15.02.2016 Aufrufe

RR_Internet_0216

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

nKUNST UND KULTUR<br />

44<br />

Monsterbrüste und Luftküsse<br />

Von Britta Lübbers | Helena ist<br />

hässlich. Sie hat wulstige Lippen<br />

und ein verformtes Gesicht.<br />

Die einst schönste Frau der<br />

Welt, die den trojanischen Krieg<br />

auslöste, wird bei Volker Bartsch<br />

zu einem der ersten Opfer der<br />

Schönheitschirurgie. Denn „korrigierende<br />

Eingriffe“ gab es<br />

bereits in der Antike, und auch<br />

dort, so lässt uns seine bronzene<br />

Helena wissen, gelangen sie<br />

nicht immer. In seinem Werkzyklus<br />

„Fluch der Schönheit“ widmet<br />

sich Bartsch der Kehrseite<br />

unkaputtbarer Attraktivität: Die<br />

von ihm geschaffenen Frauen<br />

haben Schlauchbootlippen,<br />

Monsterbrüste und verzerrte<br />

Züge. Bei einem Italienaufenthalt<br />

in Rom erlebte Bartsch<br />

schon vor rund 30 Jahren, dass<br />

junge Mädchen zum Abitur eine<br />

neue Nase geschenkt bekamen.<br />

Eine Steilvorlage für den<br />

Künstler, der seismografisch<br />

gesellschaftliche Trends und<br />

Umwälzungen wahrnimmt und<br />

verarbeitet.<br />

Rund 60 Werke hat Volker<br />

Bartsch mit nach Rastede gebracht,<br />

darunter Gemälde, Grafiken<br />

und Gouachen. In der<br />

Plastik „Adam und Eva“ zeigt<br />

er das erste Menschenpaar als<br />

18. Februar 2016<br />

Die Distanz zwischen Mann und Frau als nicht ineinandergreifende Zahnräder; langbeinige Helmut-Newton-Models mit<br />

Silikonbusen; stilisierte Hochhäuser, die auf urbane Goldgräberstimmung verweisen: Der Berliner Künstler Volker Bartsch<br />

schöpft aus dem wahren Leben. Ende Januar wurde seine Ausstellung „Gemeinsam einsam“ im Palais Rastede eröffnet. Sie<br />

ist noch bis zum 10. April zu sehen.<br />

hochgerüstete Maschinenfiguren,<br />

deren Zahnräder nicht<br />

ineinander greifen. Mann und<br />

Frau waren schon im Paradies<br />

verschieden, teilt er uns mit. Sie<br />

sind aufeinander angewiesen,<br />

aber sie passen nicht unbedingt<br />

zueinander. Das drückt auch der<br />

Spalt aus, der zwischen den beiden<br />

Hälften der Skulptur „Der<br />

Kuss“ klafft. Es ist die größte Arbeit<br />

dieser Schau, und Bartsch<br />

Fast ein Scheidungsgrund: Volker Bartsch vor seiner Helena | Foto: Lübbers<br />

hat sie im Palaisgarten aufgebaut.<br />

In Sachen Größe ist er ein<br />

Meister. Rund 30 seiner monumentalen<br />

Skulpturen stehen im<br />

öffentlichen Raum, darunter das<br />

Kunstwerk „Perspektiven“ vor<br />

der FU in Berlin, das als größte<br />

Bronzeskulptur Europas gilt.<br />

Groß ist auch der Bogen, den<br />

er inhaltlich schlägt. Die Einsamkeit<br />

des Einzelnen, die auch<br />

bewusst gewählt sein kann, beschäftigt<br />

den 62-Jährigen schon<br />

lange, ebenso wie Individualität<br />

und Narzissmus. „In den Siebzigern<br />

tanzten die Leute in den<br />

Discos alleine vor den Spiegeln“,<br />

erinnert sich Bartsch, der immer<br />

da war, wo das Leben spielte.<br />

Und manchmal auch das Sterben.<br />

Durch den Tod eines Freundes<br />

setzte er sich schon früh mit<br />

dem Thema Aids auseinander.<br />

In Berlin-Mitte hatte er sein<br />

Atelier über dem legendären<br />

Club Kater Holzig. Hier beobachtete<br />

er, wie die Szene die<br />

Stadt veränderte, wie Feierwütige<br />

und Kreative zu ersten<br />

Vorboten der Gentrifizierung<br />

wurden. Als Moralisten versteht<br />

er sich aber nicht. „Ich betrachte<br />

mich als ironischen Chronisten“,<br />

sagt er.<br />

Volker Bartsch ist an vielen<br />

Orten gewesen. Vor 40 Jahren<br />

fuhr er sechs Monate mit dem<br />

Motorrad durch Nordafrika und<br />

betrieb Kunststudien in Tanger<br />

und Marrakesch. Er lebte<br />

in Portugal und London, in der<br />

Toskana und in Rom, wo er in<br />

der Villa von Frederico Fellini<br />

wohnte. In Japan widmete er<br />

sich traditionellen Tuschetechniken,<br />

in Italien studierte er die<br />

Malerei der Renaissance. In den<br />

Achtzigern begann er damit,<br />

sich Stahlbleche und Gussformen<br />

vom Schrottplatz zu holen.<br />

Zur Vernissage ist auch der Architekt<br />

Heinz Albers aus Wilhelmshaven<br />

gekommen. Der<br />

Freund des Künstlers vermittelte<br />

den Kontakt zum Palais.<br />

Er beschreibt Bartsch als einen<br />

„Schaffenden, der sich immer<br />

wieder neu erfindet“. Für den<br />

Bremer Kunsthistoriker Dr. Rainer<br />

Beßling, der die Laudatio<br />

hielt, vermag Bartsch gleichermaßen<br />

als Bildhauer, Maler<br />

und Grafiker zu überzeugen.<br />

Dass Volker Bartsch für seine<br />

Kunst aus dem richtigen Leben<br />

schöpft, weiß auch seine<br />

Frau Annett Klingner. „Wegen<br />

der Helena hätten wir uns fast<br />

scheiden lassen“, erzählt die<br />

Kunsthistorikerin und lacht.<br />

Denn für die enganliegende<br />

Kopfbedeckung der Plastik<br />

hatte sich Bartsch – ungefragt<br />

– ihres Lieblingspullis bedient.<br />

„Die Struktur passte so gut“,<br />

lächelt er. Mann und Frau –<br />

es greift nicht immer ineinander.<br />

n<br />

Dietervon Seggern<br />

ZimmermeiSter<br />

Zimmerei · BautiSchlerei · innenauSBau · BeDachungen Zimmerei · BautiSchlerei ·<br />

Komplette Dachsanierung aus einer hand Komplette Dachsan<br />

– gebäudeenergieberatung –<br />

– gebäudeen<br />

Zuverlä ssig • leistungsstark<br />

stahlstr. 21∙26215 Wiefelstede ∙tel. 04402/9684-0<br />

www.zimmerei-von-seggern.de ∙info@zimmerei-von-seggern.de<br />

Stahlstraße 21 · 26215 Wiefelstede · Tel. 0 44 02 / 96 84-0 · Fax 960108<br />

E-Mail: info@zdvs.de · www.zdvs.de<br />

Dieter vo<br />

Zimmer<br />

Zuverlä ssig •<br />

stahlstr.21∙26215 Wiefe<br />

www.zimmerei-von-seggern.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!