblichen finanziellen Auskünften sind diese Auswirkungen die<br />
zentralen Inhalte, die sowohl Investoren als auch Stakeholder,<br />
NGOs und Verbraucher mehr und mehr fordern. Langfristig<br />
kann das einen Einfluss auf die Corporate Governance haben,<br />
denn hier entscheidet sich, wie der Ordnungsrahmen der<br />
Unternehmensleitung ausgestaltet wird und welche Rolle<br />
dabei die Nachhaltigkeit spielt. Bereits heute zeichnet sich<br />
ein Wandel <strong>im</strong> Bereich der jährlichen Berichterstattung ab,<br />
die nun vermehrt um Nachhaltigkeitsaspekte ergänzt wird.<br />
Eine Reaktion auf internationale Forderungen.<br />
Wachsende Reporting-Anforderungen<br />
Damit verlassen zumindest die Lageberichte ihren klassischen<br />
Bereich, der streng geregelt ist: Über 100 Absätze <strong>im</strong><br />
Handelsgesetzbuch (HGB) klären ab §238, welche Zahlen der<br />
Geschäftstätigkeit offengelegt werden müssen. Von ökologischen<br />
oder sozialen Faktoren ist in keinem Absatz die Rede.<br />
Was <strong>im</strong> Nachhaltigkeitsbericht stehen soll, entscheiden die<br />
Unternehmen nach einer sogenannten Wesentlichkeitsanalyse<br />
selbst. Während es bei finanziellen Aspekten vergleichsweise<br />
einfach zu berechnen ist, wie groß der wirtschaftliche Einfluss<br />
eines Unternehmens etwa auf die ansässige Kommune ist, sieht<br />
es bei sozialen Einflüssen schon ganz anders aus: Was ist der<br />
wesentliche Einfluss auf Ökologie, auf Soziales? Besonders<br />
knifflig wird es bei vermeintlich „weichen“ Faktoren wie<br />
„Diversity“ – Vielfalt. Diese sind kaum quantifizierbar. Nach<br />
welchen Kriterien soll Vielfalt bemessen werden?<br />
Einen Referenzrahmen bieten die international anerkannten<br />
Richtlinien von UN-<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> (UNGC) und <strong>Global</strong><br />
Reporting Initiative (GRI) oder auch der Deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />
(DNK). In unterschiedlicher Herangehensweise<br />
42<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
fragen sie nach qualitativen und auch quantitativen Daten.<br />
Die Anforderungen der EU-CSR-Direktive, die ab Januar 2017<br />
in Kraft tritt, erfüllen sie alle. Das Unternehmen muss sich<br />
die passende Richtlinie und Methode nur noch aussuchen.<br />
Leichter gesagt als getan! Denn erstens wird das Spektrum der<br />
Richtlinien eher größer, und zweitens klärt das noch nicht<br />
die Frage, welche Methoden oder Fragen für ein spezielles<br />
Unternehmen die richtigen sind. Branchenerweiterungen<br />
können hier bedingt helfen, die Unternehmen kommen aber<br />
nicht darum herum, sich detailliert mit der Thematik zu befassen.<br />
Viele Unternehmen möchten dabei den Aufwand gering<br />
halten. Hierbei kommt ihnen der aktuelle Trend zugute: Ob<br />
Branchenerweiterung oder Öko-Richtlinie, Materialitätsanalyse<br />
oder das „Comply or explain“-Prinzip – die Richtlinien führen<br />
ihre Anforderungen zusammen und machen sie vergleichbar.<br />
Dieser Schritt ist aus Expertensicht überfällig, damit die unterschiedlichen<br />
Ansätze für ein und dasselbe Ziel sich nicht<br />
gegenseitig <strong>im</strong> Weg stehen.<br />
Integrierte Berichterstattung setzt<br />
integrierte Denkweisen voraus<br />
Die eigentliche Herausforderung ist eine Zusammenführung<br />
von Finanzberichten und Nachhaltigkeitsdaten – und dabei<br />
geht es nicht um ein Nebeneinanderstellen beider Bereiche,<br />
sondern um ihre Wechselwirkungen. Wie sollen diese aber<br />
sichtbar werden, wo sich unternehmerische Verantwortung<br />
nicht einfach monetarisieren oder überhaupt in Zahlen ausdrücken<br />
lässt? Dafür lohnt es sich, außerhalb der typischen „Box“<br />
zu denken: Wenn nichtfinanzielle Aspekte mit den Finanzkollegen<br />
diskutiert werden, kann die Bedeutung sich komplett<br />
ändern, das gilt selbstverständlich für beide Seiten. Zahlreiche<br />
Unternehmen berichten, dass hier eine Kommunikation gefordert<br />
ist, die an Übersetzung grenzt, aber nichtsdestotrotz<br />
gewinnbringend ist. Sie rückt das Thema Nachhaltigkeit in ein<br />
neues Licht, macht es gegebenenfalls greif barer. Um es mit<br />
den Worten des renommierten US-amerikanischen Ökonomen<br />
Peter Drucker zu sagen: „What gets measured gets managed!“<br />
Schauen wir also auf die Messbarkeit von Nachhaltigkeit, um<br />
sie zum Steuerungselement <strong>im</strong> Unternehmen zu machen!<br />
Der CSR-Bericht kann folglich in best<strong>im</strong>mten Fällen ein<br />
Vehikel für Verständigungsprozesse sein. Er ist Gegenstand<br />
und Ergebnis von Dialogen zwischen Partnern, die sonst<br />
selten zusammenkommen, obwohl sie für ein und dasselbe<br />
Unternehmen arbeiten. Das scheint Vorteile zu haben und<br />
einen Wechsel von Denkweisen auszulösen, wie Experten<br />
<strong>im</strong>mer wieder berichten. Und tatsächlich: Die Entwicklung<br />
des Reportingthemas zeigt, dass sich auch Veränderungen in<br />
der Corporate Governance und <strong>im</strong> Management zu mehr integriertem<br />
Denken ergeben. Erst standen reine Geschäftsberichte<br />
und Nachhaltigkeitsberichte nebeneinander, bis beide Themen<br />
miteinander verknüpft wurden. Von da an lässt sich häufig<br />
nachvollziehen, dass sowohl die Datenerfassung als auch das<br />
Management beider Bereiche mehr und mehr miteinander<br />
verbunden sind. So entstehen in sich konsistente hybride Berichte<br />
und nachhaltig erfolgreiche Unternehmensstrukturen.<br />
Unternehmen, die seit mehreren Jahren auf diese Weise arbeiten,<br />
realisieren damit bereits genau das, was unlängst auch in<br />
der breiten Gesellschaft angekommen ist: Sie betrachten und<br />
behandeln Nachhaltigkeit als Zusammenspiel von Ökonomie,<br />
Ökologie und Sozialem. Dieser Ansatz geht zurück auf den<br />
Terminus „Triple Bottom Line“ von John Elkington und ist<br />
auch bekannt als die Theorie der „Drei Säulen der Nachhaltigkeit“.<br />
Die Übersetzung von Nachhaltigkeit in finanzielle<br />
Kennzahlen erweist sich dabei als gute Möglichkeit, dieses<br />
Zusammenspiel zu verdeutlichen.<br />
Beispiele aus der Praxis<br />
Ein Praxisbeispiel dazu gab ThyssenKrupp auf der Konferenz<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> +15 Europe (GC +15 Europe) in Berlin. Viele<br />
Skalen und Messinstrumente seien denkbar, so Nachhaltigkeitsmanager<br />
Steffen Schwartz. Hier ist eine kreative Umsetzung<br />
gefragt, die zum Unternehmen passt und glaubwürdig ist. Voraussetzung<br />
dafür sei aber, so Steffen Schwartz weiter, dass der<br />
Aufsichtsrat daran glaube, Nachhaltigkeit zu einem Managementinstrument<br />
zu machen. Und nicht in allen Bereichen sei die<br />
Übersetzung gleich leicht: Naturwissenschaftliche Daten aus<br />
dem Carbon Disclosure Project (CDP) in Finanzberichte zu integrieren,<br />
stoße auf wenig Widerstand, komplizierter werde es<br />
bei Menschenrechten. Hier müsse man die unterschiedlichen<br />
D<strong>im</strong>ensionen des Begriffs trennen und etwa auf die Lieferkette<br />
anwenden. Die Datenerhebung laufe dann zwar nicht direkt<br />
unter dem Begriff Menschenrechte, aber Kennzahlen seien<br />
so durchaus möglich.<br />
Ein anderes gutes Beispiel lieferte auf der Konferenz GC +15<br />
Europe das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk: Seit<br />
fünf Jahren führt es seine Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte<br />
<strong>im</strong> „Integrated Reporting“ zusammen. Hier ist man<br />
überzeugt: Reporting befindet sich in einem großen >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
43
<strong>Agenda</strong><br />
Wandlungsprozess. Wenn Vertreter unterschiedlicher Bereiche<br />
zusammenkommen, um gemeinsam nach Daten, Risiken und<br />
Chancen zu suchen, sei man einem „Change of mindset“ nahe,<br />
berichtet Nachhaltigkeitsmanagerin Charlotte Bengt aus ihren<br />
Erfahrungen. Das spiegeln auch Studien der Wirtschaftsprüfer<br />
PwC wider: Sie prognostizieren eine zunehmende Bedeutung<br />
von Integrated Reporting, der Konsens unter Vertretern der<br />
Reporting-Initiativen und CSR-affinen Unternehmen ist ein<br />
ähnlicher.<br />
Dialogbemühungen: Konkrete Chancen<br />
für den Einzelnen<br />
Integrated Reporting meint hybride Berichte aus finanziellen<br />
und nichtfinanziellen Aspekten. So verringert sich das<br />
enzyklopädische Volumen vieler verschiedener Berichte für<br />
mehrere Anforderungen. Wenn der Bericht wirklich hybrid<br />
ist, und nicht nur Daten nebeneinander aufgeführt werden,<br />
dann offenbart sich ein weiterer Vorteil und das eigentliche<br />
Potenzial von Integrated Reporting: Es regt Harmonisierungsprozesse<br />
zwischen Financial- und Non-financial-Bereichen<br />
an und macht damit letztlich auch die Bedeutung von Nachhaltigkeit<br />
für alle deutlich. CSR-Berichterstattung, die keine<br />
hohle Phrase bleiben soll, erfordert also Dialogbemühungen.<br />
Die Messbarkeit von Nachhaltigkeit ist <strong>im</strong> Prinzip nur das<br />
Symptom des dahinterliegenden Prozesses. Dieses Symptom<br />
ist aber das, was die Bemühungen so lohnenswert macht. Wer<br />
weiß, was er machen kann, ist gleichzeitig auch motivierter<br />
zu handeln. Der Bericht hält am Ende nicht nur Ergebnisse<br />
des vergangenen Jahres fest – er leistet weitaus mehr: Wie<br />
andere Bilanzen zum Jahresabschluss dient er der zukünftigen<br />
Zielsetzung und Strategie. Dadurch wirkt er sensibilisierend<br />
für das Thema Nachhaltigkeit: Selbst wenn am Anfang bloß<br />
eine Berichtspflicht steht, keine eigene Motivation zu mehr<br />
Nachhaltigkeit, lernen die Unternehmen sich selbst und ihre<br />
Auswirkungen besser kennen. Systemisch ist es spannend zu<br />
beobachten, wie sich hier der Kreis schließt – Bewusstsein<br />
schafft also Verantwortungs-Bewusstsein.<br />
Füllflächen für Kulturwandel<br />
In einer Hinsicht sind sich die großen Reporting-Initiativen<br />
einig: Ihre Standards sind mehr als nur Reporting-Instrumente.<br />
Für spezielle Abteilungen – Compliance, Finanzabteilung,<br />
eventuell auch für die PR-Abteilung – bleiben isolierte Betrachtungen<br />
und auf Zahlen beschränkte Berichte ohne Frage<br />
unersetzlich. Wichtig ist aber, dass dahinter ganzheitliche<br />
Betrachtungen der strategischen Maßnahmen, Planungen<br />
sowie Risiko- und Chancenabwägungen stehen. Mit ihren<br />
Richtlinien sorgen GRI, UNGC und der DNK dafür, dass diese<br />
Prozesse in Gang kommen. Sie machen aufmerksam auf die<br />
Problembereiche und bilden die entsprechenden (Re-)Aktionen<br />
der Unternehmen ab. Berichte könnten demnach auch als<br />
Füllfläche angesehen werden, auf der die Unternehmen ihren<br />
Kulturwandel auf Basis verschiedener KPIs und Indikatoren<br />
darlegen. Um das Inseldenken von Fachexperten aufzubrechen,<br />
fordern die Initiativen dazu Stakeholder-Dialoge, z. B. mit<br />
Verbrauchern oder NGOs. Wo früher ein Bericht besonders<br />
für Shareholder interessant war, rückt er damit nun in den<br />
Blickwinkel gesellschaftlicher Wahrnehmung. Das Unternehmen<br />
umwirbt die Gesellschaft dann besonders gekonnt,<br />
wenn es glaubwürdig versichert: Uns geht es nicht nur um<br />
finanziellen Gewinn, sondern auch um die Verwirklichung von<br />
gesellschaftlichen Zielen. Oft sind das hohle Phrasen. Anlass<br />
genug, sich ernsthaft mit den Erwartungen der Verbraucher<br />
zu beschäftigen, liefern die Kulturwissenschaften und auch<br />
populäre Autoren wie Martin Suter. Immer häufiger thematisieren<br />
sie wirtschaftliche Probleme, Sinnkrisen oder die Bewältigung<br />
moralischer Dilemmata <strong>im</strong> Licht der Weltwirtschaft.<br />
Für die Verbraucher bzw. die Gesellschaft ist möglicherweise<br />
der Konsum eine Füllfläche für den Kulturwandel. Und ein<br />
gewandeltes Konsumprofil dürfte für Unternehmen ein ernst<br />
zu nehmender Faktor sein.<br />
CSR-Kommunikation und Compliance<br />
CSR-Kommunikation bedeutet letztlich, die große Geschichte<br />
zu erzählen, die das Unternehmen schreibt. Am besten<br />
eine, die regelkonform und ästhetisch <strong>im</strong> moralischen Sinne<br />
ist. Aber was heißt das überhaupt? Als einzelner Mensch<br />
haben wir alle eine Geschichte und achten auf einen roten<br />
Faden. Der ist quasi die Ästhetik in der Lebensgeschichte.<br />
Verstöße gegen Normen und Regeln sind unschön, die individuelle<br />
Moral ist dabei die Maßgabe. Wenn Unternehmen<br />
eine Geschichte erzählen, erklären sie auch ihre Moral – in<br />
Nachhaltigkeitsberichten findet sich diese in der Erklärung<br />
von Geschäftsführung, in Leitbildern, in Motivationen, in<br />
Schilderungen von Herausforderungen, <strong>im</strong> Scheitern. Ein<br />
guter Nachhaltigkeitsbericht macht damit das Unternehmen<br />
etwas menschlicher. Die CSR-Berichterstattung leistet hier<br />
einen entscheidenden Beitrag zu mehr Transparenz. Das gilt<br />
für die zukünftige Verantwortung (Wo wollen wir hin?), aber<br />
auch für den Blick zurück (Wer trägt die Verantwortung, wer<br />
ist schuld?). In letzterer D<strong>im</strong>ension werden Bezüge zum Thema<br />
Compliance sichtbar: Verstöße werden sichtbar und können<br />
sanktioniert werden. Und wer weiß, welches Verhalten nicht<br />
regelkonform und nicht integer ist, wird in der Regel davon<br />
Abstand nehmen. Compliance- und CSR-Abteilung können<br />
sich hier gegenseitig die Bälle zuspielen. Nicht zuletzt auch,<br />
weil die CSR-Berichterstattung dazu beiträgt, dass es <strong>im</strong>mer<br />
mehr Verordnungen und zertifizierbare Normen gibt. Viele<br />
Themen werden gerade erst über diese Mechanismen sichtbar.<br />
Was CSR-Standards mit Compliance-Maßnahmen vereint, ist<br />
ihre Forderung nach informatorischen, strategischen und<br />
handlungsbezogenen Maßnahmen. Um gar nicht erst Verstöße<br />
zu begehen, beugt man vor, erkennt, reagiert. Im Prinzip<br />
gleichen sich die beiden Bereiche hier so sehr, dass auch das<br />
Thema Compliance durch die fortschreitenden Reporting-<br />
Prozesse an Bedeutung gewinnen könnte.<br />
Über die Autorin<br />
Jennifer Nicolay ist seit 2014 Redakteurin bei der macondo publishing GmbH.<br />
In ihrem Studium der Philosophie, Hispanistik, interkulturellen Pädagogik und<br />
Physik in Köln und Münster hat sie ihren Schwerpunkt auf Ethik und prospektive<br />
Verantwortung von Unternehmen gesetzt. Seit 2012 engagiert sie sich in der<br />
wirtschaftsethischen Initiative sneep e. V. Sie ist dort an zahlreichen Projektund<br />
Tagungsplanungen beteiligt und wurde 2014 zur Vorsitzenden gewählt.<br />
44<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Info<br />
Die wichtigsten<br />
CSR-Standards<br />
<strong>im</strong> Überblick<br />
G4 der <strong>Global</strong> Reporting Initiative (GRI)<br />
Die <strong>Global</strong> Reporting Initiative (GRI) ist weltweit der wichtigste<br />
Standardsetzer von Richtlinien zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsberichten.<br />
Ab Januar 2016 darf nur noch nach dem aktuellen<br />
Standard G4 berichtet werden. Die bisherige quantitative<br />
Unterscheidung in A-, B- oder C-Level wird ersetzt durch die<br />
beiden qualitativen Stufen „Core“ und „Comprehensive“. Sowohl<br />
die Felder „Allgemeine Angaben“ als auch die thematischen<br />
Bereiche wurden überarbeitet und erweitert. So gehören künftig<br />
Fragen zu Ethik und Governance zu verpflichtenden allgemeinen<br />
Firmenangaben. Die Themen Korruptionsbekämpfung, detaillierte<br />
Informationen zu Lieferketten sowie Angaben zu Treibhausgasen<br />
(GHG-Emissions) sind wesentlich detaillierter. Bedeutendste<br />
Neuerung ist die größere Betonung der „Materialität“. G4 fordert<br />
die Organisationen auf, nur die Themen und Indikatoren aufzubereiten<br />
und offenzulegen, die für das Unternehmen materiell<br />
und damit wesentlich sind.<br />
Communication on Progress (CoP)<br />
des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist mit mehr als 8.000 Teilnehmern<br />
die weltweit größte und wichtigste CSR-Initiative. Teilnehmer<br />
verpflichten sich gegenüber den Vereinten Nationen, die universellen<br />
10 Prinzipien zu Menschen- und Arbeitsrechten, zu<br />
Umweltschutz und Korruptionsvermeidung einzuhalten. Die<br />
Teilnehmer müssen jährlich über ihren Fortschritt bei der Umsetzung<br />
dieser Prinzipien berichten. Diese Communication on<br />
Progress (CoP) richtet sich vor allem an die Stakeholder des<br />
Unternehmens, also etwa Investoren, Geschäftspartner, Kunden<br />
und Lieferanten, Organisationen der kritischen Zivilgesellschaft<br />
und staatliche Stellen. Je nach eigenem Anspruch kann auf<br />
Learner-, Active- oder Advanced Niveau berichtet werden.<br />
Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) bietet einen Rahmen<br />
für die Berichterstattung zu nichtfinanziellen Leistungen, der von<br />
Organisationen und Unternehmen jeder Größe und Rechtsform<br />
genutzt werden kann. Die Unternehmen sollen hierzu ihre Nachhaltigkeitsleistung<br />
anhand von 20 Kriterien aus den Bereichen<br />
Strategie, Prozessmanagement, Umwelt sowie Gesellschaft<br />
darlegen und diese anhand von insgesamt 20 Leistungsindikatoren<br />
(KPI) konkretisieren. Weitere, z. B. branchenspezifische<br />
Indikatoren können hinzugefügt werden. Die Anzahl der KPI ist<br />
<strong>im</strong> Laufe des Prozesses von 75 auf 20 reduziert worden, was<br />
mit der Absenkung der Eintrittsbarrieren für die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
gerade mittlerer und kleiner Unternehmen<br />
begründet wurde.<br />
DIN ISO 26000<br />
Die Internationale Norm ISO 26000 – in <strong>Deutschland</strong> als DIN ISO<br />
26000 veröffentlicht – ist ein Leitfaden zur Implementierung<br />
von Steuerungselementen für gesellschaftlich verantwortliches<br />
Wirtschaften. Die Norm bietet dabei lediglich Orientierung<br />
und gibt Handlungsempfehlungen, kann aber nicht verbindlich<br />
zertifiziert werden. Der Grundgedanke der ISO 26000 ist, dass<br />
jede Organisation letztendlich von einer verantwortlichen Organisationsführung<br />
profitiert. In der DIN ISO 26000 bilden sieben<br />
Kernthemen, darunter Organisationsführung, Arbeitsbedingungen,<br />
Umwelt und faire Geschäftspraktiken, die Hauptbereiche<br />
gesellschaftlicher Verantwortung ab.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
45
<strong>Agenda</strong><br />
Reporting Software<br />
Warum Nachhaltigkeitsprofis eine Datenerfassung<br />
<strong>im</strong> grossen Stil begrüssen<br />
sollten (statt sich davor zu fürchten)<br />
Von Karl Friedrich Holz<br />
Der Ausgang der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen<br />
des Jahres 2012, aus denen Präsident Barack Obama nach<br />
hartem Kampf gegen den republikanischen Kandidaten Mitt<br />
Romney schließlich als Sieger hervorging und seine zweite<br />
Amtszeit antrat, war bis zuletzt ungewiss. Angesichts <strong>im</strong>menser<br />
innenpolitischer Herausforderungen wie der Frage<br />
nach der Reaktion der USA auf die Wirtschaftskrise oder<br />
nach der Zukunft des Affordable Care Acts (des Gesetzes zu<br />
erschwinglichen Betreuungsleistungen), bot selbst Obamas<br />
Finanzmittelbeschaffung in nie dagewesener Höhe keine<br />
Garantie für den Erfolg.<br />
Ein Mann jedoch verkündete das korrekte Ergebnis bereits<br />
<strong>im</strong> Vorfeld: Tatsächlich war der amerikanische Statistiker<br />
und Autor Nate Silver – der seine eigene Karriere mit der<br />
Analyse und Prognose der Leistung und Karriereentwicklung<br />
von Spielern der Major League Baseball begonnen hatte – in<br />
der Lage gewesen, die Gewinner sämtlicher US-Bundesstaaten<br />
bereits vor der Wahl richtig zu benennen.<br />
Wie das? Nun, Silver ist bekennender Computerfreak. Er hat<br />
Systeme entwickelt und gebaut, die ihm Zugriff auf all die<br />
Daten bieten, die er für präziseste Vorhersagen benötigt –<br />
egal ob es sich dabei um Wahlergebnisse handelt oder um<br />
die Zahl der Home Runs, die ein best<strong>im</strong>mter Spieler in einem<br />
best<strong>im</strong>mten Jahr hinlegt. Und was am Wichtigsten ist: Er<br />
versteht es, diese Daten zu lesen.<br />
Doch so bekannt Silver als eine Art von Daten-Journalist auch<br />
geworden sein mag – er ist nicht der einzige, der in der Lage<br />
ist, Daten zu lesen und für positive Zwecke zu nutzen. Dank<br />
der Fortschritte <strong>im</strong> Bereich Konnektivität und der Leistungsstärke<br />
der modernen Datenerfassungstechnologie haben wir<br />
heute mehr Daten an der Hand als je zuvor. Laut IBM steht<br />
uns bis zum Jahr 2020 das 300-fache dessen an Informationen<br />
zur Verfügung, was noch <strong>im</strong> Jahr 2005 nutzbar für uns war<br />
– geschätzte 43 Trillionen Gigabytes an Daten.<br />
Nachhaltigkeitsmanager realisieren allmählich, welche Vorteile<br />
diese Informationen <strong>im</strong> Rahmen ihrer Bemühungen, die<br />
Auswirkungen des eigenen Unternehmens auf Umwelt und<br />
Gesellschaft zu min<strong>im</strong>ieren, mit sich bringen können. Typischerweise<br />
liegen die Ursachen für die größten Umweltauswirkungen<br />
eines Unternehmens außerhalb dessen unmittelbaren<br />
Einflussbereichs, d. h. entlang der Lieferkette. Nicht selten<br />
werden mehr als 80 Prozent der gesamten „End-to-End“-CO 2<br />
-<br />
Emissionen eines Unternehmens durch den operativen Betrieb<br />
seiner Zulieferer verursacht, während die eigenen in manchen<br />
Fällen mit gerade einmal fünf Prozent zu Buche schlagen.<br />
Die Lieferketten solcher Großunternehmen sind jedoch lang<br />
und komplex, ein Gewirr aus Zehntausenden von Lieferanten<br />
in aller Welt, die Hunderte von Millionen Pfund CO 2<br />
emittieren.<br />
Zu wissen, wer diese Lieferanten sind und wie sich<br />
ihr operatives Geschäft auf unseren Planeten auswirkt, ist<br />
von maßgeblicher Bedeutung, will ein Unternehmen seine<br />
Gesamtauswirkung verringern.<br />
Hier durchzublicken ist jedoch nicht einfach. Ohne die richtigen<br />
Daten und Informationen über diese Lieferanten ist es<br />
eigentlich fast ein Ding der Unmöglichkeit.<br />
Tatsächlich haben Unternehmen gerade erst begonnen, an<br />
der Oberfläche dessen zu kratzen und zu erkennen, was<br />
<strong>im</strong> Bereich der Datenerfassung, -verarbeitung, -analyse und<br />
-nutzung möglich ist, um Geld zu sparen und zu verdienen,<br />
belastbarere Lieferketten aufzubauen und letztendlich zu<br />
einem nachhaltigeren Unternehmen zu werden.<br />
Inzwischen wenden sich zusehends mehr Organisationen<br />
an Software-Anbieter, um ihre Daten mit deren Hilfe so in<br />
den Griff zu bekommen, dass eben jene Einsparpotenziale<br />
freigesetzt werden. So arbeitet beispielsweise die Hotel- und<br />
Restaurantgruppe Whitbread – die auch Inhaber der Kaffeehauskette<br />
Costa ist – mit der Lieferkettenlösung von<br />
46<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Information – von Umfragen zum Verhaltenskodex bis hin<br />
zu Performance-Metriken für die CO 2<br />
-Berichterstattung zu<br />
Scope-3-Emissionen.<br />
Die Nutzung gesicherter Daten ermöglicht Unternehmen darüber<br />
hinaus, ihre Transparenz zu erhöhen. Der katastrophale<br />
Einsturz des Rana Plaza Buildings in Bangladesch <strong>im</strong> Jahr 2013<br />
zieht bis heute weltweit Kreise: Mehr als 1.100 Menschen<br />
kamen bei diesem tödlichsten Unfall in der Geschichte der<br />
Bekleidungsindustrie ums Leben – und die Einstellung der<br />
Verbraucher zu Lieferkettenthemen wie Arbeitsbedingungen<br />
oder Zwangsarbeit hat sich schlagartig geändert. Genau wie<br />
bei den Lebensmitteln, die auf unserem Teller landen, wollen<br />
heute <strong>im</strong>mer mehr Menschen wissen, wo ihre Kleidung oder<br />
anderer Konsumbedarf herkommt – und seitens der Anbieter<br />
erwarten sie entsprechende Transparenz und Bereitwilligkeit<br />
zur Offenlegung dieser Informationen.<br />
Unternehmen erkennen langsam, dass ein umfassender Blick<br />
auf ihren Lieferantenstamm – untermauert durch Daten, die<br />
auf potenzielle Risiken hinweisen – hilft, diesem prüfenden<br />
Blick durch Verbraucher und Medien standzuhalten und somit<br />
den eigenen guten Ruf zu schützen.<br />
cr 360, um seine neuen ambitionierten Nachhaltigkeitsziele<br />
zu erreichen. Im Mai <strong>2015</strong> hat das Unternehmen seine Ziele<br />
<strong>im</strong> Bereich gesellschaftliche Verantwortung neu festgelegt<br />
und verantwortungsvolle Richtlinien für Beschaffung und<br />
Verbrauchsmaterialien erarbeitet, um sicherzustellen, dass bis<br />
zum Jahr 2020 all seine Lieferanten ihre Nachhaltigkeitsreferenzen<br />
verbessern und die durch das Unternehmen gesetzten<br />
Standards erfüllen.<br />
Die flexible Technologie dieser Lösung bietet einen zentralisierten<br />
Weg der Erfassung und Verwaltung von Daten sowie der<br />
Berichterstattung <strong>im</strong> Hinblick auf die Nachhaltigkeitsperformance<br />
von Lieferanten. Durch Aufforderung der Lieferanten,<br />
eine Reihe von Fragen zu beantworten, ist die Software in<br />
der Lage, deren Rückmeldungen automatisch zu analysieren<br />
und jegliche potenziellen Risiken innerhalb der Lieferkette zu<br />
identifizieren. Somit blickt Whitbreads Nachhaltigkeitsteam<br />
nun quasi aus der Vogelperspektive auf die Hotspots seiner<br />
Lieferkette und verfügt über sowohl eindeutige als auch einheitliche<br />
Informationen, die ihm erlauben, eng mit seinen<br />
Lieferanten zusammenzuarbeiten, um eventuelle Probleme<br />
zu lösen und sie zur Einhaltung seiner Beschaffungs- und<br />
Verbrauchsmaterialstandards zu erziehen.<br />
Natürlich kann die Software auch eingesetzt werden, um eine<br />
Reduzierung der Umweltauswirkungen zu fördern, indem Sie<br />
Ihre Lieferanten bitten, zusätzlich ihre CO 2<br />
-, Energie-, Wasserund<br />
Abfalldaten anzugeben – wodurch sich die Felder identifizieren<br />
lassen, für die Opt<strong>im</strong>ierungs- und Einsparpotenzial<br />
besteht. Das cr 360-System erlaubt die Erfassung jeder Art von<br />
Die Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen auf der einen und<br />
die Anwendung moderner Analysemethoden auf der anderen<br />
Seite gehen dabei jedoch nicht „schon <strong>im</strong>mer“ Hand in Hand:<br />
Bis in die jüngere Vergangenheit hatten die für diesen Bereich<br />
Verantwortlichen meist weitaus mehr Freude daran, sich in der<br />
kreativen Welt der PowerPoint-Kommunikation auszuleben,<br />
als ihre Köpfe in Excel-Dateien und riesigen Datenbergen zu<br />
vergraben.<br />
Doch die Datenlandschaft ändert sich. Während ohnehin<br />
vielschichtige Herausforderungen in puncto Umwelt und<br />
Gesellschaft zunehmend komplexer werden – insbesondere<br />
<strong>im</strong> Rahmen wettbewerbsintensiver Lieferketten, die<br />
oftmals Unternehmen aus Teilen der Welt einschließen, die<br />
in ganz besonderem Maße durch Themen wie Kl<strong>im</strong>awandel<br />
und Wasserknappheit bedroht sind – wird auch die zur<br />
Verfügung stehende Datenmanagement-Software <strong>im</strong>mer<br />
ausgefeilter, wodurch sie nicht mehr nur zum Zwecke der<br />
Berichterstattung eingesetzt werden kann, sondern auch<br />
<strong>im</strong> Performance-Management sowie bei strategischen Entscheidungsfindungsprozessen<br />
Unterstützung bietet: Wissen<br />
und Informationen sind heute wertvolle Aktivposten, die<br />
Unternehmen in die Lage versetzen, positive Veränderungen<br />
entlang der Wertschöpfungskette zu bewirken.<br />
Für Nachhaltigkeitsprofis von heute ist es an der Zeit, „Big<br />
Data“ mit offenen Armen zu empfangen, anstatt bei diesem<br />
Stichwort die Flucht zu ergreifen.<br />
Über den Autor<br />
Karl Friedrich Holz ist Business Development Manager für DACH be<strong>im</strong> Nachhaltigkeitssoftwarespezialist<br />
cr 360.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
47
<strong>Agenda</strong><br />
Kl<strong>im</strong>areporting<br />
als Steuerungsgrundlage<br />
für interne und externe<br />
Stakeholder<br />
Mit ihrer Geschäftstätigkeit generieren und emittieren Unternehmen Treibhausgase und<br />
tragen damit direkt und indirekt zum fortschreitenden Kl<strong>im</strong>awandel bei. Wie groß diese Kl<strong>im</strong>aauswirkungen<br />
sind und ob sie schwerpunktmäßig <strong>im</strong> eigenen Unternehmen oder in der vorund<br />
nachgelagerten Wertschöpfungskette entstehen, ist je nach Unternehmen und Branche<br />
stark unterschiedlich.<br />
Von Johannes Erhard<br />
Gleichzeitig führt die gesellschaftliche Reaktion auf den<br />
Kl<strong>im</strong>awandel zu Veränderungen von politischen Rahmenbedingungen,<br />
Märkten, Energie- und Rohstoffpreisen. Um eine<br />
Kl<strong>im</strong>astrategie zu entwickeln, Energieeinsparpotenziale zu<br />
identifizieren, Umsetzungsmaßnahmen zu <strong>im</strong>plementieren<br />
und mit ihren Angeboten auf Marktveränderungen zu reagieren,<br />
benötigen Unternehmen verlässliche Informationen über<br />
ihre bedeutendsten Emissionsquellen sowie über Chancen und<br />
Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Ebenso<br />
wollen Eigentümer, Kreditgeber, Investoren, Versicherungen,<br />
Geschäftskunden und Verbraucher sowie die Politik zunehmend<br />
wissen, was Unternehmen zur Reduktion des von ihnen<br />
verantworteten Treibhausgasausstoßes tun. Ebenso zentral<br />
ist für sie die Frage, welche Auswirkungen der Kl<strong>im</strong>awandel<br />
heute und in der Zukunft auf das Geschäftsmodell entfaltet.<br />
Mit einem Kl<strong>im</strong>areporting baut ein Unternehmen genau diese<br />
Informationsdefizite ab und liefert entscheidungsrelevante<br />
Informationen intern an das Management und an relevante<br />
externe Adressaten, die von Bedeutung für die Zukunftssicherung<br />
des Unternehmens sind.<br />
Unterstützung be<strong>im</strong> Start in das Kl<strong>im</strong>amanagement<br />
und Kl<strong>im</strong>areporting<br />
Gerade für mittelständische Unternehmen ist der Auf bau<br />
einer Treibhausgasbilanzierung und eines Kl<strong>im</strong>areportings<br />
mit vielen Herausforderungen verbunden. Gleichzeitig besteht<br />
eine zunehmende Nachfrage nach Vernetzung mit anderen<br />
Praktikern. WWF <strong>Deutschland</strong> und CDP Europe unterstützen<br />
mit ihrem gemeinsamen Projekt Kl<strong>im</strong>areporting.de seit 2014<br />
Unternehmen be<strong>im</strong> Umgang mit dem Kl<strong>im</strong>awandel sowie be<strong>im</strong><br />
Erkennen, Messen, Berichten und Steuern von Kl<strong>im</strong>aauswirkungen.<br />
Das Projekt bietet praxisorientierte Hilfestellungen<br />
wie den Leitfaden „Vom Emissionsbericht zur Kl<strong>im</strong>astrategie“,<br />
aktuelle Informationen und Möglichkeiten des Fachaustauschs.<br />
Das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk (DGCN) startete <strong>im</strong><br />
Herbst <strong>2015</strong> in Kooperation mit Kl<strong>im</strong>areporting.de und mit<br />
fachlicher Begleitung durch das Beratungsunternehmen sustainable<br />
AG eine Arbeitsgruppe „Kl<strong>im</strong>amanagement“. Im Lichte<br />
der Kl<strong>im</strong>akonferenz COP 21 in Paris und der Verabschiedung<br />
der Sustainable Development Goals auf UN-Ebene kommt das<br />
48<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Programm dem verstärkten Wunsch der DGCN Mitgliedsunternehmen<br />
nach Austausch von Erfahrungen und Best Practices<br />
be<strong>im</strong> Umgang mit dem Kl<strong>im</strong>awandel nach.<br />
DGCN Peer Learning Gruppe Kl<strong>im</strong>amanagement<br />
in Kooperation mit Kl<strong>im</strong>areporting.de<br />
Kern des gemeinsamen Arbeitsprogramms ist eine Peer Learning<br />
Gruppe zum Thema Kl<strong>im</strong>amanagement, in der Praktiker<br />
aus verschiedenen Branchen <strong>im</strong> Austausch untereinander<br />
und fachlich begleitet konkrete Fragestellungen rund um das<br />
Thema Kl<strong>im</strong>amanagement bearbeiten und gemeinsam neue<br />
Lösungsansätze erarbeiten.<br />
Das erste Treffen der Peer Learning Gruppe fand <strong>im</strong> September<br />
<strong>2015</strong> bei der ENTEGA AG in Darmstadt statt und drehte sich<br />
insbesondere um die sogenannten Scope 3-Emissionen. Dabei<br />
handelt es sich um jene Treibhausgasemissionen, die in der<br />
vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette eines Unternehmens<br />
entstehen. Dazu gehören zum Beispiel die Emissionen<br />
der Rohstoffe, die das Unternehmen einkauft, oder auch die<br />
Emissionen aus der Nutzungsphase der verkauften Produkte.<br />
Auch Treibhausgasemissionen aus dem Transport bezogener<br />
