Blasmusik-in-Tirol-3-2015
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AKTUELLes | Mustertext<br />
„breiter“ und geme<strong>in</strong>schaftlicher aufgestellt. Es<br />
geht weniger um die <strong>in</strong>dividuelle Fertigkeit, sondern<br />
mehr um die Fähigkeit zum Hören und zum<br />
Erleben des geme<strong>in</strong>samen Musizierens.<br />
Bläserwoche 2013 mit Johnny Ekkelboom.<br />
Die „goldenen Regeln“ e<strong>in</strong>er Pädagogik und<br />
Kommunikationsweise im <strong>Blasmusik</strong>vere<strong>in</strong>,<br />
die für alle gelten. Gibt es diese, oder unterliegt<br />
jeder Prozess ganz <strong>in</strong>dividuellen und situationsbezogenen<br />
Gegebenheiten?<br />
Stecher: Die goldene Regel gibt es, vor allem,<br />
wenn es sich um Kommunikationsprozesse handelt,<br />
sicher nicht. Was<br />
bei X funktionieren<br />
mag, passt für Y möglicherweise<br />
nicht und<br />
geht bei Z sogar grandios<br />
schief. Dennoch<br />
weisen gel<strong>in</strong>gende<br />
Prozesse e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Regelhaftigkeit auf.<br />
Zum Beispiel die Kraft<br />
der E<strong>in</strong>maligkeit e<strong>in</strong>er Aussage: Die Macht der<br />
Gewohnheit zw<strong>in</strong>gt uns Dirigenten nämlich oft<br />
alles dreimal zu sagen. Wir sollten auch nicht <strong>in</strong><br />
der sogenannten Bereitschaftshaltung Ansagen<br />
treffen, oder wir sollten nicht sprechen, wenn andere<br />
Musiker noch sprechen, und ... wir sollten<br />
nicht verbal um Ruhe bitten ...<br />
Laienmusizieren bedeutet heute oft auch e<strong>in</strong>e<br />
Konfrontation mit den unterschiedlichsten Altersgruppen,<br />
Berufsgruppen, sozialen Schichten,<br />
musikalischen Standards, Bildungsniveaus<br />
und vor allem Geschmäckern. Wie geht e<strong>in</strong><br />
Dirigent im Vere<strong>in</strong> mit dieser Heterogenität<br />
am besten um?<br />
Stecher: Ich kann nur pädagogisch antworten,<br />
nicht methodisch: Zuallererst muss uns die Sache,<br />
die wir tun, selbst sehr wichtig se<strong>in</strong>. Die<br />
Vieles, wenn nicht<br />
gar alles, steht und fällt<br />
mit der Persönlichkeit<br />
des Dirigenten.<br />
Michael Stecher<br />
Musiker spüren augenblicklich, ob wir h<strong>in</strong>ter<br />
dem, was wir tun, auch stehen oder nicht. Der<br />
zweite wichtige Grundsatz ist: Nichts, was wirklich<br />
bleiben soll, kommt schnell. Wir brauchen<br />
enorm viel Geduld bei der Umsetzung unserer<br />
angestrebten Bildungsprozesse. Das Wichtigste<br />
aber ist, dass die Person des Dirigenten <strong>in</strong>s Spiel<br />
kommen muss. Sie ist<br />
se<strong>in</strong> stärkstes Mittel.<br />
Vieles, wenn nicht gar<br />
alles, steht und fällt<br />
mit der Persönlichkeit<br />
des Dirigenten.<br />
Die Authentizität se<strong>in</strong>er<br />
Person wird zum<br />
Garanten für den gel<strong>in</strong>genden<br />
Umgang<br />
mit Heterogenität. Diese Anforderung stellt uns<br />
Dirigenten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en permanenten Bildungsprozess.<br />
Deshalb gibt es auch solche Kongresse wie<br />
den Ihren im November.<br />
In vielen Musikvere<strong>in</strong>en und Jugendblasorchestern<br />
wird e<strong>in</strong>e Probe zu e<strong>in</strong>em großangelegten<br />
Instrumentalunterricht im Ensemble. Hat dies<br />
Berechtigung oder hat e<strong>in</strong>e Probe als solche<br />
eher eigene und musikalisch geme<strong>in</strong>schaftliche<br />
Ziele als <strong>in</strong>dividuelle?<br />
Stecher: Gerade Jugendblasorchesterproben oder<br />
