Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
TITEL A LBERT EINSTEIN<br />
Was nun noch fehlte, um die Welt<br />
endgültig von der Gültigkeit der<br />
neuen Theorie zu überzeugen, war eine<br />
Vorhersage über ein bisher noch nicht<br />
beobachtetes Phänomen. Die Berechnung<br />
der Merkurbahn war ein Triumph<br />
gewesen, doch bekannte Daten zu erklären<br />
ist nicht dasselbe wie ein völlig neues<br />
Experiment vorzuschlagen und sein<br />
Ergebnis vorherzuberechnen.<br />
Es war ein Brite, der sich im Jahr 1919<br />
daran machte, die allgemeine Relativitätstheorie<br />
endgültig auf die Probe zu stellen.<br />
Der Astronom Arthur Stanley Eddington<br />
hatte verschiedene Artikel geschrieben,<br />
durch die Einsteins Theorie der englischten.<br />
Man findet winzige Abweichungen,<br />
insbesondere beim Merkur, dem innersten<br />
Planeten unseres Sonnensystems. Er<br />
kehrt nach einer Sonnenumrundung<br />
nicht genau an seinen Ausgangspunkt<br />
zurück, um dieselbe Ellipse ein weiteres<br />
Mal zu durchlaufen, sondern schwenkt<br />
in eine leicht andere Ellipsenbahn ein,<br />
die gegenüber der vorhergehenden minimal<br />
verschoben ist. Dadurch wandert<br />
die lange Achse der Merkur-Ellipsenbahn<br />
im Lauf der Jahrhunderte um die Sonne<br />
herum, wie ein kosmischer Uhrzeiger.<br />
Einstein und seine Kollegen erkannten,<br />
dass sich ein solcher Effekt aus ihrer<br />
neuen Gravitationstheorie ergeben kann.<br />
Doch wie groß dieser Effekt ist und ob<br />
diese Vorhersage zu den Daten der Merkurbahn<br />
passen würde, war völlig unklar,<br />
solange man die fundamentalen Gleichungen<br />
nicht gefunden hatte.<br />
Das Problem der Relativitätstheorie<br />
weckte auch den Forscherdrang von David<br />
Hilbert, dem wohl größten Mathematiker<br />
seiner Zeit. Er lud Einstein im Sommer<br />
1915 für einige Tage zu sich nach Göttingen<br />
ein, um sich den aktuellen Stand<br />
der Forschung erzählen zu lassen. Beide<br />
Wissenschafter waren beeindruckt von den<br />
Ideen des jeweils anderen. Einstein wurde<br />
klar, dass er sich wohl beeilen musste,<br />
um noch vor Hilbert die gesuchten Feldgleichungen<br />
der Gravitation aufzustellen.<br />
Und so kam es zum Wettstreit zwischen<br />
den beiden Giganten der Wissenschaft.<br />
Mit brennendem Eifer machte<br />
sich Einstein erneut an die Arbeit. Um<br />
die Theorie sauber durchzudenken und<br />
dann erst zu publizieren, fehlte die Zeit.<br />
Einstein veröffentlichte im November<br />
1915 insgesamt drei Versionen von Feldgleichungen.<br />
Die erste, vom 4. November,<br />
enthielt noch einen Fehler, erst in der<br />
zweiten Variante vom 11. November war<br />
das Relativitätsprinzip erstmals vollständig<br />
erfüllt. Hilbert hätte Einstein gerne<br />
in Göttingen seine eigenen Fortschritte<br />
präsentiert, doch Einstein redete sich auf<br />
Magenschmerzen aus. Er rechnete alleine<br />
weiter, quälte sich mit den neuen Formeln<br />
noch einmal durch das Problem der<br />
Merkurbahn und konnte schließlich am<br />
18. November 1915 stolz verkünden, das<br />
Merkur-Rätsel gelöst zu haben. Am 25.<br />
November präsentierte Einstein die dritte<br />
und endgültige Version der Gravitations-Feldgleichungen,<br />
die heute als „Einstein-Gleichungen“<br />
bezeichnet werden.<br />
Zwischen Einsteins zweiter und dritter<br />
Version reichte Hilbert selbst eine Arbeit<br />
über die Relativitätstheorie ein. Wer<br />
von den beiden Genies nun tatsächlich<br />
welche Teile der Arbeit zuerst niederschrieb,<br />
lässt sich heute nicht mehr genau<br />
ergründen. Die Manuskripte wurden<br />
nachträglich noch modifiziert, die Originale<br />
sind nicht vollständig erhalten. Es<br />
spielt im Grunde auch keine Rolle – Albert<br />
Einstein war jedenfalls der geistige<br />
Vater der Relativitätstheorie. Er hatte seine<br />
originellen Gedanken über bewegte<br />
und beschleunigte Bezugssysteme seit<br />
seiner Jugend mit sich herumgetragen.<br />
Ohne ihn hätte Hilbert wohl niemals<br />
über diese Probleme nachgedacht.<br />
Im Grunde war Einstein nicht weniger<br />
gelungen, als die Beschaffenheit des<br />
Universums und der darin waltenden<br />
Mächte zu ergründen sowie diese Phänomene<br />
in Formeln zu packen.<br />
Der endgültige Beweis:<br />
die Ablenkung<br />
des Lichts<br />
32 <strong>profil</strong><strong>wissen</strong> 3 • 30. September 2015