und verkaufter Güter oder aus den Geschäftsreisen der Mitarbeiter<br />
gehören zu diesem indirekten Kl<strong>im</strong>afußabdruck eines<br />
Unternehmens. Auch wenn diese Emissionen nicht direkt <strong>im</strong><br />
Unternehmen entstehen, ist es für ihre Entstehung zumindest<br />
mitverantwortlich und steht in der Verantwortung, diese zu<br />
beachten und seine Möglichkeiten zu ihrer Reduktion auszuschöpfen.<br />
Oft fällt es den Unternehmen jedoch besonders<br />
schwer, die indirekten Emissionen zu erfassen, zu quantifizieren<br />
und sinnvolle Reduktionsmaßnahmen abzuleiten.<br />
Umso wichtiger ist es, sich dabei auf die wirklich relevanten<br />
Emissionsquellen zu konzentrieren. Um diese zu identifizieren,<br />
sollten Unternehmen eine „Wesentlichkeitsanalyse“<br />
durchführen und die Kl<strong>im</strong>aauswirkungen, die Chancen und<br />
Risiken sowie die internen und externen Anforderungen, die<br />
mit einer Emissionskategorie verbunden sind, ermitteln. So<br />
identifizierte wesentliche Emissionsquellen, die gleichzeitig beeinflussbar<br />
sind, sollten in das aktive Kl<strong>im</strong>amanagement >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
49
<strong>Agenda</strong><br />
einbezogen werden. Im Rahmen der Peer Learning Gruppe<br />
bewerteten die Praktiker die Emissionsquellen der Wertschöpfungskette<br />
ihres Unternehmens nach deren Wesentlichkeit<br />
und Beeinflussbarkeit und diskutierten diese Zuordnung mit<br />
den anderen Praktikern. Die Metro AG stellte zudem einen<br />
Best Practice Ansatz zur Quantifizierung der aus ihren eingekauften<br />
Transportdienstleistungen resultierenden Emissionen<br />
vor. Der sehr konkrete Fach- und Erfahrungsaustausch, auch<br />
über Branchengrenzen hinweg, wurde von den Teilnehmern<br />
als sehr gewinnbringend bewertet.<br />
Themenworkshops zu Scope 3-Emissionen und<br />
unternehmerischen Kl<strong>im</strong>azielen<br />
Zweiter Bestandteil des DGCN Arbeitsprogramms Kl<strong>im</strong>amanagement<br />
in Kooperation mit Kl<strong>im</strong>areporting.de und Unterstützung<br />
durch die sustainable AG waren zwei Themenworkshops <strong>im</strong><br />
Rahmen der internationalen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> +15 Europe<br />
Konferenz am 13. und 14. Oktober in Berlin. Beide Workshops<br />
boten den Teilnehmern sowohl fachliche Inputs und Beispiele<br />
als auch die Möglichkeit, sich in moderierten Kleingruppen<br />
auszutauschen.<br />
Der erste Workshop „Business Targets and Strategies for the<br />
2 Degrees Goal” drehte sich um unternehmerische Zielsetzungen<br />
zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Im Fokus<br />
stand dabei die Frage, wie sich das globale politische<br />
Langfristziel einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf<br />
max<strong>im</strong>al 2° C in angemessene unternehmerische Zielsetzungen<br />
zur Reduktion von Treibhausgasemissionen übersetzen<br />
lässt und welche Geschäftschancen für Unternehmen damit<br />
verbunden sind. WWF <strong>Deutschland</strong>, CDP und UNGC Caring for<br />
Cl<strong>im</strong>ate stellten in ihren Beiträgen die Logik und den Status<br />
der unternehmerischen Kl<strong>im</strong>azielsetzung <strong>im</strong> Einklang mit der<br />
Kl<strong>im</strong>awissenschaft vor. In dem gemeinsamen Projekt „Science<br />
Based Targets“ (sciencebasedtargets.org) haben die drei Organisationen<br />
mit dem World Resources Institute eine Methodik<br />
entwickelt, die Unternehmen Orientierung bei der Definition<br />
von langfristigen und sektorspezifischen Kl<strong>im</strong>azielen bietet.<br />
Accenture Strategy verdeutlichte anhand von Sektorbeispielen,<br />
dass sich für Unternehmen, die sich frühzeitig auf eine<br />
Reduktion der Treibhausgasemissionen in Einklang mit dem<br />
2° C-L<strong>im</strong>it verpflichten, vielfältige Geschäftsmöglichkeiten als<br />
Anbieter emissionsarmer Lösungen für andere Unternehmen<br />
ergeben können. Mit Suez Environnement und Siemens stellten<br />
zudem zwei Unternehmen ihre Kl<strong>im</strong>aziele vor und sprachen<br />
über damit verbundene Herausforderungen und Chancen. Die<br />
Teilnehmer äußerten den Wunsch nach einer intensiveren<br />
Auseinandersetzung mit der Ableitung und Formulierung<br />
von unternehmerischen Zielsetzungen zur Reduktion der<br />
Treibhausgasemissionen.<br />
Der zweite Workshop <strong>im</strong> Rahmen der GC +15 Konferenz thematisierte<br />
unter dem Titel „Greenhouse Gas Emissions in the<br />
Supply Chain – Materiality of Scope 3 Emissions and Cl<strong>im</strong>ate<br />
Strategy 2.0 ?“ die Treibhausgasemissionen, die in der vorund<br />
nachgelagerten Wertschöpfungskette von Unternehmen<br />
entstehen (Scope 3). CDP Europe und sustainable AG stellten<br />
in ihren Vorträgen die Bedeutung der unternehmerischen<br />
Berichterstattung und Steuerung der Scope 3-Emissionen<br />
heraus: einerseits, da hier in den meisten Branchen 60 bis 80<br />
Prozent der Gesamtemissionen eines Unternehmens zu verorten<br />
seien. Andererseits, da auch Investoren Informationen zum<br />
unternehmerischen Umgang mit den Treibhausgasemissionen<br />
in der Lieferkette und den damit verbundenen Chancen und<br />
Risiken zunehmend in ihre Bewertung einbeziehen. Dabei<br />
sei es unumgänglich, dass sich Unternehmen auf die wirklich<br />
relevanten Emissionsquellen konzentrierten. Der WWF<br />
stellte die Empfehlungen des Projekts Kl<strong>im</strong>areporting.de vor,<br />
wie Unternehmen in Einklang mit etablierten Methoden und<br />
Berichtstandards bei der Identifikation der wesentlichen und<br />
gleichzeitig beeinflussbaren Emissionsquellen vorgehen sollten.<br />
Kl<strong>im</strong>awandel als Geschäftsfaktor – jetzt aktiv werden<br />
Der Kl<strong>im</strong>awandel wird für Unternehmen zunehmend zu einem<br />
Geschäftsfaktor. Nur durch die Erfassung, Bilanzierung, Berichterstattung<br />
und aktive Steuerung der Kl<strong>im</strong>aauswirkungen<br />
sowie der aus dem Kl<strong>im</strong>awandel resultierenden Geschäftsrisiken<br />
können Unternehmen die bestehenden Herausforderungen<br />
in Chancen und Geschäftsmöglichkeiten verwandeln. Kl<strong>im</strong>areporting.de<br />
und das DGCN unterstützen Unternehmen dabei<br />
und laden Sie herzlich ein, die bestehenden Angebote aktiv<br />
wahrzunehmen.<br />
Über den Autor<br />
Johannes Erhard arbeitet für den WWF am Kl<strong>im</strong>areporting-Projekt.<br />
50<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Reporting<br />
Info<br />
Treibhausgas-Emissionen<br />
in der Wertschöpfungskette<br />
CO 2<br />
Kohlendioxid<br />
CH 4<br />
Methan<br />
N 2<br />
O<br />
Distickstoffmonoxid<br />
HFCs<br />
PFCs<br />
Fluorkohlenwasserstoffe<br />
Kohlenwasserstoffe<br />
SF 6<br />
Schwefelhexafluorid<br />
Scope 2<br />
(indirekt)<br />
Scope 1<br />
(direkt)<br />
Scope 3<br />
(indirekt)<br />
Scope 3<br />
(indirekt)<br />
Verbrauchte<br />
Energie für den<br />
Eigenbedarf <strong>im</strong><br />
Unternehmen<br />
Kauf / Anrechnung von<br />
Emissionszertifikaten<br />
Kauf / Anrechnung von<br />
Emissionszertifikaten<br />
Investitionen<br />
Geleaste Güter<br />
Erworbene Waren<br />
und Produkte<br />
Berufspendlerverkehr<br />
Firmengebäude<br />
Transport und<br />
Vertrieb<br />
(Auslieferung)<br />
Franchise<br />
Kapitalgüter<br />
(z. B. neue Maschinen)<br />
Energieverbrauch<br />
jenseits von<br />
SCOPE 1+2<br />
Geschäftsreisen<br />
Produzierter<br />
Abfall<br />
Fuhrpark<br />
Produktweiterverarbeitung<br />
Produktnutzungsphase<br />
Geleaste Güter<br />
(Nutzung)<br />
Entsorgung und<br />
Recycling<br />
Transport & Vertrieb<br />
(Anlieferung)<br />
Vorgelagerte Lieferkette<br />
Unternehmen<br />
Nachgelagerte Lieferkette<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
51
Good Practice<br />
Flüchtlingshilfe<br />
56<br />
Bayer<br />
Deutsche Telekom<br />
MAN<br />
MENSCHENRECHTE<br />
62<br />
Arbeitsnormen<br />
Audi<br />
80<br />
ABB<br />
BSH Hausgeräte<br />
CEWE<br />
Tchibo<br />
Da<strong>im</strong>ler<br />
E.ON<br />
EY<br />
Umweltschutz<br />
86<br />
Lufthansa Group<br />
DAW<br />
Frieden<br />
74<br />
Evonik<br />
HOCHTIEF<br />
MTU Aero Engines<br />
Rhenus Lub<br />
Weidmüller<br />
76<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
Merck<br />
Für die redaktionellen Beiträge dieser Rubrik sind ausschließlich die Unternehmen und ihre Autoren selbst verantwortlich.<br />
52 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
62<br />
ABB<br />
80<br />
Audi<br />
98<br />
BASF<br />
56<br />
Bayer<br />
100<br />
Bosch<br />
82<br />
BSH Hausgeräte<br />
CSR Management<br />
98<br />
64<br />
102<br />
66<br />
CEWE<br />
CiS<br />
Da<strong>im</strong>ler<br />
BASF<br />
86<br />
DAW<br />
Bosch<br />
CiS<br />
Drei Elemente<br />
JKL Kunststoff Lackierung<br />
K+S<br />
macondo publishing<br />
TÜV Rheinland<br />
Finanzmärkte<br />
HypoVereinsbank<br />
PwC<br />
114<br />
58<br />
104<br />
68<br />
88<br />
70<br />
90<br />
114<br />
106<br />
108<br />
72<br />
110<br />
60<br />
76<br />
92<br />
116<br />
74<br />
84<br />
112<br />
94<br />
Deutsche Telekom<br />
Drei Elemente<br />
E.ON<br />
Evonik<br />
EY<br />
HOCHTIEF<br />
HypoVereinsbank<br />
JKL Kunststoff Lackierung<br />
K+S<br />
Lufthansa Group<br />
macondo publishing<br />
MAN<br />
Merck<br />
MTU Aero Engines<br />
PwC<br />
Rhenus Lub<br />
Tchibo<br />
TÜV Rheinland<br />
Weidmüller<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong> 53
Good Practice<br />
MENSCHENRECHTE<br />
Prinzip 1: Unternehmen sollen den Schutz der internatio nalen<br />
Menschenrechte unterstützen und achten.<br />
Prinzip 2: Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie sich<br />
nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.<br />
Darüber hinaus verfolgt<br />
der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
zwei sich ergänzende Ziele:<br />
54 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Flüchtlingshilfe<br />
56<br />
58<br />
60<br />
Bayer<br />
Deutsche Telekom<br />
MAN<br />
MENSCHENRECHTE<br />
62<br />
64<br />
66<br />
68<br />
70<br />
72<br />
ABB<br />
CEWE<br />
Da<strong>im</strong>ler<br />
E.ON<br />
EY<br />
Lufthansa Group<br />
Frieden<br />
74<br />
Rhenus Lub<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
76<br />
Merck<br />
1) Die zehn Prinzipien sollen zu einer Selbstverständlichkeit<br />
innerhalb von Geschäftstätigkeiten auf der ganzen Welt<br />
werden.<br />
2) Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung<br />
darüber hinausgehender UN-Ziele wie etwa die<br />
Sustainable Development Goals (SDGs)<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
55
Bayer<br />
Bayer macht Flüchtlingen<br />
Förder- und Integrationsangebote<br />
Die Bewältigung der <strong>im</strong>mensen Migration von Flüchtlingen ist <strong>im</strong> Jahr <strong>2015</strong> zu einer der größten<br />
gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen in <strong>Deutschland</strong> geworden. Der strategische Ansatz<br />
von Bayer ist es, gezielt zu helfen <strong>im</strong> Rückgriff auf unternehmenseigene Kompetenzen und<br />
Ressourcen. Frühzeitig haben wir ein Maßnahmenpaket entwickelt und mit dessen Umsetzung<br />
begonnen mit dem Ziel, insbesondere die Zukunftsperspektiven junger Flüchtlinge zu verbessern.<br />
Von Dirk Frenzel, Bayer<br />
Integration durch Bildung<br />
Für eine gelingende gesellschaftliche<br />
Integration von Flüchtlingen wie von<br />
allen Migranten und auch hierzulande<br />
Aufgewachsenen ist es ein zentraler Erfolgsfaktor,<br />
dass sie in Schule und Beruf<br />
Fuß fassen. Hierfür ist es nötig, neue<br />
Wege zu gehen, die insbesondere den<br />
fehlenden oder mangelnden Deutschkenntnissen<br />
und den spezifischen beruflichen<br />
Anforderungen Rechnung tragen.<br />
Gemeinsam mit der iMint-Akademie des<br />
Berliner Senats, dem Kinderforschungszentrum<br />
HELLEUM und dem Schülerforschungszentrum<br />
in Berlin rief unsere<br />
Bayer Science & Education Foundation<br />
<strong>im</strong> Sommer <strong>2015</strong> die „Science4Life Academy“<br />
ins Leben. Erstmals überhaupt in<br />
<strong>Deutschland</strong> werden <strong>im</strong> Rahmen dieses<br />
zunächst auf fünf Jahre angelegten Pilotprojektes<br />
gezielt Materialen für den naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht in den<br />
Klassen eins bis acht für Flüchtlingskinder<br />
ohne Deutsch-Kenntnisse entwickelt<br />
und eingeführt. Parallel werden Lehrer<br />
und Lehrerinnen der in sogenannten<br />
Willkommensklassen unterrichteten<br />
Schülergruppen fortgebildet.<br />
Abdalah Awald aus dem Libanon und Marija Barbul aus Serbien, beide acht Jahre alt, haben Spaß<br />
be<strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>entieren zum Auftakt der Science4Life Academy <strong>im</strong> Berliner Kinderforschungszentrum<br />
Helleum.<br />
Neben der Vermittlung der Inhalte sollen<br />
Lernerfolge vor allem das Selbstbewusstsein<br />
der Flüchtlingskinder stärken und<br />
ihnen dadurch die Kontaktaufnahme<br />
mit ihren Mitschülern erleichtern und<br />
den schulischen Alltag meistern helfen.<br />
Hierfür kommen praktische, alltagsnahe<br />
Exper<strong>im</strong>ente aus naturwissenschaftlichen<br />
Themengebieten zum Einsatz, die<br />
an der Freude der Kinder am Entdecken<br />
ansetzen. Übergeordnetes Ziel ist es, dass<br />
die Kinder möglichst rasch den Übergang<br />
in den Regelunterricht schaffen.<br />
56 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Flüchtlingshilfe<br />
Darüber hinaus will die „Science4Life<br />
Academy“ Talente individuell fördern<br />
und bietet hierzu beispielsweise die<br />
Unterstützung für die Teilnahme an<br />
Schülerwettbewerben, Stipendienprogramme,<br />
Praktika und Mentoring <strong>im</strong><br />
Unternehmen an. Wir unterstützen das<br />
Partnerschaftsprojekt auch finanziell<br />
mit 400.000 Euro. Der Berliner Senat<br />
wird die Inhalte und Erfahrungen aus<br />
diesem Pilotprojekt über den Deutschen<br />
Bildungsserver auch allen anderen Bundesländern<br />
zur Verfügung stellen.<br />
Vorbereitung auf den Beruf<br />
Die ersten jungen Menschen <strong>im</strong> Alter<br />
zwischen 19 und 26 Jahren, die aus elf<br />
verschiedenen Herkunftsländern nach<br />
<strong>Deutschland</strong> geflohen sind, nahmen<br />
<strong>im</strong> Herbst <strong>2015</strong> an einem neuartigen<br />
Aufbaukurs von Bayer am Standort Leverkusen<br />
teil. Das Unternehmen ermöglicht<br />
den Teilnehmern, in vier Monaten ihre<br />
Deutsch-Kenntnisse auf ein Niveau zu<br />
bringen, das ihnen realistische Chancen<br />
auf dem hiesigen Arbeitsmarkt eröffnet.<br />
Hinzu kommen Informationen und Unterstützung<br />
für eine erste Berufswahl-<br />
Orientierung, vervollständigt durch eine<br />
vierwöchige Praxis-Hospitation. Erfolgreiche<br />
Teilnehmer können sich nach<br />
dem Auf baukurs für unser bereits seit<br />
30 Jahren bewährtes reguläres „Starthilfe-<br />
Programm“ bewerben, in dem das Unternehmen<br />
künftig ein eigenes Kontingent<br />
für Flüchtlinge reservieren wird. Mit<br />
diesem Programm bereiten wir benachteiligte<br />
Jugendliche intensiv auf eine<br />
spätere naturwissenschaftlich-technische<br />
Ausbildung vor. Die Flüchtlinge werden<br />
darin bereits Berufsschul-Unterricht sowie<br />
ein Bewerbungs-Training erhalten.<br />
Über 80 Prozent der bisherigen Starthilfe-<br />
Programmteilnehmer begannen anschließend<br />
eine reguläre Berufsausbildung.<br />
Gemeinschaftserlebnis Sport<br />
Einige der ersten Teilnehmer des Aufbaukurses<br />
zur Berufsvorbereitung (v.l.): Hamzah<br />
Alkans aus Syrien, Andemariam Testay aus<br />
Eritrea, Ahmed Arif aus Bangladesch, Chepal<br />
Charaf aus Syrien, Ibrah<strong>im</strong> Aiallo aus Guinea.<br />
Wir ergänzten unser Engagement für die<br />
langfristige Integration von Flüchtlingen<br />
über Bildung und Ausbildung durch<br />
weitere Maßnahmen. So stellten wir<br />
kostenfrei Medikamente <strong>im</strong> Gesamtwert<br />
von 1,5 Millionen Euro bereit, die von<br />
Hilfsorganisationen und Behörden aus<br />
der Türkei, Griechenland und Österreich<br />
angefragt worden waren. Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, die sich in der<br />
Flüchtlingsarbeit engagieren, stellen wir<br />
bei Gehaltsfortzahlung für bis zu acht<br />
Arbeitstage frei. Zudem fördern wir ehrenamtliche<br />
Flüchtlingshilfs-Initiativen<br />
mit einem finanziellen Zuschuss über<br />
unsere Bayer Cares Foundation.<br />
Unser Profifußball-Club Bayer 04 Leverkusen<br />
spendete einen Euro von jedem<br />
<strong>im</strong> ersten He<strong>im</strong>spiel in der Champions<br />
League verkauften Ticket. Nicht zuletzt<br />
können unsere Sportvereine <strong>im</strong> Bereich<br />
des Breitensports wichtige Beiträge für<br />
die gesellschaftliche Integration von<br />
Flüchtlingen leisten. Sportkurse und<br />
Sonderaktionen erleichtern die dringend<br />
notwendige Verständigung und<br />
ermöglichen Gemeinschaftserlebnisse<br />
in der Nachbarschaft.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
57
Deutsche Telekom<br />
Flüchtlinge: So hilft die<br />
Deutsche Telekom<br />
Kaum ein Thema beschäftigt die Öffentlichkeit derzeit so sehr, wie die steigende Zahl derer, die<br />
in der Bundesrepublik Zuflucht suchen. <strong>2015</strong> kamen annähernd 1.000.000 Asylsuchende nach<br />
<strong>Deutschland</strong> (Stand: Dezember <strong>2015</strong>). Politik und Gesellschaft stehen vor erheblichen Herausforderungen.<br />
Die Hilfe aus der Bevölkerung ist groß, und auch die Deutsche Telekom unterstützt<br />
mit unterschiedlichen Hilfsangeboten.<br />
Von Kai Dobrig, Deutsche Telekom<br />
Angesichts der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise<br />
hat der Vorstand der Deutschen<br />
Telekom unmittelbar reagiert und Ende<br />
August <strong>2015</strong> die Task Force „Deutsche<br />
Telekom hilft Flüchtlingen“ gebildet.<br />
Diese koordiniert die Konzernaktivitäten<br />
und verfolgt dabei einen breiten Ansatz<br />
mit sieben Maßnahmen:<br />
1. Unterstützung bei der Versorgung<br />
von Flüchtlingsunterkünften mit<br />
WLAN<br />
2. Bereitstellung von Immobilien für<br />
Flüchtlingsunterkünfte<br />
3. Personalvermittlung an das Bundesamt<br />
für Migration und Flüchtlinge<br />
(BAMF)<br />
4. Unterstützung der Mitarbeiter in<br />
ihrem ehrenamtlichen Engagement<br />
5. Kooperationen mit Unternehmen<br />
und Organisationen<br />
6. Auf bau eines Informationsportals<br />
für Flüchtlinge<br />
7. Zurverfügungstellung von Praktikanten-<br />
und Studienplätzen<br />
Kostenloses WLAN für Asylsuchende<br />
der Telekom. Dabei steht die Telekom in<br />
enger Abst<strong>im</strong>mung mit dem BAMF, den<br />
Landesministerien sowie dem Bundesministerium<br />
des Innern.<br />
Mehrsprachiges Informationsportal<br />
für Flüchtlinge<br />
Wie beantrage ich Asyl? Wo kann ich<br />
Deutsch lernen? Darf ich arbeiten?<br />
Wo finde ich Hilfe? Antworten zu diesen<br />
und vielen weiteren Fragen finden<br />
Flüchtlinge auf der Internetplattform<br />
„www.refugees.telekom.de“. Die<br />
Telekom hat das Portal gemeinsam mit<br />
freiwilligen Helferinnen und Helfern in<br />
nur sechs Wochen aufgebaut. Das Portal<br />
steht in acht Sprachen – darunter auch<br />
Dari und Tigrinya – zur Verfügung. Die<br />
Inhalte werden kontinuierlich weiter<br />
ausgebaut. Die Übersetzung wurde zum<br />
Teil von Kolleginnen und Kollegen mit<br />
Migrationshintergrund in Eigenengagement<br />
übernommen.<br />
Mitarbeiterinitiativen unterstützen<br />
Flüchtlinge<br />
Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
engagieren sich auch in ihrem<br />
privaten Umfeld. Sie helfen in Notunterkünften,<br />
bei Amtsgängen oder spenden<br />
Sach- und Geldwerte. „Uns macht das<br />
stolz, und als Konzern ist es für uns<br />
selbstverständlich, dass wir dieses Engagement<br />
unterstützen“, sagt Gabriele<br />
Kotulla. „Unsere Kolleginnen und Kollegen<br />
können sich über unser internes<br />
Telekom Social Network vernetzen, um<br />
Erfahrungen und Tipps auszutauschen<br />
„Auf der Flucht ist es für Menschen<br />
wichtig, mit Verwandten in Kontakt<br />
zu bleiben. Deshalb gehört zu den wenigen<br />
Habseligkeiten, die Flüchtlinge<br />
mit sich tragen, meist ein Smartphone.<br />
Nutzen bringt es jedoch nur mit einer<br />
Verbindung zum Internet. Hier setzt<br />
unser Engagement an, wir helfen bei der<br />
Versorgung von Flüchtlingsunterkünften<br />
mit kostenlosem WLAN“, sagt Gabriele<br />
Kotulla, Leiterin Corporate Responsibility<br />
58 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Flüchtlingshilfe<br />
oder sich zusammenschließen, um gemeinsam<br />
zu helfen. Ganze Teams sind<br />
<strong>im</strong> Rahmen von sogenannten „Social<br />
Days“ aktiv.“ Dafür stellen wir unsere<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen<br />
Tag lang von der Arbeit frei. Tipps für<br />
die Organisation bieten wir ihnen zudem<br />
über eine unternehmensinterne<br />
Plattform. Auf der können sie – und gemeinnützige<br />
Initiativen – auch eigene<br />
Projekte einstellen und nach Unterstützung<br />
suchen. Bislang wurden zahlreiche<br />
Hilfsprojekte initiiert und die Zahl steigt<br />
täglich weiter. Darunter ein Charity-Lauf<br />
mit über 1.100 teilnehmenden Auszubildenden<br />
und Mitarbeitern. Gemeinsam<br />
erliefen sie knapp 7.000 Kilometer und<br />
sammelten so eine Spendensumme von<br />
über 50.000 Euro. Diese kommen der<br />
Aktion „<strong>Deutschland</strong> hilft e.V.“ zugute,<br />
die damit die Flüchtlinge unterstützt.<br />
Praktikumsplätze und Stipendien<br />
für Flüchtlinge<br />
Um eine möglichst rasche Integration<br />
der Flüchtlinge zu unterstützen, hat<br />
die Telekom seit Anfang September<br />
über 100 Praktika auf der Plattform<br />
„www.workeer.de“ und in der Telekom-<br />
Jobbörse angeboten. Mehr als 25 Studenten-<br />
und Schülerpraktika konnten bis<br />
Dezember <strong>2015</strong> zugesagt werden. Ferner<br />
sind bereits sieben Stipendien für Studienplätze<br />
an der Telekom-eigenen Hochschule<br />
für Telekommunikation in Leipzig<br />
vergeben worden und alle Stipendiaten<br />
sind bereits ins Studium gestartet.<br />
Telekom-Immobilien als Flüchtlingsunterkünfte<br />
und Telekom-<br />
Mitarbeiter arbeiten be<strong>im</strong> BAMF<br />
Da in vielen Städten und Gemeinden<br />
die Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft<br />
sind, bietet die Telekom dem<br />
BAMF und den Kommunen rund 100<br />
Immobilien mit mehr als 30.000 Quadratmetern<br />
Fläche für die Flüchtlingshilfe an.<br />
Bislang sind ca. 50 Prozent dieser Fläche<br />
abgerufen. Zudem unterstützen wir das<br />
BAMF mit der Entsendung von Beamtinnen<br />
und Beamten zur Bewältigung der<br />
stark gestiegenen Anzahl an Asylanträgen.<br />
Eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern der Telekom haben sich<br />
bereits beworben. Über 230 sind mittlerweile<br />
be<strong>im</strong> BAMF tätig bzw. beginnen<br />
ihren Einsatz in Kürze. Sie unterstützen<br />
die Fachleute des Bundesamts bei der<br />
Prüfung der Asylanträge.<br />
Kooperationen mit Unternehmen<br />
und Organisationen<br />
Um Flüchtlingen in <strong>Deutschland</strong> einen<br />
Neustart zu ermöglichen, arbeiten wir<br />
zudem mit Partnern aus Wirtschaft und<br />
Gesellschaft zusammen. Beispielsweise<br />
mit dem Deutschen Volkshochschul-Verband<br />
sowie Ambermedia, mit denen wir<br />
über die Aufnahme von unentgeltlichen<br />
Online-Sprachkursen <strong>im</strong> Gespräch sind.<br />
Weitere Kooperationen sind in Planung.<br />
Mehr als 30 Unternehmen haben uns<br />
bisher angesprochen und acht Kooperationsvorhaben<br />
befinden sich aktuell<br />
in der Umsetzung. Ein Beispiel ist der<br />
Rollout von „Google Chromebooks“ in<br />
den von der Deutschen Telekom mit<br />
WLAN-Hotspots vernetzten Erstaufnahmeeinrichtungen.<br />
Wir kooperieren mit<br />
allen Betreibern von Erstaufnahmeeinrichtungen<br />
sowie dem Deutschen Roten<br />
Kreuz, Caritas, Arbeiter-Samariter-Bund<br />
etc. Weiterhin besteht eine Kooperation<br />
mit dem Aktionsbündnis „<strong>Deutschland</strong><br />
hilft“ und seinen Partnern. „Mit unseren<br />
Initiativen liefern wir einen wichtigen<br />
Beitrag zur Bewältigung dieser gesamtgesellschaftlichen<br />
Herausforderung und<br />
wir werden unsere Hilfsangebote auch<br />
in Zukunft fortführen“, so Kotulla.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
59
MAN<br />
Flüchtlingshilfe, die bewegt<br />
Mit Überzeugung bringt sich MAN weltweit für eine nachhaltige Entwicklung ein. In <strong>Deutschland</strong><br />
schafft das Unternehmen mit seinem langjährigen Kooperationspartner SOS-Kinderdorf Perspektiven<br />
für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Dabei stellt MAN bewusst einen Bezug zu<br />
seinem Kerngeschäft her: für Flüchtlingshilfe, die bewegt.<br />
Von Yvonne Benkert, MAN<br />
Als lokal verwurzeltes und global agierendes<br />
Unternehmen setzt sich MAN<br />
seit Jahren für die Gesellschaft ein. Dazu<br />
zählt auch die aktuelle weltweite Flüchtlingskrise<br />
– eine Entwicklung, die gemeinsame<br />
Anstrengungen von Politik,<br />
Zivilgesellschaft und Wirtschaft erfordert.<br />
Flucht und Migration stellen globale<br />
Herausforderungen dar, die es für ein<br />
Unternehmen zu verstehen und zu erkennen<br />
gilt, insbesondere wo Chancen<br />
und Risiken für eine nachhaltige Entwicklung<br />
und für den Geschäftserfolg<br />
liegen. Für MAN ist hierbei Mobilität<br />
das zentrale Thema.<br />
Gleichzeitig begreift MAN die jungen<br />
Flüchtlinge als Chance. Wie viele andere<br />
ist das Unternehmen langfristig<br />
auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen.<br />
In Zusammenarbeit mit verschiedenen<br />
Hilfsorganisationen n<strong>im</strong>mt sich MAN<br />
den Menschen an und zeigt ihnen neue<br />
Wege auf.<br />
„Wir wollen durch Bildung echte Perspektiven<br />
für junge Menschen schaffen“,<br />
erklärt Josef Schelchshorn, Personalvorstand<br />
und Arbeitsdirektor der<br />
MAN SE. Die Gelder fließen daher vor<br />
allem in Bildungsangebote, von denen<br />
die Jugendlichen langfristig profitieren.<br />
Über eine Mobilitätsinitiative plant MAN<br />
zukünftig zudem, Werksfahrräder aufzubereiten<br />
und zur Verfügung zu stellen<br />
und Fahrradkurse anzubieten. „Bei all<br />
unseren Aktivitäten wollen wir zielgerichtet,<br />
bedarfsorientiert und nachhaltig<br />
helfen“, so Schelchshorn weiter. Dabei<br />
bindet das Unternehmen auch seine<br />
Mitarbeiter ein – den Anfang machten<br />
acht MAN-Trainees.<br />
MAN-Trainees <strong>im</strong> Einsatz<br />
Erstmals zusammen kamen die MAN-<br />
Trainees <strong>im</strong> Herbst <strong>2015</strong> <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines Workshops <strong>im</strong> SOS-Kinderdorf<br />
Ammersee: Gemeinsam mit Mitarbeitern<br />
von SOS-Kinderdorf erarbeiteten<br />
sie Ideen, wie sie sich für unbegleitete<br />
minderjährige Flüchtlinge in <strong>Deutschland</strong><br />
einsetzen können. „Wir alle spüren<br />
angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen<br />
einen großen Tatendrang, den<br />
wir in aktives Engagement umsetzen<br />
wollen“, fasst MAN-Trainee Inga Hougen<br />
zusammen.<br />
Partnerschaft für Perspektiven<br />
Flüchtlingskinder, Familien und unbegleitete<br />
minderjährige Flüchtlinge<br />
rücken zunehmend in den Fokus der<br />
langjährigen Partnerschaft von MAN und<br />
SOS-Kinderdorf e.V. Über 100.000 Euro<br />
hat das Unternehmen in diesem Jahr an<br />
Einrichtungen von SOS-Kinderdorf für<br />
die Unterstützung von Asylsuchenden<br />
gespendet.<br />
MAN-Mitarbeiter sammelten tatkräftig<br />
Spenden ein, um Bildungsprojekte für<br />
Flüchtlinge zu unterstützen.<br />
60 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Flüchtlingshilfe<br />
Ein jugendlicher Flüchtling erhält bei MAN<br />
in Augsburg eine berufliche Perspektive.<br />
Augsburg sind die beiden Nachwuchskräfte<br />
<strong>im</strong> September <strong>2015</strong> mit einer<br />
geförderten Einstiegsqualifizierungsmaßnahme<br />
erfolgreich in ihr Berufsleben<br />
gestartet. Nach einer einjährigen<br />
Eingliederungsphase sollen sie in ein<br />
festes Ausbildungsverhältnis übernommen<br />
werden – eine echte Chance für<br />
die beiden, in <strong>Deutschland</strong> beruflich<br />
Fuß zu fassen.<br />
Schneller am Ziel mit MAN-Bussen<br />
Be<strong>im</strong> gemeinsamen Kochen wollen sich<br />
die MAN-Trainees und die jungen Flüchtlinge<br />
aus Wohngruppen von SOS-Kinderdorf<br />
<strong>im</strong> Landkreis Landsberg zunächst<br />
kennenlernen. Mithilfe von Sprachkursen<br />
und Lernunterstützung will der MAN-<br />
Nachwuchs den jungen Menschen anschließend<br />
möglichst regelmäßig helfen.<br />
SOS-Kinderdorf begrüßt die Initiative<br />
von MAN. „Spannend wären Angebote,<br />
die den unbegleiteten Minderjährigen<br />
die Berufswelt in <strong>Deutschland</strong> zeigen“,<br />
erklärt SOS-Kinderdorf-Mitarbeiterin<br />
Maria Stock. „Am Beispiel MAN können<br />
sie lernen, welche Berufsbilder es neben<br />
MAN hilft.<br />
dem klassischen Automechaniker überhaupt<br />
gibt.“ Die Jugendlichen seien oft<br />
äußerst motiviert, wüssten aber zu wenig<br />
über die vielen Berufsmöglichkeiten in<br />
einem Konzern wie MAN. Für Ende des<br />
Jahres hat MAN daher zwei Werksführungen<br />
für 30 junge Flüchtlinge angesetzt.<br />
Von Ägypten und Afghanistan nach<br />
Augsburg<br />
Was es bedeutet, berufliche Perspektiven<br />
bei MAN ergreifen zu können, erleben<br />
zwei jugendliche Flüchtlinge aus Ägypten<br />
und Afghanistan: Im Ausbildungszentrum<br />
von MAN Diesel & Turbo in<br />
Um deutschlandweit flexible Hilfe zu<br />
leisten, stellt MAN Fahrzeuge zur Verfügung:<br />
Das Bundesamt für Migration und<br />
Flüchtlinge unterstützt Erstaufnahmeeinrichtungen<br />
mit mobilen Teams. Insgesamt<br />
drei MAN-Busse sind <strong>im</strong> Einsatz<br />
und bringen die Helfer schnell dorthin,<br />
wo die ankommenden Menschen ihre<br />
Hilfe am dringendsten brauchen.<br />
Mitarbeiterspenden für Bildung<br />
Im Rahmen einer Tombola auf dem<br />
Familientag der MAN Truck & Bus AG<br />
am Standort München sammelten MAN-<br />
Mitarbeiter knapp 13.000 Euro für SOS-<br />
Kinderdorf ein. Die finanzielle Hilfe<br />
kommt unbegleiteten minderjährigen<br />
Flüchtlingen zugute, um sie auf den<br />
Schulabschluss vorzubereiten.<br />
Mit dem Betriebsrat hat MAN zu einer<br />
gemeinsamen Spendenaktion aufgerufen,<br />
die sich an alle MAN-Mitarbeiter in<br />
<strong>Deutschland</strong> richtet. Die erzielte Spendensumme<br />
will das Unternehmen großzügig<br />
aufstocken.<br />
Seine umfangreiche Flüchtlingshilfe stellt MAN auf der eigens eingerichteten<br />
Plattform „MAN-hilft.“ vor. Beschäftigte können sich auf der Seite gezielt über<br />
Möglichkeiten für einen ehrenamtlichen Einsatz in ihrer Umgebung informieren.<br />
Für eine möglichst breite Rezeption wurde die Seite in insgesamt neun Sprachen<br />
übersetzt – darunter Kurdisch, Arabisch und Albanisch.<br />
Mehr Informationen zum Engagement von MAN sowie zu weiteren Flüchtlingsinitiativen<br />
des Volkswagen Konzerns gibt es unter<br />
http://volkswagen-konzern-hilft.de/ und http://www.man-hilft.de.<br />
Mit Energie <strong>im</strong> Einsatz<br />
Mit seinem Einsatz für Flüchtlinge hat<br />
MAN einen Weg eingeschlagen, der viele<br />
Akteure zusammenführt und Ausdauer<br />
braucht. Junge Flüchtlinge werden unsere<br />
Gesellschaft noch lange beschäftigen.<br />
MAN will sich auch weiterhin mit Energie<br />
für sie einbringen – um langfristig<br />
viel zu bewegen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
61
ABB<br />
Paradies für Kinder<br />
ABB betreibt seit fast 60 Jahren ein eigenes Kinderferienhaus <strong>im</strong> Schwarzwald<br />
Von Beate Höger, ABB<br />
Eine herrschaftliche Villa am Hang, 70<br />
Meter über dem Talgrund, mit einem<br />
60.000 Quadratmeter großen parkähnlichen<br />
Gelände samt Pool drum herum.<br />
„Schlössle“ nennen die Einhe<strong>im</strong>ischen das<br />
Anwesen <strong>im</strong> Wolftal, einer der schönsten<br />
Ecken des mittleren Schwarzwalds.<br />
Was sich hier, eine halbe Autostunde<br />
südwestlich von Freudenstadt, wie ein<br />
Zufluchtsort für gestresste Manager anschickt,<br />
