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zds#28

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Postkarte vom<br />

Plantagenhof<br />

Text: Felix Müller<br />

Foto: Begüm Yücelay<br />

reportage | 21<br />

Jeden Mittwoch treffen sich im Rundfunkmuseum auf dem<br />

Plantagenhof eingeschworene Amateurfunker.<br />

Sie morsen um die ganze Welt – und zeigen so, dass sie da sind<br />

Manfred Gerken vor einem Morsegerät. Amateurfunk ist seine Leidenschaft,<br />

seit über 40 Jahren.<br />

BÜÜPBÜP. BÜPBÜPBÜÜP BÜÜP tönt es ausdauernd<br />

und unrhythmisch. „Hier funkt gerade einer<br />

aus Deutschland.“ Manfred Gerken sitzt vor dem<br />

Lautsprecher, aufrecht, eine Hand am Stift, eine<br />

am Morsegerät, das wirkt wie ein alter Kassettenrekorder<br />

ohne Einlegefach. Aufmerksam hört er zu<br />

und notiert sich etwas auf einem Blatt. „Er sendet<br />

durchgehend seine Kennung, um zu sehen, ob ihn<br />

jemand hört.“ Gerken fängt an, auf einem kleinen<br />

Wippschalter herumzutippen, es piept. „Jetzt habe<br />

ich ihm meine Kennung geschickt und gesagt, dass<br />

ich ihn höre.“<br />

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.<br />

BÜÜPBÜP. BÜÜP. Gerken notiert: „Gt lbr op vln<br />

dk fr call ur rst 599 name karl qth schoeneck 73“.<br />

Für Laien wirkt die Auflösung wie Zauberei: „Das<br />

heißt: ‚Guten Tag lieber Operator. Vielen Dank für<br />

die Antwort. Deine Signalstärke ist 599. Mein Name<br />

ist Karl, ich komme aus Schöneck‘, das müsste im<br />

Schwarzwald liegen. 73 ist dann einfach das Kürzel<br />

für ‚Schöne Grüße‘.“<br />

Gerken, 70 Jahre alt, ist eine ruhige und fröhliche<br />

Seele. Funken ist seine Leidenschaft, er macht<br />

das schon seit über 40 Jahren. Jeden Mittwoch trifft<br />

er sich mit einigen Gleichgesinnten im Bremer<br />

Rundfunkmuseum. Auf über 300 Quadratmetern<br />

Ausstellungsfläche stapeln sich hier mehr als 700<br />

Exponate aus 60 Jahren TV-Geschichte und 90<br />

Jahren öffentlichem Rundfunk. Der Duft von Holz<br />

liegt in der Luft und mischt sich mit dem von Elektronik,<br />

diesem Geruch, der alten Röhrenbildfernsehern<br />

entströmt, wenn sie lange angeschaltet waren.<br />

Säuberlich geordnet stehen die Geräte in Regalen,<br />

Glasvitrinen oder Möbeln, deren Alter dem der<br />

Ausstellungsstücke ebenbürtig scheint. Aus den<br />

eingeschalteten Geräten schallt das poppige Musikprogramm<br />

von Bremen Vier. Auch ein Wohnzimmer<br />

im Stil der 1950er-Jahre findet sich hier, und<br />

ein komplettes Studio von Radio Bremen, das die<br />

Museumsbetreiber damals aus dem Schrott gerettet<br />

haben. Für Gerken und seine Mitstreiter aber liegt<br />

das Paradies in einem kleinen, eher unscheinbaren<br />

Raum: dem Amateurfunkstudio.<br />

Etwa 2,5 Millionen Amateurfunker gibt es weltweit,<br />

ungefähr 60.000 in Deutschland. Fast alle sind<br />

Männer. Sie haben einen Schein gemacht, der sie<br />

zum Funken berechtigt. Vier von ihnen sitzen an<br />

diesem Tag mit Manfred Gerken zusammen. Bei<br />

Keksen und Kaffee funken und fachsimpeln die<br />

Männer fortgeschrittenen Alters, stundenlang. Sie<br />

kennen sich lange. Selten bekommen sie Besuch.<br />

Und so möchte jeder etwas zu seinem Lieblingshobby<br />

erzählen. Der Antrieb zum Funken, berichten<br />

sie, hat verschiedene Ursprünge. Den meisten geht<br />

es um den Umgang mit der Technik, darum, sich in<br />

etwas hineinzufuchsen, zu dem nicht jeder Zugang<br />

hat und das etwas ganz Besonderes ist. „Einige kommen<br />

aus der Seefahrt und haben deshalb früher viel<br />

gefunkt. Als sie mit dieser Arbeit aufhörten, fehlte<br />

ihnen das Gefühl, sie machten eine Amateurfunkprüfung<br />

und mit dem Funken als Hobby weiter“,<br />

sagt Manfred.<br />

Die Postkarten über<br />

dem Schreibtisch sind<br />

ihre Jagdtrophäen<br />

Obwohl sich die alten Freunde regelmäßig zum<br />

Funken treffen, sind sie nicht auf der Suche nach<br />

einem guten Gespräch oder relevantem Informationsaustausch.<br />

„Es geht um die Verbindung, die<br />

hergestellt wird, das ist der Witz daran, besonders<br />

beim Morsen. Manchmal redet man noch kurz über<br />

das Wetter oder über den Verkehr, wenn jemand<br />

aus dem Auto funkt, aber mehr Inhalte haben die<br />

Gespräche nicht“, so Manfred.<br />

Es geht um das Sammeln von Verbindungen<br />

rund um die Welt. Kontakt knüpfen, einfach der Sache<br />

wegen. Über dem Schreibtisch hängen zig Postkarten<br />

mit Bildern von Funkstationen, sogenannte<br />

QSO-Karten. Diese schicken sich die Funker gegenseitig<br />

zu, wenn sie einmal eine Verbindung zueinander<br />

hergestellt haben. Es sind ihre Jagdtrophäen.<br />

Demnächst kommt eine aus Schöneck dazu.<br />

Felix Müller studiert Journalistik an der<br />

Hochschule Bremen. Lange hat er in Walle<br />

neben dem Funkturm gewohnt, aber nie etwas<br />

Interessantes zu hören bekommen.

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