MEISTER DES LICHTS Einstein schuf nicht nur die Relativitätstheorie, er leistete auch Beiträge für die Quantenphysik. Für seine Erkenntnis, dass Licht aus Teilchen (den Photonen) besteht und sich damit der photoelektrische Effekt erklären lässt, bekam er den Nobelpreis. So betrachtet gehen auch moderne Nachfolger dieser analogen Kamera (London, 1921) auf seine Ideen zurück. ULLSTEIN BILD / GETTY IMAGES 30. September 2015 • <strong>profil</strong><strong>wissen</strong> 3 19
TITEL A LBERT EINSTEIN Von Florian Aigner s war ein Wettlauf der Giganten. Albert Einstein und David Hilbert, der berühmteste Physiker und der berühmteste Mathematiker der Welt, standen im Herbst 1915 knapp vor der Lösung des Rätsels um die allgemeine Relativitätstheorie. Die Formeln, mit denen sich die Geometrie von Raum und Zeit erklären lassen sollte, schienen zum Greifen nahe. Hilbert lud Einstein zu sich nach Göttingen ein, um die Sache zu diskutieren. Doch Einstein lehnte ab. Er habe Magenschmerzen, erklärte er. In Wirklichkeit arbeitete er in Berlin fieberhaft weiter. Und plötzlich war es da, das Ergebnis, das Einstein so lange gesucht hatte. 43 Bogensekunden: Um diesen Betrag sollte sich nach Einsteins neuen Formeln die Bahn des Merkur jedes Jahrhundert verschieben. Eine solche Verschiebung hatte man bereits beobachtet, doch mit den Gleichungen der klassischen Physik war sie nicht zu erklären. Am 18. November 1915 verkündete Einstein vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften, dass er das Geheimnis der merkwürdigen Bahn des Planeten Merkur gelüftet hatte. Eine Woche später, am 25. November 1915, veröffentlichte er die Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie in der Form, wie sie auch heute noch verwendet werden. David Hilbert kam schließlich auf dasselbe Ergebnis, doch Einstein war schneller gewesen. Bei diesem Wettstreit ging es freilich nicht bloß um mathematische Details oder komplexe Denksportaufgaben für die klügsten Köpfe der Welt. Es geht hier um nichts Geringeres als die Frage, welche Gesetze unser Universum wirklich beherrschen – und für ihre Beantwortung ist ganz besonders die allgemeine Relativitätstheorie unverzichtbar. Einstein entwickelte nicht bloß eine Relativitätstheorie, sondern zwei. Seine spezielle Relativitätstheorie veröffentlichte er bereits 1905, im Alter von erst 26 Jahren, unter dem schlichten Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Die Grundaussage dieser Arbeit war revolutionär: Raum und Zeit mögen völlig unterschiedlich erscheinen, doch in Wahrheit gehören sie untrennbar zusammen. Man bezeichnet die drei Dimensionen des Raums gemeinsam mit der Zeitachse daher als „vierdimensionale Raumzeit“. Einstein war aber klar, dass das noch nicht die vollständige Wahrheit sein konnte. Erst durch die allgemeine Relativitätstheorie konnte er zehn Jahre später erklären, wie die Geometrie der Raumzeit mit Masse und Gravitation zusammenhängt. Präziser als Newtons klassische Mechanik sagt sie die Bewegung von Himmelskörpern voraus. Bis heute ist sie eine der großen, fundamentalen Theorien, auf denen die moderne Physik fußt. Die Lehrjahre des jungen Einstein: das Geheimnis des Lichts BAD HAIR DAY Sein Markenzeichen, die wirre Frisur, soll Einstein ganz bewusst inszeniert haben. 1938 lebte Albert Einstein bereits in den USA. Sein Sohn (links mit Hut) zog mit seiner Familie nach. Albert Einstein wurde 1879 in Ulm geboren. Bald darauf übersiedelte seine Familie nach München, wo er auch zur Schule ging. Seine Leistungen im Münchner Luitpold-Gymnasium waren sehr gut, doch als Wunderkind galt er nie. Einstein soll sich in der Schule nicht besonders wohl gefühlt haben, er klagte später über den kreativitätstötenden Drill. Der Vater musste schließlich aus beruflichen Gründen nach Italien übersiedeln und nahm die Familie mit, doch Albert sollte in München bleiben. Nach einem Krach mit einem Lehrer setzte sich der 15-jährige Schüler jedoch in den Zug und reiste der Familie nach. Nach einem Jahr in Italien ging er in die Schweiz. An der Kantonsschule Aarau fühlte er sich deutlich wohler als in München. In diesen Jahren begann der jugendliche Einstein bereits, über Physik nachzudenken. Dabei bewies er eine Fähigkeit, die ihn ein Leben lang auszeichnen sollte: Einstein hatte das Talent, die entscheidenden Fragen zu stellen. Was würde geschehen, wenn man einem Lichtstrahl hinterhereilen könnte, und zwar so schnell, dass man ihn schließlich einholen würde? Die Antwort kannte damals noch niemand. Einstein selbst sollte sie einige Jahre später finden: Einen Lichtstrahl einzuholen ist unmöglich, denn nichts kann sich schneller bewegen als das Licht. Grundsätzlich ist Bewegung immer etwas Relatives. Welche Geschwindigkeit hat ein Raumschiff, das sich durch den Weltraum bewegt? Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Sprechen wir von der Geschwindigkeit relativ zur Erde? Suchen wir die Geschwindigkeit relativ zum Masseschwerpunkt der Andromeda-Galaxie? Oder fragen wir nach der Relativgeschwindigkeit zu einem zweiten Raumschiff, das sich an das erste langsam heranpirscht? Jede Bewegung muss man in der Physik auf ein bestimmtes Bezugssystem beziehen, sonst lässt sie sich nicht definieren. Wenn man in einem Eisenbahnabteil sitzt und der Zug geradlinig und ohne zu ruckeln dahinrollt, gibt es kein physikalisches Experiment, mit dem man diese gleichförmige Bewegung vom 20 <strong>profil</strong><strong>wissen</strong> 3 • 30. September 2015