entpuppt sich be<strong>im</strong> näheren<br />
Hinsehen als Paradies für Kinder. Seit<br />
Mitte der fünfziger Jahre betreibt ABB<br />
<strong>im</strong> Örtchen Schapbach ein Ferienhaus<br />
für die Sprösslinge ihrer Mitarbeiter.<br />
Jedes Jahr verbringen dort mehr als 600<br />
Mädchen und Jungen <strong>im</strong> Alter zwischen<br />
drei und 12 Jahren ihre Ferien. Weit weg<br />
von jeder Großstadt, mitten in der Natur.<br />
Die Ferienfreizeiten sind eine Sozialleistung<br />
des Unternehmens, die Kosten trägt<br />
ABB zu 100 Prozent. Im Sommer 2016<br />
feiert die in der deutschen Unternehmenslandschaft<br />
einmalige Einrichtung<br />
ihr 60-jähriges Bestehen.<br />
Rückblende. 1950, kurz nach Kriegsende,<br />
stellt die Schweizer ABB-Muttergesellschaft<br />
ihrer deutschen Tochter anlässlich<br />
ihres 50-jährigen Bestehens 500.000 DM<br />
für die „Erholung bedürftiger Kinder von<br />
Betriebsangehörigen“ zur Verfügung –<br />
der Grundstock für das spätere Kinderferienhaus.<br />
Mangels einer eigenen Einrichtung<br />
werden die Kinder zunächst in<br />
verschiedenen Erholungshe<strong>im</strong>en anderer<br />
Betreiber untergebracht. Das „Schlössle“<br />
ist damals noch <strong>im</strong> Besitz des damaligen<br />
Vorstandsvorsitzenden Dr. Hans Leonhard<br />
Hammerbacher, der es als Feriendomizil<br />
nutzt. 1953 verkauft er es an die eigens gegründete<br />
„Kindererholungswerk GmbH“,<br />
die das Anwesen um einen Neubau mit<br />
Schlafsälen und Sanitärräumen für bis<br />
zu 50 Kinder erweitert. Im Juni 1956<br />
n<strong>im</strong>mt das Haus seinen Betrieb auf; die<br />
ersten Erholungskuren dauerten damals<br />
sechs Wochen. Seither haben dort mehr<br />
als 28.000 Mädchen und Jungen ihre<br />
Ferien verbracht. Seit zehn Jahren können<br />
auch Kinder von Mitarbeitern der<br />
ABB Schweiz ihre Ferien in Schapbach<br />
verbringen. Ausgesprochen beliebt sind<br />
auch die einwöchigen Schnupperfreizeiten<br />
für Vorschulkinder und ein Elternteil.<br />
„Das ist eine Investition in die Zukunft<br />
unseres Unternehmens, ein Beitrag zur<br />
Motivation und zur Bindung unserer<br />
Mitarbeiter. Man muss Schapbach und<br />
seine Besonderheiten mit eigenen Augen<br />
gesehen und erlebt haben“, betont<br />
Markus Ochsner, Arbeitsdirektor von<br />
ABB <strong>Deutschland</strong> und für das Haus verantwortlich.<br />
Das gelte nicht zuletzt für<br />
das Engagement und die Herzlichkeit<br />
der Mitarbeiter dort. „Ein solches Haus<br />
ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit“,<br />
weiß auch Lothar Kämpfer,<br />
Vorsitzender des Konzernbetriebsrats.<br />
Unterstützt wird das Kinderferienhaus<br />
von einem 2006 gegründeten Förderverein<br />
mit derzeit rund 400 Mitgliedern.<br />
Etliche „Handwerksbegabte“ unter ihnen<br />
fahren in ihrer Freizeit mehrmals<br />
pro Jahr oft hunderte von Kilometern<br />
zu ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen in<br />
den Schwarzwald. Wird hierfür Elektro-<br />
Installationsmaterial wie Schalter, Steck-<br />
62 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
dosen, Leisten oder Verteilerschränke<br />
benötigt, stellen ABB-Einheiten dies kostenlos<br />
zur Verfügung. Darüber hinaus<br />
engagieren sich auch ABB-Azubis und<br />
-Studenten ehrenamtlich.<br />
Baulich hat sich in den fast 60 Jahren<br />
seit der Einweihung viel verändert. Zum<br />
50-jährigen Jubiläum kam eine 150 Quadratmeter<br />
große Sporthalle hinzu, 2008<br />
ein neues Hallenbad. Seit mehr als vier<br />
Jahrzehnten wird das Kinderferienhaus<br />
von der in Schapbach verwurzelten Familie<br />
Armbruster geführt, mittlerweile<br />
in der zweiten Generation. Hausleiterin<br />
Fast könnte man meinen, in Schapbach<br />
sei vor 60 Jahren die Uhr stehen<br />
geblieben. Zufall ist das nicht. „Wir<br />
möchten Kindern in einer zunehmend<br />
reizüberfluteten Welt neue Anregungen<br />
und Erfahrungen mit allen Sinnen<br />
vermitteln“, fasst Heike Armbruster<br />
das pädagogische Konzept zusammen.<br />
Die Natur spielt dabei eine besondere<br />
Rolle. „Wo anders als dort können Kinder<br />
Neues mit allen Sinnen erleben und ihre<br />
Wahrnehmung schärfen. Und dafür<br />
sensibilisiert werden, auf neue Dinge<br />
zuzugehen und sich selbst <strong>im</strong> Umgang<br />
mit ihnen zu erfahren.“<br />
Wann <strong>im</strong>mer es das Wetter zulässt, verbringen<br />
die Kinder die Nachmittage – <strong>im</strong><br />
Sommer auch die frühen Abende – <strong>im</strong><br />
Freien: mit Wanderungen, auf einem der<br />
drei Spielplätze, in den Sommermonaten<br />
<strong>im</strong> hauseigenen Freibad, <strong>im</strong> Winter auf<br />
dem Rodelhang, be<strong>im</strong> Hüttenbauen, bei<br />
Geländespielen oder bei einer Schnitzeljagd.<br />
Sämtliche Aktivitäten bleiben<br />
dabei auf die „fußläufige Umgebung“<br />
„Die Kinder sollen Zeit und Raum finden,<br />
emotionale, kreative und spielerische<br />
Fähigkeiten neu zu entdecken und zu<br />
erweitern“, betont Heike Armbruster.<br />
Und: „Sie sollen erkennen, dass man<br />
sie nicht nur aufgrund ihrer geistigen<br />
und schulischen Qualitäten bewertet,<br />
wie das in unserer leistungsorientierten<br />
Gesellschaft vermittelt wird. Sondern<br />
dass sie sich auch erleben, weil sie spielen<br />
können, mit anderen rennen, schweigen<br />
– letztlich weil sie <strong>im</strong>mer wieder Neues<br />
an sich entdecken können.“<br />
Trotz dieser vielen Freiräume gibt es<br />
<strong>im</strong> Kinderferienhaus klare Regeln und<br />
einen ebenso klar geregelten Tagesablauf.<br />
„Auf den ersten Blick mag das starr und<br />
altmodisch wirken“, erklärt Gertrud Weis,<br />
seit 35 Jahren Erzieherin in Schapbach.<br />
„Aber unsere Erfahrungen zeigen, dass<br />
diese Regelmäßigkeit von den Kindern<br />
nach einigen Tagen sehr positiv aufgenommen<br />
wird.“ Vielen Kindern fehle zu<br />
Hause diese Regelmäßigkeit, da laufe<br />
jeder Tag anders ab.<br />
Heike Armbruster ist ausgebildete Erzieherin,<br />
ebenso vier ihrer Mitarbeiterinnen.<br />
Zusammen betreuen sie pro Freizeit rund<br />
um die Uhr bis zu 56 Kinder. Unterstützt<br />
werden sie von einem Dutzend Helfern,<br />
die sich in der hauseigenen Küche um das<br />
leibliche Wohl der jungen Gäste sowie<br />
die Sauberkeit von Haus und Gelände<br />
kümmern. Selbst die Wäsche der Kinder<br />
wird am Ende jeder Freizeit gewaschen<br />
und gebügelt.<br />
rund um das Schapbacher Schlössle beschränkt.<br />
Fernsehen ist die Ausnahme<br />
und wird so zu etwas Besonderem. Das<br />
Gleiche gilt für Playstation & Co. „Elektronisch“<br />
gespielt werden darf während<br />
der Mittagsruhe, die heute nicht mehr<br />
ausschließlich für ein Schläfchen vorgesehen<br />
ist. Auch die Nutzung von Handys<br />
und Smartphones, heute ständiger Begleiter<br />
selbst von Vorschulkindern, bleibt<br />
auf ein Min<strong>im</strong>um beschränkt.<br />
Für manches Kind mögen die Abläufe<br />
<strong>im</strong> Kinderferienhaus anfangs etwas<br />
gewöhnungsbedürftig sein. Viele sind<br />
jedoch zu „Wiederholungstätern“ geworden,<br />
für die Schapbach eine Art<br />
„Kultstätte“ ist. Selbst Kinder, die in<br />
anderen Ferien schon die halbe Welt<br />
gesehen haben, fahren <strong>im</strong>mer wieder<br />
gerne ins Wolftal. Und verlieren Tränen,<br />
wenn <strong>im</strong> Alter von zwölf für sie dann<br />
endgültig Schluss ist.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
63
CEWE<br />
Innovative Partnerschaften<br />
mit SOS-Kinderdörfern<br />
Neben dem Qualitätsversprechen „Best in Print“ steht das Oldenburger Unternehmen für Innovation<br />
und Freude am Foto. Mit dem Erfolg wächst auch die unternehmerische Verantwortung.<br />
Gesellschaftlich verantwortliches Handeln ist bei CEWE selbstverständlicher Bestandteil der<br />
Unternehmenskultur und Teil der Erfolgsgeschichte. Be<strong>im</strong> sozialen Engagement stehen Familien<br />
und Kinder in Notsituationen <strong>im</strong> Mittelpunkt. Seit 2013 gestalten CEWE und die SOS-Kinderdörfer<br />
gemeinsame Projekte.<br />
Von Dr. Christine Hawighorst, CEWE<br />
Seit über einem halben Jahrhundert<br />
überzeugt CEWE mit Innovationskraft<br />
und Marktgespür. Bereits 2005 führte<br />
der Fotodienstleister mit dem CEWE<br />
FOTOBUCH ein Produkt ein, welches<br />
das Beste aus zwei Welten verbindet:<br />
digitale Fotos und edle Haptik. Über 38<br />
Millionen Exemplare wurden seither<br />
verkauft, <strong>im</strong> Jahr <strong>2015</strong> feierte CEWE ein<br />
Jubiläum: zehn Jahre CEWE FOTOBUCH!<br />
Der Bestseller hat sich als eigene Marke<br />
etabliert und begleitet Millionen Menschen<br />
dabei, die Geschichte ihres Lebens<br />
zu erzählen. Heute ist CEWE Europas<br />
führender Fotoservice und innovativer<br />
Online-Druckpartner.<br />
Nachhaltiges Engagement<br />
Bei CEWE freut man sich, parallel zur<br />
positiven Entwicklung der Firma seine<br />
Spielräume für soziales Engagement<br />
zu erweitern. Egal, ob es um schnelle<br />
humanitäre Hilfe, um langfristiges Engagement<br />
oder Mitarbeiterprojekte geht –<br />
es ist ein stark empfundenes Bedürfnis,<br />
dort, wo Nothilfe gefordert ist, und<br />
dort, wo Unternehmensstandorte sind,<br />
ein Stück nachhaltige Verbesserung für<br />
Mensch und Umwelt zu schaffen.<br />
Eines der bekanntesten Beispiele des<br />
breit gefächerten gesellschaftlichen Engagements<br />
ist die Partnerschaft mit den<br />
SOS-Kinderdörfern. Die SOS-Kinderdörfer<br />
kümmern sich weltweit um Kinder in<br />
Not. Waisenkinder oder Kinder aus zerrütteten<br />
Familienverhältnissen erhalten<br />
ein liebevolles Zuhause und eine<br />
Zukunftsperspektive. Alle finanziellen<br />
Hilfen dienen dazu, die Kinder auf dem<br />
Weg in ein selbstbest<strong>im</strong>mtes Leben zu<br />
unterstützen und – sofern sie noch <strong>im</strong><br />
Familienverbund leben – diese Familien<br />
durch Hilfestellungen in ihrem Zusammenhalt<br />
und bei der Bewältigung des<br />
Alltags zu begleiten. „Innovationskraft,<br />
Fürsorge und Verantwortung gegenüber<br />
den Mitarbeitern, der Gesellschaft und<br />
der Umwelt haben zentrale Bedeutung<br />
bei CEWE. Aus diesen Grundgedanken<br />
heraus ist es unser Ziel, langfristig,<br />
partnerschaftlich, effektiv und unbürokratisch<br />
Hilfe zu leisten. Die Organisation<br />
SOS-Kinderdorf ist daher für<br />
uns ein idealer Partner, um europaweit<br />
zusammenzuarbeiten“, sagt Andreas<br />
F. L. Heydemann, Vorstand für Materialwirtschaft,<br />
EDV, Revision, Recht und<br />
Nachhaltigkeit bei CEWE.<br />
2013 begann CEWE, konkrete SOS-Projekte<br />
an den Standorten zu unterstützen:<br />
in Germering (Kinderdorf Ammersee), in<br />
Eschbach (Kinderdorf Schwarzwald), in<br />
Mönchengladbach (Kinder- und Jugendhilfen<br />
Düsseldorf) und in Oldenburg<br />
(Kinderdorf Kumasi in Ghana). Durch den<br />
engen Kontakt und regelmäßige gegenseitige<br />
Besuche sind 2014 verschiedene<br />
Folgeprojekte mit aktiver Unterstützung<br />
der Mitarbeiter von CEWE entstanden.<br />
Der Betrieb in Germering beispielsweise<br />
setzt seine Hilfen gezielt für die Inte-<br />
64 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
Hilfe, die ankommt<br />
Bei der Afrikahilfe hat sich der Oldenburger<br />
Betrieb auf Westafrika / Ghana<br />
konzentriert und fördert in Kumasi<br />
das Kinderdorf und die dazugehörige<br />
Schule. Insgesamt werden vor Ort zwölf<br />
SOS-Familien unterstützt, in denen 120<br />
Kinder wohlbehütet aufwachsen dürfen.<br />
Auch hier ist die Patenschaft geprägt<br />
vom persönlichen Engagement: Im April<br />
<strong>2015</strong> reisten vier CEWE-Mitarbeiter nach<br />
Kumasi und überzeugten sich vor Ort<br />
davon, dass die Hilfe auch ankommt<br />
und die Unterstützung dem Grundgedanken<br />
der SOS-Kinderdörfer Rechnung<br />
Standort zwei Kinderdörfer. Bei Aktionstagen<br />
werden die Mitarbeiter aktiv eingebunden<br />
und helfen unter anderem<br />
bei Instandsetzungsmaßnahmen. Die<br />
Niederlassung in Ungarn initiiert unterschiedliche<br />
Foto-Workshops für die<br />
SOS-Kinder und ermöglicht ihnen so<br />
den Einstieg in eine fotografische Ausbildung.<br />
Der CEWE-Standort in Polen sorgt<br />
dafür, dass 41 Kinder eine zweiwöchige<br />
Ferienfreizeit in Italien erleben dürfen.<br />
Projekte gemeinsam umsetzen<br />
gration ausländischer Flüchtlinge ein, in<br />
Eschbach wird das therapeutische Reiten<br />
<strong>im</strong> Kinderdorf gefördert. Mittlerweile<br />
bestehen an 11 Unternehmensstandorten<br />
Kooperationen mit SOS-Kinderdörfern –<br />
in <strong>Deutschland</strong>, Polen, Ungarn, Tschechien,<br />
Norwegen, Österreich, Frankreich<br />
und Belgien. Worpswede ist der jüngste<br />
„Zugang“ bei den SOS-Kinderdorf-Partnerschaften.<br />
Dort unterstützt CEWE<br />
das Pilotprojekt „Doing Family“ – ein<br />
neues, individuelles Erziehungskonzept,<br />
bei dem bis zu acht Kinder in einer familiären<br />
Struktur aufwachsen.<br />
Links: Das CEWE-Team überreicht Joach<strong>im</strong><br />
Schuch, Leiter SOS-Kinderdorf Worpswede,<br />
eine Spende über 20.000 Euro und eine<br />
Überraschungsbox.<br />
Mitte: CEWE-Mitarbeiter zu Besuch <strong>im</strong><br />
SOS-Kinderdorf Kumasi, Westafrika.<br />
Rechts: Im Rahmen des CEWE-Fotoprojekts<br />
bilden die Kinder mit Einwegkameras zwei<br />
Tage ihres Alltags <strong>im</strong> SOS-Kinderdorf ab.<br />
trägt: dass jedes Kind das Recht auf eine<br />
Familie und ein liebevolles Zuhause hat.<br />
Vor Ort wurden zahlreiche persönliche<br />
Eindrücke gesammelt und verschiedene<br />
Foto-Projekte durchgeführt. Einen Einblick<br />
in die Arbeit der SOS-Kinderdörfer<br />
erhielten die CEWE-Mitarbeiter auch<br />
außerhalb des Kinderdorfes. In Kumasi<br />
wurde die Trinkwasser-Versorgung der<br />
Bewohner durch die Installation von<br />
Wasserpumpen gesichert. Nun müssen<br />
sich die Frauen und Mädchen nicht mehr<br />
auf den gefährlichen Weg machen, um<br />
sauberes Wasser aus weit entfernten<br />
Quellen zu holen.<br />
In einem weiteren Schritt bereitet CEWE<br />
mehrere Kooperationen an europäischen<br />
Standorten mit dem SOS-Kinderdorf vor.<br />
Der Betrieb in Belgien unterstützt bereits<br />
gemeinsam mit dem niederländischen<br />
Über diese Kooperationen hinaus beteiligt<br />
sich CEWE an aktuellen Nothilfeprojekten.<br />
Wie zuletzt nach dem verheerenden<br />
Erdbeben in Nepal – mit<br />
einer finanziellen Spende wurden die<br />
einhe<strong>im</strong>ischen Kräfte dabei unterstützt,<br />
dass die SOS-Kinderdörfer vor Ort Nothilfe<br />
leisten konnten. „Wir als SOS-Kinderdörfer<br />
<strong>Global</strong> Partner sind begeistert<br />
von der Kooperation“, sagt Sabine Fuchs,<br />
Geschäftsführerin SOS-Kinderdörfer<br />
<strong>Global</strong> Partner. „Neben der Höhe der<br />
Spendensumme, die CEWE zu unseren<br />
größten Firmenspendern macht, beeindruckt<br />
uns vor allem das Konzept, bei<br />
dem die Mitarbeiter stark eingebunden<br />
werden und so ein enger Kontakt zum<br />
jeweiligen SOS-Kinderdorf hergestellt<br />
wird. So können gemeinsam Projekte<br />
besprochen und umgesetzt werden. Es<br />
ist die Begeisterung und das Interesse an<br />
unserer Arbeit, was die Zusammenarbeit<br />
so besonders und erfolgreich macht.“<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
65
Da<strong>im</strong>ler<br />
Herzenssache<br />
Weltweit machen sich Da<strong>im</strong>ler-Mitarbeiter für gemeinnützige Initiativen und Projekte stark.<br />
Sie spenden Geld und werden oft auch selbst aktiv. Das Unternehmen unterstützt dieses soziale<br />
Engagement ausdrücklich als Zeichen gesellschaftlicher Verantwortung.<br />
Von Alpay Keskin, Da<strong>im</strong>ler<br />
Zu Tausenden fliehen derzeit die Menschen<br />
vor Gewalt und Perspektivlosigkeit<br />
in ihrer He<strong>im</strong>at. Viele überleben<br />
die Flucht nicht, und für die, die es<br />
nach Europa schaffen, sind die Bedingungen<br />
hart: Es fehlt an Unterkünften,<br />
Wasser, Nahrung und vielem mehr.<br />
Im September <strong>2015</strong> hat Da<strong>im</strong>ler deshalb<br />
eine Mitarbeiter-Spendenaktion<br />
angestoßen. Dabei gilt: Das Unternehmen<br />
verdoppelt jeden Euro, den die<br />
Beschäftigten geben. Die Resonanz war<br />
groß: Bis Mitte Oktober spendeten die<br />
Mitarbeiter weit über 275.000 Euro. So<br />
konnten insgesamt 550.000 Euro an<br />
die Flüchtlingsnothilfe des Deutschen<br />
Roten Kreuzes überwiesen werden.<br />
Die erfolgreiche Spendenaktion ist<br />
nur eine von vielen Initiativen, mit<br />
denen sich Unternehmen und Belegschaft<br />
sozial engagieren. So hat Da<strong>im</strong>ler<br />
Hilfsaktivitäten in Syrien und Nordirak<br />
unterstützt und eine Million Euro für<br />
Soforthilfemaßnahmen gespendet; der<br />
Stadt Stuttgart stellt das Unternehmen<br />
in den nächsten drei Jahren jeweils<br />
100.000 Euro für einen Welcome-Fonds<br />
zur Verfügung, und die Bürgerstiftung<br />
Sindelfingen erhält 100.000 Euro für<br />
Projekte zur Integration von Flüchtlingen.<br />
Weitere fortlaufende Initiativen<br />
sind <strong>im</strong> Unternehmen fest etabliert.<br />
So zum Beispiel ProCent:<br />
ProCent hilft vor Ort<br />
Auf einem weitläufigen Gelände betreibt<br />
am Rand der Townships von<br />
Kapstadt die südafrikanische Kinderhilfsorganisation<br />
Vulamasango einen<br />
Kindergarten, einen Hort und bald<br />
auch ein Waisenhaus. 120 Jungen und<br />
Mädchen werden hier künftig in familienähnlichen<br />
Hausgemeinschaften<br />
aufwachsen können – eine schutzgebende<br />
Insel inmitten eines Umfeldes, in<br />
dem Gewalt, Drogen und HIV / AIDS den<br />
Alltag best<strong>im</strong>men. Dass dies möglich<br />
ist, dazu haben auch die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter von Da<strong>im</strong>ler<br />
in <strong>Deutschland</strong> beigetragen.<br />
Rund 100.000 Beschäftigte des Autobauers<br />
machen mit bei ProCent, einer<br />
Aktion, die auf eine Idee des Gesamtbetriebsrats<br />
zurückgeht: Die Mitarbeiter<br />
spenden freiwillig die Cent-Beträge ihrer<br />
monatlichen Netto-Gehaltsabrechnung,<br />
und das Unternehmen verdoppelt die<br />
Summe. Der Erlös kommt gemeinnützigen<br />
Projekten <strong>im</strong> In- und Ausland zugute,<br />
die die Mitarbeiter selbst vorschlagen.<br />
Jeder Cent zählt<br />
Vulamasango erhielt die höchste Förderung,<br />
die ProCent bisher vergeben hat.<br />
„Insgesamt haben wir seit dem Start<br />
der Initiative <strong>im</strong> Dezember 2011 rund<br />
3,15 Millionen Euro in 558 gemeinnützige<br />
Projekte investiert“, erklärt Elisabeth<br />
Viebig, Leiterin Community Commitment,<br />
Volunteering & Memberships.<br />
Die Wohnküche eines Hospizes in Berlin<br />
erhielt ebenso Gelder wie eine Initiative<br />
in Stuttgart, die kostenlos Schlafsäcke an<br />
Obdachlose abgibt. Auch Initiativen für<br />
den Umwelt- und Naturschutz werden<br />
gefördert.<br />
ProCent steht beispielhaft für die Anstrengungen<br />
von Da<strong>im</strong>ler, die gesellschaftliche<br />
Verantwortung in der Belegschaft zu<br />
stärken. „Initiativen wie ProCent machen<br />
es möglich, sich mit eigenen Ideen<br />
einzubringen und das Engagement des<br />
Unternehmens mitzuprägen“, sagt Viebig.<br />
Darum haben soziale Projekte, an denen<br />
die Beschäftigten tatkräftig mitwirken,<br />
auch in Personalentwicklungsmaßnahmen<br />
ihren festen Platz.<br />
Praktische Hilfe weltweit<br />
Klassische Corporate-Volunteering-Projekte,<br />
für die das Unternehmen seine<br />
Beschäftigten von der Arbeit freistellt,<br />
haben bei Da<strong>im</strong>ler eine lange Tradition.<br />
Im Geschäftsfeld Da<strong>im</strong>ler Financial Services<br />
(DFS) etwa gibt es seit zehn Jahren<br />
schon den „Day of Caring“. Allein <strong>2015</strong><br />
haben rund 2.300 Beschäftigte in über<br />
30 Ländern je einen Tag lang bei gemeinnützigen<br />
Initiativen in der Nachbarschaft<br />
mit angepackt. Und während der „Week<br />
of Caring“ in den USA, Kanada und Mexiko<br />
waren mehr als 1.100 Beschäftigte<br />
gleich eine ganze Woche lang in knapp<br />
30 Institutionen <strong>im</strong> Einsatz.<br />
66 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
3,15<br />
Mio. Euro wurden seit dem Start von ProCent <strong>im</strong><br />
Dezember 2011 in 558 Hilfsprojekte investiert.<br />
188<br />
Projekte hat die Initiative ProCent <strong>im</strong> Jahr 2014<br />
mit rund einer Million Euro gefördert.<br />
100.000<br />
Da<strong>im</strong>ler-Beschäftigte in <strong>Deutschland</strong> spenden<br />
die Cent-Beträge ihrer Netto-Gehaltsabrechnungen<br />
für ProCent.<br />
Engagement mit Wirkung<br />
6 Südamerika 483 <strong>Deutschland</strong> 11 Europa 37 Afrika 21 Asien<br />
ProCent<br />
558 Projektförderungen<br />
weltweit seit 2011<br />
Day/Week of<br />
Caring<br />
72 Projekte mit<br />
2.300 Freiwilligen <strong>im</strong><br />
Jahr 2014<br />
35 Nord- und Mittelamerika 2 Südamerika 23 Europa 1 Afrika 11 Asien-Pazifik<br />
„Gesellschaftliches Engagement gehört<br />
zu unserer Unternehmenskultur“, sagt<br />
Klaus Entenmann, Vorstandsvorsitzender<br />
von DFS. „Wir geben der Gesellschaft<br />
etwas zurück und eröffnen unseren<br />
Mitarbeitern neue Blickwinkel. Der<br />
gemeinsame Einsatz schafft zudem<br />
einen unvergleichlichen Teamgeist<br />
und schweißt unser Unternehmen<br />
zusammen.“<br />
Überraschungspäckchen<br />
zu Weihnachten<br />
Soziales Engagement zeigen Da<strong>im</strong>ler-<br />
Mitarbeiter auch zu Weihnachten. Unter<br />
dem Motto „Schenk ein Lächeln“ packen<br />
sie in Stuttgart und an vier weiteren<br />
deutschen Standorten Weihnachtspäckchen<br />
für Kinder und Jugendliche aus<br />
sozial benachteiligten oder Flüchtlings-<br />
Familien. Bei Da<strong>im</strong>ler Financial Services,<br />
wo es die Aktion schon seit 2005 gibt,<br />
beteiligten sich 2014 sogar 17 europäische<br />
Landesgesellschaften. Allein zu<br />
Weihnachten 2014 gingen so über 13.000<br />
Überraschungspäckchen an bedürftige<br />
Familien in <strong>Deutschland</strong> und Europa.<br />
Mehr unter: www.da<strong>im</strong>ler.com/nachhaltigkeit/<br />
gesellschaft/mitarbeiter-engagement/<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
67
E.ON<br />
Strom<br />
für Tansania<br />
Standardisierte Container, ausgestattet mit einem Photovoltaik-Batterie-Hybridsystem, versorgen<br />
entlegene Gebiete in Afrika rund um die Uhr mit sauberer Energie. In Tansania bringen die<br />
Pilotanlagen von E.ON elektrischen Strom zu Haushalts- und Geschäftskunden. Die Anlage kann<br />
überall auf der Welt autark eingesetzt werden. Somit lässt sich das Geschäftsmodell auch auf<br />
weitere afrikanische oder auch asiatische Länder übertragen.<br />
Von E.ON Off Grid Solutions<br />
Komolo ist eine kleine Gemeinde <strong>im</strong><br />
Nordosten von Tansania. Etwa 1.000<br />
Menschen leben dort. Sie arbeiten in<br />
der Landwirtschaft oder <strong>im</strong> Bergbau.<br />
Fließendes Wasser gibt es ebenso wenig<br />
wie einen zuverlässigen Zugang zur Elektrizität.<br />
Das ist seit Ende 2014 anders: Als<br />
erstes Dorf in Afrika bekam Komolo von<br />
E.ON OFF Grid Solutions (EOGS) Zugang<br />
zu einer zuverlässigen Stromversorgung.<br />
Seitdem hat sich für Tadeo Bura aus<br />
Komolo einiges geändert: Er führt das<br />
Ladengeschäft, das <strong>im</strong> vorderen Teil des<br />
Containers mit der Stromerzeugungsanlage<br />
untergebracht ist. Dort verkauft er<br />
Lebensmittel und Getränke und bietet<br />
kleinere Dienstleistungen wie Batteriewechsel<br />
an. Er muss keine Miete bezahlen,<br />
zahlt aber für den Strom, den er für<br />
die Dienstleistungen verbraucht. Tadeo<br />
ist gleichzeitig der erste EOGS-Ansprechpartner<br />
für die Kunden. Er sorgt für die<br />
Sicherheit der Anlage und führt kleinere<br />
Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten<br />
wie etwa die Reinigung des Solarmoduls<br />
durch. Im hinteren, abgeschlossenen Teil<br />
des Containers ist die gesamte Elektronik<br />
für die Stromerzeugung wie Wechselrichter<br />
und Batterien untergebracht. Hierzu<br />
hat nur das Betriebs- und Wartungspersonal<br />
Zutritt. Das gesamte Dach ist mit<br />
Solarpaneelen bestückt.<br />
Die Stromanlage hat eine Leistung von<br />
7,5 kWh und erzeugt täglich insgesamt<br />
rund 30 kWh. Die nutzbare Batterie-Speicherkapazität<br />
beträgt 25 kWh. Der Netzanschluss<br />
der Hausbesitzer erfolgt über<br />
ein sogenanntes Mini-Grid. Der erzeugte<br />
Strom ist zu 100 Prozent erneuerbar und<br />
günstiger als alle lokal verfügbaren Alternativen.<br />
So haben sich beispielsweise die<br />
Kosten für das Laden eines Handys für die<br />
Kunden um rund zwei Drittel reduziert.<br />
Im Vergleich zu einem Windrad oder einem<br />
Dieselgenerator ist die Photovoltaik-<br />
Anlage weniger störanfällig und preislich<br />
wettbewerbsfähig. Ein weiterer Vorteil:<br />
Dank der Sonnenscheindauer kann in<br />
Tansania mehr als doppelt so viel Energie<br />
erzeugt werden wie mit einer vergleichbaren<br />
Anlage in <strong>Deutschland</strong>.<br />
68 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
Wahl: Für die biometrische Erfassung der<br />
Wahlberechtigten benötigte die nationale<br />
Wahlkommission nämlich Strom, und<br />
die bisherige unzuverlässige Versorgung<br />
führte stets zu sehr langen Warteschlangen.<br />
In diesem Jahr war das in Komolo<br />
erstmals anders – zur großen Freude von<br />
Anwohnern und Organisatoren.<br />
Die Kunden verstehen und einfache<br />
Lösungen finden<br />
Rafiki-Power für dörfliche<br />
Entwicklung<br />
Das Dorf Komolo war erst der Anfang:<br />
Mittlerweile haben mehr als 180 Haushalte<br />
in 5 Dörfern einen „Rafiki-Power“-<br />
Vertrag mit EOGS abgeschlossen. In jedem<br />
der Dörfer gibt es einen Container<br />
mit Kiosk und Stromerzeugungsanlage,<br />
von diesem Container aus führen die<br />
Stromleitungen in die einzelnen Häuser<br />
der Dorfbewohner. „Rafiki Power“ bedeutet<br />
freundlicher Strom auf Swahili. „Wir<br />
bringen nicht nur Licht in die Haushalte,<br />
sondern helfen der Bevölkerung auch,<br />
ihr Gewerbe aufzubauen. Mit Strom<br />
Das Projekt ist Teil des Corporate<br />
Accelerator Programms :agile, das<br />
E.ON 2013 ins Leben gerufen hat.<br />
:agile unterstützt Ideengeber dabei,<br />
ihre Geschäftsideen <strong>im</strong> Bereich<br />
flexible Energielösungen zu verwirklichen<br />
und zu marktfähigen<br />
Geschäftsmodellen zu entwickeln.<br />
Quartalsweise werden ca. fünf<br />
Projekte ausgewählt und für den<br />
Zeitraum von drei Monaten durch<br />
Coaching und Seed Funding gefördert.<br />
Die Gründer haben in dieser<br />
Phase die Möglichkeit, ihre Ideen in<br />
Co-Working-Atmosphäre weiterzuentwickeln<br />
und zu validieren.<br />
www.eon-agile.com<br />
können Handwerker und kleinere Betriebe<br />
Maschinen betreiben. Und Strom<br />
ermöglicht es den Dorfbewohnern, sich<br />
über den Fernseh- oder Internetzugang<br />
zu informieren. Sie können Preise und<br />
Angebote vergleichen und ihre Produkte<br />
besser vermarkten“, sagt Daniel Becker,<br />
Geschäftsführer von EOGS.<br />
Doch es geht auch um Fragen der Sicherheit,<br />
Gesundheit und Bildung. Der<br />
freie Zugang zu Strom hilft den Familien,<br />
ihren Lebensstandard zu heben. Bisher<br />
sorgten Kerosinlampen für Licht, die<br />
umweltschädliche Dämpfe produzieren<br />
und zudem hochgefährlich sind. Strom<br />
für Maschinen wurde mit Dieselmotoren<br />
erzeugt. Dank der PV-Hybridanlage<br />
haben die Dorf bewohner jetzt Licht <strong>im</strong><br />
Haus, können ihre Mobilfunktelefone zu<br />
Hause aufladen und Lebensmittel und<br />
Medikamente kühl lagern. Beleuchtete<br />
Häuser und Wege geben Sicherheit und<br />
vermeiden Unfälle, z. B. be<strong>im</strong> Stolpern<br />
über Baumwurzeln oder Treten auf eine<br />
Schlange.<br />
Eine Win-Situation für die<br />
Dorfgemeinschaften<br />
Seit das Mini-Grid in Komolo verlegt<br />
wurde, um die einzelnen Haushalte mit<br />
Elektrizität zu versorgen, ziehen <strong>im</strong>mer<br />
mehr Bewohner in das Dorf. Neben dem<br />
Ausbau der Geschäftstätigkeit schafft der<br />
Stromzugang damit auch Arbeitsplätze.<br />
Um die Verlegung der Leitungen in die<br />
Häuser und den Service kümmern sich<br />
zum Beispiel Elektriker vor Ort. Darüber<br />
hinaus half die PV-Hybridanlage in<br />
Komolo sogar bei der Registrierung zur<br />
Der Weg zur Realisierung der ersten<br />
Projekte war nicht <strong>im</strong>mer einfach. „Ein<br />
tragendes Geschäftsmodell in einem Entwicklungsland<br />
mit den dort herrschenden<br />
Bedingungen zu entwickeln, ist eine<br />
Herausforderung“, sagt Daniel Becker.<br />
Monatelange Vorarbeit mit Besuchen<br />
an möglichen Standorten, Klärung von<br />
Rechtsfragen und die Suche nach geeigneten<br />
Partnern vor Ort waren notwendig.<br />
Zusammenhalt <strong>im</strong> Projekt-Team, Kreativität<br />
und der Glaube an das Projekt waren<br />
gefragt: So musste das Team <strong>im</strong>mer wieder<br />
spontan neue praktikable Lösungen<br />
finden. Wie beispielsweise eine „Mobile<br />
Money Solution“, die mit einem lokalen<br />
Partner umgesetzt wurde. Dabei zahlen<br />
die Kunden ihr Geld elektronisch per<br />
Handy auf ein EOGS-Bankkonto ein und<br />
erhalten <strong>im</strong> Gegenzug ein Stromguthaben.<br />
Außerdem können sie auf diesem<br />
Wege jederzeit ihren Stromverbrauch<br />
abrufen und überwachen oder mit dem<br />
Kundenservice Kontakt aufnehmen. Das<br />
funktioniert, weil das Mobilfunknetz <strong>im</strong><br />
Gegensatz zum Stromnetz sehr gut ausgebaut<br />
ist und die Mehrheit der Bevölkerung<br />
in Sub-Sahara Afrika ein Handy besitzt.<br />
Die Dorfbevölkerung träumt von<br />
Musik<br />
Bis Ende des Jahres will das EOGS-Team<br />
weitere 15 Anlagen in der Region installieren.<br />
Doch neben dem reinen Stromgeschäft<br />
will EOGS ihren Kunden weitere<br />
Dienstleistungen anbieten. Schon heute<br />
können die Kunden elektronische Geräte<br />
wie Fernseher, Laptops oder Rasierer bei<br />
EOGS auf Raten erwerben. So kann der<br />
Fernseher über einen Zeitraum von vier<br />
Monaten abgezahlt werden. Der Aufbau<br />
eines eigenen Internetangebots ist ebenfalls<br />
in Arbeit. Denn die Kunden träumen<br />
vom kostengünstigen Streamen von Musik<br />
und Filmen, die sie gemeinsam mit<br />
Freunden und Familie abends in oder<br />
vor den Hütten anschauen können.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
69
EY<br />
Mitarbeiter: Eine Investition<br />
in eine nachhaltige Zukunft<br />
Im Wettbewerb um Talente geht das Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY neue Wege:<br />
„EY and you“ (EYU) heißt ein Förderprogramm, das vielfältiges Wissen und Erfahrungen für den<br />
eigenen Karriereweg vermittelt. Hinzu zu den klassischen Trainings und Schulungen hat EY<br />
zahlreiche soziale Initiativen ins Leben gerufen, um die Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters<br />
zu fördern und einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung für die Gesellschaft zu leisten.<br />
Von Riccarda Körner, EY<br />
Die <strong>im</strong> Herbst <strong>2015</strong> von der UN-Vollversammlung<br />
beschlossenen Sustainable<br />
Development Goals (SDG) sehen neben<br />
Politik und Zivilgesellschaft auch Unternehmen<br />
in der Pflicht, sich für die Bekämpfung<br />
von Armut, Ungleichheit und<br />
Ungerechtigkeit einzusetzen. International<br />
tätige Unternehmen wie EY stehen<br />
jetzt vor der Herausforderung, dies in<br />
konkrete Praxis umzusetzen. Antworten<br />
darauf gibt die „Vision 2020“, die EY seit<br />
Ende 2012 umsetzt. Darin formuliert das<br />
Prüfungs- und Beratungsunternehmen<br />
den Anspruch, gemeinsam mit seinen<br />
Kunden, seinen Mitarbeitern und der<br />
Gesellschaft Dinge voranzubringen und<br />
entscheidend besser zu machen. Dies<br />
drückt auch das Versprechen „Building<br />
a better working world“ aus.<br />
Ein entscheidender Erfolgsfaktor auf dem<br />
Weg hin zu einer gerechteren und verantwortungsvolleren<br />
(Arbeits-)Welt sind<br />
die Mitarbeiter: Im Rahmen unterschiedlicher<br />
Corporate-Citizenship-Initiativen,<br />
die in Bezug auf Dauer, Dienstalter und<br />
Einsatzort variieren, erhalten EY-Mitarbeiter<br />
die Möglichkeit, sich außerhalb<br />
ihrer gewohnten Umgebung für einen<br />
guten Zweck einzusetzen, sich dabei<br />