das Klassenmusizieren sollten nicht mit Instrumentalunterricht<br />
verwechselt werden. Sie können<br />
nämlich ke<strong>in</strong>en Instrumentalunterricht ersetzen.<br />
Ziel der Probe ist das ganzheitliche Erfahren von<br />
Musik, dann nämlich haben Jugendblasorchesterproben<br />
gleich ganz e<strong>in</strong> anderes Gesicht: Sie s<strong>in</strong>d<br />
Foto: Mair<br />
In der Blasorchesterlandschaft besteht seit<br />
mehreren Jahren immer mehr die Tendenz zur<br />
Gründung von Auswahlblasorchestern und zur<br />
semiprofessionellen Ausrichtung mancher Musikvere<strong>in</strong>e<br />
mit Substituten und verstärkenden<br />
Musiker<strong>in</strong>nen und Musikern. E<strong>in</strong>e Modeersche<strong>in</strong>ung?<br />
Oder haben Unterstufen-, Mittelstufen,<br />
oder auch noch Oberstufenkapellen<br />
offenbar wirklich ihre Grenzen im freudigen<br />
Erlebnis von Musik für manche Dirigenten und<br />
Musiker, die zu diesen Phänomenen notgedrungen<br />
führen?<br />
Stecher: Sicherlich gibt es Ausnahmesituationen,<br />
<strong>in</strong> denen Dirigenten auf Substitute zurückgreifen<br />
müssen, allerd<strong>in</strong>gs sehe ich e<strong>in</strong>e große Gefahr,<br />
wenn man e<strong>in</strong>en Musikvere<strong>in</strong> nur dann spielfähig<br />
macht, wenn dauerhaft Substitute und<br />
professionelle Musiker engagiert werden. Die<br />
Gefahr liegt <strong>in</strong> der Unterm<strong>in</strong>ierung der Vere<strong>in</strong>sstruktur.<br />
Vere<strong>in</strong>e wollen ihre Mitglieder <strong>in</strong>s<br />
Vere<strong>in</strong>sgeschehen e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den. Externe Musiker<br />
werden gern als „Ros<strong>in</strong>enpicker“ angesehen und<br />
stellen daher für e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>swesen e<strong>in</strong>e nicht zu<br />
unterschätzende Gefahr dar.<br />
Am 7. November s<strong>in</strong>d Sie unser „Special<br />
Guest“ beim <strong>Tirol</strong>er Kapellmeister- und Jugendreferententag<br />
<strong>in</strong> der Blaike <strong>in</strong> Völs. Es<br />
werden e<strong>in</strong> Jugendblasorchester und e<strong>in</strong>e Musikkapelle<br />
mit verschiedenen Dirigenten anwesend<br />
se<strong>in</strong>, die von Ihnen gecoacht werden.<br />
Ohne zu viel verraten zu wollen: Was wird die<br />
Besucher<strong>in</strong>nen und Besucher grundsätzlich<br />
erwarten?<br />
Stecher: Im Vortragsteil werde ich die Aspekte,<br />
die ich <strong>in</strong> diesem Interview bereits angesprochen<br />
habe, noch verdeutlichen: Was s<strong>in</strong>d Aufmerksamkeiten<br />
hoher Kultur? Wie können wir<br />
Proben eröffnen, die gleich diese musikimmanenten<br />
Wirkkräfte freisetzen? Ich sage aber<br />
gleich vorweg: „Billiglösungen“ mit e<strong>in</strong>fachen<br />
Rezepten wird es ke<strong>in</strong>e geben. Es ist aber sicher<br />
an der Zeit, e<strong>in</strong>mal an die Wurzeln der<br />
Probleme heran zu gehen, um zu schauen, wo<br />
wir Dirigenten ansetzen können, um langfristig<br />
e<strong>in</strong>e Motivation zum Musizieren zu erreichen.<br />
Bezüglich des Praxisteil sieht es etwas anders<br />
aus: Da werde ich situativ agieren und bei den<br />
aktiven Dirigenten, die unterschiedliche Voraussetzungen<br />
mitbr<strong>in</strong>gen werden, entscheiden,<br />
welche Aspekte ich <strong>in</strong>s Zentrum rücke, damit<br />
alle im Saal auch <strong>in</strong> diese Bildungsprozesse mit<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>genommen werden können.<br />
n<br />
6 BiT | September