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James Tiptree Jr.-Reader

Leseproben der 7 Bändigen Werkausgabe des Septime Verlag, sowie der Biografie von Julie Phillips.

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Ein anderes Regierungsmitglied<br />

erkundigt sich, ob sie viele Kubaner<br />

gefangen genommen hätten. Ein Ausdruck<br />

äußerster Achtsamkeit tritt auf<br />

die Gesichter seiner Gesprächspartner.<br />

»Fidelistas sehr schlecht. Sehr schlechte<br />

Soldaten.« Es stellt sich heraus, dass sie<br />

»sehr gefährlich« meinen.<br />

»Wo sind die kubanischen Gefangenen?<br />

Können wir welche in Augenschein<br />

nehmen?«<br />

Es folgt eine kurze Besprechung<br />

und einer sagt »Fidelisto!« und lacht<br />

auf eine Weise, die Senator Biller besorgt<br />

an die Genfer Konventionen denken<br />

lässt. Ihm schießt ein verräterischer<br />

Gedanke durch den Kopf, an andere<br />

Kindsmänner in anderen Uniformen,<br />

die in die Fremde geschickt wurden,<br />

um für die sowjetische Geopolitik zu<br />

sterben. Er schüttelt ihn ab. Krieg ist<br />

schlimm. Unter kommunistischer Tyrannei<br />

dahinzuvegetieren ist schlimmer.<br />

In diesem Moment äußert der<br />

alte Senator Longmast den Wunsch,<br />

eine Rede vor den versammelten Libra-<br />

und US-Truppen zu halten, und<br />

beginnt mit seiner kurzen Erläuterung<br />

der Frage »Wofür wir hier kämpfen«,<br />

die für ihre hoffnungslose Verspätung<br />

verantwortlich ist. Als man ihn daran<br />

erinnert, dass noch ein Lazarettbesuch<br />

auf dem Programm steht, sagt er: »Das<br />

schulden wir ihnen«, und fährt fort.<br />

Jetzt versucht der Tross auf der<br />

mit Schlaglöchern und anderen Hindernissen<br />

übersäten Straße nach San<br />

Izquierda die verlorene Zeit wieder<br />

hereinzuholen. Gerade kommt ihnen<br />

eine Herde magerer Rinder entgegen,<br />

die zwischen den steilen Böschungen<br />

gefangen ist.<br />

Die Fahrzeuge halten an, und alle<br />

steigen aus, um sich die Beine zu vertreten.<br />

Sie haben einen wunderbaren<br />

Blick auf das von der Abendsonne<br />

beschienene San Izquierda, das sich<br />

um die kaum beschädigte Kathedrale<br />

schmiegt. Schattige, mit Kiefern bestandene<br />

Höhenzüge erstrecken sich in<br />

beide Richtungen. Senator Biller holt<br />

seine Kamera heraus, die anderen tun<br />

es ihm gleich.<br />

Sie stehen an einer kleinen Kreuzung.<br />

Auf der Querstraße hat ein rostiger<br />

Überlandbus angehalten und Leute<br />

steigen aus. Alles ist ganz friedlich. Die<br />

Tropenvögel stimmen ihren exotischen<br />

Abendgesang an. In der Ferne hört<br />

man das Rumpeln schwerer Lastwagen;<br />

ein Konvoi vielleicht.<br />

Neben dem Senator taucht etwas<br />

auf, das aussieht wie ein sich selbstständig<br />

bewegendes Bündel Zweige. Es stellt<br />

sich heraus, dass es auf dem Kopf einer<br />

kleinen alten Frau thront. Biller überlegt,<br />

dass sie und die Stadt sich noch<br />

vor wenigen Wochen unter dem eisernen<br />

Stiefel der Guévaristas befanden.<br />

Er sieht, dass sie ihn neugierig mustert,<br />

grinst breit und sagt: »Libertad!«<br />

»Si! Si!« Sie entblößt ihre Zähne zu<br />

einem strahlenden Lächeln. Das Leben<br />

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