auch persönlich und beruflich weiterzuentwickeln<br />
und „Building a better<br />
working world“ durch ihre tagtägliche<br />
Arbeit zu erleben.<br />
Die Gesellschaft, in der wir leben<br />
Ein Beispiel dafür sind die „EYcares“-<br />
Initiativen, in denen sich EY-Mitarbeiter<br />
ehrenamtlich in ihrer Region engagieren:<br />
EYcares heißt so viel wie: „EY kümmert<br />
sich um andere“. Das fängt mit Spendenaktionen<br />
an, geht über die 2009 gestarteten<br />
Volunteering Days, bei denen wir<br />
in Kindergärten, Schulen und aktuell<br />
Flüchtlingshe<strong>im</strong>en anpacken, bis hin<br />
zu Pro-Bono-Prüfungen und -Beratungen<br />
von kleinen Start-Up-Unternehmen oder<br />
gemeinnützigen GmbHs. Im Geschäftsjahr<br />
2013 / 2014 investierten rund 230<br />
Mitarbeiter insgesamt etwa 1.400 Stunden<br />
in mehr als 20 EYcares-Projekte.<br />
Hierfür sowie für weitere gemeinnützige<br />
Zwecke spendete das Unternehmen <strong>im</strong><br />
letzten Geschäftsjahr insgesamt 1,4 Millionen<br />
Euro. Hinzu kamen private Spenden<br />
durch die „Happy Cents“-Initiative<br />
70 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
Links: Ein entscheidender Erfolgsfaktor auf<br />
dem Weg hin zu einer gerechteren und verantwortungsvolleren<br />
(Arbeits-)Welt sind die<br />
Mitarbeiter.<br />
Rechts: In der „Think Social!“-Initiative können<br />
sich junge Mitarbeiter mit ihrem Wissen<br />
für gemeinnützige Organisationen einsetzen.<br />
in Höhe von 25.400 Euro. Bei dieser<br />
Aktion spendeten EY-Mitarbeiter den<br />
Nachkommabetrag ihres Einkommens<br />
an ausgesuchte Einrichtungen, wobei<br />
EY die Summe noch einmal verdoppelte.<br />
Unternehmerisches Denken fördern<br />
„EY Schlaubären“ wiederum ist als Pilotprojekt<br />
in Frankfurt gestartet und hat<br />
zum Ziel, Kinder mit geringen Bildungschancen<br />
bei schulischen Aufgaben zu<br />
unterstützen. Auch „EY@School“ richtet<br />
sich an die jungen Talente von morgen,<br />
die durch das Projekt erste Einblicke in<br />
das Berufsleben erhalten und für unternehmerisches<br />
Denken begeistert werden<br />
sollen.<br />
Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich<br />
junge Mitarbeiter mit ihrem Wissen für<br />
gemeinnützige Organisationen einsetzen<br />
und zum Beispiel bei der Erstellung einer<br />
Mitarbeiterentwicklungsmatrix oder<br />
Fundraisingstrategie helfen können, ist<br />
die „Think Social!“-Initiative. „Ich fand es<br />
großartig, mein Wissen für einen wirklich<br />
guten Zweck einzusetzen. Vielleicht<br />
konnten wir mit unseren Ergebnissen die<br />
Arbeit von Transparency International e.V.<br />
wieder ein Stück voranbringen. Das würde<br />
mich freuen!“, schildert Vanessa Belz<br />
aus dem EY-Office Eschborn / Frankfurt<br />
ihre Erfahrung.<br />
Mit der „DO School“ wiederum haben<br />
erfahrene Mitarbeiter wie Manager und<br />
Senior Manager die Gelegenheit, mehrere<br />
Tage in die Welt internationaler Sozialunternehmer<br />
einzutauchen und sie bei<br />
der Umsetzung ihrer Ideen mit Fachwissen<br />
und ihrer Erfahrung zu unterstützen.<br />
Arbeiten in einem globalen Umfeld<br />
Außergewöhnliche Erfahrungen und<br />
ein globales Arbeitsumfeld bietet EY-<br />
Mitarbeitern das Programm „Enterprise<br />
Growth Services“. Hierbei arbeiten sie<br />
sechs bis zwölf Monate Seite an Seite<br />
mit Unternehmern mit hoher Marktrelevanz<br />
in Schwellenländern. Ziel ist es,<br />
gemeinsam Lösungen für nachhaltiges<br />
Wachstum zu entwickeln. Dabei sollen<br />
nicht nur positive ökonomische, sondern<br />
auch soziale Veränderungen angestoßen<br />
werden – etwa durch die Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen in den jeweiligen Ländern.<br />
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch das<br />
„EY-Vantage-Programm“, das in Kooperation<br />
mit den Non-Profit-Organisationen<br />
Endeavor und Power of Youth entwickelt<br />
wurde. EY-Mitarbeiter werden ermutigt,<br />
ihr Know-how dort einzubringen, wo es<br />
dringend benötigt wird: bei Unternehmen<br />
in Afrika, Osteuropa, <strong>im</strong> mittleren<br />
Osten oder Lateinamerika, die großes<br />
Potenzial, oft aber nicht das nötige<br />
Kapital oder die Netzwerke besitzen,<br />
um profitabel wirtschaften zu können.<br />
Hier setzt das EY-Vantage-Programm an:<br />
Während ihres Einsatz von bis zu sechs<br />
Wochen helfen die ehrenamtlichen EY-<br />
Vantage-Berater, Herausforderungen<br />
wie die Verbesserung des Finanzmanagements<br />
oder der Betriebseffizienz<br />
zu bewältigen. Im Gegenzug erhalten<br />
sie weltweit neue Einblicke und die<br />
Chance, ihre eigenen Führungsqualitäten<br />
weiterzuentwickeln. Sie lernen zum<br />
Beispiel, sich in einem internationalen<br />
Team in einer ungewohnten Umgebung<br />
zurechtzufinden, die außerhalb der persönlichen<br />
Komfortzone liegt.<br />
Die Projekte sind eine Win-win-Konstellation<br />
für alle Beteiligten: Einen Nutzen<br />
von diesem vielfältigen sozialen und<br />
gesellschaftlichen Engagement haben am<br />
Ende nicht nur die Beschäftigten und die<br />
Gesellschaft, sondern auch EY als Unternehmen,<br />
indem es sich in den Ländern<br />
einen Markt auf bauen kann. Indem es<br />
ein Arbeitsumfeld schafft, das die Mitarbeiter<br />
motiviert und ihnen hilft, eigene<br />
Talente zu entfalten und gleichzeitig<br />
etwas Gutes zu tun, stärkt es zudem<br />
die Identifikation mit und Bindung an<br />
das Unternehmen. Das macht sich dann<br />
auch als attraktiver Arbeitgeber be<strong>im</strong><br />
Fachkräftenachwuchs bezahlt.<br />
EY zählt mit dieser Strategie und seinem<br />
Personalentwicklungsprogramm schon<br />
heute zu den besten Anwerbern von<br />
Talenten in <strong>Deutschland</strong>. Dies zeigt die<br />
aktuelle Studie von Best Recruiters. Außerdem<br />
wurde EY <strong>2015</strong> zum wiederholten<br />
Mal in Folge als einer der beliebtesten<br />
Arbeitgeber in Europa ausgezeichnet und<br />
belegt in der Universum-Studie „Europe‘s<br />
most attractive Employers <strong>2015</strong>“ den<br />
vierten Platz.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
71
Lufthansa Group<br />
Help Alliance –<br />
Hilfe zur Selbsthilfe für<br />
Menschen in Not<br />
Die Lufthansa Group steht für verantwortungsvolle Mobilität,<br />
Vernetzung und internationale Verbindungen. Sich weltweit<br />
für weniger privilegierte Menschen einzusetzen und direkt in<br />
die Gesellschaft hineinzuwirken, hat <strong>im</strong> Konzern Tradition.<br />
Hiervon zeugt eine Fülle langfristiger Hilfsprojekte und Initiativen,<br />
die sich dem persönlichen Einsatz von Mitarbeitern<br />
verdanken und von der Konzernleitung unterstützt werden.<br />
Von Lufthansa Group Communications<br />
Im Zentrum der Aktivitäten steht die<br />
Help Alliance. Im Jahr 1999 haben Mitarbeiter<br />
aus allen Teilen des Konzerns<br />
die international tätige Hilfsinitiative<br />
ins Leben gerufen. Die Lufthansa Group<br />
bündelt ihr soziales Engagement in der<br />
Help Alliance und unterstützt sie finanziell,<br />
logistisch und kommunikativ. Seit<br />
ihren Anfangstagen konzentriert sich<br />
die Hilfsorganisation auf die Bereiche<br />
Bildung, Gesundheit und Ernährung,<br />
wobei ihr besonderes Augenmerk Kindern<br />
und Jugendlichen gilt. Im Fokus<br />
der humanitären Aktivitäten, die sich<br />
an den weltweiten Standards der Kinderrechtskonvention<br />
der Vereinten Nationen<br />
orientieren, stehen Ernährungs- und<br />
Gesundheitsprogramme, Schulen und<br />
Ausbildungseinrichtungen, Existenzgründungen<br />
und Straßenkinderprojekte<br />
in Afrika, Asien und Südamerika.<br />
Die Help Alliance verfolgt mit allen<br />
Projekten das Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe<br />
zu leisten und so Menschen in Not ein<br />
eigenständiges Leben zu ermöglichen.<br />
Die Kooperation mit erfahrenen Partnern<br />
sowie regelmäßige Besuche der<br />
Projektleiter vor Ort sichern einen hohen<br />
Qualitätsstandard der Projekte. Seit ihrer<br />
Gründung hat die Help Alliance mehr<br />
als 130 Projekte erfolgreich unterstützt<br />
– darunter auch gemeinsam mit der<br />
Lufthansa Group mehrfach weltweit<br />
Soforthilfe <strong>im</strong> Katastrophenfall. In den<br />
vergangenen 16 Jahren hat der Verein<br />
knapp 10,5 Millionen Euro für humanitäre<br />
Zwecke investiert – mehr als 90<br />
Prozent aller von ihm verwalteten Spenden<br />
kommen direkt in den Projekten an.<br />
alliance<br />
Mit ihrem Beitritt zum UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
<strong>im</strong> Jahr 2002 hat die Lufthansa<br />
Group ihrer Selbstverpflichtung Nachdruck<br />
verliehen, neben den wirtschaftlichen<br />
Aspekten auch künftig den<br />
Verantwortungen <strong>im</strong> Umwelt- und Sozialbereich<br />
gerecht zu werden. Zu den<br />
zahlreichen Programmen und Aktivitäten,<br />
die der Aviation Konzern seitdem<br />
gestartet hat, gehört daher auch der kontinuierliche<br />
Einsatz für die Gesellschaft.<br />
Bildung fördern und<br />
Unternehmertum stärken<br />
Afrika ist das größte Einsatzfeld der<br />
Help Alliance – aktuell ist die Initiative<br />
dort in 22 Hilfsprojekten aktiv. Der<br />
Schwerpunkt liegt auf Schul- und Ausbildungsförderung<br />
sowie auf Projekten<br />
zur Armutsbekämpfung über Stärkung<br />
von Unternehmertum in den ländlichen<br />
Gebieten. Dies eröffnet Menschen, die<br />
unter Ausgrenzung und Armut leiden,<br />
eine Chance auf ein besseres Leben. In<br />
Ghana hat die Help Alliance beispielsweise<br />
<strong>im</strong> Projekt Stiftung Sabab Lou Ghana<br />
einen revolvierenden Darlehensfonds<br />
eingerichtet. Hierdurch sollen künftig<br />
jährlich 15 bis 20 junge Menschen durch<br />
Kleinkredite die Möglichkeit erhalten, ihr<br />
eigenes Unternehmen zu gründen und<br />
sich damit eine Zukunft aufzubauen.<br />
Ebenso wie in Ghana wird auch <strong>im</strong><br />
Help Alliance Pilotprojekt „Haiti Entre-<br />
72 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
iThemba School Capricorn: Seit 2006 ermöglicht<br />
die Help Alliance unterprivilegierten Kindern in einem<br />
Township bei Kapstadt eine hochwertige Frühschulerziehung.<br />
preneurship Camp“ in der Hauptstadt<br />
Port-au-Prince unternehmerische Initiative<br />
groß geschrieben. Im Jahr 2014<br />
etabliert, zielt es darauf ab, junge Menschen<br />
zur Gründung ihrer eigenen<br />
Firma zu motivieren und so die <strong>im</strong><br />
Land weitverbreitete Überzeugung zu<br />
widerlegen, dass Erfolg eine Frage der<br />
Herkunft ist. Unter dem Motto „Driving<br />
business, driving future“ vermittelten<br />
Referenten aus aller Welt – darunter<br />
viele Mitarbeiter der Lufthansa Group<br />
sowie örtliche NGOs und Institutionen –<br />
rund 30 haitianischen Jungunternehmern<br />
zwei Wochen lang unternehmerisches<br />
Know-how in Theorie und Praxis.<br />
Auch <strong>im</strong> Jahr <strong>2015</strong> erhielten junge<br />
Haitianer Unterstützung, um ein eigenes<br />
Unternehmen aufzubauen oder sich<br />
weiter zu professionalisieren.<br />
In Südafrika indes engagiert sich die<br />
Hilfsinitiative der Lufthansa Group seit<br />
2006 in einem Vorschulprojekt in einem<br />
Township bei Kapstadt. Jährlich ermöglicht<br />
es 75 unterprivilegierten Kindern<br />
den Besuch einer Schule. Aufgrund der<br />
positiven Resonanz vonseiten der Eltern<br />
und der Gemeinde Capricorns plant die<br />
iThemba School den Bau einer Grundschule<br />
für 700 Kinder, die <strong>im</strong> Jahr 2018<br />
eröffnet werden soll.<br />
Schulbildung stellt die Help Alliance<br />
darüber hinaus bereits seit 2004 auch<br />
für 3.000 indische Kinder rund um<br />
Khandwa <strong>im</strong> Bundesstaat Madhya Pradesh<br />
aus der ausgegrenzten Kaste der<br />
„Unberührbaren“ sicher. Sie arbeitet dort<br />
eng mit dem Verein Patenschaftskreis<br />
Indien zusammen, der 20 Internatsschulen<br />
betreibt. Zusätzlich leistet der<br />
Patenschaftskreis mit Unterstützung<br />
der Help Alliance und des Lufthansa<br />
Vielfliegerprogramms Miles & More<br />
seit 2008 umfangreiche mobile Gesundheitsversorgung.<br />
Drei-Stufen-Konzept zur<br />
Flüchtlingshilfe<br />
Die Lufthansa Group legt auch in akuten<br />
Krisensituationen großen Wert auf ein<br />
bedarfsgerechtes, abgest<strong>im</strong>mtes Nothilfemanagement.<br />
Gemeinsam mit der<br />
Help Alliance setzt das Unternehmen in<br />
der Flüchtlingshilfe auf ein Drei-Stufen-<br />
Konzept. Es umfasst sowohl Projekte<br />
der Entwicklungszusammenarbeit, die<br />
bereits seit Gründung der Initiative<br />
bestehen, konkrete Nothilfe in Städten<br />
mit besonders hohem Flüchtlings-<br />
Erstaufkommen sowie auch nachhaltige<br />
Integrationsprojekte in <strong>Deutschland</strong>:<br />
So startete die Help Alliance in Zusammenarbeit<br />
mit dem Verein basis & woge<br />
am 1. Oktober <strong>2015</strong> in Hamburg ein<br />
Lernpatenprojekt. 15 Mitarbeiter der<br />
Lufthansa Technik stehen ehrenamtlich<br />
15 jungen Migranten einer Vorbereitungsklasse<br />
der Staatlichen Gewerbeschule<br />
für Bautechnik mit Rat und Tat<br />
zur Seite, um sie auf ihren weiteren<br />
beruflichen Weg vorzubereiten.<br />
Im Rhein-Main-Gebiet besteht bereits<br />
seit 2007 eine Kooperation mit dem<br />
Verein Stern des Südens, der seit <strong>2015</strong><br />
Flüchtlingskindern spielerisch die deutsche<br />
Sprache vermittelt und auch in der<br />
Flüchtlingsunterbringung Hilfe leistet.<br />
In Düsseldorf kooperiert die Help<br />
Alliance mit dem Verein Chancenwerk<br />
und unterstützt ein Konzept zur Förderung<br />
von Schülern mit Migrationshintergrund.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
73
Rhenus Lub<br />
Von unternehmerischer Verantwortung<br />
profitieren alle<br />
„Von unternehmerischer Verantwortung profitieren alle“ – mit dieser Max<strong>im</strong>e bringt Dr. Max Reiners,<br />
Inhaber der Rhenus Lub GmbH & Co, sein unternehmerisches Selbstverständnis auf den Punkt.<br />
Das Unternehmen, weltweit anerkannter Spezialist für Hochleistungsschmierfette und Kühlschmierstoffe<br />
sowie für Systemdienstleistungen wie Fluid Management, hat bereits <strong>im</strong> Jahr 2007<br />
mit seinen „Grundgesetzen“ Achtung, Respekt und Verantwortung gegenüber Mitarbeitern,<br />
Geschäftspartnern und der Umwelt <strong>im</strong> Unternehmensleitbild verankert. Seit 2011 ist Rhenus Lub<br />
aktives Mitglied des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. Das gelebte Bekenntnis zu den zehn Prinzipien des<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zeigt vor allem deutlich: Mensch und Umwelt stehen <strong>im</strong> Mittelpunkt allen<br />
unternehmerischen Handelns.<br />
Von Michael Obst, Rhenus Lub<br />
Als international agierendes Unternehmen<br />
mit einer tiefen Verwurzelung am<br />
linken Niederrhein übern<strong>im</strong>mt Rhenus<br />
Lub unternehmerische Verantwortung<br />
auf verschiedenen Ebenen und demonstriert<br />
auf vielfältige Weise, wie sie mit den<br />
zur Verfügung stehenden unternehmerischen<br />
Mitteln authentisch und effizient<br />
wahrgenommen werden kann. Das Engagement<br />
beginnt bei der Förderung von<br />
Initiativen und Persönlichkeiten, die für<br />
Frieden und Menschenrechte eintreten,<br />
setzt sich über die Entwicklung sicherer,<br />
humanverträglicher Produkte fort und bildet<br />
einen besonderen Schwerpunkt be<strong>im</strong><br />
persönlichen sozialen Engagement für<br />
die Menschen in der Region, am Standort<br />
der Firmenzentrale in Mönchengladbach.<br />
Engagement für eine sicherere<br />
und friedliche Welt<br />
Seit 2014 unterstützt die Familie Reiners<br />
die Katholische Friedensstiftung. Als<br />
74 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Frieden<br />
Links: Als international agierendes Unternehmen<br />
mit einer tiefen Verwurzelung am<br />
linken Niederrhein übern<strong>im</strong>mt Rhenus Lub<br />
unternehmerische Verantwortung auf<br />
vielfältigen Ebenen – mit besonderem<br />
Schwerpunkt be<strong>im</strong> persönlichen sozialen<br />
Engagement für die Menschen in der Region,<br />
am Standort der Firmenzentrale in<br />
Mönchengladbach.<br />
Inhaber führt Dr. Max Reiners das Engagement<br />
nun innerhalb von Rhenus Lub<br />
fort. „Wir sind ein global aufgestelltes<br />
Familienunternehmen und fühlen uns<br />
mitverantwortlich dafür, wie sich unsere<br />
globalisierte Welt entwickelt“, erläutert<br />
Dr. Max Reiners seine Beweggründe.<br />
Die Katholische Friedensstiftung erforscht<br />
seit 35 Jahren die ethischen<br />
Grundlagen des Friedens und überschreibt<br />
ihre Arbeit mit dem Titel „Frieden<br />
beginnt <strong>im</strong> Kopf“. Damit leistet sie<br />
einen wichtigen Beitrag zur politischen,<br />
wissenschaftlichen und kirchlichen<br />
Debatte. In Zusammenarbeit mit Herrn<br />
Dr. Franz-Josef Overbeck, der 2011 von<br />
Papst Benedikt XVI. zum Katholischen<br />
Militärbischof für die deutsche Bundeswehr<br />
berufen wurde, unterstützt Rhenus<br />
Lub das Projekt „Europäische Außenund<br />
Sicherheitspolitik“. Es soll in Form<br />
eines europäischen Doktoranden-Kollegs<br />
fortgeführt werden, in dem zukünftig<br />
Doktoranden aus verschiedenen EU-Ländern<br />
in einem überregional vernetzten<br />
Kolloquium an Einzelthemen miteinander<br />
arbeiten und neue Denkansätze<br />
austauschen. Die Förderung wird dazu<br />
beitragen, die EU auf ihrem langen Weg<br />
zu einer kohärenten vergemeinschafteten<br />
Außen- und Sicherheitspolitik zu<br />
unterstützen. „Mit diesem Engagement<br />
leisten wir einen Beitrag für eine sicherere<br />
und friedliche Welt“, resümiert<br />
Dr. Max Reiners. „Dabei akzeptieren wir<br />
die Tatsache, dass Sicherheit und Frieden<br />
einen unerschrockenen und fortwährenden<br />
Einsatz erfordern. Aber auch als<br />
Unternehmen denken und handeln wir<br />
langfristig – und nicht in Quartalen.“<br />
Zukunft und Chancen in der Region<br />
Der Einsatz für Frieden und Menschenrechte<br />
spielt auch be<strong>im</strong> Initiativkreis<br />
Mönchengladbach eine wichtige Rolle.<br />
Dieser Kreis ist ein Zusammenschluss<br />
von Unternehmern und Unternehmen<br />
in der Region. Seine Arbeit verbindet<br />
auf vorbildliche Weise global ausgeübte<br />
unternehmerische Verantwortung mit<br />
Engagement auf lokaler und regionaler<br />
Ebene. Denn der Initiativkreis, dessen<br />
Mitglied Dr. Reiners seit neun Jahren<br />
ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die<br />
Zukunft und Chancen der Region und<br />
ihrer Bürgerinnen und Bürger langfristig<br />
mitzugestalten. Wichtige Impulse setzt<br />
hierfür die Veranstaltungsreihe „Nobelpreisträger<br />
in Mönchengladbach“. Bereits<br />
zwei Mal hat Dr. Reiners als Inhaber von<br />
Rhenus Lub die Schirmherrschaft für<br />
eine Veranstaltung mit Friedensnobelpreisträgern<br />
übernommen und dadurch<br />
besondere Kontakte zum ehemaligen<br />
UN-Generalsekretär Kofi Annan und zur<br />
Menschenrechtsaktivistin Jody Williams<br />
geknüpft.<br />
Umwelt- und anwenderfreundliche<br />
Produkte<br />
Die unternehmerische Verantwortung<br />
wird besonders bei der Entwicklung<br />
neuer innovativer Kühlschmierstoffe<br />
offenkundig. Hier ist Rhenus Lub seit<br />
mehr als zwei Jahrzehnten Vorreiter<br />
in der Branche. Mit umwelt- und anwenderfreundlichen<br />
Kühlschmierstoffen<br />
übertrifft das Unternehmen national und<br />
international gültige Standards – und<br />
bietet der Industrie ein breites Portfolio<br />
von Produkten an, die besonders hautverträglich<br />
und biologisch abbaubar sind.<br />
Ganz aktuell hat Rhenus Lub einen<br />
neuartigen Kühlschmierstoff entwickelt,<br />
dessen Formulierung einer einleuchtenden<br />
Einstellung folgt: Was nicht <strong>im</strong><br />
Fluid enthalten ist, kann erst gar nicht<br />
zu Hautirritationen, zu Gesundheitsbeeinträchtigungen<br />
oder gar zu anderen<br />
Schädigungen führen. Das Produkt<br />
unterliegt auch nach den hohen Anforderungen<br />
der neuen europaweiten<br />
CLP-Verordnung (CLP = Classification,<br />
Labelling and Packaging) keiner Kennzeichnungspflicht.<br />
Diese neue Verordnung<br />
bringt die EU-Rechtsvorschriften<br />
für die Einstufung, Kennzeichnung und<br />
Verpackung von Stoffen und Gemischen<br />
in Übereinst<strong>im</strong>mung mit dem <strong>Global</strong><br />
Harmonized System (GHS) der Vereinten<br />
Nationen. Die Verwendung eines<br />
kennzeichnungsfreien Kühlschmierstoffs<br />
steigert den Umweltschutz und die Arbeitssicherheit;<br />
physikalisch-chemische<br />
und gesundheitliche Gefahrenpotenziale<br />
werden bereits <strong>im</strong> Vorfeld systematisch<br />
ausgeschlossen.<br />
Nachhaltige Verantwortung<br />
„Natürlich wollen unsere Kunden auf die<br />
unternehmerische Verantwortung ihrer<br />
Geschäftspartner, auf deren Integrität<br />
und deren Engagement für Nachhaltigkeit,<br />
Qualität und Umweltschutz vertrauen.<br />
Aber in erster Linie handeln wir nach<br />
unserer festen Überzeugung, dass wir als<br />
Unternehmer eine besondere ethische<br />
Verantwortung wahrzunehmen haben“,<br />
fasst Dr. Max Reiners sein Engagement<br />
zusammen. „Dazu zählt auch, dass wir<br />
anderen ein Beispiel geben wollen und<br />
klar herausstellen, wie sich eine Unternehmerfamilie<br />
und ein Unternehmen auf<br />
nachhaltige und vielfältige Weise nach<br />
den Prinzipien des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
engagieren kann.“<br />
„Mit unserem Engagement leisten wir einen<br />
Beitrag für eine sicherere und friedliche<br />
Welt“, resümiert Dr. Max Reiners. „Dabei<br />
akzeptieren wir die Tatsache, dass Sicherheit<br />
und Frieden einen unerschrockenen und<br />
fortwährenden Einsatz erfordern. Aber auch<br />
als Unternehmen denken und handeln wir<br />
langfristig – und nicht in Quartalen.“<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
75
MERCK<br />
Merck: Bilharziose in einer<br />
starken Allianz bekämpfen<br />
Fast 250 Millionen Menschen leiden an der Wurmkrankheit Bilharziose – betroffen sind vor allem<br />
Kinder in Afrika. Das führende Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck engagiert<br />
sich seit Jahren gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Bekämpfung der<br />
vernachlässigten Tropenkrankheit. Mit der Gründung der <strong>Global</strong> Schistosomiasis Alliance (GSA)<br />
hat Merck das Bündnis jetzt erweitert: Ziel ist es, die Krankheit mit gebündelter Kompetenz weltweit<br />
effektiv zu bekämpfen und auszurotten.<br />
Von Johannes Waltz, Merck<br />
Nach Angaben der WHO leben etwa<br />
70 Prozent der von Bilharziose Betroffenen<br />
in zehn afrikanischen Ländern<br />
südlich der Sahara. Bilharziose oder<br />
Schistosomiasis, wie der Fachausdruck<br />
lautet, wird durch Parasiten verursacht,<br />
die in stehendem oder langsam fließendem<br />
Süßwasser schw<strong>im</strong>men. Es ist ein<br />
Teufelskreis: Der Erreger befällt innere<br />
Organe wie Darm, Milz oder Leber. Dort<br />
entwickelt sich die Larve zum Wurm,<br />
dessen Eier über den Urin oder Kot des<br />
Infizierten wieder ausgeschieden werden.<br />
Eine Süßwasserschnecke dient nun als<br />
Zwischenwirt, in dem aus den Eiern<br />
Larven werden, die sich wiederum in<br />
den Körper des Menschen bohren.<br />
Kinder besonders gefährdet<br />
Bilharziose ist eine typische Armutskrankheit:<br />
Die Bevölkerung in den betroffenen<br />
Ländern hat oft keinen Zugang<br />
zu sauberem Wasser und sanitären<br />
Anlagen und nutzt das verschmutzte<br />
Wasser z. B. zum Waschen, Baden, Wäschewaschen<br />
oder Fischen. Kinder <strong>im</strong><br />
Schulalter sind besonders gefährdet, da<br />
76 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
sie häufig in stehenden Gewässern spielen.<br />
Die Folgen der tückischen Krankheit<br />
sind gravierend: Die akuten Symptome<br />
reichen von Hautausschlag bis zu lebensbedrohlichem<br />
Fieber. Langfristig<br />
leiden die Patienten an chronischen<br />
Entzündungen verschiedener Organe,<br />
was auch zum Tode führen kann. Bis<br />
zu 200.000 Infizierte sterben jährlich an<br />
den Folgen der Krankheit. Bei Kindern<br />
sind die Folgen der Krankheit besonders<br />
schwer: Bilharziose mindert das Wachstum,<br />
schränkt die Lernfähigkeit ein und<br />
führt zu Blutarmut.<br />
Das Praziquantel-Spendenprogramm<br />
Mit dem Merck Praziquantel Donation<br />
Program (MPDP) hat sich Merck bereits<br />
2007 dazu verpflichtet, die WHO dabei<br />
zu unterstützen, Bilharziose in Afrika<br />
zu besiegen. Der Wirkstoff Praziquantel<br />
wurde in den 1970er-Jahren von Merck<br />
mitentwickelt und hat sich als wirksamste<br />
Therapie bewährt, da mit ihm<br />
alle Formen von Bilharziose behandelt<br />
Im vergangenen Jahr spendete Merck<br />
mehr als 100 Millionen Praziquantel-<br />
Tabletten an die WHO. Insgesamt hat<br />
Merck schon mehr als 300 Millionen<br />
Tabletten zur Verfügung gestellt. Bisher<br />
konnten über 64 Millionen Patienten,<br />
vor allem Kinder, behandelt werden.<br />
„Wir wollen Kindern eine neue Zukunft<br />
geben“, erläutert Stefan Oschmann, stellvertretender<br />
Vorsitzender der Merck-<br />
Geschäftsleitung und stellvertretender<br />
CEO von Merck. „Die Gründung dieser<br />
Allianz unterstreicht unser Engagement<br />
<strong>im</strong> Kampf gegen Bilharziose. So sitzen<br />
alle relevanten Partner an einem Tisch.<br />
Nur zusammen können wir die Herausforderungen<br />
auf dem Weg zur Ausrottung<br />
dieser Krankheit meistern.“<br />
Ab 2016 wird Merck der WHO daher<br />
jährlich bis zu 250 Millionen Tabletten<br />
spenden – so lange, bis Bilharziose in<br />
Afrika ausgerottet ist. Die Bereitstellung<br />
von Praziquantel-Tabletten ist jedoch<br />
nur ein Teil der Lösung. Merck verfolgt<br />
bei der Bilharziose-Bekämpfung einen<br />
ganzheitlichen und integrierten Ansatz:<br />
Parallel zum Spendenprogramm forscht<br />
Merck an der Verbesserung der bisherigen<br />
Tabletten sowie an einer Formulierung<br />
von Praziquantel für Kleinkinder,<br />
für die das Medikament bislang nicht geeignet<br />
ist. Zudem unterstützt Merck ein<br />
Bildungsprogramm der WHO in afrikanischen<br />
Schulen. Dabei werden die jungen<br />
Patienten anhand von Comic-Broschüren<br />
kindgerecht über die Krankheitsursache<br />
und Präventionsmaßnahmen aufklärt.<br />
Allianz gegen Bilharziose<br />
Als Gründungsmitglied der <strong>Global</strong> Schistosomiasis<br />
Alliance (GSA) strebt Merck<br />
eine bessere Koordination und effizientere<br />
Bekämpfung von Bilharziose an,<br />
mit dem langfristigen Ziel, Bilharziose<br />
weltweit auszurotten und damit dazu<br />
beizutragen, die Armut in den betroffenen<br />
Ländern zu besiegen und neue<br />
wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen.<br />
Ende 2014 haben staatliche, privatwirtschaftliche<br />
und zivilgesellschaftliche<br />
Akteure die GSA ins Leben gerufen. Zu<br />
den Gründungspartnern zählen unter<br />
anderem Merck, World Vision, die US-<br />
Behörde für Internationale Entwicklung<br />
sowie die Bill & Melinda Gates Foundation.<br />
Ziel der Partner ist es, gemeinsam<br />
mehr zu erreichen.<br />
Die GSA n<strong>im</strong>mt dabei einerseits eine<br />
Vermittlerrolle wahr, bereits bestehende<br />
Bemühungen in der Bekämpfung der Bilharziose<br />
zu koordinieren, aber sie betätigt<br />
sich andererseits auch als Initiator<br />
von innovativen Projekten, bei denen<br />
die Ausrottung der Bilharziose <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />
steht. Bisher haben drei Arbeitsgruppen<br />
ihre Arbeit aufgenommen: Die<br />
erste unterstützt die Überwachung, Steuerung<br />
und Erfassung der Verteilung von<br />
Praziquantel-Tabletten. Die zweite Arbeitsgruppe<br />
engagiert sich dafür, mehr Aufmerksamkeit<br />
für Bilharziose zu schaffen<br />
und so zusätzliche Mittel und Ressourcen<br />
einzutreiben. Eine hohe Bedeutung hat<br />
auch Forschung und Entwicklung, der<br />
sich eine dritte Arbeitsgruppe widmet.<br />
Alle Arbeitsgruppen haben dabei das ult<strong>im</strong>ative<br />
Ziel der GSA <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Fokus: die<br />
Ausrottung von Bilharziose – weltweit.<br />
werden können. Mit seinem Engagement<br />
steht Merck <strong>im</strong> Einklang mit der NTD<br />
Roadmap der WHO, den Sustainable<br />
Development Goals der Vereinten Nationen<br />
sowie der London Declaration.<br />
Merck bekämpft Bilharziose <strong>im</strong> Rahmen<br />
seiner unternehmerischen Verantwortung.<br />
Das Engagement ist ein wichtiger<br />
Bestandteil des Corporate-Responsibility-<br />
Handlungsfelds Gesundheit.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
77
Good Practice<br />
ARBEITSNORMEN<br />
Prinzip 3: Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit<br />
und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen<br />
wahren sowie ferner für<br />
Prinzip 4: die Beseitigung aller Formen der Zwangsarbeit,<br />
Prinzip 5: die Abschaffung der Kinderarbeit und<br />
Prinzip 6: die Beseitigung von Diskr<strong>im</strong>inierung bei Anstellung<br />
und Beschäftigung eintreten.<br />
78 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Arbeitsnormen<br />
80<br />
82<br />
84<br />
Audi<br />
BSH Hausgeräte<br />
Tchibo<br />
Umweltschutz<br />
86<br />
88<br />
90<br />
92<br />
94<br />
DAW<br />
Evonik<br />
HOCHTIEF<br />
MTU Aero Engines<br />
Weidmüller<br />
UMWELTSCHUTZ<br />
Prinzip 7: Unternehmen sollen <strong>im</strong> Umgang mit Umweltproblemen<br />
einen vorsorgenden Ansatz unterstützen,<br />
Prinzip 8: Initiativen ergreifen, um ein größeres Verantwortungsbewusstsein<br />
für die Umwelt zu erzeugen und<br />
Prinzip 9: die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher<br />
Technologien fördern.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
79
Audi<br />
Schneller, effizienter,<br />
nachhaltiger – die<br />
Produktion der Zukunft<br />
Die digitale Vernetzung wird für die moderne Produktion in den nächsten Jahren eine zentrale<br />
Rolle spielen: Die „Fabrik der Zukunft“, auch als Industrie 4.0 oder Smart Factory bezeichnet,<br />
erhöht nicht nur die Fähigkeit der Maschinen, Prozesse effizienter und schneller zu steuern,<br />
sondern führt auch zu einer stärkeren Vernetzung von Menschen und Maschinen.<br />
Von Prof. Dr.-Ing. Peter F. Tropschuh und Jasmin Lotze<br />
Nach Mechanisierung, Elektrifizierung<br />
und Automatisierung bezeichnet der<br />
Begriff die nunmehr vierte industrielle<br />
Revolution, die der Wirtschaft in den<br />
kommenden Jahren bevorsteht. Ziel<br />
der Smart Factory ist eine Steigerung<br />
der Produktivität und Flexibilität und<br />
zugleich können ökologische Effekte<br />
durch sinkende Ressourcenverbräuche<br />
erreicht werden.<br />
Treiber dieser Entwicklung ist die stetig<br />
zunehmende weltweite Vernetzung. Das<br />
Internet von heute entwickelt sich zu<br />
einem „Internet der Dinge“ weiter, in<br />
dem zukünftig neben den Menschen<br />
auch Maschinen (oder Dinge) Informationen<br />
miteinander austauschen. Reale<br />
und virtuelle Welt wachsen damit <strong>im</strong>mer<br />
stärker zusammen. Als Sinnbild dafür<br />
steht die Smart Factory: Weil dort alle<br />
Mitarbeiter, Maschinen und Ressourcen<br />
dezentral vernetzt sind, können sie in<br />
„Echtzeit“ miteinander kommunizieren.<br />
Erst dadurch kann die Fabrik den Mitarbeitern<br />
assistieren. Schon heute sind<br />
bei Audi verschiedene Ansätze und Technologien<br />
der Smart Factory <strong>im</strong> Einsatz.<br />
Die viel beschworene Revolution gleicht<br />
für die Audi Produktion damit eher einer<br />
Evolution.<br />
Zukunftsszenario: Kompetenz-Inseln<br />
statt Fließband<br />
Intelligente Systeme, innovative Technologien,<br />
effiziente Strukturen: Zeit,<br />
das Thema von Grund auf neu anzugehen.<br />
Kleine Gruppen von Vordenkern<br />
in Ingolstadt sammeln Ideen für die<br />
Smart Factory jenseits des Jahres <strong>2030</strong>.<br />
Die Kreativteams arbeiten an Lösungen,<br />
frei von den gegenwärtigen Abläufen<br />
der Produktion. Statt, wie heute, große<br />
Stückzahlen in wenigen Werken zu produzieren,<br />
könnten in Zukunft Produktionsstätten<br />
dort errichtet werden, wo<br />
die Nachfrage hoch ist. Also nah be<strong>im</strong><br />
Kunden. Jede Produktionseinheit müsste<br />
daher jedes Modell bauen können, nach<br />
denselben Prinzipien, mit den gleichen<br />
