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ERF Antenne 0304|2016 Identität

Das Magazin von ERF – Der Sinnsender

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<strong>ERF</strong> THEMA<br />

Hier, in Deutschland, vermisse ich die Sonnentage<br />

meiner Kindheit. Der sich ständig wiederholende<br />

Rhythmus meiner Heimatstadt São Paulo, das Dröhnen<br />

der Millionen Autos, das Singsang der portugiesischen<br />

Sprache. Und dort - dort vermisse ich den<br />

Blick auf den seltsam unfertigen Wetzlarer Dom, die<br />

Herbstblätter im Wind, das genauso unmöglich zu<br />

übersetzende Wort „Gemütlichkeit“. Es wird immer<br />

diesen Teil von mir geben, der ein ganzes Meer entfernt<br />

von seinem Zuhause ist.<br />

Wenn der Brasilianer von „Saudade“ spricht, nutzt er<br />

es mit dem Verb „bater“: „A saudade bate“. Übersetzt<br />

heißt das „anklopfen“ - wie zaghafte Finger an eine<br />

geschlossene Tür - aber auch „schlagen“ - wie die Faust<br />

in die Magengrube. Und so ist es wohl mit meiner<br />

unübersetzbaren Sehnsucht: Meistens lässt sie sich im<br />

Trubel der Tage überhören, manchmal tut es so weh,<br />

dass ich Blut spucken könnte.<br />

Und gerade dann klammere ich mich an einen Bibelvers,<br />

der mich immer wieder getröstet hat: „Wir haben<br />

hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige<br />

suchen wir“ (Hebräer 13,14). Es ist ein kleiner Satz<br />

im Epilog eines Briefes aus der Bibel. Die Verse davor<br />

sind praktische Tipps des Autors: wie man mit anderen<br />

Menschen umgehen soll, mit dem Ehepartner, mit<br />

seinem Glauben. Und bei all seinen Ratschlägen will<br />

der Schreiber daran erinnern, dass es mehr gibt als die<br />

Welt, die ich jetzt sehe. Ich bin nur auf der Durchreise,<br />

und mein Leben trage ich als gepackten Koffer mit mir<br />

herum. Manchmal verweile ich an einem Ort, atme<br />

durch, finde Ruhe.<br />

Dann wieder stürze<br />

ich mich in den<br />

Strudel der Zeit, treibe mit dem<br />

Ticken der Uhr von Tag zu Tag.<br />

Aber egal, ob ich gerade Wurzeln<br />

schlage oder kurz vorm<br />

Abflug bin, weiß ich, dass mein<br />

Zuhause bei Gott ist.<br />

Gott ist der, der mich mein<br />

ganzes Leben schon kennt.<br />

Er teilt mit mir die Erinnerungen<br />

an Früher und meine<br />

zweigeteilte Kultur. Er versteht<br />

mein brasilianisches Herz und<br />

meinen deutschen Kopf. Er ist<br />

mein Hafen, der sichere Grund<br />

unter meinen Füßen, meine<br />

Heimat. Wenn ich rastlos bin,<br />

wenn die „Saudade“ mir in die<br />

Magengrube boxt - dann weiß<br />

ich, dass eine bleibende Stadt<br />

auf mich wartet. Noch sehe ich<br />

sie nicht, aber trotzdem bin ich<br />

angekommen.<br />

... ich weiß,<br />

dass mein<br />

Zuhause bei<br />

Gott ist.<br />

Tanja Rinsland ist verheiratet und lebt<br />

in Wetzlar. Seit sechs Jahren arbeitet sie<br />

bei <strong>ERF</strong> Medien und leitet die Redaktion<br />

„Persönlich/Biografisch“.<br />

ANTENNE 0304|16<br />

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