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ERF Antenne 0304|2016 Identität

Das Magazin von ERF – Der Sinnsender

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<strong>ERF</strong> THEMA<br />

Auf der Suche<br />

nach Heimat<br />

Noch nie hat Deutschland so viele Menschen<br />

aufgenommen wie im Jahr 2015. Das verändert unser<br />

Land - und wirft Fragen auf: Wer sind wir Deutschen? Wer<br />

wollen wir sein? Und was bedeutet Heimat für Christen?<br />

Die persönliche Spurensuche macht deutlich: Es ist Zeit,<br />

wirklich nach Hause zu kommen.<br />

Von Joachim Bär<br />

Es war ein lauer Sommerabend 2015, als sich meine<br />

Heimat veränderte. Die Sonne hatte einigen<br />

Beeten im Garten zugesetzt und ich brauchte<br />

eine Weile, sie zu wässern. Plötzlich nahm ich ungewohnte<br />

Rufe wahr, ein unaufhörliches Anfeuern, das<br />

bis spät in den Abend andauerte. Ich konnte niemanden<br />

sehen, es hörte sich aber nach einigen Leuten an, die<br />

auf der nahen Wiese Fußball spielten. Ungewöhnlich<br />

war das. Die Wiese wird ansonsten nicht genutzt. Das<br />

Wohngebiet ist ruhig.<br />

Wenig später erfuhr ich von dem Erstaufnahmelager,<br />

das in aller Eile knapp einen Kilometer Luftlinie von<br />

unsrem Haus errichtet worden war. 700 Flüchtlinge<br />

bewohnten zwischenzeitlich das Gelände des örtlichen<br />

Technischen Hilfswerks. Und sie veränderten das gewohnte<br />

Bild der Gegend. Sie flanierten in Gruppen<br />

durch unsere Straße, belegten die Plätze unter Schatten<br />

spendenden Bäumen - und spielten weiterhin Fußball<br />

im Sonnenuntergang. Mein Viertel hatte sich verändert.<br />

Nicht viel, es passierte nichts Schlimmes. Genug<br />

aber, um den Wandel zu spüren.<br />

Meine Gedanken in Gang gesetzt<br />

Ein Wandel, der nichts weiter ist als eine harmlose<br />

Auswirkung tief greifender, weltweiter Veränderungen.<br />

Staaten wie Syrien, Libyen und Irak fallen in<br />

sich zusammen. Knapp 60 Millionen Menschen waren<br />

laut eines Berichts des UN-Flüchtlingshilfswerks<br />

schon Ende 2014 auf der Flucht. Mehr waren es noch<br />

nie, seit ihre Zahl erfasst wird. Über 1 Million von<br />

ihnen kam 2015 nach Deutschland. Ebenfalls historischer<br />

Rekord. Dabei stehen wir wohl erst am Anfang<br />

einer großen Migrationsbewegung nach Europa.<br />

Wir ahnen: Die Welt ordnet sich neu. Und mit ihr<br />

unsere Heimat. Hunderttausende Menschen aufzunehmen<br />

verändert unsere Städte, unsere Dörfer, letztlich<br />

uns selbst. Bei allen Sorgen, die mir das bereitet,<br />

meine ich das auch positiv! Denn auch Heimat hat<br />

ihre fragwürdigen Seiten. Zum Beispiel ein zu großer<br />

Fokus auf Sicherheit, Berechenbarkeit, auf Besitz und<br />

ein wohlgeordnetes Leben. Gepaart mit einem Trägewerden,<br />

der Angst vor Veränderung. Das alles macht<br />

uns weniger offen für andere Menschen. Gerade für<br />

die, die in Not sind.<br />

Fremde Menschen bringen das beschauliche Gleichgewicht<br />

durcheinander. Sie stellen von ganz allein die<br />

Frage, wer ich bin und warum ich so lebe, wie ich lebe.<br />

Ihre <strong>Identität</strong> fordert die meine heraus. So ging es mir<br />

zumindest. Die Menschen, die durch meine Straße<br />

liefen, setzten meine Gedanken in Gang. Der Wandel<br />

war für mich der Beginn einer spannenden Entdeckungsreise.<br />

Ein Weg zu mir selbst und einem guten<br />

Verhältnis zu dem, was ich Heimat nenne. Paradoxerweise<br />

verhalfen mir dazu gerade die Menschen, die<br />

selbst auf der Suche nach einer neuen Heimat sind.<br />

Drei Hauptgedanken markieren diese Reise.<br />

ANTENNE 0304|16<br />

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