flexiblen Werkzeugen. Eine völlig neue<br />
Art der Arbeitsform in der Automobilproduktion.<br />
Die Zukunft ist auch hier<br />
vernetzt, integriert und kommunikativ.<br />
Die Rolle der Mitarbeiter<br />
Bei aller Konzentration auf die Technik:<br />
Menschenleer wird die Fertigung der<br />
Zukunft nicht sein. Im Gegenteil, das<br />
hohe Maß an Variantenreichtum, an<br />
Individualisierung und an Qualitätsanspruch<br />
ist nur mit entsprechend hoch<br />
qualifizierten Mitarbeitern zu schaffen.<br />
Aber sie werden, wo <strong>im</strong>mer möglich,<br />
80 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
von zuarbeitenden Robotern unterstützt.<br />
Ergonomie und Entlastung stehen dabei<br />
an oberster Stelle, die Mitarbeiter haben<br />
vermehrt planende und steuernde Tätigkeiten,<br />
schließlich sind Fachkräfte <strong>im</strong><br />
Jahr 2035 begehrt und wertvoll. Aber<br />
auch die Erkennung und Meldung von<br />
Problemen an den Mitarbeiter und damit<br />
die Behebung, beispielsweise, funktioniert<br />
dank vernetzter Diagnose-Systeme<br />
sehr viel schneller.<br />
Doch klar ist auch: Die Ansprüche an<br />
die Arbeit in der Produktion der Zukunft<br />
werden steigen. Die Mitarbeiter werden<br />
daher durch ausgefeilte Informationssysteme<br />
unterstützt, weil durch die extreme<br />
Variation der Produkte die Arbeitsinhalte<br />
sehr umfangreich geworden sind. An<br />
den Schnittstellen zwischen Elektronik<br />
und Mechanik sind beispielsweise<br />
Software-Experten dafür zuständig, dass<br />
Sensoren opt<strong>im</strong>al eingestellt sind und<br />
arbeiten. Netzwerkarchitekten sorgen<br />
dafür, dass Maschinen mit Mitarbeitern<br />
kommunizieren können. Das hohe Maß<br />
an Technik und Vernetzung fordert also<br />
<strong>im</strong> Hier und Jetzt vor allem schon eines<br />
ein: die adäquate Qualifizierung und<br />
Weiterbildung der Mitarbeiter.<br />
Neue Roboter erleichtern die Arbeit<br />
In der Produktion der Zukunft können<br />
Roboter die Mitarbeiter auf vielfältige<br />
Weise unterstützen. Zum Beispiel,<br />
indem ihnen Maschinen bei Bedarf<br />
wichtige Informationen bereitstellen<br />
oder nicht wertschöpfende Tätigkeiten<br />
abnehmen. Die Arbeitsteilung erfolgt<br />
quasi nach dem Operationssaalprinzip:<br />
Vorbereiten – Anreichen – Operieren.<br />
Seit zwei Jahren sind nach diesem Prinzip<br />
kleinere Roboter ohne Sicherheitszaun<br />
zum Mitarbeiter in der Montage<br />
bei Audi <strong>im</strong> Einsatz. Oft ist die Arbeit<br />
Links: Effizient und rückenschonend:<br />
Der Roboter reicht den Behälter in dem Moment,<br />
in dem der Mitarbeiter ihn benötigt.<br />
Oben: Eine hocheffiziente Fabrik:<br />
Der Karosseriebau des Audi A3 mit innovativen<br />
Technologien und modernsten Anlagen.<br />
Effizienz und Nachhaltigkeit standen bei der<br />
Planung der Produktionshalle <strong>im</strong> Mittelpunkt.<br />
der neuen „Kollegen“ vergleichsweise<br />
einfach, doch sie nehmen den Mitarbeitern<br />
eine körperlich anstrengende<br />
Aufgabe ab. Das Ziel von Audi: jeden<br />
Arbeitsplatz so ergonomisch wie möglich<br />
zu gestalten. So wird in der Technologieentwicklung<br />
Montage daran gearbeitet,<br />
künftig noch mehr Mitarbeiter mithilfe<br />
von Robotern zu entlasten. Diese Aufgabe<br />
ist vor allem in der Produktion von<br />
großer Wichtigkeit, denn die körperliche<br />
Anstrengung ist dort am höchsten und<br />
der demografische Wandel drängt zu<br />
weiteren Lösungen.<br />
Über die Werksgrenzen hinweg //<br />
<strong>Global</strong> vernetzt<br />
Nicht nur innerhalb eines Produktionsstandortes,<br />
sondern über die globale<br />
Fertigungskette hinweg, hält die Digitalisierung<br />
Einzug. Aktuell fertigt der Audi-<br />
Konzern Fahrzeuge an 16 Standorten in<br />
zwölf Ländern. Im Jahr 2016 wird das<br />
neue Werk in Mexiko hinzugekommen<br />
sein. Über 80.000 Mitarbeiter <strong>im</strong> Konzern<br />
arbeiten s<strong>im</strong>ultan daran, weltweit<br />
qualitativ hochwertige Produkte zu ermöglichen.<br />
Unerlässlich dafür ist der<br />
Austausch an enormen Datenmengen<br />
über Werksgrenzen hinweg, denn alle<br />
Werke sind dezentral miteinander vernetzt.<br />
Die sinnvolle Vernetzung dieser<br />
Arbeitsdaten und die Verarbeitung in<br />
Echtzeit nehmen daher einen hohen<br />
Stellenwert ein. Es gilt, enorme Datenströme<br />
gezielt und schnell zu senden und<br />
auszuwerten. Dabei spielt bei „Big Data“<br />
natürlich auch die Datensicherheit eine<br />
enorme Rolle: Bereits in der Forschung<br />
setzt das Unternehmen anerkannte und<br />
geprüfte Sicherheitsmechanismen und<br />
Standards aus der Embedded Security ein.<br />
Damit die reibungslose Kommunikation<br />
möglich wird, müssen auch internationale<br />
Standards geklärt werden.<br />
Ideen aus den eigenen Reihen<br />
Auf dem Weg zur Smart Factory der<br />
Zukunft leisten nicht nur ausgewählte<br />
Experten in Kreativteams ihren Beitrag.<br />
Bereits seit 1969 hat jeder einzelne Mitarbeiter<br />
bei Audi die Möglichkeit, seine<br />
Ideen einzubringen, und 1994 entstand<br />
aus dem Betrieblichen Vorschlagswesen<br />
das Audi Ideen-Programm. Durch die Vielzahl<br />
der innovativen Vorschläge können<br />
sowohl kleine als auch weitreichende<br />
Prozesse opt<strong>im</strong>iert und dadurch Kosten<br />
eingespart werden. Seit Bestehen des Programms<br />
hat die AUDI AG Kosten in Höhe<br />
von rund 780 Millionen Euro eingespart.<br />
Jede eingereichte Idee, die zur Steigerung<br />
der Effizienz oder zur Verbesserung des<br />
Arbeitsumfelds beitragen kann, wird bei<br />
Audi auf Nutzen und Realisierbarkeit hin<br />
überprüft. Nicht selten stehen am Ende<br />
sogar erfolgreiche Patente, wie beispielsweise<br />
der Helikalgewindeformer.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
81
BSH Hausgeräte<br />
BSH nutzt Chancen des<br />
demografischen Wandels<br />
Die deutsche Gesellschaft wird <strong>im</strong>mer älter. Dadurch verändert sich auch unsere Arbeitswelt<br />
nachhaltig. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Arbeitsprozesse und Personalentwicklung<br />
stärker an der individuellen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auszurichten und<br />
gesunde Produktionssysteme zu schaffen. Die BSH erarbeitet daher gemeinsam mit ihren Mitarbeitern<br />
lebensphasenorientierte Lösungen und sammelt Erfahrungen in ersten Pilotprojekten.<br />
Von Dorthe Kutsch, BSH<br />
42,2 Jahre – so alt ist durchschnittlich<br />
ein BSH-Mitarbeiter in <strong>Deutschland</strong>. In<br />
der Fertigung liegt das Durchschnittsalter<br />
sogar bei 43,4 Jahren. Und die Prognosen<br />
zeichnen einen weiteren Anstieg in den<br />
nächsten zehn Jahren. Insbesondere<br />
der Anteil der über 60-Jährigen in den<br />
BSH-Fabriken wird sich voraussichtlich<br />
fast vervierfachen. Eine große Herausforderung<br />
für uns als Europas führender<br />
Hausgerätehersteller. Denn nicht nur<br />
mit Blick auf das gestiegene Renteneintrittsalter<br />
fragen wir uns: Wie schaffen<br />
wir es, dass jeder Mitarbeiter seine Arbeit<br />
altersgerecht leisten und so gesund<br />
und motiviert das Rentenalter erreichen<br />
kann? Wie gestalten wir eine ausgewogene,<br />
nachhaltige Altersstruktur? Wie sieht<br />
eine zukunftsfähige Arbeitsorganisation<br />
aus, mit der wir weiterhin wettbewerbsfähig<br />
bleiben?<br />
Konzernprojekt „Demografischer<br />
Wandel in der Fertigung“<br />
Um möglichst schlagkräftige Antworten<br />
auf diese Fragen geben zu können,<br />
haben wir die bestehenden breiten BSH-<br />
Angebote zur Gesundheitsvorsorge, zu<br />
Arbeitszeitmodellen und Ergonomie sowie<br />
zu Programmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
in dem Konzernprojekt<br />
„Demografischer Wandel in der<br />
Fertigung“ gebündelt. Untergliedert in<br />
die vier Teilprojekte Ergonomie, Arbeitsorganisation,<br />
Altersstruktur und Change<br />
Management / Führung erarbeiten verschiedene<br />
Teams konkrete Konzepte und<br />
Programme, die zukünftig als Modelle<br />
an den BSH-Standorten dienen sollen.<br />
Fit am Arbeitsplatz<br />
Besonders in der Fertigung sind Arbeitsabläufe<br />
genau organisiert. Jeder Handgriff<br />
muss sitzen, damit letztlich das<br />
gewünschte Modell <strong>im</strong> vorgegebenen<br />
Design und mit allen Funktionalitäten<br />
vom Band geht – sei es der 60 Zent<strong>im</strong>eter<br />
vollintegrierbare Geschirrspüler für<br />
die deutsche Einbauküche oder das 45<br />
Zent<strong>im</strong>eter schmale Gerät für die kleinere<br />
Küche in Russland. Die Mitarbeiter<br />
arbeiten deshalb schnell, präzise und<br />
konzentriert.<br />
Doch wer über einen langen Zeitraum<br />
<strong>im</strong>mer ein und dieselbe Bewegung<br />
ausführt, riskiert Schmerzen oder gar<br />
langwierige Erkrankungen. Um dem entgegenzuwirken,<br />
haben wir an mehreren<br />
BSH-Fabrikstandorten sogenannte Ergo-<br />
Linien eingeführt. Hier finden vor allem<br />
ältere Mitarbeiter mit gesundheitlichen<br />
Einschränkungen ergonomisch opt<strong>im</strong>al<br />
gestaltete Arbeitsplätze, an denen sie<br />
sowohl <strong>im</strong> Sitzen als auch <strong>im</strong> Stehen<br />
arbeiten können. Mittels Steck- und<br />
Schraubhilfen entlasten sie zusätzlich<br />
ihre Arme und Hände.<br />
82 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
Dialog als Erfolgsfaktor<br />
Wie gut die in Dillingen getesteten Maßnahmen<br />
wirklich sind, beurteilen die teilnehmenden<br />
Mitarbeiter. In regelmäßigen<br />
Umfragen spielen sie uns ihre Meinung<br />
zurück. Besonders gut kommt der spätere<br />
Schichtbeginn an. Auch die reduzierte<br />
Führungsspanne an der Pilotlinie befürworten<br />
die Teilnehmer: Ein Meister ist hier<br />
nur noch für 25 Personen statt bislang<br />
bis zu 150 Personen verantwortlich. Auf<br />
diese Weise kann sich die Führungskraft<br />
stärker auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter<br />
konzentrieren und die Arbeitsabläufe<br />
besser steuern und unterstützen.<br />
glückliches Leben und die berufliche Entwicklung<br />
ist. Damit es dennoch gelingt,<br />
den inneren Schweinehund dauerhaft<br />
an die Kette zu legen, möchte die BSH<br />
ihre Mitarbeiter motivieren, selbst aktiv<br />
zu werden. Die Mitarbeiter in Giengen<br />
würden beispielsweise viel öfter mit dem<br />
Fahrrad statt mit dem Auto zur Arbeit<br />
fahren, wenn sie ihr Rad sicher abstellen<br />
und anschließend duschen könnten. Nun<br />
wird gemeinsam am Standort überlegt,<br />
wie dieses Angebot umgesetzt werden<br />
kann.<br />
Wer in der Mittagspause oder nach der<br />
Arbeit Sport treiben möchte, kann bereits<br />
Pilotlinie in Dillingen<br />
In der Geschirrspülerfabrik <strong>im</strong> bayerischen<br />
Dillingen geht die BSH sogar noch<br />
einen Schritt weiter: An einer von sieben<br />
Fertigungslinien testen wir seit November<br />
2014 kontinuierliche, standardisierte<br />
Jobrotation. Die Mitarbeiter wechseln<br />
dabei während ihrer Schicht mehrfach<br />
ihren Arbeitsplatz, um die Belastung<br />
für best<strong>im</strong>mte Bereiche des Körpers zu<br />
reduzieren. Häufigere Kurzpausen sollen<br />
überdies die Konzentrationsfähigkeit<br />
verbessern. Nur wenn die Voraussetzungen<br />
für gesundheitsgerechtes Arbeiten<br />
geschaffen sind, können Arbeitsprozesse<br />
auch effizient ablaufen. Deshalb wird<br />
die BSH ab 2016 weltweit schrittweise<br />
das Ergonomie-Tool EAWS (Ergonomic<br />
Assessment Work Sheet) einführen.<br />
Dieses internationale Verfahren setzt<br />
strenge Standards und Maßstäbe für die<br />
Beurteilung von physischen Belastungen<br />
am Arbeitsplatz.<br />
In unserer Kältegerätefabrik <strong>im</strong> badenwürttembergischen<br />
Giengen treffen<br />
sich bereits vor dem Start einer zweiten<br />
Pilotlinie jede Woche Führungskräfte,<br />
Manager und von den Montagemitarbeitern<br />
gewählte Liniensprecher und<br />
überlegen gemeinsam, wie beispielsweise<br />
Schicht- und Pausenzeiten während des<br />
Projektzeitraums organisiert sein sollen.<br />
Und schon <strong>im</strong> Vorfeld zeigt sich: Die<br />
Bedürfnisse in Giengen decken sich mit<br />
den von den Dillinger Kollegen präferierten<br />
Maßnahmen. Ganz oben auf<br />
der Wunschliste stehen auch hier das<br />
Schicht-Pausenmodell und eine kleinere<br />
Führungsspanne.<br />
Eigenbeitrag zur Gesundheit<br />
Sich zu mehr Bewegung und sportlichen<br />
Aktivitäten zu überwinden, ist oft nicht<br />
leicht. Dabei wissen wir selbst am besten,<br />
wie wichtig unsere Gesundheit für ein<br />
heute an den Standorten Geräte für Kraft,<br />
Ausdauer und Stärkung der Rückenmuskulatur<br />
nutzen, an Sportgruppen<br />
teilnehmen oder spezielle Aktionen in<br />
Zusammenarbeit mit den Krankenkassen<br />
besuchen. Aber auch Maßnahmen<br />
wie ein kostenloser Gesundheitscheck,<br />
eine ausgewogene Betriebsverpflegung<br />
und Sozial- und Suchtberatungen sind<br />
Bausteine des betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
der BSH.<br />
Dabei kommt es darauf an, die gesamte<br />
Belegschaft in Prozesse und Veränderungen<br />
der betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
und Krankheitsprävention<br />
einzubeziehen – damit jeder Mitarbeiter<br />
einen wertvollen Ausgleich zu den täglichen<br />
Belastungen <strong>im</strong> Job findet. Denn<br />
durch eine gelungene Work-Life- Balance<br />
sind Mitarbeiter nicht nur zufriedener,<br />
sie bleiben auch leistungsfähig. Davon<br />
profitieren Mitarbeiter und Unternehmen<br />
gleichermaßen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
83
Tchibo<br />
„WE“: <strong>im</strong> Dialog Arbeitsbedingungen<br />
verbessern<br />
Ob Textilien, Schmuck oder Küchenwaren: Viele Artikel von Tchibo werden in Fabriken in<br />
Schwellen- und Entwicklungsländern hergestellt. Die Durchsetzung von Sozialstandards wie<br />
faire Löhne, Arbeitsschutz und Versammlungsfreiheit stellt dabei eine große Herausforderung<br />
dar. Mit dem Trainingsprogramm „WE“ (Worldwide Enhancement of Social Quality) hat Tchibo<br />
einen wirksamen Ansatz entwickelt, der den Dialog zwischen Managern und Beschäftigten<br />
fördert, um so die Arbeitsbedingungen vor Ort dauerhaft zu verbessern. Ein weiterer Schritt hin<br />
zu einer 100 Prozent nachhaltigen Geschäftstätigkeit von Tchibo.<br />
Von Helen Rad, Tchibo<br />
Im Zuge der <strong>Global</strong>isierung sind komplexe<br />
globale Lieferketten und Zuliefererstrukturen<br />
entstanden. Für die<br />
Menschen in den Produktionsländern<br />
eröffnen sich durch die Ansiedlung von<br />
Industrien neue Chancen und Perspektiven<br />
– es ergeben sich aber auch soziale<br />
und politische Herausforderungen. So<br />
sind in vielen Produktionsstätten der<br />
Konsumgüterindustrie Arbeitsrechtsverstöße<br />
wie Überstunden, Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
oder unzureichender Brandschutz leider<br />
die Regel. Unfälle wie der Einsturz der<br />
Textilfabrik Rana Plaza <strong>im</strong> Jahr 2013<br />
in Bangladesch haben zu einer breiten<br />
gesellschaftlichen und politischen Debatte<br />
über die Mitverantwortung von<br />
Unternehmen bei der Einhaltung von<br />
Menschenrechten und Sozialstandards<br />
entlang der Lieferkette geführt.<br />
Fabrikkontrollen – sogenannte Sozialaudits<br />
– allein reichen nicht aus, um<br />
die Arbeitsbedingungen bei der Produktion<br />
von Gebrauchsartikeln langfristig<br />
zu verbessern. Diese Erfahrung legte<br />
vor acht Jahren den Grundstein für das<br />
Projekt „Worldwide Enhancement of<br />
Social Quality“ (WE). „Wir haben uns<br />
damals gefragt, was wir anders machen<br />
können“, erklärt Nanda Bergstein, Initiatorin<br />
des Programms und verantwortlich<br />
für Lieferantenbeziehungen und<br />
Nachhaltigkeit Non Food bei Tchibo,<br />
die Motivation des Unternehmens. „Wir<br />
wollten einen Weg finden, dass Fabriken<br />
aus sich heraus Veränderungen<br />
antreiben. Wir waren davon überzeugt,<br />
dass bessere Beziehungen zwischen<br />
Beschäftigten und dem Management<br />
der Schlüssel sind.“<br />
Im Rahmen des WE Programms führen<br />
Manager und Beschäftigte deshalb<br />
gemeinsam mit geschulten Trainern in<br />
Workshops zu Themen wie existenzsichernde<br />
Entlohnung, Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutz oder Anti-Diskr<strong>im</strong>i-<br />
84 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
nierung einen vertrauensvollen, persönlichen<br />
Dialog. Zudem dienen die<br />
Workshops dem Austausch zwischen<br />
verschiedenen Produktionsbetrieben und<br />
schaffen damit eine konstruktive Wettbewerbsatmosphäre.<br />
Es wird offen über<br />
Missstände in den Produktionsbetrieben,<br />
deren Ursachen sowie über Ziele und<br />
Verbesserungsmaßnahmen diskutiert<br />
und ein konkreter Aktionsplan erarbeitet.<br />
„Ich habe viel <strong>im</strong> WE Programm<br />
gelernt. Seitdem werden Probleme in<br />
unserer Fabrik schnell und zuverlässig<br />
gelöst“, berichtet etwa die 35-jährige<br />
Usha, die als Näherin in einer Fabrik<br />
in Indien arbeitet, die Bekleidung und<br />
He<strong>im</strong>textilien u. a. für Tchibo herstellt.<br />
In einem Projektzeitraum von ein bis<br />
zwei Jahren werden die Betriebe von<br />
lokalen Trainern unterstützt, die mit<br />
der Sprache und der Kultur des Produktionslandes<br />
vertraut sind. Dies erleichtert<br />
es den Teilnehmern, die Inhalte der<br />
Trainings anzunehmen. Bevor sie die<br />
Funktion eines Vermittlers zwischen den<br />
verschiedenen Parteien übernehmen<br />
können, durchlaufen die angehenden<br />
Trainer eine mehrstufige Ausbildung, in<br />
der sie sowohl Fachwissen zu Umweltund<br />
Sozialstandards als auch Moderationskompetenzen<br />
erwerben. Bis heute<br />
haben schon 40 Trainer eine Ausbildung<br />
absolviert und die Betriebe mit ihrem<br />
Fachwissen und be<strong>im</strong> Aufbau einer Dialogstruktur<br />
unterstützt. Als Ergänzung<br />
zu den Workshops finden regelmäßig<br />
Betriebsbesuche statt, <strong>im</strong> Rahmen derer<br />
Schulungen mit der Belegschaft durchgeführt<br />
sowie der Umsetzungsstand der<br />
Aktionspläne bewertet und gegebenenfalls<br />
Strategien angepasst werden.<br />
2007 aus einer Entwicklungspartnerschaft<br />
mit der Deutschen Gesellschaft für<br />
Internationale Zusammenarbeit GmbH<br />
(GIZ) und dem Bundesministerium für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) heraus entstanden und<br />
in einer mehrjährigen Pilotphase erprobt,<br />
hat Tchibo das Programm inzwischen auf<br />
alle strategischen Lieferanten ausgeweitet.<br />
Inzwischen werden 75 Prozent aller<br />
Tchibo-Produkte in Betrieben gefertigt,<br />
die an dem WE Programm teilgenommen<br />
haben. Dazu zählen momentan 320 Fabriken<br />
in Bangladesch, China und Thailand<br />
sowie in Äthiopien, Indien, Kambodscha,<br />
Laos, Türkei und Vietnam. Und<br />
das Programm zeigt Wirkung: So sind<br />
vielerorts die Löhne gestiegen, und in<br />
vielen Betrieben wurden Arbeitnehmervertretungen<br />
sowie zusätzliche Sozialleistungen<br />
wie Unterkünfte, Kantinenessen<br />
und Freizeitmöglichkeiten eingeführt.<br />
Verbesserungen konnten auch in Sachen<br />
Arbeitsschutz sowie bei der Rückkehrquote<br />
nach den Betriebsferien erreicht<br />
werden. „Wir haben damit gezeigt, dass<br />
es eben doch geht, Verbesserungen für<br />
die Beschäftigten in der Lieferkette zu<br />
erreichen“, sagt Bergstein. Aber auch aus<br />
wirtschaftlicher Perspektive macht sich<br />
das Programm bezahlt: Denn die steigende<br />
Zufriedenheit der Mitarbeiter wirkt<br />
sich auch positiv auf die Produktqualität<br />
und den wirtschaftlichen Erfolg der<br />
Produktionsstätten aus. „Sozialstandards<br />
und Wettbewerbsfähigkeit sind kein<br />
Widerspruch“, bringt Bergstein es auf<br />
einen Nenner.<br />
Obwohl <strong>im</strong> Rahmen des WE Programms<br />
beispielsweise Lohnerhöhungen von 30<br />
bis 50 Prozent gelingen, klafft vielerorts<br />
<strong>im</strong>mer noch eine große Lücke zu einem<br />
sogenannten existenzsichernden Lohn.<br />
Und auch dort, wo eine bessere Vergütung<br />
erreicht wird, führt dies nicht<br />
zwangsläufig zu besseren Lebensbedingungen,<br />
wie das Beispiel Bangladesch<br />
zeigt. Hier berichteten uns Fabrikarbeiter,<br />
dass die Erhöhung des Lohns <strong>im</strong><br />
Umfeld einzelner Fabriken unmittelbare<br />
Mietsteigerungen zur Folge hatte. Dieser<br />
Effekt ist landesweit bei Mindestlohnsteigerungen<br />
bekannt und eine Folge davon,<br />
dass in Bangladesch hierzu bisher keine<br />
Regulierung erlassen wurde.<br />
Diese Erfahrungen haben Tchibo darin<br />
bestärkt, dass systemische Veränderungen<br />
nur gemeinsam mit anderen Stakeholdern<br />
angestoßen werden können.<br />
Tchibo setzt daher auf die Zusammenarbeit<br />
mit allen beteiligten Akteuren<br />
aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften<br />
und Zivilgesellschaft. So hat Tchibo<br />
beispielsweise das Gebäudesicherheitsund<br />
Brandschutzabkommen für Bangladesch,<br />
den „Accord on Fire and Building<br />
Safety“, <strong>im</strong> Jahr 2012 mitinitiiert.<br />
Zudem engagiert sich Tchibo in der<br />
Initiative ACT (Action, Collaboration,<br />
Transformation) on Living Wages für<br />
branchenweite, faire Tarifverhandlungen<br />
und damit existenzsichernde Löhne<br />
für alle Beschäftigten in der Textilindustrie<br />
– unabhängig davon, für welche<br />
Marke oder welchen Hersteller in der<br />
Fabrik produziert wird. Ganz nach dem<br />
Motto des WE Programms: Wir, das<br />
heißt gemeinsam handeln!<br />
Weitere Informationen zu WE unter<br />
www.we-socialquality.com oder www.tchibo.de/we<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
85
DAW<br />
DAW Stakeholder-Dialog<br />
„Zukunft Wärmedämmung“<br />
Die DAW-Firmengruppe entwickelt, produziert und vertreibt Farben, Lacke, Putze, Wärmedämm-<br />
Verbundsysteme (WDVS) und Produkte für den Bautenschutz. Mit einem Gesamtumsatz von<br />
rund 1,3 Mrd. Euro und mehr als 5.000 Mitarbeitern <strong>im</strong> In- und Ausland ist die DAW SE in über<br />
40 Ländern mit 26 Produktionsstandorten vertreten. Die bekanntesten Marken sind Caparol und<br />
Alpina – mit Europas meistgekaufter Innenfarbe: Alpinaweiß.<br />
Von Bettina Klump-Bickert, DAW<br />
Offenheit – wichtiger Impuls für<br />
Innovationen<br />
Die Orientierung am Leitbild der Nachhaltigkeit<br />
<strong>im</strong> Sinne des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
ist für die DAW SE und ihre Marken ein<br />
integraler Bestandteil der Unternehmensund<br />
Produktphilosophie. Als Familienunternehmen<br />
in fünfter Generation und<br />
Hersteller von Baufarben und Dämmsystemen<br />
lautet das wichtigste Ziel, die über<br />
Generationen ausgerichtete, wirtschaftliche<br />
Unabhängigkeit des Unternehmens<br />
für die Zukunft zu sichern. Eine nachhaltige<br />
Finanz- und Ertragskraft sowie<br />
ein stabiles Wachstum sind hierzu die<br />
erforderlichen Grundvoraussetzungen.<br />
Den wirtschaftlichen Erfolg sieht die<br />
DAW SE untrennbar damit verknüpft,<br />
die Bedürfnisse ihrer Interessengruppen<br />
(Stakeholder) zu kennen und weitestgehend<br />
zu erfüllen. Diese Offenheit für<br />
externe Perspektiven versteht das Unternehmen<br />
als wichtigen Impuls für seine<br />
Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit.<br />
Kl<strong>im</strong>aschutz – zentrales Thema der<br />
Bau- und Immobilienbranche<br />
Als eine der großen Herausforderungen<br />
unserer Zeit sieht die DAW den<br />
voranschreitenden Kl<strong>im</strong>awandel. Der<br />
2014 veröffentliche Bericht des Weltkl<strong>im</strong>arates<br />
hat erneut aufgezeigt, welche<br />
weitreichenden Auswirkungen steigende<br />
Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster<br />
und eine Zunahme von<br />
Wetterextremen auf unser künftiges<br />
Leben haben werden.<br />
Der Schutz des Kl<strong>im</strong>as ist ein zentrales<br />
Thema in der Bau- und Immobilienbranche<br />
geworden, denn Immobilien sind<br />
für 40 Prozent des globalen Energieverbrauchs<br />
verantwortlich und tragen<br />
mit einem Drittel zu den weltweiten<br />
Treibhausgasemissionen bei. Bei der<br />
Gestaltung einer energieeffizienteren Zukunft<br />
spielen Gebäude und ihre Energieverbräuche<br />
daher eine große Rolle. Eine<br />
Möglichkeit für mehr Energieeffizienz<br />
und Kl<strong>im</strong>aschutz bietet die Dämmung<br />
der Gebäude – bei Neubauten ebenso<br />
wie bei Sanierungen. Auf der anderen<br />
Seite unterliegen Dämm-Maßnahmen<br />
derzeit einer zunehmend kritischen und<br />
kontrovers geführten Diskussion.<br />
Wie ist es um den Brandschutz von gedämmten<br />
Fassaden bestellt? Wie sollten<br />
Wärmedämm-Verbundsysteme hinsichtlich<br />
ihres Lebenszyklus entwickelt werden?<br />
Welche Gestaltungsmöglichkeiten<br />
wünschen sich Architekten? Und wie<br />
sollen Hersteller und Verbraucher kommunizieren?<br />
Zukunft der Wärmedämmung<br />
Unter dem Motto „Zukunft Wärmedämmung“<br />
hat die DAW SE als erstes<br />
Unternehmen der Branche einen Stakeholder-Dialogprozess<br />
initiiert, der sich<br />
diesen aktuellen, drängenden Fragen<br />
angenommen hat.<br />
86 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Die gestaffelte Veranstaltungsreihe wurde<br />
von einer unabhängigen Dialogorganisation<br />
begleitet. Rund 50 Befürworter<br />
und Kritiker aus Industrie, Forschung,<br />
Natur- und Umweltschutzorganisationen,<br />
Architekturbüros, Energieberatungen,<br />
Politik und Verwaltung, Handwerksbetrieben<br />
und Feuerwehren erarbeiteten<br />
in aufeinander aufbauenden Workshops<br />
gemeinsame Empfehlungen, wie Wärmedämmung<br />
sicher, umweltfreundlich,<br />
ästhetisch und transparent weiterentwickelt<br />
werden kann.<br />
<strong>im</strong> Bereich Kl<strong>im</strong>aschutz und energetische<br />
Opt<strong>im</strong>ierung gab. So herrschte<br />
Konsens darüber, dass neben dem Kl<strong>im</strong>aschutz<br />
auch andere Motivationen<br />
wie Wohlfühlen und eine Verbesserung<br />
der Lebens- und Wohnqualität mit einer<br />
energetischen Sanierung eines Gebäudes<br />
einhergehen. Auch wurde die energetische<br />
Opt<strong>im</strong>ierung von Gebäuden als<br />
grundsätzlich richtig und gesellschaftlich<br />
gewollt angesehen. Als Schwerpunkte<br />
wurden die Themen Brandschutz, Entsorgung,<br />
Gestaltung und Kommunikation<br />
identifiziert.<br />
Gemeinsam Zukunft gestalten<br />
Darüber hinaus richtete die Dialoggruppe<br />
ihren Blick auch in die Zukunft.<br />
In der Ideenwerkstatt „WDVS der Zukunft“<br />
wurden Ideen für die Materialund<br />
Systementwicklung der kommenden<br />
Jahre skizziert. Befürworter und<br />
Bettina Klump-Bickert verantwortet seit<br />
2010 das Nachhaltigkeitsmanagement der<br />
DAW SE.<br />
Resultate des Dialogs:<br />
Ausgewählte Projekte<br />
und Maßnahmen<br />
Bei jedem Workshop gab es einen Mix<br />
aus Fachvorträgen externer Experten<br />
sowie viel Raum für Diskussion und<br />
den offenen Austausch. Das Spektrum<br />
der Expertenbeiträge zu den Dialogveranstaltungen<br />
war breit gestaltet. Zu den<br />
Grundlagen gehörten Themen wie die<br />
Kl<strong>im</strong>aschutzpolitik auf Bundes-, Landesund<br />
Europaebene und die darin verankerten<br />
Energieeffizienzziele. Weitere<br />
Beiträge reichten von einem offenen und<br />
transparenten Umgang mit den Medien<br />
über eine kritische Auseinandersetzung<br />
mit dem Kl<strong>im</strong>aschutz und Dämmdicken<br />
bis hin zu Finanzierungslösungen für<br />
energetisch opt<strong>im</strong>ierte Gebäude.<br />
Lebendiges Netzwerk für kreative<br />
Ideen<br />
Im Laufe der Veranstaltungsreihe entwickelte<br />
sich der Stakeholder-Dialog<br />
zu einem lebendigen Netzwerk, das<br />
wichtige Impulse und kreative Ideen<br />
zu den aktuellen Herausforderungen<br />
Kritiker beschrieben gemeinsam, welchen<br />
Anforderungen die Materialien<br />
der Zukunft gewachsen sein müssen.<br />
So wurde beispielsweise die Zusammenführung<br />
von verschiedenen Funktionen<br />
– Dämmung, Energieerzeugung und<br />
Lüftung – in einer Gebäudehülle als<br />
zentraler Denkkorridor für die Zukunft<br />
benannt. Die Ergebnisse des Dialogs<br />
wurden <strong>im</strong> Sommer <strong>2015</strong> <strong>im</strong> Rahmen<br />
einer Abschlussveranstaltung einer breiten<br />
Öffentlichkeit vorgestellt. Über den<br />
gesamten Verlauf der Reihe, die Vorgehensweise<br />
und detaillierten Ergebnisse<br />
gibt ein Abschlussbericht Auskunft.<br />
Vertrauen und gegenseitiges Verständnis<br />
– auch bei kritischen Positionen – sind<br />
für die DAW SE wichtige Grundpfeiler<br />
für eine nachhaltige Unternehmens- und<br />
Produktpolitik. Daher haben wir mit der<br />
Transparenz und Offenheit gegenüber<br />
unseren Stakeholdern gute Erfahrungen<br />
gemacht. Die kritischen Anregungen,<br />
spannenden Ideen und weiterführenden<br />
• Einführung eines ökologischen<br />
Wärmedämm-Verbundsystems auf<br />
Basis von Hanffasern<br />
• Gemeinsames Projekt mit NGOs<br />
zur Trennung und Weiterverwertung<br />
von Wärmedämm-Verbundsystemen<br />
• Weiterführung der bestehenden<br />
Kooperation mit einem führenden<br />
Entsorgungsunternehmen mit dem<br />
Ziel der stofflichen Verwertung<br />
von rückgebauten Wärmedämm-<br />
Verbundsystemen<br />
• Brandschutz wird ein wesentlicher<br />
Faktor bei der Entwicklung von<br />
neuen Produkten und Systemen.<br />
Empfehlungen haben maßgeblich zum<br />
Erfolg dieses innovativen Dialogs beigetragen.<br />
Im Sinne der Gestaltung einer<br />
gemeinsamen, nachhaltigeren Zukunft<br />
wird der Austausch zu anderen aktuellen<br />
Themen von der DAW fortgesetzt.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
87
Evonik<br />
Nachhaltigkeit als<br />
Wachstumstreiber<br />
Evonik ist ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie.<br />
Unternehmerische Verantwortung und langfristiger<br />
wirtschaftlicher Erfolg sind für Evonik zwei Seiten derselben<br />
Medaille. Das zeigt auch die steigende Nachfrage unserer Kunden<br />
nach Produkten, die eine ausgewogene Balance ökonomischer,<br />
ökologischer und sozialer Faktoren aufweisen. Rund<br />
80 Prozent des Umsatzes erwirtschaften wir aus führenden<br />
Marktpositionen, die wir konsequent ausbauen. Dabei konzentrieren<br />
wir uns auf die wachstumsstarken Megatrends Gesundheit,<br />
Ernährung, Ressourceneffizienz und <strong>Global</strong>isierung.<br />
Von Hannelore Gantzer, Evonik<br />
Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil<br />
unseres Leistungsversprechens „Kraft<br />
für Neues“ und integraler Bestandteil<br />
unserer Unternehmensstrategie. Wir<br />
übernehmen Verantwortung – für unsere<br />
Geschäfte, unsere Mitarbeiter, die<br />
Umwelt und die Gesellschaft. Vor diesem<br />
Hintergrund ist Evonik <strong>im</strong> Sommer 2009<br />
dem UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> beigetreten und<br />
hat sich dazu verpflichtet, dessen zehn<br />
Prinzipien umzusetzen und zu fördern.<br />
Mit unseren innovativen Produkten und<br />
Dienstleistungen ermöglichen wir unseren<br />
Kunden, energieeffiziente und ressourcenschonende<br />
Lösungen anzubieten.<br />
Herausragende Beispiele sind Kieselsäuren<br />
und Silane für benzinsparende Leichtlaufreifen<br />
(Segment Resource Efficiency)<br />
sowie Methionin (Segment Nutrition &<br />
Care), eine essenzielle Aminosäure für die<br />
bedarfsgerechte Tierernährung. Da der<br />
Körper diese Aminosäure nicht selbst bilden<br />
kann, muss sie insbesondere bei der<br />
Aufzucht von Geflügel und Schweinen<br />
mit der Nahrung zugeführt werden. In<br />
der Regel reicht jedoch das beispielsweise<br />
in Getreide oder Sojaextraktionsschrot<br />
natürlich vorkommende Methionin nicht<br />
aus, um den Bedarf der Tiere zu decken.<br />
Die Be<strong>im</strong>ischung von DL-Methionin von<br />
Evonik schließt diese Versorgungslücke.<br />
Ökobilanzen dokumentieren<br />
Nachhaltigkeit von DL-Methionin<br />
Der Zusatz von DL-Methionin zum Futter<br />
von Nutztieren erfüllt ökologische,<br />
ökonomische und gesellschaftliche<br />
Kriterien der Nachhaltigkeit: So wird<br />
der Ausstoß von Ammoniak, Nitrat und<br />
Treibhausgasen deutlich gesenkt, was<br />
Ökobilanzen unabhängiger Institute<br />
dokumentieren. Zudem verringert DL-<br />
Methionin den Bedarf an Fischmehl,<br />
