ZOOM NO Ausgabe 7/8 2015
Das besondere Magazin für den Düsseldorfer Norden
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›› Rhein-Report<br />
Baudenkmälern rechts und links seines<br />
Flusslaufs zu wanden.<br />
Die Rheinromantik wird oftmals als<br />
Reaktion der Künstler auf die beginnende<br />
Industrialisierung und ihre Folgen angesehen.<br />
Als Quelle in den schweizerischen<br />
Alpen entspringend, entwickelt sich der<br />
Rhein auf dem Weg Richtung Nordsee<br />
nicht nur zu einem geografisch und landschaftlich<br />
ansehnlichen Gewässer. Der<br />
Rhein ist auch gesellschaftlich wichtig,<br />
immerhin gibt er einer großen Region ihren<br />
Namen und prägt die Mentalität ihrer<br />
Millionen Einwohner – man denke z.B. an<br />
den „rheinischen Frohsinn“.<br />
NEUE WAHRNEHMUNG DER LANDSCHAFT<br />
Zu Beginn des 19. Jhdt. wurden Natur und<br />
Landschaften neu wahrgenommen. Daraus<br />
entwickelte sich das Konzept der „Erhabenen<br />
Natur“, die das reine Wilde und nicht<br />
mehr das Anmutige in den Vordergrund<br />
stellt, wie es Friedrich Schlegel beschreibt.<br />
Die Landschaften entlang des Rheins entsprechen<br />
genau dieser „Erhabenen Natur“.<br />
Die verklärten Landschaften mit ihren mittelalterlichen<br />
Burgen, schroffen, nackten<br />
Felsen und bewaldeten Hügeln stehen im<br />
Mittelpunkt der Rheinromantik. Sie spielen<br />
für die Dichter eine wichtige Rolle.<br />
INSPIRATIONSQUELLE NAMHAFTER<br />
DEUTSCHER DICHTER<br />
In Deutschland gilt das Jahr 1802 als Geburtsstunde<br />
der Rheinromantik. Damals<br />
unternahmen die befreundeten Dichter<br />
Clemens Brentano und Achim von Arnim<br />
eine Rheinreise, auf der sie unter anderem<br />
Volkslieder, Märchen und Sagen sammelten.<br />
Auch die berühmte Liedersammlung<br />
„Des Knaben Wunderhorn“ von Brentano<br />
und von Arnim entstand während dieser<br />
Reise. An die Fahrt erinnerte sich Brentano<br />
übrigens ein Jahr später in dem Gedicht<br />
„Es setzten zwei Vertraute“, in dem<br />
es heißt: „Es setzten zwei Vertraute / Zum<br />
Rhein den Wanderstab, / Der braune trug<br />
die Laute, / Das Lied der blonde gab.“<br />
Auch die Gebrüder August und Friedrich<br />
Schlegel, gehörten mit zu den Ersten,<br />
welche die Kulturlandschaft am Rhein mit<br />
besonderen Augen sahen. Den bürgerlich<br />
Intellektuellen schienen besonders<br />
das Mittelrheintal von Bingen bis Bonn<br />
mit den Ruinen ehemaliger Ritterburgen<br />
und kleinen Fischerdörfern als Inbegriff<br />
wilder Natur und großer Heldentaten zu<br />
gefallen. 1802 veröffentliche Friedrich<br />
Schlegel das Gedicht „Am Rheine“, das<br />
programmatisch für die Rheinromantik<br />
ist. In diesen Versen weint der Dichter<br />
» Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein,<br />
Wie ist es dir ergangen?<br />
Ich habe oft an dich gedacht<br />
Mit Sehnsucht und Verlangen.«<br />
So sprach ich, da hört ich im Wasser tief<br />
Gar seltsam grämliche Töne,<br />
Wie Hüsteln eines alten Manns,<br />
Ein Brümmeln und weiches Gestöhne:<br />
»Willkommen, mein Junge, das ist mir lieb,<br />
Daß du mich nicht vergessen;<br />
Seit dreizehn Jahren sah ich dich nicht,<br />
Mir ging es schlecht unterdessen.«<br />
(Aus Heinrich Heine „Deutschland ein Wintermärchen“)<br />
über „Felsen, so die Ritter sich erkoren“<br />
und über die „alten Mauern“, die „traurig<br />
aus dem Wasser ragen“: In dieser düsteren,<br />
fast mystischen Umgebung lebten<br />
früher – der Vergangenheitsbezug ist hier<br />
sehr wichtig – „hohe Helden“, die mutig<br />
und „voll von Lust nach Ruhme strebten“.<br />
Sehr bedeutsam in Schlegels Gedicht ist<br />
der Bezug zu Deutschland, das mehrfach<br />
als „Vaterland“ bezeichnet wird. Der<br />
Rhein erscheint als Symbol für ein vereintes<br />
Deutschland, auch das ist ein wesentliches<br />
Merkmal der Rheinromantik.<br />
DIE RHEINROMANTIK ALS<br />
EUROPÄISCHES PHÄ<strong>NO</strong>MEN<br />
Der Rhein war aber nicht nur bei deutschen<br />
Dichtern und Malern ein beliebtes<br />
Motiv, sondern vor allem auch in Italien<br />
und England. Ein vielgelesenes und sehr<br />
beliebtes Werk der damaligen Zerit, um<br />
die Reisen des jungen Schildknappen<br />
Harold ist „Childe Harold‘s Pilgrimage“<br />
von dem englischen Dichter Lord Byron.<br />
Während sich die ersten beiden Teile auf<br />
Südeuropa und Malta beziehen, geht es<br />
im dritten Canto (Gesang) unter anderem<br />
um Deutschland – und dabei insbesondere<br />
um um den Rhein. Byron hat, wie es<br />
scheint, in seinen Versen seine eigenen<br />
Europa-Reisen verarbeitet. Schon in den<br />
ersten Versen, die Byron dem Rhein widmet,<br />
wird seine Sicht auf den Fluss deutlich:<br />
„Majestätisch“ sei dieser und die<br />
Schönheiten, die sich links und rechts an<br />
den Ufern fänden, ein „göttliches Werk“.<br />
Dazu gehören für den Dichter unter anderem<br />
Bäche und Täler, Felsen und Wälder,<br />
Weinreben und Berge – aber vor allem,<br />
wie auch bei Friedrich Schlegel, die unbewohnten<br />
Ruinen von Schlössern und<br />
Burgen, die immer wieder aus der Landschaft<br />
des Mittelrheins hervorstechen.<br />
Mit großen Worten wird der Drachenfels<br />
beschrieben – der Ort, an dem der Nibelungensage<br />
nach Siegfried den Drachen<br />
erschlagen und in seinem Blut gebadet<br />
hat. Auch hier begegnet sowohl dem Leser<br />
als auch dem Wanderer wieder das<br />
viel beschworene Zusammenspiel von<br />
natürlichen und künstlichen Schönheiten:<br />
Auf dem Felsen thront die Drachenburg,<br />
unten schlängelt sich der Rhein zwischen<br />
Weinbergen hindurch, und auf den Hügeln<br />
und Feldern wachsen blühende Wiesen,<br />
Bäume, Getreide und vieles mehr. In Koblenz<br />
ließ sich Byron vom Denkmal für den<br />
französischen General François Severin<br />
Marceau begeistern, einer Pyramide mit<br />
Löwenrelief von 1796. Diese bezeichnet<br />
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