James Tiptree Jr.-Reader
Leseproben der 7 Bändigen Werkausgabe des Septime Verlag, sowie der Biografie von Julie Phillips.
Leseproben der 7 Bändigen Werkausgabe des Septime Verlag,
sowie der Biografie von Julie Phillips.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Dank meiner Vergangenheit als Schöpfer<br />
gefälschten Beweismaterials in den schlechten<br />
alten Zeiten. Fälschung - ich kann das<br />
Wort nicht ausstehen. Auf meine berufen<br />
sich immer noch die Historiker.<br />
In der Mittagspause sah ich mich im<br />
Rapa’s, unserer hiesigen Zufluchtsstätte,<br />
nach Tillie um. Seit Big Brother in Langley<br />
dahintergekommen ist, dass unsere<br />
Jungs und Mädels zu Rapa’s gehen, statt<br />
sich den Pappfraß der Behördenkantine<br />
anzutun, ist Rapa’s ehemalige Kassiererin<br />
durch eine Jungfer mit biederem Rocksaum<br />
und Kamera in jedem, ähm, Augapfel<br />
ersetzt worden. Aber das Essen ist<br />
immer noch gut.<br />
Tillie saß entspannt zurückgelehnt<br />
da, um ihren sinnlichen Mund spielte<br />
ein verträumtes, schiefes Lächeln. Sie<br />
hörte mich kommen und wischte es weg.<br />
Ihre Gelassenheit war nur vorgetäuscht;<br />
ich sah, wie ihre Hand mit ein paar zerpflückten<br />
Streichhölzchen zugange war.<br />
Sie lächelte wieder, aber diesmal, als<br />
ob ihr jemand fünfzig Cent für den rechten<br />
Arm geboten hätte. Aber es war alles<br />
in Ordnung. Ich kannte sie schon, sie hatte<br />
einen ihrer guten Tage. Wir bestellten<br />
Kalbfleisch und Pasta. Einvernehmlich.<br />
»Sieh dir mal das hier an«, lockte ich.<br />
»Uns ist es endlich gelungen, eine flüchtige<br />
Synchronisation mit ihrem Signal<br />
herzustellen und ein paar Einzelbilder<br />
aufzufangen.«<br />
Das Foto war zur Hälfte verschwommen,<br />
der Rest dagegen sehr klar. Tillie<br />
starrte darauf.<br />
»Es ist - es ist -«<br />
»Ja-ha, es ist bildschön. Sie ist schön.<br />
Und dir wie aus dem Gesicht geschnitten,<br />
mein Mädchen.«<br />
»Aber Max, bist du ganz sicher?«<br />
Dass sie meinen Namen aussprach, war<br />
ein gutes Zeichen.<br />
»Ganz. Wir haben gesehen, wie sie<br />
sich bewegt hat. Das hier, Kleines, ist<br />
›das Alien‹. Wir haben es sogar von jedem<br />
großen Filmarchiv auf der Welt überprüfen<br />
lassen. Es ist keine irgendwie geartete<br />
alte Ausstrahlung. Siehst du die Inschrift<br />
auf ihrem Helm und die Schalttafel im<br />
Hintergrund? Sowas hat niemand. Auch<br />
ganz eindeutig, wo die Übertragung herkommt.<br />
Das Schiff da oben ist voller<br />
menschenähnlicher Gestalten. Zumindest<br />
weiblicher … Was hat George herausgefunden?«<br />
»Du bekommst noch eine, äh Kopie«,<br />
sagte sie abwesend, während sie verzückt<br />
das Bild in sich aufnahm. »Er hat<br />
zirka zweihundert Wörter entschlüsselt.<br />
Es ist seltsam. Sie wollen landen - und<br />
irgendwas von wegen Mutter. Sowas wie,<br />
Mutter ist wieder da, oder ist zu Hause.<br />
George meint, ›Mutter‹ würde es am<br />
besten treffen, jedenfalls kriegt er’s nicht<br />
besser hin.«<br />
»Wenn das Mutter ist, mein lieber<br />
Mann! Ah, deine Pasta ist da.«<br />
Sie landeten eine Woche später, nach<br />
heftigem internationalem Tauziehen. Bei<br />
Mexico City, wie jeder weiß. Mit einem<br />
schlichten Senkrechtstarter. Dank Georges<br />
Beziehungen - im wahrsten Sinne<br />
7