Futterpflanzen und Agrarfläche, bremst<br />
damit den Preisanstieg bei Fleisch und<br />
Fisch und ermöglicht es, hochwertiges<br />
Protein zu erzeugen, das für die gesunde<br />
Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung<br />
dringend benötigt wird.<br />
Zu einem steigenden Bedarf an DL-Methionin<br />
tragen weitere Faktoren bei: In<br />
aufstrebenden Schwellenländern kann<br />
sich die kaufkräftige Mittelschicht eine<br />
ausgewogene Ernährung mit einem<br />
verbesserten Proteingehalt leisten und<br />
verzehrt deswegen mehr Fleisch, Fisch,<br />
Eier und Milch. Gleichzeitig bevorzugen<br />
Verbraucher in westlichen Industrieländern<br />
be<strong>im</strong> Fleischkonsum fettarmes<br />
Geflügel.<br />
Unser Geschäft mit DL-Methionin hat<br />
sich vor diesem Hintergrund in den<br />
letzten Jahren dynamisch entwickelt.<br />
Die Produktion erfolgt ausschließlich in<br />
World-Scale-Anlagen in Wesseling / Köln,<br />
Antwerpen (Belgien), Mobile (Alabama,<br />
USA) und Singapur. Die Anlage in Singapur<br />
ging Ende 2014 in Betrieb und<br />
wird derzeit erfolgreich hochgefahren.<br />
Als Weltmarktführer wollen wir auch<br />
künftig dazu beitragen, die stark steigende<br />
Methionin-Nachfrage unserer<br />
Kunden zu decken. Deshalb haben wir<br />
<strong>im</strong> Herbst <strong>2015</strong> mit den Planungen für<br />
den Bau einer weiteren World-Scale-<br />
Methioninanlage in Singapur begonnen.<br />
Die Inbetriebnahme der Anlage soll <strong>im</strong><br />
Jahr 2019 erfolgen.<br />
88 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Silica & Silane senken Benzinverbrauch<br />
um bis zu 8 Prozent<br />
Angesichts der Trends zu steigender<br />
Mobilität und zur Ressourcenschonung<br />
bauen wir unsere Kapazitäten für gefällte<br />
Kieselsäuren gezielt aus. Derzeit<br />
errichtet Evonik in Americana (São<br />
Paulo, Brasilien) die erste Anlage in<br />
Südamerika für leicht dispergierbare<br />
Kieselsäuren (HD-Silica), die vor allem<br />
in Leichtlaufreifen zum Einsatz kommen.<br />
Im Südosten der USA, nahe den<br />
Produktionswerken großer Reifenhersteller,<br />
haben wir <strong>im</strong> Frühjahr <strong>2015</strong> mit<br />
der Basisplanung für eine neue World-<br />
Scale-Anlage zur Produktion gefällter<br />
Kieselsäure begonnen. Die Fertigstellung<br />
wird für Ende 2017 angestrebt. Das Gesamtprojekt<br />
wäre die größte Investition<br />
der vergangenen fünf Jahre von Evonik<br />
in Nordamerika.<br />
quantifizieren und bewerten zu können,<br />
nutzt die Creavis das von Evonik<br />
selbst entwickelte „Carbon-Footprint-<br />
Est<strong>im</strong>ation“-Modell.<br />
Jüngst entwickelte umweltfreundliche<br />
Technologien und ressourcenschonende<br />
Lösungen von Evonik sind beispielsweise<br />
eine neue Generation von Hochleistungsschmierstoffen,<br />
Silikonharze für<br />
Beschichtungssysteme sowie Anwendungen<br />
für den Leichtbau.<br />
Unsere Innovationskraft zeigt sich in der<br />
hohen Zahl von Erstanmeldungen für<br />
Patente. Damit Evonik hier auch künftig<br />
in der Spitzengruppe der Spezialchemie<br />
liegt, wollen wir in den nächsten<br />
zehn Jahren mehr als 4 Milliarden € für<br />
Mit unserem Segment Resource Efficiency<br />
sind wir ein führender Anbieter<br />
von Hochleistungsmaterialien für umweltfreundliche<br />
und energieeffiziente<br />
Systemlösungen. So bietet Evonik als<br />
weltweit einziger Hersteller der Reifenindustrie<br />
ein Verstärkungssystem aus Silica<br />
und Organosilan, das maßgeblich die<br />
Leistungsfähigkeit der Reifenlauffläche<br />
best<strong>im</strong>mt. Ohne diese Komponenten lässt<br />
sich der Rollwiderstand nicht verringern.<br />
Auf den kommt es aber letztlich an: Je<br />
niedriger der Rollwiderstand, desto geringer<br />
der Benzinverbrauch und damit auch<br />
die Kohlendioxidemissionen. Gleichzeitig<br />
gilt es, die Gumm<strong>im</strong>ischung so einzustellen,<br />
dass der Abrieb möglichst gering<br />
ist und die Haftung auf trockener und<br />
nasser Fahrbahn trotzdem nicht leidet.<br />
Durch das Silica-Silan-System von Evonik<br />
können rollwiderstandsreduzierte Reifen<br />
produziert werden, die <strong>im</strong> Vergleich zu<br />
herkömmlichen Pkw-Reifen zu einer<br />
Einsparung von bis zu acht Prozent Kraftstoff<br />
führen.<br />
Nachhaltigkeit als wichtiger<br />
Innovationstreiber<br />
Nachhaltigkeitskriterien haben bei Evonik<br />
auch in der Forschung & Entwicklung<br />
(F & E) einen hohen Stellenwert.<br />
Gemeinsam mit dem Wuppertal Institut<br />
für Kl<strong>im</strong>a, Umwelt, Energie hat unsere<br />
strategische Innovationseinheit Creavis<br />
den I2P³-Innovationsmanagement-<br />
Prozess (I2P³: Idea-to-People-Planet-Profit)<br />
entwickelt, der bei der Bewertung von<br />
Projekten wirtschaftliche Kriterien<br />
(profit), Umwelteinflüsse (planet) sowie<br />
gesellschaftliche Aspekte (people)<br />
einer Produktlösung berücksichtigt. Um<br />
potenzielle Kl<strong>im</strong>aauswirkungen neuer<br />
Produkte oder eines neuen Verfahrens<br />
bereits in frühen Entwicklungsstadien<br />
F & E ausgeben. Einen wesentlichen<br />
Einfluss auf die Innovationsfähigkeit<br />
eines Unternehmens hat außerdem die<br />
Innovationskultur. Evonik versteht sich<br />
als offene und lernende Organisation<br />
und hat dies in seinem Innovationsmanagement<br />
und seiner Führungskräfteentwicklung<br />
fest verankert. Wir fördern<br />
in unserem Konzern Wissensaustausch<br />
sowie unternehmerisches Denken und<br />
Handeln.<br />
Damit verfügt Evonik über sehr gute Voraussetzungen,<br />
mit innovativen Lösungen<br />
auch künftig führende Marktpositionen<br />
zu stärken, neue Wachstumsmärkte zu<br />
erschließen und einen spürbaren Beitrag<br />
zu einer nachhaltigen Entwicklung zu<br />
leisten.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
89
HOCHTIEF<br />
Über dem Standard:<br />
HOCHTIEF be<strong>im</strong><br />
„Crossrail“-Projekt<br />
in London<br />
Umdenken in der Verkehrspolitik: In <strong>im</strong>mer mehr Großstädten<br />
setzen die Stadtplaner auf nachhaltige Mobilität. Wo bisher dem<br />
Auto Raum zugeteilt wurde, stehen nun die Menschen <strong>im</strong> Fokus.<br />
Durch den Ausbau von Radwegen, Car-Sharing-Angeboten und<br />
bessere Anbindungen <strong>im</strong> öffentlichen Personennahverkehr<br />
profitieren die Menschen und die Umwelt. Ein Blick nach<br />
London zeigt, wohin die Reise geht – und dass HOCHTIEF ein<br />
sicherer Wegbegleiter ist. Dort hat der internationale Baukonzern<br />
einen entscheidenden Beitrag zu einem äußerst nachhaltigen<br />
Tunnelbauprojekt geleistet.<br />
Von Indra Folke, HOCHTIEF<br />
In London entsteht mit „Crossrail“ eine<br />
neue, 118 Kilometer lange Bahnverbindung<br />
von West nach Ost mit Anbindung<br />
an den Flughafen Heathrow. Es ist eines<br />
der derzeit größten Verkehrsinfrastrukturvorhaben<br />
Europas: In Spitzenzeiten<br />
bauen mehr als 10.000 Ingenieure und<br />
Bauleute mit Hochdruck unter anderem<br />
zehn neue Stationen und 42 Kilometer<br />
Tunnel.<br />
An einem der anspruchsvollsten Lose<br />
war HOCHTIEF – in einem Joint Venture<br />
mit J. Murphy & Sons – maßgeblich<br />
beteiligt. Im Juni <strong>2015</strong> schloss das<br />
Team den Bau des knapp drei Kilometer<br />
langen Tunnelabschnitts C 310, der von<br />
Plumstead unter der Themse entlang<br />
bis North Woolwich führt, termin- und<br />
kostengerecht ab. Das Team erbrachte<br />
mit dem Bau der beiden Röhren, die<br />
jeweils einen Außendurchmesser von<br />
mehr als sieben Meter haben, nicht nur<br />
technisch eine eindrucksvolle Leistung,<br />
sondern auch in ökonomischer, ökologischer<br />
und sozialer Hinsicht.<br />
Diesen Dreiklang berücksichtigt<br />
HOCHTIEF bei jedem einzelnen Projekt:<br />
„Nachhaltige Aspekte gewinnen gerade<br />
bei großen Infrastrukturprojekten<br />
zunehmend an Bedeutung und haben<br />
<strong>im</strong>mer größeren Einfluss auf die Vergabe<br />
und Ausführung von Bauwerken“, sagt<br />
Riku Tauriainen, der das Crossrail-Projekt<br />
auf Seiten von HOCHTIEF geleitet hat.<br />
Ein Feld, in dem der Konzern viel Knowhow<br />
beweist. Gerade in London stellte<br />
der Auftraggeber Crossrail sehr hohe<br />
Ansprüche. Die Tunnelbauexperten waren<br />
darauf bestens vorbereitet, denn die<br />
Erfahrungen aus vielen Jahren flossen<br />
dort mit ein.<br />
Seit Beginn des C 310-Projekts <strong>im</strong> Frühjahr<br />
2011 hat sich das Team darauf konzentriert,<br />
bei jedem Arbeitsprozess den<br />
Ausstoß von Emissionen zu reduzieren.<br />
Zum Beispiel sparten sie allein 80 Prozent<br />
des Energiebedarfs bei der Baustellenbe-<br />
90 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
leuchtung ein: Diese war ausnahmslos<br />
mit LED-Lampen bestückt, die <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zu herkömmlichen Leuchtmitteln<br />
deutlich weniger Energie benötigen.<br />
Desweiteren wurden Materialien und<br />
Aushubmassen recycelt, Transporte erheblich<br />
reduziert und neue Technik<br />
eingesetzt. Durch opt<strong>im</strong>ierte Bauabläufe<br />
verwendeten die Mitarbeiter gut 1.200<br />
Tonnen Material mehrmals. Apropos<br />
opt<strong>im</strong>iert – auch in Sachen Arbeitssicherheit<br />
und Gesundheitsschutz zeigten<br />
sie beste Leistungen.<br />
So s<strong>im</strong>pel wie effektiv: Be<strong>im</strong> Einbau der<br />
Tunnelinnenschale kann ein kleiner<br />
Unterschied von nur zehn Zent<strong>im</strong>etern<br />
für eine monetäre Einsparung <strong>im</strong> hohen<br />
fünfstelligen Bereich sorgen. Denn<br />
HOCHTIEF hat die vom Auftraggeber<br />
vorgegebene Breite der Schalungssegmente<br />
– in der Fachsprache „Tübbinge“<br />
– von 1,5 auf 1,6 Metern angepasst. Diese<br />
Idee hatte eine ganze Kette von positiven<br />
Auswirkungen zur Folge: Zunächst<br />
einmal musste eine um sieben Prozent<br />
geringere Gesamtzahl der Tübbinge produziert,<br />
transportiert und eingesetzt<br />
werden. Dementsprechend sanken der<br />
CO 2<br />
-Emissionsausstoß und die Kosten.<br />
Unter der Erde, wo die beiden Tunnelbohrmaschinen<br />
„Sophia“ und „Mary“<br />
rund um die Uhr tätig waren, funktionierte<br />
der Einbau der insgesamt 3.405<br />
Betonringe deutlich schneller, und durch<br />
die geringere Anzahl gibt es nun auch<br />
weniger Verbindungsfugen zwischen<br />
den Segmenten – und damit weniger<br />
mögliche „Schwachstellen“ <strong>im</strong> Tunnel.<br />
Insgesamt gewann das Projektteam so<br />
mehrere Arbeitstage.<br />
Auch in puncto Ressourcenschonung<br />
hatten die Mitarbeiter effektive Ideen:<br />
Da die Baugruben vom Grundwasser<br />
befreit werden mussten, sammelten<br />
die Tunnelexperten das Wasser und<br />
Links: Eine nachhaltige Verbindung:<br />
2019 soll die 118 Kilometer lange Bahnlinie<br />
zwischen den Orten Shenfield <strong>im</strong> Osten und<br />
Reading <strong>im</strong> Westen der britischen Metropole<br />
vollständig in Betrieb genommen werden.<br />
Oben: Das Team des HOCHTIEF Murphy<br />
Joint Ventures feiert den erfolgreichen<br />
Abschluss der Arbeiten am Tunnelprojekt<br />
„C 310“ in London.<br />
bereiteten es auf. In Kombination mit<br />
ebenfalls gesammeltem Regenwasser<br />
fand es seinen Einsatz be<strong>im</strong> Vortrieb, bei<br />
der Auf bereitung des Bentonits sowie<br />
der Spritzflüssigkeit und der Mörtelerstellung.<br />
Dadurch sparte das Team jede<br />
Woche zwei Millionen Liter Trinkwasser<br />
ein – auf das Projekt gerechnet waren<br />
es insgesamt 68 Millionen Liter – so viel,<br />
wie 27,2 olympische Schw<strong>im</strong>mbecken<br />
füllen würden! Unter anderem für diese<br />
Leistung erhielt das Joint Venture einen<br />
Preis in der Kategorie „Innovation and<br />
Environmental Performance“ vom Auftraggeber.<br />
Dieser förderte und forderte<br />
nachhaltiges Handeln durch interne<br />
Wettbewerbe ganz gezielt.<br />
Das Tunnelteam nahm dies zum Anlass,<br />
auch intern zu nachhaltigen Ideen<br />
aufzurufen. Der so ins Leben gerufene<br />
„Green Idea Tree“ wurde infolgedessen<br />
stark frequentiert, um die ökologische<br />
Effizienz fortwährend zu verbessern.<br />
Die besten Vorschläge wurden prämiert<br />
und umgesetzt.<br />
Eine dieser Ideen war es, den Kalkschlamm<br />
zu trocknen, der be<strong>im</strong> Vortrieb<br />
dem Themseuntergrund entnommen<br />
wurde. Er konnte so bei anderen Projekten<br />
als umweltfreundliches Material wiederverwendet<br />
werden. Weiterer Aushub<br />
wurde dazu verwendet, das Baustellengelände<br />
aufzufüllen und zu sanieren. Aus<br />
dem gesamten Crossrail-Projekt wurden<br />
desweiteren insgesamt drei Millionen<br />
Tonnen Aushub nach Essex geschifft, um<br />
dort ein Vogelschutzreservat in einem<br />
Flussdelta zu schaffen. Der Transport per<br />
Schiff – insgesamt 1.528 Ladungen –<br />
war einerseits die emissionsärmste Alternative,<br />
andererseits konnten so etliche<br />
Lkw-Fahrten durch die ohnehin stark belastete<br />
Innenstadt von London vermieden<br />
werden. Das Biotop wird Zehntausenden<br />
he<strong>im</strong>ischen sowie Zugvögeln eine sichere<br />
He<strong>im</strong>at bieten. So hat das Projekt, das für<br />
mehr Mobilität in der Metropole London<br />
sorgt, auch ausgesprochen ausgleichende<br />
Auswirkungen auf Flora und Fauna.<br />
Doch zurück zum Los C 310. Neben Umweltfragen<br />
berücksichtigte das Team<br />
um Projektleiter Riku Tauriainen auch<br />
fortwährend soziale Aspekte. Zusätzlich<br />
zu dem steten Austausch mit den<br />
Anwohnern engagierten sich die Mitarbeiter<br />
ehrenamtlich: Sie organisierten<br />
Fahrdienste für Senioren, um Einkäufe<br />
zu tätigen, erneuerten den Anstrich<br />
von Unterkünften der Heilsarmee und<br />
sammelten eigenhändig Unrat in einem<br />
angrenzenden öffentlichen Park auf.<br />
Nachdem beide Tunnelröhren durchgehend<br />
begehbar waren, durften die<br />
Anlieger diese bei einem Tag der offenen<br />
Tür erkunden.<br />
Zurzeit erfolgt der Einbau der Gleise und<br />
der Ausbau der Haltestellen, die ersten<br />
Züge werden 2018 durch den Tunnel<br />
rollen und so täglich viele Menschen<br />
bewegen. HOCHTIEF hat mit diesem<br />
Projekt seinen nachhaltigen Beitrag geleistet<br />
und einmal mehr seiner Vision<br />
Nachdruck verliehen: „HOCHTIEF baut<br />
die Welt von morgen.“<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
91
MTU Aero Engines<br />
MTU Aero Engines: Saubere<br />
und leisere Triebwerke<br />
Verantwortung zu übernehmen gehört zu den zentralen Werten der MTU Aero Engines – Verantwortung<br />
für Produkte und Dienstleistungen, Mitarbeiter, Kunden, Partner und vor allem für die<br />
Umwelt. Den größten Beitrag zum Umweltschutz leistet <strong>Deutschland</strong>s führender Triebwerkshersteller<br />
mit ökoeffizienten Produkten, die energieeffizient hergestellt werden. „Produktverantwortung<br />
ist für uns die Motivation allen unternehmerischen Handelns“, betont der MTU-Vorstandsvorsitzende<br />
Reiner Winkler. „Die Basis unseres langfristigen Erfolgs sind ökoeffiziente und<br />
sichere Produkte.“<br />
Fan an. Durch das Getriebe kann der<br />
Fan mit seinem großen Durchmesser<br />
langsamer drehen und die Turbine erheblich<br />
schneller. Dadurch erreichen beide<br />
Komponenten ihr jeweiliges Opt<strong>im</strong>um<br />
und verhelfen dem Getriebefan zu einem<br />
sehr hohen Wirkungsgrad. Das verringert<br />
Treibstoffverbrauch, Kohlenstoffdioxidausstoß<br />
und Lärmentwicklung erheblich;<br />
zudem wird der Antrieb leichter, da weniger<br />
Verdichter- und Turbinenstufen<br />
benötigt werden. Die MTU steuert mit<br />
der schnelllaufenden Niederdruckturbine<br />
eine GTF-Schlüsselkomponente bei und<br />
baut zusammen mit Pratt & Whitney<br />
einen neuen, innovativen Hochdruckverdichter.<br />
Je nach GTF-Version hält sie einen<br />
Programmanteil von bis zu 18 Prozent.<br />
Von Martina Vollmuth, MTU Aero Engines<br />
Das beste und derzeit erfolgreichste Beispiel<br />
ist der Getriebefan (GTF): Mit diesem<br />
Antrieb, der den klangvollen Namen<br />
PurePower® PW1000G trägt, realisieren<br />
Pratt & Whitney und die MTU das Antriebskonzept<br />
der Zukunft. Die neue<br />
Technologie ist ein Paradebeispiel dafür,<br />
wie die Anforderungen nach noch kraftstoffsparenderen,<br />
emissionsärmeren und<br />
leiseren Luftfahrtantrieben erfüllt werden<br />
können. Der GTF realisiert auf einen<br />
Schlag eine Absenkung des Kraftstoffverbrauchs<br />
und der CO 2<br />
-Emissionen um je 15<br />
Prozent und halbiert den Lärm nahezu.<br />
Weitere Einsparungen sind möglich – bis<br />
zu 40 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch<br />
und CO 2<br />
-Emissionen. Möglich wird das<br />
durch Opt<strong>im</strong>ierungen dieses Antriebs, an<br />
denen bereits gearbeitet wird. Der GTF<br />
hat den Markt überzeugt: So haben sich<br />
weltweit nicht nur fünf Flugzeughersteller<br />
für dieses neue Triebwerk entschieden,<br />
sondern auch etwa 60 Fluglinien, die<br />
knapp 7.000 Exemplare bestellt haben.<br />
Der Clou der neuen GTF-Antriebstechnologie<br />
ist ein Untersetzungsgetriebe<br />
zwischen Fan und Niederdruckturbine.<br />
Beide sind durch eine Welle miteinander<br />
verbunden – die Turbine treibt den<br />
Eine besondere Rolle in der GTF-Triebwerksfamilie<br />
spielt schon jetzt die Version<br />
für die A320neo von Airbus. Dieses<br />
Triebwerk verfügt über zwei technologische<br />
Weiterentwicklungen: Erstmals<br />
hat die MTU ein neues, additives Fertigungsverfahren<br />
angewendet und setzt<br />
zudem einen neuen Werkstoff ein. Die<br />
schnelllaufende Niederdruckturbine des<br />
Getriebefans PW1100G-JM ist die erste<br />
Turbine, die serienmäßig mit einem<br />
additiv gefertigten Anbauteil ausgestattet<br />
wird. Additive Verfahren haben<br />
gravierende Vorteile für die Umwelt,<br />
da sie etwa den Material- und Werkzeugeinsatz<br />
erheblich reduzieren. Auch<br />
wirtschaftlich sind sie ein Volltreffer, da<br />
sie die Realisierung neuer, komplexerer<br />
Designs ermöglichen, Entwicklungs-,<br />
Fertigungs- und Lieferzeiten erheblich<br />
92 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
reduzieren und insgesamt die Herstellkosten<br />
senken. Die MTU möchte die Vorteile<br />
noch stärker nutzen und entwickelt<br />
additive Verfahren mit hoher Priorität in<br />
zahlreichen Technologieprojekten und<br />
Technologieprogrammen weiter.<br />
Rekordzeit von nur sieben Jahren entwickelt<br />
hat. Die Vorteile: TiAl-Turbinenschaufeln<br />
sind nur halb so schwer wie<br />
solche aus Nickellegierungen bei gleicher<br />
Zuverlässigkeit und Lebensdauer.<br />
Der hohe Aluminiumgehalt macht den<br />
Werkstoff oxidations- und korrosionsbeständig.<br />
Auch hier treibt die MTU die<br />
Forschung voran und arbeitet bereits an<br />
einer verbesserten TiAl-Legierung. Ziel<br />
ist es, noch weitere Turbinenstufen aus<br />
dem innovativen Material zu realisieren.<br />
Ebenfalls zum Wohle der Umwelt, denn<br />
mit TiAl können Triebwerke gebaut<br />
werden, die noch ressourcenschonender,<br />
kraftstoffsparender, sauberer und<br />
leiser sind als bisherige Modelle. „Dieser<br />
Werkstoff wird maßgeblich helfen,<br />
15, 25, 40 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid<br />
– das sind die Claire-Etappenziele.<br />
Das zweite Novum des A320neo-GTFs ist<br />
ein neuer Werkstoff: Die letzte Rotorstufe<br />
der schnelllaufenden Niederdruckturbine<br />
besteht aus maßgeschneiderten<br />
Titanaluminid-Schaufeln. TiAl ist eine<br />
neue, einzigartige, intermetallische<br />
Hochtemperaturwerkstoffklasse für<br />
hoch belastete Triebwerksbauteile, die<br />
die MTU zusammen mit Partnern in der<br />
Links: Deutlich leiser und sauberer:<br />
Der Getriebefan ist das Triebwerk der Zukunft.<br />
Oben: Und es geht noch besser:<br />
Die MTU arbeitet bereits an Opt<strong>im</strong>ierungen<br />
des Getriebefan-Triebwerks, unter anderem<br />
an neuen Werkstoffen für Schaufeln.<br />
Triebwerke noch deutlich leichter zu<br />
machen“, ist sich Dr. Rainer Martens,<br />
MTU-Vorstand Technik, sicher.<br />
Ökoeffizienz ist das best<strong>im</strong>mende Moment<br />
der MTU-Produktstrategie; wie sie<br />
umgesetzt werden soll, hat die MTU in<br />
ihrer Technologieagenda Clean Air Engine<br />
(Claire) formuliert. Hier kombinieren die<br />
Triebwerkexperten neueste Schlüsseltechnologien<br />
zu einem zivilen Antrieb,<br />
der bis zum Jahr 2050 40 Prozent weniger<br />
Kraftstoff verbraucht, eine entsprechend<br />
niedrigere CO 2<br />
-Emission hat und den<br />
Lärm um 65 Prozent mindert. In drei Etappen<br />
will man die von der europäischen<br />
Luftfahrtindustrie und Forschung in der<br />
Strategic Research and Innovation <strong>Agenda</strong><br />
(SRIA) definierten Ziele zur Reduktion<br />
der CO 2<br />
- und Lärmemissionen erreichen:<br />
Im ersten Schritt ermöglicht der Getriebefan<br />
eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs<br />
und der Kohlenstoffdioxid-Emissionen<br />
um bis zu 15 Prozent;<br />
gleichzeitig sinkt der Lärm nahezu um<br />
die Hälfte. Für die nächste Etappe zeigen<br />
Konzeptstudien, dass auf Basis einer<br />
Getriebefan-Triebwerkskonfiguration<br />
weitere Verbesserungen möglich sind.<br />
So könnte bis zum Jahr <strong>2030</strong> das Bypass-<br />
Verhältnis weiter erhöht werden – von<br />
12:1 (Getriebefan) auf bis zu 20:1. Zudem<br />
kann der thermische Wirkungsgrad<br />
des Kerntriebwerks durch höhere Druckund<br />
Temperaturverhältnisse weiter verbessert<br />
werden. Das Gesamtdruckverhältnis<br />
will man etwa von knapp 50:1 auf<br />
70:1 erhöhen. Be<strong>im</strong> dritten und letzten<br />
Claire-Schritt geht es um gravierende<br />
Veränderungen, die jenseits der bekannten<br />
Gasturbinen liegen können. Die MTU<br />
erarbeitet gemeinsam mit Universitäten<br />
und anderen Forschungseinrichtungen<br />
Studien für diese Phase. Es geht etwa um<br />
hocheffiziente Wärmekraftmaschinen<br />
mit extrem hohen Drücken, die mittels<br />
Wärmetauschern Energie aus dem Abgas<br />
zurückgewinnen. Auch abgeschirmte<br />
Propeller-Antriebe oder am ganzen Flugzeug<br />
verteilte Fans sind denkbar.<br />
Eines steht allerdings schon jetzt fest:<br />
Den Fortschritt der Luftfahrt mitzugestalten<br />
und voranzutreiben ist und bleibt für<br />
die MTU eine Tradition, die verpflichtet.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
93
WEIDMÜLLER<br />
Die transparente<br />
energetische Fabrik<br />
Nicht nur bei Produkten und Lösungen legt Weidmüller Wert<br />
auf höchste Energieeffizienz. Auch in hauseigenen Produktionsprozessen<br />
und bei der Infrastruktur der Gebäude setzt<br />
der Elektrotechnikspezialist Maßstäbe be<strong>im</strong> Energiesparen.<br />
In der Produktionshalle an der Niemeierstraße in Detmold<br />
kommen neuste Technologien und ein ausgereiftes Energiekonzept<br />
zum Einsatz. Das Wissen, das dabei generiert wird,<br />
macht Weidmüller zu einer gefragten Adresse für ganzheitliche<br />
Energielösungen in der Produktion.<br />
Von Martin Regnet, Weidmüller<br />
Über Erfolg oder Scheitern der Energiewende<br />
in <strong>Deutschland</strong> wird ganz besonders<br />
in der industriellen Produktion<br />
mitentschieden. „Rund die Hälfte des in<br />
<strong>Deutschland</strong> erzeugten Stroms wird durch<br />
die he<strong>im</strong>ische Industrie verbraucht“, so<br />
der Weidmüller-CEO Dr. Peter Köhler.<br />
„Studien des Instituts für Energieeffizienz<br />
in der Produktion (EEP) der Uni Stuttgart,<br />
Fraunhofer IPA und der Deutschen Energie-Agentur<br />
zeigen, dass die Bedeutung<br />
der Energieeffizienz eng mit der Größe<br />
der Unternehmen verbunden ist.“ Etwa<br />
45 Prozent der Großunternehmen mit<br />
über 250 Beschäftigten schätzen die Bedeutung<br />
von Energieeffizienz als verhältnismäßig<br />
groß ein. Das spiegelt sich auch<br />
<strong>im</strong> Investitionsverhalten wider – über<br />
80 Prozent der mittleren und großen Unternehmen<br />
verwendeten <strong>im</strong> vergangenen<br />
Jahr 5 Prozent ihres Investitionsbudgets<br />
oder mehr für Energieeffizienzmaßnahmen.<br />
„Nun ziehen auch die kleineren<br />
nach“, berichtet Köhler. „Dies haben auch<br />
die Banken für sich entdeckt, viele von<br />
ihnen bringen Unternehmen zusammen<br />
und beraten, wie man an Fördergelder<br />
kommen kann.“<br />
Weidmüller, dem Elektrotechnikspezialisten,<br />
kommen solche Trends zugute,<br />
denn Energieeffizienz hat dort eine<br />
lange Tradition: was in den 70er-Jahren<br />
94 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
mit ersten Lärmschutzmaßnahmen in<br />
Stanzerei und Montage begann, wurde<br />
seither konsequent weiterentwickelt:<br />
Wärmerückgewinnungssysteme, Druckluftverbundsteuerungen,<br />
elektronische<br />
Vorschaltgeräte, flächendeckende Gebäudeleittechnik<br />
und vieles mehr sind<br />
seit langer Zeit Standard. „Unsere langjährigen<br />
Erfahrungen und Erkenntnisse<br />
haben wir bei der Planung und Realisierung<br />
unserer neuen Produktionshalle an<br />
der Niemeierstraße berücksichtigt. Dort<br />
wird nun konsequent eine effiziente<br />
Gebäudetechnik verwendet“, so Elke<br />
Eckstein, Vorstand Operations bei Weidmüller.<br />
„Seit 2009 haben wir auch ein<br />
technisches Energiemanagementsystem<br />
etabliert, um Energieflüsse und -verbräuche<br />
wie beispielsweise Strom, Wärme,<br />
Kälte und Druckluft zu dokumentieren.“<br />
Entstanden ist eine moderne, energieeffiziente<br />
und hinsichtlich der Verbrauchswerte<br />
transparente Produktionshalle,<br />
in der große Teile der Kunststoff- und<br />
Fließfertigung untergebracht sind. „Das<br />
dabei angewandte Konzept basiert auf<br />
fünf Kernmaßnahmen in den Bereichen<br />
Wärmerückgewinnung, Kl<strong>im</strong>atisierung,<br />
Beleuchtung und Dämmung,<br />
Druckluftopt<strong>im</strong>ierung sowie Stromtransport.<br />
Bei allen verbauten technischen<br />
Komponenten wie Motoren, Pumpen,<br />
Ventilatoren oder der Beleuchtung wurden<br />
moderne, energieeffiziente Geräte<br />
und Anlagen eingesetzt“, verdeutlicht<br />
Eckstein. So dient die Abwärme der Produktionsmaschinen,<br />
Kompressoren und<br />
Kälteanlage als Wärmequelle, wodurch<br />
die Halle ohne eigenständige Heizungsanlage<br />
auskommt. „Für die ganzheitliche<br />
Betrachtung und Umsetzung des Themas<br />
Energieeffizienz wurden wir 2013 als<br />
Kl<strong>im</strong>aschutzunternehmen ausgezeichnet<br />
und haben letztes Jahr den GreenTec<br />
Award gewonnen“, berichtet Eckstein.<br />
Fazit: Erfahrungen gibt Weidmüller an<br />
andere Unternehmen weiter und wurde<br />
dafür bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet.<br />
Das Streben nach Transparenz hat sich<br />
gelohnt, denn aus der Erfassung der<br />
Verbräuche und Kennwerte in der Produktionshalle<br />
hat sich bei Weidmüller<br />
mittlerweile ein eigenständiger Geschäftsbereich<br />
entwickelt, über den Erfahrungen<br />
<strong>im</strong> Bereich Energieeffizienz<br />
an andere Unternehmen weitergeben<br />
werden. „Mit unserem Energiemanagementsystem<br />
bieten wir eine Lösung aus<br />
der Industrie für die Industrie, die wir<br />
selbst in unserer Produktionshalle verwenden“,<br />
erklärt Dr. Christian von Toll,<br />
Assistent des Vorstandsvorsitzenden und<br />
verantwortlich für das Business Development<br />
<strong>im</strong> Bereich Energiemanagement.<br />
„Industrieunternehmen kennen meist<br />
ihren energetischen Gesamtverbrauch,<br />
in den seltensten Fällen aber auch die<br />
genauen Energieströme und die größten<br />
Einsparpotenziale“, so von Toll. Hier<br />
bietet Weidmüller eine Lösung aus intelligent<br />
vernetzten Hardwarekomponenten,<br />
einer Software und individueller<br />
Beratung, die Transparenz schafft, indem<br />
sie die Verbräuche sichtbar macht und<br />
mögliche Einsparpotenziale aufzeigt.<br />
Zum Einsatz kommen dabei mehrere<br />
in Eigenregie entwickelte Produkte, wie<br />
beispielsweise der Power Monitor oder<br />
eine Energiemanagement-Box.<br />
„Energieeffizienz in der eigenen Produktion<br />
wird zukünftig für den Standort<br />
<strong>Deutschland</strong> von großer Bedeutung sein“,<br />
erklärt Weidmüller-CEO Köhler und<br />
sieht weiteres Potenzial in diesem Bereich.<br />
„Wir sehen das Thema Energiemanagement<br />
als ersten Baustein <strong>im</strong> Bereich Industrie<br />
4.0 und arbeiten mit Hochdruck<br />
an weiteren Lösungen, die die Maschinen<br />
intelligenter machen und Energieverbräuche<br />
reduzieren können.“<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
95
Good Practice<br />
Korruptionsbekämpfung<br />
Prinzip 10: Unternehmen sollen gegen alle Arten<br />
der Korruption eintreten, einschließlich Erpressung<br />
und Bestechung.<br />
Darüber hinaus verfolgt<br />
der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
zwei sich ergänzende Ziele:<br />
96 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
98<br />
100<br />
102<br />
104<br />
106<br />
108<br />
110<br />
112<br />
BASF<br />
Bosch<br />
CiS<br />
Drei Elemente<br />
JKL Kunststoff Lackierung<br />
K+S<br />
macondo publishing<br />
TÜV Rheinland<br />
Finanzmärkte<br />
114<br />
116<br />
HypoVereinsbank<br />
PwC<br />
1) Die zehn Prinzipien sollen zu einer Selbstverständlichkeit<br />
innerhalb von Geschäftstätigkeiten auf der ganzen Welt<br />
werden.<br />
2) Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung<br />
darüber hinausgehender UN-Ziele wie etwa die<br />
Sustainable Development Goals (SDGs)<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
97
BASF<br />
Stakeholder-Beziehungen<br />
zählen<br />
Doch nicht alles was zählt, ist auch zählbar.<br />
Von Nadine-Lan Hönighaus und<br />
Thorsten Pinkepank, BASF<br />
Warum es wichtig ist, Stakeholder<br />
einzubeziehen<br />
Um Stakeholder effektiv einbeziehen zu<br />
können, ist es notwendig, dass Unternehmen<br />
zunächst einmal wissen, wer ihre<br />
relevanten „Anspruchsgruppen“ sind. Als<br />
ein weltweit führendes Chemieunternehmen<br />
stellt BASF Produkte für verschiedene<br />
Industrien her, beschäftigt etwa<br />
113.000 Mitarbeiter überall auf der Welt,<br />
hat zahlreiche Lieferanten, Kunden oder<br />
Aktionäre und steht damit praktisch mit<br />
fast jedem Menschen in einer direkten<br />
oder indirekten Beziehung. Deshalb ist<br />
es wichtig, die für das Unternehmen<br />
relevanten Stakeholder aus Wirtschaft,<br />
Wissenschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft<br />
zu kennen und einzubeziehen.<br />
Diese können sich jedoch <strong>im</strong> Laufe der<br />
Zeit verändern. Es braucht daher <strong>im</strong> Unternehmen<br />
ein flexibles System und qualifizierte<br />
Mitarbeiter, die kontinuierlich<br />
mit Stakeholdern <strong>im</strong> Austausch stehen.<br />
Die BASF pflegte schon <strong>im</strong>mer einen<br />
engen Kontakt zu Stakeholdern. Im Laufe<br />
der Zeit haben wir zusätzlich zu den<br />
nach wie vor wichtigen „klassischen“ Formen<br />
des Dialogs auch neue Ansätze entwickelt.<br />
Der Austausch mit Stakeholdern<br />
aus den o. g. Gruppen kann den Entscheidungsfindungsprozess<br />
und die Leistung<br />
eines Unternehmens positiv beeinflussen,<br />
da man anstelle von rein wirtschaftlichen<br />
Kennzahlen eine umfassendere Sicht auf<br />
Umfeld und Markt erhält. Stakeholder<br />
können einem Unternehmen wichtige<br />
Erkenntnisse liefern, indem sie ihre<br />
Perspektive zu aktuellen und künftigen<br />
Themen teilen und eine Einschätzung<br />
des Unternehmens sowie dessen Rolle<br />
und Wirkung abgeben.<br />
Das bedeutet nicht, Entscheidungskompetenzen<br />
abzugeben, die Unternehmensleitung<br />
wird und muss diese behalten.<br />
Gelungene Stakeholder-Beziehungen<br />
liefern für diese Entscheidungen jedoch<br />
bessere Grundlagen als auch eine höhere<br />
Erfolgswahrscheinlichkeit.<br />
Für BASF ist der kontinuierliche Austausch<br />
mit Stakeholdern fester Bestandteil des<br />
Nachhaltigkeitsmanagements.<br />
Verschiedene Formen zur<br />
Einbeziehung von Stakeholdern<br />
bei BASF<br />
BASF nutzt verschiedene Formen, Stakeholder<br />
einzubeziehen. Auf Standortebene<br />
zählt dazu beispielsweise der Dialog<br />
mit Mitgliedern der umliegenden<br />
Gemeinden in Form von Nachbarschaftsforen<br />
(Community Advisory Panels), die<br />
wir weltweit eingerichtet haben. Auf<br />
Geschäftsebene ist ein gutes Beispiel die<br />
