Rettl & friends 1 Herbst/Winter 2011/12
Rettl 1868 Kilts & Fashion Kundenmagazin Ausgabe 1 Herbst/Winter 2011/12
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Porträt<br />
Vom Baumstamm-Sägen<br />
und Zither-Schlagen<br />
Wort: Evelyn Rupperti, Bild: Georg Pflügl<br />
Stolze 92 Jahre hat der<br />
Franz Themessl schon auf<br />
dem Buckel – aber nichts und<br />
niemand kann ihn abhalten,<br />
auf seiner geliebten Zither<br />
zu spielen – und ab und<br />
zu einen Baumstamm zu<br />
zersägen!<br />
Das Zitherspiel ist<br />
auch heute noch seine<br />
Passion.<br />
Hoch oben am Verditz liegt in atemberaubender<br />
Lage der 300 Jahre alte Hof der<br />
Themessls, mit gedrechselten Balkonen und<br />
üppigem Blumenschmuck - wie man sich einen<br />
Bergbauernhof eben vorstellt. Und doch ist hier<br />
etwas anders – hier haben nämlich nur Männer<br />
das Sagen, Vater und Sohn. Der Sohn, das ist der<br />
Ernstl, der als Bauer auch schon in Pension ist;<br />
der Vater, das ist der Franz, der die Zither so gut<br />
spielt, dass er heute noch mit seiner Kunst die<br />
Gäste in den feinsten Hotels Bad Kleinkirchheim<br />
verzückt.<br />
Seit ´95 ist die Landwirtschaft stillgelegt – was<br />
natürlich nicht heißt, dass es nun vorbei ist mit<br />
der Arbeit. Den Fernseher haben die beiden entsorgt,<br />
und doch beweisen die Sonnenkollektoren<br />
am Dach, dass sie so ganz innovationsfern<br />
auch nicht sind, wenn es nur Sinn macht. Originale<br />
sind sie beide und so überrascht es nicht,<br />
dass die dörfliche Gemeinschaft die Themessls<br />
manchmal für etwas wunderlich hält – zum Beispiel,<br />
wenn sie die Vertreter mit dem „Giftglumpert“<br />
von Holzimprägnierung abblitzen lassen,<br />
und als sie oben am Berg 27 Jahre Erdbeeren<br />
anbauten, bis es sich wegen der Importe nicht<br />
mehr rentierte, wohl auch.<br />
Visite in der Männerwirtschaft<br />
Wir finden den Altbauern in seiner Tischlerwerkstatt,<br />
wo er an einem Tisch werkt. Schöne,<br />
fein gedrechselte Beine kriegt das gute Stück,<br />
denn das liebt der Alte am meisten, das Drechseln.<br />
Aber er kann auch noch ordentlich zulangen,<br />
zügig rollt er einen strammen Baumstamm<br />
auf die alte Säge, die noch sein Vater gebaut<br />
hat, spannt ihn ein und stellt das Werkl an. Ein<br />
Wunder, dass er noch alle Finger hat, bei der gefährlichen<br />
Arbeit. Ja, es sind noch alle da, aber<br />
die Zeit hat sie gekrümmt, sodass er sie schon<br />
operieren lassen musste. Für sein Zitherspiel ist<br />
es ihm das allemal wert!<br />
Selbst hat er es sich beigebracht, erzählt er, sein<br />
Vater hat schon gespielt und mit 5, 6 Jahren<br />
wollte er das auch können. Also hat er selbst das<br />
Notenlesen und das Zitherspiel gelernt, wie übrigens<br />
auch das Orgelspiel, mit dem er seit 32<br />
Jahren die Messe begleitet.<br />
Dass er Bauer werden würde, war so nicht vorgesehen,<br />
eigentlich hat ihn die Elektrotechnik<br />
fasziniert, aber er musste den Hof an seiner Brüder<br />
statt übernehmen, die nicht mehr aus dem<br />
Krieg zurückgekehrt waren. Seine Fertigkeiten<br />
als Tischler hat er sich wie die Musik auch beim<br />
Vater abgeschaut, einem gelernten Zimmermann.<br />
Von Conrads bis zu den Arabern<br />
Als er vor mehr als 30 Jahren in Pension ging,<br />
ging´s erst richtig los mit seiner musikalischen<br />
Karriere. Mit der Familie seines Bruders hatten<br />
sie eine Gruppe, die Dirndl haben gesungen, der<br />
Bruder die Gitarre gespielt. Zwei Schallplatten<br />
haben sie aufgenommen, und gar fünfmal waren<br />
sie beim Heinz Conrads zu Gast. Bis Saudi-<br />
Arabien sind sie mit ihren Auftritten gekommen.<br />
Schöne Zeiten.<br />
Als der Bruder dann krank wurde und die<br />
Dirndln flügge, hat sich das gemeinsame Spielen<br />
aufgehört- und die Enkel, „ die haben kein<br />
Interesse am Zitherspiel“, seufzt der alte Bauer.<br />
<strong>Rettl</strong> & <strong>friends</strong><br />
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