Blasmusik-in-Tirol-3-2015
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Panorama<br />
Wo wir herkommen<br />
Robert Pramstrahler ist <strong>in</strong>fiziert vom Chronik-Virus.<br />
Ke<strong>in</strong> aktiver Chronist, aber<br />
zum Fachmann geworden. Pramstrahler,<br />
seit 2009 Bürgermeister der Geme<strong>in</strong>de Zell am<br />
Ziller, verfasste als Mitglied der Bundesmusikkapelle<br />
Zell am Ziller im Rahmen des Führungskräftesem<strong>in</strong>ars<br />
e<strong>in</strong>e hervorragende Sem<strong>in</strong>ararbeit<br />
zum Thema Vere<strong>in</strong>schronik. Sie ist auf der Homepage<br />
des <strong>Blasmusik</strong>landesverbandes nachlesbar.<br />
Es lohnt sich! Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Standard, wo<br />
wir dankbar wissen sollten, wo er herkommt, und<br />
das zeigt die Chronik, sagt Pramstrahler. Sie zeigt<br />
auch, dass nichts geschenkt ist, sondern alles erarbeitet<br />
werden muss. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />
fasz<strong>in</strong>iert ihn das Sammeln, Ordnen, Formulieren,<br />
Archivieren: „Die Chronik lebt von der Kreativität<br />
des Chronisten“. Pramstrahler kennt die Quellen<br />
(z.B. <strong>Tirol</strong>er Landesmuseum Ferd<strong>in</strong>andeum) und<br />
die Hürden wie das Lesen alter Handschriften. Er<br />
macht sich Gedanken um die Weiterführung der<br />
vorbildlich geführten Zeller <strong>Blasmusik</strong>-Chronik,<br />
und so gibt es im Vere<strong>in</strong> fünf junge Chronikbeiräte.<br />
E<strong>in</strong> familiäres Chronik-Gen wird dabei weitergetragen.<br />
„Weil die Chronik bald nicht mehr<br />
leserlich se<strong>in</strong> wird, ist sie transkribiert worden.<br />
Ich möchte e<strong>in</strong>e schön gebundene Edelchronik<br />
schaffen und fünf normal gebundene.“ Ehrenobmann<br />
Pramstrahler hat außer Fachwissen auch<br />
nachahmenswerte Ideen. <br />
n<br />
U. St.<br />
Die <strong>Blasmusik</strong>kapelle Zell am Ziller 1918. E<strong>in</strong> ähnliches frühes Foto ist wohl <strong>in</strong> vielen<br />
<strong>Tirol</strong>er <strong>Blasmusik</strong>-Chroniken zu f<strong>in</strong>den.<br />
Die erste E<strong>in</strong>tragung <strong>in</strong> die Chronik der Musikkapelle<br />
Zell am Ziller <strong>in</strong> Kurrentschrift:<br />
CHRONIK: Dieses Buch sei e<strong>in</strong> Gedenkbuch<br />
aller außergewöhnlichen Ereignisse<br />
und Begebenheiten im Leben, Wirken und<br />
Treiben der Zeller Musikkapelle sowie auch<br />
aller Veränderungen und aller Freuden und<br />
Leiden dieser Gesellschaft. Dieses Buch<br />
soll der Nachwelt resp. dem Nachwuchs<br />
der Kapelle erzählen, mit welchen Schwierigkeiten<br />
ihre Vorfahren zu kämpfen hatten,<br />
aber auch von jenen Tagen soll es berichten,<br />
die Glanz- und Lichtpunkte waren<br />
im Leben der Musikanten. Wann und von<br />
wem die Kapelle gegründet wurde ist unbekannt,<br />
wenigstens konnte es der Schreiber<br />
dieser Zeilen nicht erfahren. Tatsache<br />
ist, dass die ältesten hiesigen Leute nichts<br />
wissen, dass <strong>in</strong> Zell e<strong>in</strong>mal ke<strong>in</strong>e Musikbande<br />
existiert hätte.<br />
Man muss wissen, was bewegt<br />
Mart<strong>in</strong> S<strong>in</strong>ger aus Höfen im Außerfern<br />
ist e<strong>in</strong>er der älteren, erfahrenen<br />
Chronisten, e<strong>in</strong>er, von denen Junge<br />
lernen können. Seit 1977 ist er Mitglied der Bürgermusikkapelle<br />
Höfen, seit 1983 betreut er mit<br />
Verstand, Urteilskraft und F<strong>in</strong>gerspitzengefühl<br />
die Chronik. 50 Stunden werden es leicht, wenn<br />
er sich dransetzt, die Notizen, Fotos und sonstigen<br />
Materialien des Jahres sichtet und überlegt ans<br />
Werk geht, denn „was emotionell geladen notiert<br />
wurde, schaut später anders aus, vieles bedarf<br />
der Korrektur und alles der Auswahl. Viel Mühe<br />
macht das Formale – B<strong>in</strong>dung, Druckverfahren,<br />
der digitale Fortschritt. S<strong>in</strong>ger, Pensionist, ist aktiv<br />
<strong>in</strong> der Kapelle, „sonst geht es nicht, man muss wissen,<br />
was bewegt, muss Anekdoten und Hoppalas<br />
miterleben“. Er zeichnet nicht nur das Positive auf,<br />
das wäre ja langweilig, sagt er, wo Laien s<strong>in</strong>d, da<br />
fallen Späne. Aber Abstand und Anstand lässt er<br />
walten, Namen fallen da ke<strong>in</strong>e.<br />
Jede Ausrückung wird mit Foto festgehalten,<br />
S<strong>in</strong>ger registriert Probenarbeit, Probenbesuch,<br />
was den Kapellmeister ärgert, im Konzert die Solisten,<br />
<strong>in</strong> welche Richtung das Programm geht,<br />
die Publikumsstimmung. Konzertkritik schreibt<br />
er ke<strong>in</strong>e. Bei der Generalversammlung legt er<br />
dann den Chronikbericht vor, „der muss gewürzt<br />
se<strong>in</strong>“. So mancher verdienstvolle Kamerad hat von<br />
S<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong>en Chronikauszug bekommen. „Aber<br />
dass Leute kommen und die Chronik anschauen<br />
wollen, ist Illusion“. <br />
n<br />
U. St.<br />
BILDTEXT:<br />
Regal um Regal, Band für Band, Jahr um<br />
Jahr: Mart<strong>in</strong> S<strong>in</strong>ger aus Höfen fotografierte<br />
für die BiT e<strong>in</strong>en Ausschnitt se<strong>in</strong>er<br />
Chronik-Regale. Die Bände übersiedeln<br />
demnächst <strong>in</strong>s Probelokal.<br />
38 BiT | September