Initiative Together for Sustainability, zu<br />
98 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Offenheit und der kontinuierliche Austausch<br />
mit Kollegen, Kunden, Lieferanten, Aktionären<br />
und der Gesellschaft sowie mit Experten<br />
aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und<br />
Medien führen zu besseren Entscheidungen.<br />
der sich führende Chemieunternehmen<br />
zusammengetan haben, um mit dem<br />
Stakeholder Lieferant durch standardisierte<br />
Bewertungsmethoden Nachhaltigkeit<br />
in der Lieferkette zu verbessern.<br />
Auf globaler Ebene beteiligt sich BASF<br />
zudem aktiv am United Nations <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong>. Unterschiedliche Zielsetzungen<br />
erfordern unterschiedliche Formen<br />
des Stakeholder-Dialogs. Ein Beispiel für<br />
die Einbeziehung von Stakeholdern ist<br />
der „Stakeholder Advisory Council“ der<br />
BASF (s. Infokasten).<br />
Stakeholder Advisory<br />
Council<br />
2013 etablierte BASF den Stakeholder<br />
Advisory Council (SAC), der sich<br />
aus verschiedenen internationalen<br />
Experten aus Wissenschaft und<br />
Gesellschaft sowie dem Vorstand<br />
von BASF zusammensetzt. Ziel ist<br />
es, den BASF-Vorstand in einem<br />
systematischen und vertraulichen<br />
Austausch zur nachhaltigen Entwicklung<br />
zu beraten. Dazu finden regelmäßige<br />
Treffen mit ausgewählten<br />
und hochrangigen Vordenkern aus<br />
unterschiedlichen Fachgebieten und<br />
Kulturen statt. Die Moderation übern<strong>im</strong>mt<br />
der Vorstandsvorsitzende der<br />
BASF. Besprochene Themen werden<br />
dokumentiert und die Protokolle an<br />
alle Mitglieder weitergeleitet. Anschließend<br />
informiert die BASF den<br />
SAC darüber, wie mit den Ergebnissen<br />
des Gremiums weiter verfahren<br />
wurde. Der SAC hat einen klaren<br />
Beratungs- und keinen Entscheidungsauftrag.<br />
Die Grundregeln und<br />
Verfahren sind in einer Geschäftsordnung<br />
festgehalten. Die bisherigen<br />
Treffen waren nicht nur interessante<br />
inhaltliche Debatten, sondern lieferten<br />
auch konkrete Empfehlungen.<br />
Erfolgsfaktoren für eine effektive<br />
Einbindung von Stakeholdern<br />
Unserer Erfahrung nach gibt es einige<br />
Faktoren, die zu einer erfolgreichen Einbeziehung<br />
von Stakeholdern beitragen:<br />
• Das Dialog-Thema sollte relevant und<br />
von hoher Dringlichkeit sein sowie<br />
rechtzeitig angegangen werden.<br />
• Stakeholder-Dialoge dienen in der<br />
Regel langfristigem Vertrauensaufbau<br />
und sind kein Mittel der Ex-post-<br />
Legit<strong>im</strong>ierung.<br />
• Je nach Thematik und Stakeholder<br />
gilt es, eine entsprechend geeignete<br />
Form der Einbeziehung zu finden und<br />
dabei Klarheit zu Zielen und Regeln<br />
des Dialogs festzulegen.<br />
• Häufig unterschätzt: Für die Vor- und<br />
Nachbereitung sollten ausreichend Zeit<br />
und Ressourcen eingeplant werden.<br />
Bei der Interaktion mit einigen Stakeholdern<br />
begegnen Führungskräfte möglicherweise<br />
Menschen und Organisationen,<br />
die in anderen Logiken denken und<br />
arbeiten. Insofern gilt es, sich mit Offenheit<br />
und Respekt auf andere einzulassen,<br />
dazu sind gelegentlich Komfortzonen zu<br />
verlassen. Auch darauf müssen Dialogpartner<br />
vorbereitet werden, und oftmals<br />
wird der Aufwand hierfür unterschätzt.<br />
Diese Investition ist jedoch unerlässlich.<br />
Zwei Gedanken zur Zukunft von<br />
Stakeholder-Beziehungen<br />
Es herrscht Einigkeit darüber, dass stabile<br />
Beziehungen zu Stakeholdern Unternehmen<br />
dabei helfen, ihre „License to<br />
operate“ zu erhalten, Risiken einzudämmen,<br />
bestehende Kunden zu binden<br />
sowie neue zu gewinnen und eine gute<br />
Öffentlichkeitsarbeit zu fördern.<br />
Doch angesichts der zunehmenden Komplexität<br />
des gesellschaftlichen Umfelds<br />
– das von einer „Kommunikationsrevolution“<br />
geprägt ist, die mit Schlagwörtern<br />
wie „Soziale Netzwerke“ und „Big Data“<br />
beschrieben werden kann – sowie der<br />
wachsenden Skepsis gegenüber neuen<br />
Technologien aufseiten der Gesellschaft<br />
müssen sich Unternehmen künftig noch<br />
stärker darauf konzentrieren, ihre „License<br />
to innovate“ voranzutreiben. Und<br />
Innovationen sind entscheidend, wenn<br />
es um Lösungen für eine nachhaltige(re)<br />
Entwicklung geht.<br />
Ein weiterer Aspekt, den wir für die<br />
Zukunft von Stakeholder-Beziehungen<br />
sehen, ist der Trend zu operationalisieren<br />
und nach Kennzahlen zu messen.<br />
Man muss sich der Diskussionen zur<br />
Quantifizierung des Wertbeitrags von<br />
Stakeholder-Engagement stellen, doch<br />
wird es <strong>im</strong>mer schwierig bleiben, diesen<br />
Wert quantitativ hinreichend zu<br />
best<strong>im</strong>men. Das wird deutlich anhand<br />
von Fragen wie: Wie misst man, wie gravierend<br />
eine Krise, z. B. <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
den Ruf, tatsächlich gewesen wäre, wenn<br />
man keine zuverlässigen Beziehungen<br />
zu seinen Stakeholdern gehabt hätte?<br />
Es gibt zwar Ansätze, um den Wert von<br />
Stakeholder-Beziehungen zu messen.<br />
Doch es gibt auf diese Fragen keine befriedigende<br />
„metrische Antwort“ und<br />
diese ist auch nicht zielführend – denn:<br />
Nicht alles was zählt, ist auch zählbar.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
99
BoscH<br />
Anforderungen an die<br />
Lieferkette<br />
Für die von Bosch angestrebte Balance zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen<br />
Belangen hat die gesamte Wertschöpfungskette Relevanz. Deswegen bindet das<br />
Unternehmen Zulieferer sowohl regulativ als auch operativ in seine Nachhaltigkeitsaktivitäten<br />
ein. Zusammen mit ihnen will Bosch sich fortlaufend verbessern.<br />
Von Bernhard Schwager und Axel Zerinius, Bosch<br />
Die Bosch-Gruppe ist ein international<br />
führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen,<br />
deren Aktivitäten<br />
sich in die vier Unternehmensbereiche<br />
Mobility Solutions, Industrial Technology,<br />
Consumer Goods sowie Energy and<br />
Building Technology gliedern. Mit rund<br />
360.000 Mitarbeitern umfasst sie heute<br />
die Robert Bosch GmbH und ihre circa 440<br />
Tochter- und Regionalgesellschaften in<br />
rund 60 Ländern. Inklusive Vertriebspartner<br />
ist Bosch in etwa 150 Ländern vertreten.<br />
Dieser weltweite Entwicklungs-,<br />
Fertigungs- und Vertriebsverbund ist die<br />
Voraussetzung für zukünftige Innovationen.<br />
Im Jahr 2014 meldete das Unternehmen<br />
weltweit fast 4.600 Patente an.<br />
Bosch begreift nachhaltiges unternehmerisches<br />
Handeln als einen festen Bestandteil<br />
seiner Unternehmensstrategie.<br />
Die Orientierung an Werten hat dabei<br />
eine tiefe Verwurzelung. So folgte das<br />
Unternehmen während seiner gesamten<br />
Entwicklung den Werten und ethischen<br />
Prinzipien seines Gründers Robert Bosch.<br />
Die Aktivitäten beziehen sich dabei <strong>im</strong><br />
Wesentlichen auf die Handlungsfelder<br />
Umwelt, Erzeugnisse, Mitarbeiter und<br />
Gesellschaft. Dies betrifft auch die Wertschöpfungskette,<br />
weshalb Bosch seine<br />
Kunden und Zulieferer mit einbezieht.<br />
Bedeutung der Lieferkette<br />
Strategisches Ziel der Bosch-Gruppe sind<br />
Lösungen für das vernetzte Leben. Mit innovativen<br />
und begeisternden Produkten<br />
und Dienstleistungen verbessert Bosch<br />
weltweit die Lebensqualität der Menschen.<br />
Diese technisch anspruchsvollen<br />
Produkte stellen nicht nur hohe Ansprüche<br />
an die Qualität der Vorprodukte<br />
und Zukaufteile, sondern auch an die<br />
Nachhaltigkeitsleistung der Lieferanten.<br />
Bei einem Einkaufsvolumen von fast<br />
25 Milliarden Euro werden in den rund<br />
290 Fertigungsstandorten täglich weltweit<br />
etwa 300 Millionen Teile angeliefert.<br />
Um die Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten<br />
bei den Zulieferern sicherzustellen,<br />
sind diese regulativ in Verträgen<br />
festgelegt und werden operativ gezielt<br />
durch Audits überprüft.<br />
Verträge<br />
Die Nachhaltigkeitsstandards, die Bosch<br />
von seinen Lieferanten erwartet, sind in<br />
den Einkaufsbedingungen festgeschrieben.<br />
Gefordert werden unter anderem<br />
die Einhaltung der Menschenrechte, das<br />
Recht auf Tarifverhandlungen, die Absage<br />
an Zwangs- und Kinderarbeit, die<br />
Vermeidung von Diskr<strong>im</strong>inierung bei<br />
Einstellungen und Beschäftigung, die<br />
Verantwortung für die Umwelt und die<br />
Verhinderung von Korruption. Zu Compliance<br />
heißt es beispielsweise: „Der<br />
Lieferant verpflichtet sich, die jeweiligen<br />
gesetzlichen Regelungen zum Umgang<br />
mit Mitarbeitern, Umweltschutz und<br />
Arbeitssicherheit einzuhalten und daran<br />
zu arbeiten, bei seinen Tätigkeiten nachteilige<br />
Auswirkungen auf Mensch und<br />
Umwelt zu verringern.“<br />
Nachhaltigkeit in der Lieferkette<br />
Regulativ<br />
Operativ<br />
Verträge<br />
Strategie und<br />
Weiterentwicklung<br />
Zusammenarbeit<br />
und Motivation<br />
Lieferantenverifikation<br />
und Audits<br />
100 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Die Grundlage für die Anforderungen<br />
an Lieferanten bilden die Grundsätze<br />
des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> mit den darin<br />
enthaltenen ILO-Kernarbeitsnormen und<br />
entsprechende Qualitätssicherungsvereinbarungen.<br />
Obwohl Bosch <strong>im</strong> Rahmen<br />
seiner Verträge nur Rechtsverhältnisse<br />
mit der ersten Ebene von Lieferanten hat,<br />
werden diese dazu angehalten, Nachhaltigkeitsaspekte<br />
auch bei den eigenen Lieferanten<br />
einzufordern und zu verfolgen.<br />
Strategie und Weiterentwicklung<br />
Auf der operativen Ebene prägen die von<br />
Bosch definierten Nachhaltigkeitsthemen<br />
die strategische Weiterentwicklung des<br />
Unternehmens und die Kooperation mit<br />
den Lieferanten. Intern und extern stellt<br />
das Unternehmen mit seinen Reportingund<br />
Dialogplattformen einen ständigen<br />
Informationsfluss zu nachhaltigkeitsrelevanten<br />
Themen sicher. Darüber hinaus<br />
wird die Belegschaft von Bosch für<br />
Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert und<br />
motiviert. Die Weiterentwicklung der<br />
eigenen Strategie und Vorgehensweise<br />
betreibt das Unternehmen in enger Zusammenarbeit<br />
mit den entsprechenden<br />
Verbänden und der Wissenschaft. Die<br />
Mitarbeit in Arbeitsgruppen und die<br />
Teilnahme an Veranstaltungen zu den<br />
verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen<br />
sorgen dabei für eine gewinnbringende<br />
Situation. Denn das Fachwissen von<br />
Bosch wird einerseits als willkommener<br />
Input geschätzt und andererseits erhält<br />
das Unternehmen aufschlussreiche Erkenntnisse<br />
zur eigenen Fortentwicklung.<br />
Dies kann dann wiederum in die Kooperation<br />
mit den Lieferanten einfließen.<br />
Zusammenarbeit und Motivation<br />
Großen Wert legt Bosch auf Managementsysteme.<br />
Daher haben alle Fertigungs-<br />
und Entwicklungsstandorte der<br />
Bosch-Gruppe Arbeitsschutzmanagementsysteme<br />
nach OHSAS 18001 und<br />
Umweltmanagementsysteme nach<br />
ISO 14001 <strong>im</strong>plementiert. Darüber hinaus<br />
verlangen wir von unseren rund 500<br />
Vorzugslieferanten ein Zertifikat nach<br />
ISO 14001 als Nachweis für die Einführung<br />
eines Umweltmanagementsystems.<br />
Die Einstufung zum Vorzugslieferanten<br />
in der Lieferantenpyramide erfolgt auf<br />
Basis zahlreicher Bewertungskriterien<br />
wie beispielsweise Technikkompetenz,<br />
Produkt- und Logistikkompetenz und<br />
Preis-Leistungs-Verhältnis. Vorzugslieferanten<br />
werden frühzeitig in Strategien<br />
und Entwicklungsprojekte einbezogen,<br />
sodass sie die Möglichkeit haben, sich<br />
für die Zukunft noch besser auszurichten.<br />
Bosch setzt daher vor allem auf<br />
langfristige Partnerschaften, die eine<br />
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
bei den Lieferanten ermöglichen.<br />
Lieferantenverifikation und Audits<br />
Integraler Bestandteil der Verifikation<br />
sind Audits, die Bosch nach einer Priorisierungs-Systematik<br />
bei den Lieferanten<br />
durchführt. Hierfür wurde eine spezielle<br />
Vorgehensweise entwickelt, welche die<br />
ganze Bandbreite der Nachhaltigkeit<br />
abdeckt. Qualifizierte Experten können<br />
sich somit ein ganzheitliches Bild des<br />
Nachhaltigkeitsniveaus des jeweiligen<br />
Lieferanten machen. Als Zielstellung<br />
für Bosch sind 1.000 solcher Audits <strong>im</strong><br />
Zeitraum von 2011 bis 2020 geplant. Gut<br />
ein Drittel des Weges ist bereits zurückgelegt.<br />
Im Kontext der Auditierung bietet<br />
Bosch seinen Lieferanten bei eventuellen<br />
Verbesserungspotenzialen entsprechende<br />
Hilfestellung an.<br />
Projekt zur Ressourceneffizienz<br />
Ein Beispiel der Kooperation mit Lieferanten<br />
war das ResQ-Projekt in China.<br />
Gemeinsam mit vier weiteren Unternehmen<br />
und der Unterstützung des<br />
Bundesministeriums für Bildung und<br />
Forschung hat Bosch <strong>im</strong> April 2012 das<br />
Pilotprojekt ResQ gestartet. Ziel war es,<br />
bei Lieferanten den Ressourceneinsatz<br />
zu opt<strong>im</strong>ieren. Auf Basis von umfangreichen<br />
Analysen erarbeiteten chinesische<br />
Lieferanten gemeinsam mit Spezialisten<br />
von Bosch Maßnahmen zur Opt<strong>im</strong>ierung<br />
des Ressourceneinsatzes. Parallel wurden<br />
die Manager und Mitarbeiter der<br />
chinesischen Lieferanten zum Thema<br />
Ressourceneffizienz und Arbeitssicherheit<br />
geschult.<br />
Fazit<br />
Eine wichtige Erkenntnis aus den Audits<br />
ist, dass ein aktives Vorgehen von Lieferanten<br />
bei den angesprochenen Themen<br />
mit einer hohen Qualität ihrer Produkte<br />
korreliert. Auch deswegen ist das Nachhaltigkeitsthema<br />
ein integraler Bestandteil<br />
<strong>im</strong> Beschaffungsprozess von Bosch.<br />
Einen zuverlässigen Lieferantenstamm,<br />
basierend auf gegenseitigem Vertrauen<br />
und langfristiger Kooperation, sieht das<br />
Unternehmen als Wettbewerbsvorteil.<br />
Auf diese Weise leistet Bosch auch einen<br />
Beitrag für die nachhaltige Entwicklung<br />
in den Ländern seiner Zulieferer.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
101
CiS<br />
CiS: Weil jede einzelne<br />
Verbindung zählt …<br />
Kabelkonfektionierung gehört in beste Hände, denn für eine rundum zuverlässige Funktion<br />
komplexer Systeme muss auf die Verkabelung absolut Verlass sein. Seit der Unternehmensgründung<br />
vor 40 Jahren übernehmen wir Verantwortung für Qualität und Zuverlässigkeit gegenüber<br />
unseren Mitarbeitern und Kunden. Die kontinuierliche Weiterentwicklung, Umweltschutz,<br />
Energieeffizienz und Werterhaltung sind seit vielen Jahren unser Ziel in allen Bereichen ...<br />
Von Doris Wöllner, CiS<br />
Die CiS-Gruppe ist ein inhabergeführtes<br />
mittelständisches Unternehmen mit<br />
Standorten in <strong>Deutschland</strong>, Tschechien<br />
und Rumänien.<br />
Seit über einem Jahr sind wir Mitglied<br />
des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> und haben uns<br />
aus tiefer Überzeugung verpflichtet, die<br />
zehn Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> in<br />
unsere Unternehmenskultur und das<br />
Tagesgeschäft zu integrieren. Wir freuen<br />
uns, dass sich die kulturelle Vielfalt der<br />
CiS-Gruppe <strong>im</strong> gesamten Unternehmen<br />
widerspiegelt; unsere Unternehmenskultur<br />
ist geprägt von Respekt und<br />
Wertschätzung. Werte wie Menschenrechte,<br />
Umweltschutz, Arbeitsnormen<br />
und Korruptionsbekämpfung spielen<br />
in unserem Unternehmen <strong>im</strong>mer schon<br />
eine wichtige Rolle. Seit vielen Jahren<br />
ist unser Code of Conduct (Verhaltenskodex)<br />
ein fester Bestandteil <strong>im</strong> gesamten<br />
Unternehmen.<br />
Unsere ganze Kraft für die<br />
Zuverlässigkeit der Produkte …<br />
Wir beschäftigen uns seit Jahrzehnten<br />
mit Kabelkonfektionierungen, Kabelgarnituren,<br />
Sondersteckverbinder und<br />
Systemtechnik und leisten somit einen<br />
funktionsentscheidenden Beitrag zu<br />
den Produkten unserer Kunden in den<br />
Bereichen Anlagen- und Maschinenbau,<br />
Elektrotechnik, Medizintechnik, Energie<br />
& Umwelttechnik, Sicherheitstechnik,<br />
Automotive u. v. a. mehr.<br />
Bereits in den 90er-Jahren haben wir<br />
in der CiS electronic begonnen, die zu<br />
diesem Zeitpunkt schon langjährigen<br />
Erfahrungen <strong>im</strong> Bereich der Qualität<br />
in einem Qualitätsmanagementsystem<br />
(QMS) aufzubauen und zu zertifizieren.<br />
Strategische Initiativen, die fester Bestandteil<br />
einer langfristigen strategischen<br />
Planung sind, helfen Verschwendung in<br />
unseren Prozessen zu vermeiden und<br />
stellen opt<strong>im</strong>ale Versorgungssicherheit<br />
in der gesamten Wertschöpfungskette<br />
102 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
sicher. Individuelle Lösungen, eigene<br />
Herstellung, ausgeprägte Flexibilität und<br />
zertifizierte Qualitätsprozesse sind dabei<br />
einige unserer anerkannten Vorteile.<br />
Sicherheit und Qualität …<br />
Im Sinne einer ständigen Verbesserung<br />
und Weiterentwicklung wird <strong>im</strong> Produktionswerk<br />
in Tschechien <strong>im</strong> Abstand von<br />
zwei Jahren regelmäßig ein WCA-Audit<br />
(Workplace Conditions Assesment) von einem<br />
unabhängigen Auditor durchgeführt.<br />
Ein WCA-Audit behandelt Themen wie<br />
• Zwangsarbeit, Diskr<strong>im</strong>inierung, Bedrohung<br />
und Belästigung, Missbrauch,<br />
Arbeitsverträge<br />
• Löhne, Sozialleistungen, Arbeitszeiten<br />
• Health & Safety = allgem. Arbeitssicherheit,<br />
Sicherheitsrisiken, Gefahrenstoffe<br />
• Managementsysteme (Audits, Korrekturmaßnahmen)<br />
• Umwelt, Abfallentsorgung und Luftemission<br />
Ein <strong>im</strong> Mai 2014 durchgeführtes WCA-<br />
Audit stellte fest, dass die Arbeitsplätze<br />
und Arbeitskonditionen wie Arbeitssicherheit,<br />
Löhne und Arbeitszeit, Gesundheit<br />
und Sicherheit sowie das Managementsystem<br />
und das Umweltsystem<br />
deutlich über dem weltweiten Durchschnitt<br />
auf höchstem Niveau liegen.<br />
Hiernach bestätigt der unabhängige<br />
Auditor „Intertek“, dass unser Produktionsstandort<br />
in Tschechien von bisher<br />
weltweit 6.700 auditierten Unternehmen<br />
mit einem Toprating zu den mitarbeiterfreundlichsten<br />
Unternehmen zählt. Der<br />
Durchschnitt aller bisher auditierten<br />
Unternehmen liegt bei 87 von 100 erreichbaren<br />
Punkten; in der Elektronik-<br />
und Elektroindustrie, in der CiS tätig<br />
ist, bei 74 Punkten. Mit dem Ergebnis<br />
von 100 % „Overall“ n<strong>im</strong>mt CiS einen<br />
weltweit führenden Platz ein.<br />
Als mittelständisches Unternehmen sind<br />
wir auf kompetente und begeisterungsfähige<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
angewiesen. So ist die Gesundheit unserer<br />
Mitarbeiter unser höchstes Gut. Wir<br />
fördern und unterstützen die Gesundheit<br />
unserer Mitarbeiter durch regelmäßige<br />
physiotherapeutische Massagen und<br />
ärztliche Untersuchungen. Es ist selbstverständlich,<br />
dass in keinem Raum geraucht<br />
wird.<br />
Alle technischen Geräte und Maschinen<br />
werden in Bezug auf die technische Sicherheit<br />
überwacht. CiS gewährleistet<br />
die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz<br />
an allen Arbeitsplätzen und<br />
erfüllt alle diesbezüglichen nationalen<br />
Best<strong>im</strong>mungen. Alle Mitarbeiter sind aufgefordert,<br />
an der ständigen Verbesserung<br />
der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes<br />
aktiv mitzuarbeiten. So<br />
tolerieren wir keinerlei Beschäftigung,<br />
die durch Zwang erreicht wurde. Der<br />
Einsatz von körperlicher Bestrafung, die<br />
mentale oder physische Nötigung sowie<br />
der verbale Missbrauch in der gesamten<br />
Supply Chain sind verboten.<br />
Für den gesamten Bereich Umweltschutz,<br />
Arbeitssicherheit und Brandschutz haben<br />
wir verantwortliche, kompetente<br />
Ansprechpartner. Eine regelmäßige Überprüfung<br />
und Sicherstellung aller Maßnahmen<br />
findet kontinuierlich durch den Sicherheitsbeauftragten<br />
des Unternehmens<br />
statt. Schulungen neuer Mitarbeiter zu<br />
Arbeits- und Unternehmensgrundsätzen<br />
finden an allen Firmenstandorten statt.<br />
Mit der Gründung der 1. Meisterschule<br />
Isergebirge in Zusammenarbeit mit der<br />
Technischen Universität Liberec bieten<br />
wir unseren Produktionsmitarbeitern<br />
und auch Mitarbeitern anderer Unternehmen<br />
die Möglichkeit zur qualifizierten<br />
Weiterbildung.<br />
CO 2<br />
-neutral aus Überzeugung<br />
Gesunde Wirtschaft und ein gesundes<br />
Kl<strong>im</strong>a gehören für CiS zusammen. Aus<br />
dieser Überzeugung heraus engagiert<br />
sich CiS als aktives Fördermitglied der<br />
„Welt-Wald-Kl<strong>im</strong>a-Initiative“ des Senats<br />
der Wirtschaft e. V.<br />
Damit stellen wir uns der Verantwortung<br />
für die Zukunft. Mit ganz konkreten<br />
Ergebnissen. Die CiS electronic GmbH<br />
arbeitet als erster Kabelkonfektionär<br />
kl<strong>im</strong>aneutral – die CO 2<br />
-Emissionen aller<br />
deutschen Standorte werden durch ein<br />
bereits realisiertes Wiederaufforstungsprojekt<br />
in Panama CO 2<br />
-neutral gestellt.<br />
Nachweislich und zertifizierbar.<br />
Parallel dazu arbeiten wir intensiv an<br />
einer übergreifenden Reduzierungsstrategie,<br />
die in den nächsten Jahren<br />
für die gesamte CiS-Gruppe umgesetzt<br />
werden soll. Die Eckpunkte Umweltverantwortung,<br />
Energieeffizienz und<br />
CO 2<br />
-Neutralität definieren dabei auch<br />
unsere Ansprüche an die Lieferkette und<br />
bei unserer Produktauswahl. Zur Erreichung<br />
der Zielsetzung Energieeffizienz<br />
und CO 2<br />
-Neutralität investieren wir in<br />
die Weiterbildung von Mitarbeitern zum<br />
„European Energy Manager“. Wir sind<br />
überzeugt, das spezifische Know-how<br />
kann helfen, den Energieverbrauch des<br />
Unternehmens intelligent und zukunftsorientiert<br />
weiter zu reduzieren.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
103
Drei Elemente<br />
Multiplikator für nachhaltig<br />
engagierte Unternehmen<br />
Soziales Engagement zeigen oder gar eine CSR-Zertifizierung anstreben – lohnt sich das für<br />
kleine Unternehmen? Wegen des zu erwartenden hohen Arbeitsaufwandes und der Kosten<br />
schrecken viele davor zurück. Nicht so die Kommunikations-Agentur Drei Elemente aus Bochum.<br />
„Man muss nicht groß sein, um Größe zu zeigen“, sagt Geschäftsführer Dietmar Bramsel. Er<br />
hat sein Unternehmen auf den Prüfstand gestellt und nach CSR-Richtlinien zertifizieren lassen.<br />
Dabei hat er ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Hiervon profitieren jetzt auch die Kunden.<br />
Drei Elemente berät mittelständische und international agierende Unternehmen bei vielfältigen<br />
Fragestellungen zu den Themen Nachhaltigkeit und soziales Engagement. Die Agentur<br />
gibt ihr Wissen weiter und ist ein vielgefragter Multiplikator.<br />
Das Bestreben, nachhaltig in der Gesellschaft<br />
aufzutreten, ist bei Drei Elemente<br />
tief verwurzelt. Neben dem persönlichen<br />
Engagement von Dietmar Bramsel für<br />
Organisationen wie dem Kinderhilfswerk<br />
Plan sensibilisiert das Unternehmen auch<br />
die Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden<br />
für die gesellschaftliche Verantwortung.<br />
So engagieren sich Mitarbeiter auch<br />
außerhalb der Arbeitszeiten für den<br />
Verein Kinderlachen. „Mit Kunden und<br />
Lieferanten errichten wir Joint Ventures,<br />
um <strong>im</strong> öffentlichen Raum sozial nachhaltig<br />
zu agieren. So können wir etwas<br />
zurückgeben“, sagt Sebastian Pasuto,<br />
stellvertretender Geschäftsführer der<br />
Agentur. „In der Nachkriegszeit engagierte<br />
sich beispielsweise die Organisation<br />
Plan auch in <strong>Deutschland</strong> und versorgte<br />
tausende Flüchtlingskinder mit Nahrung,<br />
Kleidung und Medikamenten.“ Über<br />
Plan hat Drei Elemente Patenschaften<br />
für Kinder aus Kambodscha und Ghana<br />
übernommen und kann diese passgenau<br />
mit Geld- und Sachspenden unterstützen.<br />
Aus seinem Verständnis heraus, dass die<br />
globalisierte Entwicklung von Märkten<br />
104 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
und Handelsbeziehungen letztlich allen<br />
Wirtschaftsräumen und Gesellschaften<br />
zugute kommen soll, ist Drei Elemente<br />
dem <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> beigetreten.<br />
Armut findet auch vor der eigenen Haustür<br />
statt. So leben zum Beispiel in Dortmund<br />
rund 24.000 Kinder unter 15 Jahren<br />
in Armut. Viele von ihnen haben noch<br />
nie in einem eigenen Bett geschlafen.<br />
Deswegen unterstützt Drei Elemente den<br />
Verein Kinderlachen, der mit der Aktion<br />
„Jedem Kind sein eigenes Bett“ mittlerweile<br />
über 200 Dortmunder Kindern zu einem<br />
eigenen Schlafplatz verhelfen konnte.<br />
Kinderlachen unterstützt darüber hinaus<br />
schwerstkranke Kinder in Kinderkliniken,<br />
Kinderhospizen, Kindertagesstätten und<br />
Kindergärten sowie Einrichtungen, die<br />
von der öffentlichen Sparwelle betroffen<br />
sind.<br />
Drei Elemente engagiert sich aber nicht<br />
nur monetär für den Verein. Die Agentur<br />
hat den Markenauftritt von Kinderlachen<br />
professionalisiert und arbeitet an der<br />
Corporate Identity und dem Corporate<br />
Design des Vereins. Die jährlich stattfindende<br />
Kinderlachen-Gala, die zu den zehn<br />
größten Charity-Events in <strong>Deutschland</strong><br />
zählt, wird per Livestream aus der Dortmunder<br />
Westfalenhalle übertragen. Auch<br />
diese Leistung übern<strong>im</strong>mt Drei Elemente<br />
unentgeltlich.<br />
Um sein Engagement zu überprüfen, hat<br />
sich Drei Elemente der Zertifizierung<br />
bei EcoVadis unterzogen und wurde<br />
für seine Arbeit belohnt: Die Agentur<br />
erreichte be<strong>im</strong> Corporate Social Responsibility<br />
Audit 68 Punkte und wurde<br />
mit dem Gold-Siegel ausgezeichnet. Nur<br />
neun Prozent der von EcoVadis weltweit<br />
geprüften Unternehmen erreichen eine<br />
Bewertung von mehr als 60 Punkten.<br />
Im Bereich Advertising and market research<br />
gehört Drei Elemente sogar zu<br />
den besten zwei Prozent.<br />
Eine CSR-Zertifizierung ist nicht das<br />
entscheidende Kriterium, ob Drei Elemente<br />
für einen Kunden arbeitet oder<br />
nicht, aber die Agentur lebt soziales<br />
Engagement vor und möchte seine Kunden<br />
entsprechend dafür sensibilisieren.<br />
„Doch regelmäßig kommen auch Unternehmen<br />
mit genau diesem Wunsch<br />
nach Unterstützung auf uns zu“, sagt<br />
Dietmar Bramsel. Das Bewusstsein von<br />
Kunden und Investoren für die Einhaltung<br />
ethischer Grundsätze wächst <strong>im</strong>mer<br />
weiter, und diesem Umstand sollten<br />
Unternehmen Rechnung tragen. Früher<br />
wurde bei Zulieferern häufig nur auf<br />
das Produkt geachtet, nicht aber auf den<br />
Prozess der Fertigung. Dabei sagen die<br />
Produktionsprozesse ebenso viel über ein<br />
Unternehmen aus wie das Produkt selbst.<br />
Heute ist es nicht mehr genug, dass Unternehmen<br />
die Gesetze und Vorschriften<br />
<strong>im</strong> Produktionsland <strong>im</strong> geringst möglichen<br />
Umfang beachten. Das spiegelt<br />
sich vor allem <strong>im</strong> Kaufverhalten wider:<br />
Der Preis ist nicht mehr allein maßgeblich.<br />
Konsumenten treffen Kaufentscheidungen<br />
viel häufiger aufgrund von<br />
nachhaltigen Kriterien. Daher sollen<br />
und müssen Unternehmen verstärkt<br />
sozial verantwortlich agieren und in<br />
der Lage sein, ihre eigene Lieferkette<br />
entsprechend der lokalen Gesetze und<br />
internationalen Standards zu überwachen<br />
und zu verwalten. Ebenso müssen<br />
sie sicherstellen, dass ihre Hersteller<br />
und Lieferanten die gleichen Normen<br />
einhalten. Drei Elemente hat deshalb<br />
einen Verhaltenskodex für seine Zulieferer<br />
aufgesetzt, den diese unterzeichnen<br />
müssen. Das betrifft Druckereien,<br />
Messebauer oder Serverbetreiber, wie<br />
auch alle produzierenden Gewerbe, etwa<br />
Hersteller von Umverpackungen oder<br />
Textilien. „Gerade <strong>im</strong> Promotion-Bereich<br />
geht es um jeden Cent. Aber auch hier<br />
gibt es Unternehmen, die sich ganz auf<br />
nachhaltige Produktion spezialisiert haben.<br />
Sie haben erkannt, dass der Markt<br />
sich verändert hat“, erläutert Bramsel.<br />
Eine Zertifizierung ist daher eine wichtige<br />
Vertrauen stiftende Maßnahme. „Wir<br />
helfen unseren Kunden, den Weg dorthin<br />
erfolgreich zu beschreiten“, so Bramsel.<br />
„Viele Unternehmen engagieren sich in<br />
vielfältigen Projekten, ohne dass etwas<br />
nach außen oder sogar nicht einmal<br />
intern kommuniziert wird. Hier helfen<br />
wir. Einigen Unternehmen fehlt schlicht<br />
der Glaube daran, dass das, was sie tun,<br />
wirklich gut ist. Wir wussten damals<br />
nicht, wie der Zertifizierungsprozess für<br />
uns ausgehen würde. Was man braucht,<br />
ist eine Kombination aus Aufwand und<br />
Mut.“<br />
Vor allen Dingen aber sorgt Drei Elemente<br />
dafür, die Projekte richtig zu kommunizieren.<br />
Unternehmen können und sollen<br />
schließlich geschäftlich davon profitieren.<br />
Ob die Botschaft alle Stakeholder<br />
erreicht, hängt vor allem von der Wahl<br />
der richtigen Kommunikationskanäle ab.<br />
Dabei gilt es, das Potenzial der verzahnten<br />
Online- und Offline-Kommunikation<br />
erfolgreich zu nutzen und strategisch<br />
einzusetzen. „Wir können hier die ganze<br />
Klaviatur bedienen, ob Mobile Apps, ob<br />
Social Media Marketing, ob klassische<br />
PR-Arbeit und vieles mehr“, sagt Bramsel.<br />
Die Agentur erreicht über verschiedenste<br />
Kanäle ein riesiges Netzwerk von über<br />
drei Millionen Lesern und Usern. So arbeitet<br />
Drei Elemente meinungsbildend<br />
und wirkt als gewichtiger Multiplikator.<br />
Nicht zuletzt fördern Unternehmen mit<br />
der Zertifizierung ein stabiles Umfeld für<br />
ihre Aktivitäten und sichern sich die Loyalität<br />
und Motivation ihrer Mitarbeiter.<br />
Agentur-Chef Dietmar Bramsel bestätigt:<br />
„Bei uns ist durch die Zertifizierung eine<br />
ganz neue Dynamik entstanden. Das<br />
soziale Engagement hat einen höheren<br />
Stellenwert in der Unternehmenskultur<br />
eingenommen, als es ohnehin schon<br />
hatte.“<br />
Drei Elemente: Dietmar Bramsel,<br />
Geschäftsführer (links), Sebastian Pasuto,<br />
stellvertretender Geschäftsführer (rechts)<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
105
JKL Kunststoff Lackierung<br />
Nachhaltigkeit bei einem<br />
mittelständischen Unternehmen<br />
Die JKL Kunststoff Lackierung GmbH, Produktionsunternehmen der Automobilzulieferindustrie<br />
vor den Toren Dresdens, ist Oberflächenspezialist und als Lieferant der 2. und 3. Ebene in der<br />
deutschen Automobilzulieferstruktur seit 15 Jahren anerkannt und etabliert. Nachhaltigkeit<br />
spielt <strong>im</strong> Unternehmen eine große Rolle: Für die Geschäftsleitung der JKL ist eine ganzheitliche<br />
Sichtweise und ein breites Engagement entscheidend.<br />
Von Hans Jürgen Kagerer, JKL<br />
Bei der internen Diskussion, ob eine<br />
Teilnahme am <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> bei unserer<br />
Firmengröße und nun in der Folge<br />
eine Veröffentlichung <strong>im</strong> Jahrbuch des<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>Deutschland</strong> „angemessen“<br />
sei, wurde diese Frage <strong>im</strong> Kreis der<br />
Führungskräfte spontan bejaht.<br />
Wie interpretieren wir Nachhaltigkeit?<br />
In erster Linie meinen wir damit umwelt-<br />
und verantwortungsbewusstes<br />
Handeln und Wirtschaften, den Einsatz<br />
nachwachsender Rohstoffe sowie die<br />
Verwendung und Erstellung von langlebigen<br />
Produkten. Wenn ein Produkt<br />
seine Lebenszeit erreicht hat, sollte man<br />
die Rohstoffe wiederverwenden, also<br />
recyceln können, um keine Energie und<br />
Ressourcen zu vergeuden.<br />
Wenn man ehrlich ist, bedeutet die weitgehende<br />
Beachtung all dieser Forderungen,<br />
dass wir unser Wirtschaftssystem,<br />
unseren Lebensstil und unsere Gewohnheiten<br />
radikal umstellen müssten. Ist das<br />
realistisch? Wir denken, ja!<br />
Gerade unser Unternehmen, das aufgrund<br />
seiner Kern-Geschäftstätigkeit<br />
– der Lackierung von Kunststoffformteilen<br />
– oberflächlich betrachtet eher als<br />
umweltschädigender Betrieb eingestuft<br />
wird, soll sich also mit dem Thema Nachhaltigkeit<br />
und Ganzheitlichkeit auseinandersetzen?<br />
Eine berechtigte Frage,<br />
und ich kann die kritische Sichtweise<br />
nachvollziehen. Vielleicht auch gerade<br />
deswegen haben wir uns bei JKL in den<br />
vergangenen 15 Jahren viele Gedanken<br />
hierzu gemacht, auch wenn es <strong>im</strong> Alltagsgeschäft<br />
oft schwerfällt, Ressourcen<br />
für diesen Bereich freizuhalten.<br />
Einbindung der Führungskräfte<br />
Die Geschäftsleitung hat sich aus diesen<br />
Gründen schon vor vielen Jahren<br />
entschlossen, dieses Thema selbstverantwortlich<br />
zu behandeln. Voraussetzung<br />
dazu war ein konsequenter Auf bau der<br />
Mitarbeiter- und Führungssystematik,<br />
106 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
die es der Leitung erlaubte, Zeit für diese<br />
wichtige Aufgabe einzuplanen. Erste<br />
wichtige Schritte dafür waren die Erarbeitung<br />
von Leitlinien der Führungskräfte<br />
durch diese selbst und die Formulierung<br />
einer Nachhaltigkeitserklärung. Das war<br />
besonders wirkungsvoll, weil durch intensive<br />
Einbeziehung nichts von oben verordnet<br />
wurde und sich die Führungskräfte<br />
persönlich einbringen und die Erklärung<br />
somit inhaltlich vertreten konnten.<br />
Wir haben von Anfang an Wert auf eine<br />
mit Blick auf die Altersstruktur gut gemischte<br />
Belegschaft gelegt. So nutzen<br />
wir sowohl die jugendliche Dynamik<br />
als auch die Erfahrung der Älteren. Ein<br />
gutes Gleichgewicht der Geschlechter<br />
stellt eine weitere wichtige Basis dar.<br />
Auch der Ausbildungshintergrund spielt<br />
eine wichtige Rolle: Typischerweise werden<br />
in unserer Produktion Mitarbeiter<br />
aus vielen verschiedenen Ausbildungsberufen<br />
in die Abläufe eingebunden.<br />
Leitung und Führungskräfte haben zum<br />
Teil einen akademischen Background<br />
und werden operativ verstärkt durch<br />
Mitarbeiter, die sich „hochgearbeitet“<br />
haben. So bleiben Entscheider nah an der<br />
Praxis, und es werden Änderungen und<br />
Verbesserungen in gutem Verständnis<br />
zur Basis erreicht.<br />
Ganzheitliches Denken<br />
Manche, die bis hierher gelesen haben,<br />
fragen sich jetzt vielleicht, was hat das<br />
alles mit dem <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> und Nachhaltigkeit<br />
zu tun?<br />
Wir sind überzeugt, wenn die hier beschriebenen<br />
grundlegenden Strukturen<br />
nicht vorhanden und st<strong>im</strong>mig sind, wird<br />
die Umsetzung einer nachhaltigen Unternehmensphilosophie<br />
schwerlich gelingen.<br />
Dies ist für uns keine rein akademische<br />
Frage, sondern es spiegelt unser<br />
ganzheitliches Denken wider, gepaart<br />
mit neuen Ideen, gut durchdachter Systematik<br />
und dem ständigen Bemühen, die<br />
Motivation der Mitarbeiter zu st<strong>im</strong>ulieren<br />
und hochzuhalten. Das gelingt nicht<br />
<strong>im</strong>mer, aber <strong>im</strong>mer wieder schaffen wir<br />
es, mit den Herausforderungen unserer<br />
Branche fertigzuwerden und unsere<br />
Belegschaft dabei mitzunehmen.<br />
Wie versuchen wir nun konkret in der<br />
alltäglichen Arbeit, die Ideen des <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> realitätsnah umzusetzen?<br />
Zum einen indem wir bestrebt sind, täglich<br />
besser zu werden. Dies bedeutet,<br />
dass wir täglich die Resultate unserer<br />
Produktion auswerten und sofort daraus<br />
gewonnene Erkenntnisse umsetzen. Seit<br />
Jahren haben wir durch diese ständigen<br />
Verbesserungsprozesse unsere First-Run-<br />
Quoten enorm verbessert. So realisieren<br />
wir nicht nur einen guten wirtschaftlichen<br />
Ertrag für das Unternehmen, wir<br />
verbrauchen viel weniger Ressourcen<br />
durch das Einsparen von Kunststoffrohteilen,<br />
Beschichtungsmaterialien sowie<br />
Hilfs- und Betriebsstoffen.<br />
Kollegiales Miteinander<br />
In den letzten Jahren konnten wir auf<br />
diese Art durch verschiedene Eigenentwicklungen<br />
unseres technischen Teams<br />
die Verbräuche vieler Produktionsmaterialien<br />
merklich reduzieren.<br />
Dies ist nachhaltig: Was nicht verbraucht<br />
wird, muss nicht produziert werden<br />
und spart Rohstoffe und Energie und<br />
somit Kosten.<br />
Qualität zahlt sich also aus. Qualität<br />
ist aber nur mit motivierten und engagierten<br />
Mitarbeitern möglich. Wir bei<br />
JKL setzen dabei nicht auf ein kompliziertes<br />
Vorschlagswesen, um nur über<br />
Prämien Verbesserungen zu generieren.<br />
Wir erreichen dies durch eine gute und<br />
vertrauensvolle Zusammenarbeit, die<br />
die Identifikation mit unserem Unternehmen<br />
so gestärkt hat, dass die Kollegen<br />
von sich aus aufmerksam sind und<br />
Vorschläge unterbreiten. Wir honorieren<br />
dies, indem wir sehr offen und individuell<br />
mit den Bedürfnissen unserer<br />
Mitarbeiter umgehen.<br />
Fairness auch bei<br />
Geschäftsbeziehungen<br />
Ein wesentlicher Aspekt einer nachhaltigen<br />
Unternehmensführung und Unternehmensentwicklung<br />
liegt auch <strong>im</strong><br />
Umgang mit Kunden und Lieferanten.<br />
Uns ist sehr bewusst, dass Geschäftsbeziehungen<br />
von Menschen aufgebaut<br />
und gepflegt werden. Deshalb muss der<br />
Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen. Kein<br />
„Erfolg“ dieser Welt ist gerechtfertigt,<br />
wenn dafür Menschen ausgebeutet<br />
und die Bedürfnisse von Mitarbeitern<br />
missachtet werden. Genauso wie kein<br />
„Erfolg“ die Ausbeutung und Zerstörung<br />
der Natur rechtfertigt. Gerade in<br />
<strong>Deutschland</strong> haben wir die wirtschaftliche<br />
Kraft und alle Möglichkeiten, dies<br />
vorzuleben. Es ist die Zeit, mutig zu<br />
sein, um anders als bisher zu handeln.<br />
Die Grundsätze des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
helfen uns bei der Orientierung. Diese<br />
Grundphilosophie verbinden wir<br />
mit einer bodenständigen Sicht- und<br />
Handlungsweise, um Veränderungen<br />
anzustoßen und für uns und die Welt<br />
eine gute Zukunft zu sichern.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
107
K+S<br />
Nachhaltigkeitsmanagement<br />
bei K+S<br />
Für die K+S Gruppe bedeutet nachhaltige Entwicklung Zukunftsfähigkeit. Im Rahmen unseres<br />
Nachhaltigkeitsmanagements identifizieren und bewerten wir relevante Themen und gesellschaftliche<br />
Trends frühzeitig und systematisch, ob sie in unsere Managementprozesse einzubeziehen<br />
sind. Das hilft, bestehendes Geschäft zu fördern, neue Geschäftschancen zu ergreifen<br />
und Risiken zu min<strong>im</strong>ieren. Die Erfahrung zeigt, dass sich nachhaltige Unternehmensführung<br />
auszahlt.<br />
Von Britta Sadoun, K+S<br />
Im September <strong>2015</strong> ist die K+S Gruppe<br />
dem UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> beigetreten, um<br />
so die Unterstützung der zehn Prinzipien<br />
in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen,<br />
Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung<br />
deutlich zu machen.<br />
Bei K+S spiegeln sich diese bereits in den<br />
Grundwerten und Prinzipien, die für alle<br />
Mitarbeiter der K+S Gruppe verbindlich<br />
sind, wider. In der Mission des Unternehmens<br />
ist verankert, dass wir nachhaltigen<br />
wirtschaftlichen Erfolg erzielen wollen<br />
und bei unserem unternehmerischen<br />
Handeln auch die damit verbundenen<br />
sozialen und ökologischen Aspekte berücksichtigen.<br />
Erfolgsorientierung und<br />
Verantwortung gehören zusammen:<br />
Wird beides zugleich angestrebt, nützt<br />
dies sowohl dem Unternehmen als auch<br />
der Gesellschaft.<br />
Der Beitritt zum <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist ein<br />
Element der Strategie zum Umgang mit<br />
Nachhaltigkeitsthemen. Im konkreten<br />
Arbeitsprogramm, dem „Fahrplan Nachhaltigkeit“,<br />
werden die wesentlichen<br />
gruppenweiten Nachhaltigkeitsthemen<br />
in einem systematischen Prozess identifiziert<br />
und bewertet. Nachdem der Vorstand<br />
das Vorgehen beraten und bestärkt<br />
hat, wurden in einem gemeinschaftlichen<br />
Prozess unter Einbeziehung der<br />
108 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
relevanten Akteure aus dem Unternehmen<br />
und nach detaillierter Analyse von<br />
Informationen zahlreicher externer<br />
Stakeholdergruppen die wesentlichen<br />
Themen identifiziert.<br />
Nachhaltigkeit stärkt die Offenheit gegenüber<br />
Veränderungen und bietet damit<br />
Chancen, die unternehmerischen<br />
Perspektiven zu erweitern. Sehr intensiv<br />
beobachten wir beispielsweise das<br />
Thema „Welternährung“. Immer noch<br />
haben weltweit ungefähr 800 Millionen<br />
Menschen keinen ausreichenden Zugang<br />
zu Nahrung, trotz der gemachten<br />
Fortschritte die absolute Anzahl der<br />
Hungernden zu reduzieren. Es bleibt<br />
also noch viel zu tun, um den Hunger zu<br />
besiegen. Die Sustainable Development<br />
Goals greifen das Thema erneut auf und<br />
halten es somit als eine Priorität auf der<br />
internationalen <strong>Agenda</strong>.<br />
Im Jahr 2013 hat die K+S KALI GmbH,<br />
ein Tochterunternehmen der K+S Gruppe,<br />
das Rohsalze gewinnt und zum Beispiel<br />
zu Düngemitteln veredelt, gemeinsam<br />
mit einem Partner, der „Sasakawa Africa<br />
Association“, das Projekt „Growth for<br />
Uganda“ gestartet. Ein Projektschwerpunkt<br />
liegt dabei <strong>im</strong> Wissenstransfer,<br />
denn häufig fehlt den Kleinbauern in<br />
Afrika das Fachwissen, wie sie die verfügbaren<br />
Ressourcen effizient einsetzen und<br />
so die Ernährung ihrer Familien sichern<br />
können. Die K+S KALI GmbH bringt über<br />
100 Jahre Forschungs- und Beratungserfahrung<br />
zur Pflanzenernährung ein. Das<br />
Links: In „Farmer Learning Platforms“<br />
(Ausbildungsplattformen) wird Wissen<br />
durch Demonstrationsversuche und Ausbildung<br />
vor Ort vermittelt.<br />
Wissen wird regelmäßig in Schulungen<br />
vor Ort nach dem Prinzip „Train the<br />
Trainer“ weitergegeben. Zwei Mitarbeiter<br />
von Sasakawa haben sich umfangreich<br />
in <strong>Deutschland</strong> weitergebildet.<br />
In zwei Provinzen <strong>im</strong> Norden Ugandas<br />
fahren geschulte Mitarbeiter zu den<br />
Bauern, um ihnen auf dem Feld zu erklären,<br />
wie sich die Kulturen unter einer<br />
bedarfsgerechten Pflanzenernährung<br />
entwickeln und wie sie die Bodenfruchtbarkeit<br />
langfristig erhalten können. Ziel<br />
ist es, allein innerhalb der ersten drei<br />
Projektjahre 50.000 Kleinbauern zu<br />
schulen. Der Erfolg kann sich sehen<br />
lassen: Durch die neuen Anbautechniken<br />
ist der Ernteertrag erheblich gesteigert<br />
worden. Zum einen wird die eigene<br />
Ernährungssicherheit verbessert, und<br />
zum andern können die Kleinbauern mit<br />
ihren Produktionsüberschüssen Handel<br />
betreiben.<br />
Im Rahmen von „Growth for Uganda“<br />
wird den Landwirten die Abnahme von<br />
Düngermischungen in kleinen Mengen<br />
zwischen zwei und fünfzig Kilogramm<br />
ermöglicht. Die Investition für<br />
die Pflanzennährstoffe als wichtigen<br />
Produktionsfaktor in der von Subsistenzlandwirtschaft<br />
geprägten Region<br />
bleibt überschaubar. Der Dünger kann<br />
gleich eingesetzt werden, und mit den<br />
maßgeschneiderten Düngermischungen<br />
bekommen die Landwirte zusätzlich<br />
Informationen zum idealen Düngungszeitpunkt,<br />
zur auszubringenden Menge<br />
und der Verteilung auf den Feldern.<br />
Um die Versorgung mit spezifischen<br />
Düngermischungen aufzubauen und<br />
die Vermarktung der Ernteprodukte zu<br />
ermöglichen, wurde ein neuer Partner<br />
gewonnen. Statt drei verschiedene Düngemittel<br />
zu beziehen, zu dosieren und<br />
auszubringen, können die Bauern auf<br />
bedarfsgerechte Mischungen zurückgreifen,<br />
die in einer neuen „bulk blend“<br />
Anlage hergestellt werden. In einer neu<br />
gebauten Siloanlage werden die Ernteprodukte<br />
gereinigt und können bis zur<br />
weiteren Vermarktung sicher gelagert<br />
werden. So bleibt die Qualität erhalten<br />
und es können außerhalb der Erntezeit<br />
höhere Preise erzielt werden, wovon indirekt<br />
auch die Kleinbauern profitieren.<br />
Das Projekt hat nach zwei Jahren Laufzeit<br />
dazu beigetragen, circa 35.000 bäuerliche<br />
Haushalte mit ausreichenden und<br />
besseren Ernteerträgen zu ernähren<br />
und ihnen eine Einkommensquelle zu<br />
erschließen. Gleichzeitig nutzt K+S die<br />
Möglichkeit, die Rahmenbedingungen<br />
speziell in Uganda und die Situation der<br />
Kleinbauern vor Ort kennenzulernen. So<br />
kann das Unternehmen neue Erkenntnisse<br />
über die lokalen Märkte gewinnen und<br />
sein Leistungsangebot langfristig besser<br />
an den Bedürfnissen und Potenzialen<br />
von Kleinbauern ausrichten, um so potenzielle<br />
Kundengruppen zu erschließen.<br />
Neben der praktischen Anwendung vor<br />
Ort engagiert sich K+S auch in der politischen<br />
Debatte. Wir erkennen aktuelle<br />
Diskussionen und bringen uns <strong>im</strong> Rahmen<br />
unserer Möglichkeiten und unter<br />
Beachtung der Regeln für politische<br />
Kommunikation und demokratische<br />
Entscheidungsprozesse dabei ein. Als<br />
internationales Rohstoffunternehmen<br />
mit über 125-jähriger Tradition denken<br />
und handeln wir langfristig.<br />
FUTURE FOOD FORUM:<br />
Zukunft der<br />
Welternährung<br />
K+S möchte den Austausch von<br />
Ideen und Strategien zur Bekämpfung<br />
des Hungers und zur langfristigen<br />
Sicherung der Welternährung<br />
fördern. Alle zwei Jahre <strong>im</strong> Vorfeld<br />
des Welternährungstages Mitte<br />
Oktober veranstaltet das internationale<br />
Rohstoffunternehmen deshalb<br />
ein FUTURE FOOD FORUM, das<br />
dringlichen Zukunftsfragen <strong>im</strong> Kontext<br />
von Bevölkerungswachstum<br />
und Welternährung eine Plattform<br />
gibt. Das Ziel ist ein aktiver Dialog<br />
mit zentralen nationalen wie internationalen<br />
Stakeholdern aus Politik,<br />
Wissenschaft und NGOs.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
109
macondo publishing<br />
CSR-Reporting einfach,<br />
effizient und zeitsparend<br />
Ab 2017 müssen kapitalmarktorientierte Organisationen mit mehr als 500 Mitarbeitern ihre ökonomischen,<br />
ökologischen und sozialen Kennzahlen offenlegen. Die entsprechende EU-Regelung<br />
bezieht sich auf Aktiengesellschaften, Finanzinstitute und Versicherungen. Zusätzlich müssen<br />
Betriebe in ihrer Rolle als Zulieferer Nachhaltigkeitsdaten bereitstellen, weil ihre Kunden sie für<br />
eine transparente Lieferkette benötigen. Damit der Prozess für die Unternehmen nicht zu der<br />
befürchteten personellen und zeitlichen Last wird, hat macondo publishing die neue Software<br />
„CSRmanager“ entwickelt. Mit ihrer Hilfe können die Betroffenen ihre CSR-Daten selbständig managen<br />
und nach internationalen Standards berichten.<br />
Von Sonja Scheferling, macondo publishing<br />
Nachdem Ende 2014 die EU-Berichtspflicht<br />
zu Nachhaltigkeitsaspekten verabschiedet<br />
worden ist, müssen die einzelnen<br />
EU-Mitgliedsstaaten bis Ende<br />
2016 die Richtlinie in nationales Recht<br />
umsetzen. Einhellig haben die Spitzenverbände<br />
der deutschen Wirtschaft den<br />
Vorschlag des Bundesministeriums für<br />
Justiz und Verbraucherschutz (BMJV)<br />
<strong>im</strong> Sommer <strong>2015</strong> abgelehnt, die CSR-<br />
Berichtspflicht in <strong>Deutschland</strong> auch auf<br />
kleinere Unternehmen anzuwenden. Zu<br />
groß seien die finanziellen und personellen<br />
Belastungen durch den Auf bau<br />
eines Berichtswesens.<br />
„Wir sind seit über 15 Jahren Vorreiter <strong>im</strong><br />
Bereich innovativer CSR-Kommunikation<br />
und wissen, wie komplex und zeitaufwändig<br />
der Reporting-Prozess für Unternehmen<br />
und die dafür Verantwortlichen<br />
sein kann“, erklärt Dr. Elmer Lenzen.<br />
„Aus diesem Grund war es für uns nur<br />
logisch, eine Software zu entwickeln, die<br />
ihren Alltag vereinfacht.“ Daher sind alle<br />
Funktionen von CSRmanager so gestaltet,<br />
dass Unternehmen einfach, effizient und<br />
zeitsparend ihren Nachhaltigkeitsbericht<br />
erstellen können.<br />
Funktionen von CSRmanager<br />
Nutzer von CSRmanager können den<br />
Report individuell nach den unternehmensinternen<br />
Wesentlichkeitskriterien<br />
konfigurieren. Dadurch entscheiden sie<br />
selbständig, über welche Handlungsfelder<br />
berichtet wird. Als Hilfe blendet die<br />
Software branchenbasierte Empfehlungen<br />
ein, die sich an den aktuellen Forderungen<br />
der Kapitalmärkte orientieren.<br />
Damit unterstützt das Tool gerade jene<br />
Betriebe, die keine eigene Materialitätsanalyse<br />
durchgeführt haben und unerfahren<br />
in der Thematik sind: „Der Nutzer<br />
kann mit seinem Bericht sofort starten,<br />
ohne sich vorab in die unterschiedlichen<br />
Regelwerke oder Vorgehensweisen des<br />
CSR-Reportings einzuarbeiten. Das haben<br />
wir ihm abgenommen“, so Lenzen weiter.<br />
So berücksichtigt das Tool alle wichtigen<br />
internationalen Reporting- und Ratingstandards.<br />
Dazu zählen etwa G4 der<br />
<strong>Global</strong> Reporting Initiative (GRI) in den<br />
Schwierigkeitsgraden core und comprehensive,<br />
der Fortschrittsbericht (CoP)<br />
des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> in den Anforderungsstufen<br />
Learner, Active und Advanced,<br />
der Deutsche Nachhaltigkeitskodex<br />
(DNK) und der ISO-26000-Standard. Hinzu<br />
kommen die Richtlinien der neuen<br />
EU-Direktive zu CSR, die Kennzahlen<br />
der Europäischen Finanzanalysten sowie<br />
die Sektorrisiken nach RobecoSAM:<br />
„Außerdem haben wir noch Indikatoren<br />
integriert, die das bürgerschaftliche Engagement<br />
der Unternehmen abbilden,<br />
die so aber nicht von den Standards<br />
abgefragt werden.“<br />
Die Anwendungsoberfläche von CSRmanager<br />
ist übersichtlich gestaltet, sodass<br />
sich auch Gelegenheitsnutzer schnell<br />
zurechtfinden und das Programm intuitiv<br />
bedienen können. Be<strong>im</strong> Bearbeiten<br />
der Fragen geben Informations-Buttons<br />
zusätzliche Erläuterungen, die zum besseren<br />
Verständnis der einzelnen Felder<br />
beitragen. Darüber hinaus hilft das Tool,<br />
die Arbeit des Reporting-Prozesses zu<br />
opt<strong>im</strong>ieren. Lenzen ergänzt: „Die Nutzer<br />
müssen nicht mehr verschiedene<br />
Tabellenkalkulationen, E-Mails, Word-<br />
Dokumente und PDFs vorrätig halten,<br />
um die Informationen für ihren Nachhaltigkeitsbericht<br />
zusammenzutragen. Alles,<br />
was die Nutzer für die Arbeit benötigen,<br />
ist sicher in unserem Rechenzentrum<br />
gespeichert und kann von überall aus<br />
abgerufen werden.“ Mithilfe einer integrierten<br />
Benachrichtigungsfunktion<br />
können außerdem E-Mails mit offenen<br />
Aufgaben an die am Reporting Beteiligten<br />
versendet werden, was wiederum in der<br />
Notizfunktion hinterlegt wird. So ist auf<br />
einen Blick ersichtlich, wer noch was für<br />
den Bericht zu erledigen hat.<br />
Treiber für CSR-Reporting<br />
Auch wenn CSR durch Vorgaben wie die<br />
EU-Berichtspflicht zunehmend ihren<br />
freiwilligen Charakter verliert, geht es<br />
be<strong>im</strong> CSR-Reporting mehr als nur um<br />
die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. So<br />
haben Betriebe jeder Größe, die Nachhaltigkeitskommunikation<br />
betreiben,<br />
Image- und Reputationsvorteile bei ihren<br />
Stakeholdern. Dazu gehören etwa Kunden<br />
und Investoren, die <strong>im</strong> Rahmen ihrer<br />
Due-Dilligence- oder Risikoprüfung die<br />
110 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Anzeoge<br />
®<br />
CSR einfach machen.<br />
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Anzeoge<br />
CSR einfach machen.<br />
Sie sind von der CSR-Berichtspflicht<br />
der EU<br />
®<br />
betroffen?<br />
Oder Sie wollen ihre Nachhaltigkeitsdaten<br />
gegenüber Ihren Stakeholdern berichten?<br />
Sie haben aber keine Zeit, komplexe<br />
Sie sind<br />
Richtlinien<br />
von der<br />
zu<br />
CSR-Berichtspflicht<br />
studieren?<br />
der EU betroffen?<br />
Und Sie wollen keine komplizierte<br />
Oder<br />
Software<br />
Sie wollen<br />
auf<br />
ihre<br />
Ihrem<br />
Nachhaltigkeitsdaten<br />
Rechner<br />
gegenüber<br />
installieren?<br />
Ihren Stakeholdern berichten?<br />
Sie haben aber keine Zeit, komplexe<br />
Richtlinien zu studieren?<br />
Und Sie wollen keine komplizierte<br />
Software auf Ihrem Rechner<br />
installieren?<br />
Dann haben wir für Sie<br />
die richtige Lösung!<br />
Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen<br />
miteinbeziehen. Des Weiteren<br />
spielt Nachhaltigkeitskommunikation<br />
auch <strong>im</strong> Bereich Personalmanagement<br />
eine wichtige Rolle, hilft sie einerseits<br />
die Identifikation der Mitarbeiter mit<br />
dem eigenen Unternehmen zu steigern.<br />
Andererseits verschafft sie Unternehmen<br />
be<strong>im</strong> Recruiting einen Vorteil, da gesellschaftlich<br />
verantwortlich handelnde<br />
Unternehmen eine größere Anziehung<br />
auf Bewerber haben.<br />
CSR-Reporting hat außerdem einen konkreten<br />
unternehmerischen Mehrwert.<br />
Diesen Aspekt, den viele mittelständische<br />
Unternehmen bis jetzt noch nicht<br />
ausreichend berücksichtigen, bildet<br />
CSRmanager durch das gezielte Abfragen<br />
der jeweiligen den Betrieben zugrunde<br />
liegenden Managementansätze ab:<br />
„Warum handelt das Unternehmen so?<br />
Welche Strategien und Ziele werden<br />
damit verfolgt?“, so Lenzen weiter. Damit<br />
fokussiert das Tool auf die interne Organisation<br />
der Nachhaltigkeitsprozesse.<br />
Der Mehrwert, der sich daraus ergibt,<br />
zeigt sich an folgendem Beispiel: Hat<br />
sich ein Betrieb zum Ziel gesetzt, umweltfreundlicher<br />
zu werden, kann er<br />
seine Performance durch das Sammeln<br />
und Messen der Daten, etwa für die<br />
Indikatoren Wasserverbrauch oder CO 2<br />
-<br />
Emission, quantifizierbar und überprüfbar<br />
machen. Der Wunsch, sich in diesen<br />
Bereichen zu verbessern, kann zu einem<br />
effizienteren Ressourcenverbrauch führen.<br />
Das wirkt sich nicht nur positiv auf<br />
die unternehmerische Umweltbilanz<br />
aus, sondern senkt gleichzeitig die Betriebskosten.<br />
Selbstständig fortbilden<br />
Nachhaltigkeit und CSR sind komplexe<br />
Themen, die erklärt sein wollen. Nutzer<br />
von CSRmanager erhalten deswegen<br />
einen kostenlosen Zugang zur Wissensplattform<br />
CSR Academy. Das Lernportal<br />
bietet Webinare und umfangreiches<br />
Hintergrundwissen zu Spezialthemen<br />
wie Umweltmanagement, Compliance<br />
oder Lieferkettenmanagement. Zeit- und<br />
kostenintensive Fortbildungen können<br />
so eingespart werden. Durch die Verbindung<br />
von Software und Learning-Tool<br />
möchte macondo publishing allen mittelständischen<br />
Betrieben, die entweder<br />
ihre CSR-Daten offenlegen müssen oder<br />
die CSR als unternehmerische Chance<br />
für sich entdeckt haben, den Einstieg<br />
in den Prozess erleichtern.<br />
Mit dem Softwaretool CSRmanager können Sie einfach, effizient<br />
und sicher Ihre Nachhaltigkeitsdaten managen, evaluieren und<br />
nach internationalen Standards reporten.<br />
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Die Daten werden auf einem<br />
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• Eine zertifizierte 256-Bit-Verschlüsselung<br />
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die deutsche und englische<br />
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• Eine zentrale Wartung garantiert<br />
die technische und inhaltliche<br />
Aktualität.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong><br />
111
TÜV Rheinland<br />
An einem Strang<br />
ziehen für mehr<br />
Nachhaltigkeit<br />
Ressourcenknappheit, die Folgen des Kl<strong>im</strong>awandels, die Kluft<br />
zwischen Arm und Reich – wir sind mit vielfältigen globalen<br />
Herausforderungen konfrontiert. Die Antwort darauf: eine<br />
nachhaltige Entwicklung, die gleichzeitig die Versorgung einer<br />
rapide wachsenden Weltbevölkerung garantiert und die Lebensgrundlagen<br />
zukünftiger Generationen sichert. Dabei n<strong>im</strong>mt die<br />
Wirtschaft eine zentrale Rolle ein, wie auch die vor Kurzem<br />
beschlossenen Sustainable Development Goals zeigen.<br />
Mit den neuen Ansprüchen der Nachhaltigkeitsstrategie stellt<br />
sich TÜV Rheinland zukunftsfähig auf, um zu einer nachhaltigen<br />
Gesellschaft beizutragen.<br />
Von Katharina Riese und Susanne Dunschen<br />
Im September <strong>2015</strong> haben die Vereinten<br />
Nationen die neue <strong>Agenda</strong> für nachhaltige<br />
Entwicklung mit den Sustainable Development<br />
Goals vorgestellt. Die <strong>Agenda</strong><br />
steckt den Rahmen dafür, welche ambitionierten<br />
Ziele die Weltgemeinschaft bis<br />
<strong>2030</strong> auf dem Weg zu einer nachhaltigeren<br />
Gesellschaft erreichen will, welche<br />
Themen adressiert werden müssen. Die<br />
Weltgemeinschaft – das sind zum einen<br />
natürlich alle Nationen dieser Erde, aber<br />
konkret eben auch die einzelnen Mitglieder<br />
dieser Nationen. Von Einzelpersonen<br />
über NGOs und Forschungsinstitute bis<br />
hin zu privatwirtschaftlichen Unternehmen.<br />
Für Unternehmen ist es daher <strong>im</strong>mer<br />
wichtiger, ihre Rolle <strong>im</strong> Transformationsprozess<br />
zu kennen und sich der an<br />
sie gestellten Ansprüche bewusst zu sein.<br />
Als international agierendes Unternehmen<br />
sieht sich auch TÜV Rheinland neben<br />
regulatorischen Vorgaben vielfältigen<br />
Ansprüchen an eine nachhaltige Unternehmensführung<br />
gegenübergestellt:<br />
Arbeitnehmer, und somit potenzielle<br />
Mitarbeiter unseres Unternehmens, achten<br />
beispielsweise in der Auswahl ihres<br />
Arbeitgebers verstärkt auf dessen Werte<br />
und Unternehmenskultur und die Bereitschaft,<br />
Verantwortung für Mitarbeiter,<br />
Gesellschaft und Umwelt zu übernehmen.<br />
Unsere Kunden legen zunehmend Wert<br />
auf CSR- und Compliance-Themen in<br />
ihren Ausschreibungen, und auch in<br />
der öffentlichen Beschaffung steigt der<br />
Bedarf an Informationen zu den beiden<br />
Themengebieten. Ein solcher Anspruch<br />
an verantwortungsvolles und vor allem<br />
transparentes unternehmerisches Handeln<br />
ist auch in der Öffentlichkeit, also<br />
bei Konsumenten, in den Medien und den<br />
Forderungen von NGOs zu beobachten.<br />
<strong>Global</strong>e Initiativen und Richtlinien wie<br />
etwa ISO 26000, GRI und der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
setzen dabei die Rahmenbedingungen<br />
für das Agieren des Unternehmens.<br />
Selbstverständlich reagieren wir nicht<br />
nur auf diese Impulse von außen, sondern<br />
stellen auch eigene, nicht weniger<br />
ambitionierte Ansprüche an uns: Unser<br />
Leitbild ist auf das Ziel ausgerichtet, der<br />
weltweit beste nachhaltige und unabhängige<br />
Dienstleistungskonzern für Prüfung,<br />
Inspektion, Zertifizierung, Beratung und<br />
Training zu sein.<br />
Unsere Nachhaltigkeitsstrategie 2020<br />
Mit ihren Handlungsfeldern in fünf<br />
D<strong>im</strong>ensionen trägt unsere Nachhaltigkeitsstrategie<br />
proaktiv dazu bei, unserem<br />
Ziel jeden Tag ein Stück näherzukommen.<br />
Die aus der Strategie abgeleiteten<br />
Nachhaltigkeitsziele und -maßnahmen<br />
richten wir konsequent an aktuellen<br />
Themen und Herausforderungen aus,<br />
denen sowohl wir aus unserer internen<br />
Perspektive als auch unsere Anspruchsgruppen<br />
besondere Relevanz be<strong>im</strong>essen.<br />
Die Schwerpunktthemen innerhalb der<br />
fünf D<strong>im</strong>ensionen unserer Nachhaltigkeitsstrategie<br />
bis 2020 haben wir daher<br />
<strong>im</strong> Jahr <strong>2015</strong> unter Beachtung einer<br />
Befragung des Vorstands sowie den Angaben<br />
unserer Mitarbeiter und weiterer<br />
Stakeholder zu den für TÜV Rheinland<br />
wesentlichen Themen angepasst:<br />
• Im Bereich der Governance schaffen wir<br />
u. a. durch unser Compliance-Management-System<br />
die Rahmenbedingungen<br />
für integres Handeln in der gesamten<br />
Organisation und schützen auf diese<br />
Weise das Vertrauen in die Marke TÜV<br />
Rheinland – einen unserer größten<br />
Vermögenswerte.<br />
• Mit unserem nachhaltigen Personalmanagement<br />
sichern und stärken wir einen<br />
unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren<br />
überhaupt: unsere Mitarbeiter. Unser<br />
Anspruch dabei ist ein wertschätzendes<br />
und sicheres Arbeitsumfeld.<br />
112 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2015</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Nachhaltigkeitsstrategie 2020<br />
Governance: Wir handeln integer.<br />
Compliance: Uneingeschränktes Bekenntnis zu integrem Handeln<br />
Mitarbeiter: Wir schätzen wert.<br />
Diversity: Einstehen für ein Arbeitsumfeld, das geprägt von Vielfalt<br />
und frei von Vorurteilen ist<br />
Arbeitssicherheit und Gesundheit: 0 Arbeitsunfälle<br />
Umwelt: Wir agieren bewusst.<br />
Energieverbrauch: Kontinuierliche Steigerung der Energieeffizienz<br />
Emissionen: Negativen Einfluss auf den Kl<strong>im</strong>awandel vermeiden<br />
Dienstleistungsverantwortung: Wir sind verlässlich.<br />
Dienstleistungsanspruch: Das Vertrauen in uns erhalten und stärken<br />
Gesellschaft: Wir geben zurück.<br />
Gemeinnütziges Engagement: Leisten eines messbaren gesellschaftlichen<br />
Beitrags<br />
In unserer überarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie 2020 haben wir klare Ansprüche formuliert, die uns leiten sollen.<br />
Beispielsweise haben wir als Instrument,<br />
um unsere Führungsebenen<br />
zu internationalisieren, die weltweite<br />
Young Professional Conference (YPC)<br />
ins Leben gerufen. Die Grundidee:<br />
Ausgewählte Talente aus der ganzen<br />
Welt diskutieren zwei Tage lang über<br />
die globalen Megatrends und ihre Bedeutung<br />
für TÜV Rheinland und können<br />
dabei ihr Entwicklungspotenzial<br />
unter Beweis stellen. Zur gezielten<br />
Förderung unserer Mitarbeiterinnen<br />
bieten wir ein Mentoringprogramm<br />
für künftige Fach- und Führungsfrauen<br />
an. Das Programm TAFF bringt seit Oktober<br />
2013 erfahrene Führungskräfte<br />
mit ambitionierten Mitarbeiterinnen<br />
in sogenannten Mentoringtandems<br />
zusammen, um gemeinsam die Weichen<br />
für eine erfolgreiche Fach- oder<br />
Führungskarriere bei TÜV Rheinland<br />
zu stellen.<br />
• Indem wir unseren Energie- und Ressourcenverbrauch<br />
effizienter gestalten,<br />
tragen wir nicht nur zum Schutz der<br />
Umwelt bei, sondern machen den Konzern<br />
effizienter und damit profitabler.<br />
• Im Rahmen unseres gesellschaftlichen<br />
Engagements setzen wir uns weltweit<br />
für faire Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />
sowie eine intakte Umwelt ein,<br />
fördern Bildung und Wissenschaft<br />
und tragen auf diesem Wege unseren<br />
Teil dazu bei, gesellschaftliche<br />
Rahmenbedingungen zu schaffen, die<br />
schließlich auch den wirtschaftlichen<br />
Erfolg befördern.<br />
Unter anderem durch die Veranstaltung<br />
von Freiwilligentagen in unseren<br />
weltweiten Gesellschaften – den<br />
„<strong>Global</strong> Volunteer Days“ – wollen wir<br />
etwas an die Gesellschaft zurückgeben.<br />
Die Teilnahme an einem Freiwilligentag<br />
bedeutet, für einen Tag<br />
von der Arbeit freigestellt zu werden,<br />
um in einem Team mit anderen TÜV-<br />
Rheinland-Mitarbeitern Gemeinden,<br />
gemeinnützige und wohltätige Organisationen<br />
zu unterstützen und so die<br />
lokale Entwicklung zu fördern.<br />
• Als bedeutender Multiplikator unterstützen<br />
wir unsere Kunden überall auf<br />
der Welt mit unseren Dienstleistungen<br />
darin, ihre Produkte und Prozesse<br />
effizienter, nachhaltiger und damit<br />
letztlich zukunftsfähig zu gestalten.<br />
Gemeinsam ans Ziel<br />
Unsere Nachhaltigkeitsstrategie 2020<br />
soll das Vertrauen unserer Kunden und<br />
unserer Mitarbeiter in uns erhalten und<br />
stärken und einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen<br />
Gesellschaft leisten. Glaubwürdiges<br />
nachhaltiges Handeln spielt in<br />
dem Prozess eine nicht ho